Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Vorkostenabzug für Vorfälligkeitsentschädigung
Leitsatz (NV)
- Für den Vorkostenabzug i.S. von § 10e Abs. 6 EStG muss zwischen den als Vorkosten geltend gemachten Aufwendungen und der Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen, d. h. ein Veranlassungszusammenhang ohne Zwischenstufe.
- Muss der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Immobilie eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen, so steht diese Vorfälligkeitsentschädigung nicht mit dem Kauf einer neuen Wohnung in unmittelbarem Zusammenhang, selbst wenn der Steuerpflichtige den Erlös aus dem Verkauf für den Kauf der weiteren Wohnung verwendet.
- Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist dann nicht ausnahmsweise als Finanzierungsaufwand für die Anschaffung einer neuen Immobilie zu beurteilen, wenn der Verkaufserlös dem Steuerpflichtigen zunächst auf einem eigenen Konto gutgebracht wird, selbst wenn er danach seine Absicht verwirklicht, den Verkaufserlös für die Anschaffung eines neuen Objekts zu verwenden.
Normenkette
EStG § 10e Abs. 6 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr (1995) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie hatten im Jahre 1992 das Einfamilienhausgrundstück in M erworben, das sie zu eigenen Wohnzwecken nutzten. Die Anschaffung wurde teilweise durch Darlehen mit Laufzeiten bis zum 31. August 2000 und 31. August 2002 finanziert.
Am 17. Oktober 1995 verkauften die Kläger das Grundstück. Die Besitzübergabe erfolgte zum 1. Dezember 1995. Der beurkundende Notar wurde angewiesen, die Darlehen abzulösen und den verbleibenden Kaufpreis an die Kläger auszuzahlen. Als Ausgleich für die vorzeitige Ablösung verlangte die Bausparkasse eine Vorfälligkeitsentschädigung. Nach Ablösung der Darlehen verblieb den Klägern aus der Veräußerung des Grundstücks ein Überschuss von 41 799,41 DM, der dem Konto der Kläger gutgeschrieben wurde, die davon 41 000 DM zur Finanzierung eines durch einen weiteren Kaufvertrag vom 17. Oktober 1995 erworbenen Grundstücks in B verwendeten. Die Übergabe des Besitzes an diesem Grundstück war zeitgleich mit der Fälligkeit des Kaufpreises zum 2. Januar 1996 vereinbart.
Die Kläger nahmen ab 1996 für die Wohnung in B die Steuerbegünstigung nach § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Anspruch. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1995 machten sie die Vorfälligkeitsentschädigung als Aufwendungen vor Bezug gemäß § 10e Abs. 6 EStG geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) versagte den Abzug. Er verneinte einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der für das veräußerte Haus in M gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung und dem erworbenen Haus in B. Der Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid für 1995 blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1429 veröffentlichten Urteil statt. Es bejahte die Abzugsfähigkeit der Vorfälligkeitsentschädigung als Vorkosten i.S. von § 10e Abs. 6 EStG.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 10e Abs. 6 EStG. Das FG habe zu Unrecht die Vorfälligkeitsentschädigung als "unmittelbar mit der Anschaffung" des neuen Gebäudes zusammenhängenden Aufwand betrachtet. Der im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. April 1996 IX R 5/94 (BFHE 180, 374, BStBl II 1996, 595) für den Ausnahmefall der Abzugsfähigkeit der Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei der Vermietung des neu angeschafften Gebäudes bejahte wirtschaftliche Zusammenhang sei nicht gleichzusetzen mit dem von § 10e Abs. 6 EStG geforderten unmittelbaren Zusammenhang.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die von den Klägern entrichtete Vorfälligkeitsentschädigung gehört nicht zu den Vorkosten i.S. des § 10e Abs. 6 EStG und kann nicht wie Sonderausgaben abgezogen werden.
1. § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG verlangt u.a. einen unmittelbaren Zusammenhang der Aufwendungen mit der Herstellung oder Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung oder der Anschaffung des dazugehörenden Grund und Bodens. Die Vorschrift setzt weiterhin voraus, dass die Aufwendungen im Fall der Vermietung oder Verpachtung der Wohnung als Werbungskosten anerkannt werden könnten. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
a) Ein nur mittelbarer Zusammenhang von Aufwendungen mit der Herstellung oder der Anschaffung einer Wohnung reicht für den Abzug als Vorkosten nicht aus (Senats-Urteil vom 20. September 1995 X R 94/92, BFHE 178, 429, BStBl II 1996, 186). Insofern unterscheiden sich die Voraussetzungen des Vorkostenabzugs von denen des Werbungskostenabzugs (Senats-Urteil vom 17. Mai 2000 X R 13/97, BFHE 192, 463, BStBl II 2000, 665).
b) "Unmittelbar" in diesem Sinn ist ein Veranlassungszusammenhang ohne Zwischenstufe (Senats-Urteil in BFHE 178, 429, BStBl II 1996, 186). So kann z.B. bei Darlehenszinsen der unmittelbare Zusammenhang mit der Anschaffung bejaht werden, wenn das Darlehen zur Finanzierung der Anschaffungskosten aufgenommen worden ist (BFH-Urteil vom 27. Juni 1995 IX R 48/93, BFHE 178, 155, BStBl II 1996, 151; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 31. Dezember 1994, BStBl I 1994, 887 Tz. 91). Insoweit ist der unmittelbare Zusammenhang der Darlehenszinsen mit der Anschaffung des Gebäudes in M ohne weiteres zu bejahen, wie dies auch für die Zinsen gilt, die für Darlehen entstehen, die von den Klägern zur Anschaffung der Wohnung in B aufgenommen wurden.
c) Dagegen kann im Streitfall die Vorfälligkeitsentschädigung nicht in einem solchen unmittelbaren Zusammenhang mit der Anschaffung der Wohnung in B gesehen werden. Sie ist auf die Darlehen zurückzuführen, die für die Anschaffung der Wohnung in M, nicht jedoch für die Wohnung in B aufgenommen wurden. Sie ist Bestandteil der auf die verkürzte Gesamtlaufzeit der Kredite für die Wohnung in M bezogenen Gegenleistung der Kläger und steht somit in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wohnung in M (vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 1999 IV R 55/97, BFHE 188, 406, BStBl II 1999, 473).
Ein Zusammenhang der Vorfälligkeitsentschädigung mit der Anschaffung der Wohnung in B besteht nur deshalb, weil die Kläger sich entschlossen hatten, die Wohnung in B anzuschaffen und sich einen Teil der dafür erforderlichen Mittel durch den Erlös aus dem Verkauf der Wohnung in M zu verschaffen. Die Veräußerung dieser Wohnung und die in diesem Zusammenhang vorgenommene Ablösung der Darlehen sind lediglich Zwischenstufen, die den Zusammenhang der Vorfälligkeitsentschädigung mit der Anschaffung der Wohnung in B vermitteln. Ein unmittelbarer Zusammenhang, für den der bestehende zeitliche Zusammenhang nicht genügt, wird dadurch nicht begründet.
2. Aber selbst wenn man mit dem FG den bestehenden zeitlichen Zusammenhang für die Begründung eines unmittelbaren Zusammenhangs genügen ließe, stünde dem Abzug der Vorfälligkeitsentschädigung als Vorkosten im Streitfall auch entgegen, dass die konkrete Vorfälligkeitsentschädigung nach den Grundsätzen im Urteil des IX. Senats des BFH in BFHE 180, 374, BStBl II 1996, 595 bei einer Vermietung der Wohnung in B nicht als Werbungskosten anerkannt werden könnte.
a) Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Danach umfasst der Begriff der Schuldzinsen zwar auch eine zur vorzeitigen Ablösung eines Darlehens gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung (BFH-Urteil vom 23. Januar 1990 IX R 8/85, BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464). Ist die Vorfälligkeitsentschädigung allerdings durch die Grundstücksveräußerung veranlasst, betrifft sie den nicht steuerbaren Vermögensbereich und ist deshalb nicht als Werbungskosten abziehbar (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464; vom 22. März 1994 IX R 100/91, BFH/NV 1994, 782, und vom 23. September 2003 IX R 20/02, BFHE 203, 362, BFH/NV 2004, 125).
Dementsprechend werden bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb solche Vorfälligkeitsentschädigungen zu den Veräußerungskosten i.S. von § 16 Abs. 2 EStG gerechnet, die den laufenden Gewinn unberührt lassen (BFH-Urteile vom 25. Januar 2000 VIII R 55/97, BFHE 191, 111, BStBl II 2000, 458; vom 18. Oktober 2000 X R 70/97, BFH/NV 2001, 440). Der BFH hat bei der Abgrenzung der einkommensteuerlich erheblichen Sphäre von der einkommensteuerlich unerheblichen Vermögensumschichtung für ausschlaggebend gehalten, dass die Veranlassung der Kreditaufnahme durch die frühere Einkünfteerzielung durch den neuen und engeren Zusammenhang der Kreditkündigung mit der Vermögensumschichtung überlagert werde (BFH in BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464; in BFHE 191, 111, BStBl II 2000, 458).
b) Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Vorfälligkeitsentschädigung nach der vom Steuerpflichtigen getroffenen Gestaltung ausnahmsweise als Finanzierungskosten für die Anschaffung eines neuen, dem Erzielen von Vermietungseinkünften dienenden Objekts zu beurteilen ist. Der hierfür notwendige wirtschaftliche Zusammenhang besteht, wenn sich bereits im Zeitpunkt der Veräußerung eines Grundstücks anhand objektiver Umstände der ―endgültig gefasste― Entschluss feststellen lässt, mit dem nach der vorzeitigen Ablösung des Darlehens verbleibenden Veräußerungserlös wiederum konkret bestimmtes Grundvermögen anzuschaffen, das dem Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21. Juni 1994 IX R 57/89, BFH/NV 1995, 106). Hierzu reicht es allerdings nicht aus, dass der Steuerpflichtige die bloße Absicht hat, den empfangenen Restkaufpreis z.B. zur Ablösung von auf einem anderen Haus lastenden Krediten zu verwenden. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus einem neuen Objekt ergibt sich allenfalls dann, wenn der Steuerpflichtige bereits bei der Veräußerung ―z.B. im Kaufvertrag selbst oder zumindest beim Abschluss des Kaufvertrages― im Vorhinein so unwiderruflich über den verbleibenden Restkaufpreis verfügt, dass er ihn unmittelbar in seiner Verwendung zum Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung mit einem bestimmten Objekt festlegt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 106).
c) Daran fehlt es im Streitfall. Die Käufer des Grundstücks in M waren durch den Kaufvertrag nicht verpflichtet, den von ihnen den Klägern geschuldeten Kaufpreis unmittelbar auf ein z.B. beim Notar eingerichtetes und von diesem treuhänderisch zu verwaltendes Konto des Verkäufers der Wohnung in B zu überweisen. Vielmehr ging ihre Überweisung über den Notar zunächst auf einem Konto der Kläger ein. Infolgedessen hatten die Kläger nicht im Vorhinein und endgültig über den ihnen nach Tilgung der Darlehen verbliebenen Erlös verfügt. Vielmehr lag die Entscheidung über die weitere Verwendung des Geldes weiterhin ausschließlich bei ihnen. Daran ändert der Umstand nichts, dass sie auf dieses Geld zum Erwerb der Wohnung in B angewiesen waren, weil die den Kauf finanzierende Bank von den Klägern den Nachweis von Eigenkapital in Form des Überschusses aus dem Verkauf der Wohnung in M verlangte. Solange der Steuerpflichtige in der Verfügung über sein Geld rechtlich noch frei ist, vermögen sein Entschluss und seine Absicht den nach der Ablösung der Darlehen verbleibenden Überschuss für den Erwerb einer neuen Immobilie zu verwenden, einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht zu begründen, selbst wenn Entschluss und Absicht verwirklicht werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 1129431 |
BFH/NV 2004, 779 |