Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Verlustabzüge (ß 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG und § 6 KStG) einer Organgesellschaft aus vororganschaftlichen Verlusten sind nur von ihren eigenen Einkünften abzugsfähig; sie können nicht auf das beherrschende Unternehmen übertragen werden.
Bei Durchführung eines Ergebnisabführungsvertrags ist es auch steuerlich anzuerkennen, wenn die Organgesellschaft Teile ihres Jahresgewinns dazu verwendet, den handelsrechtlichen Verlustvortrag auszugleichen, soweit auf diese Weise Fehlbeträge am Stammkapital (Grundkapital) und gegebenenfalls an den gesetzlichen Rücklagen beseitigt werden. Die Organgesellschaft hat insoweit
Normenkette
KStG §§ 6, 7/1; EStG § 10/1/4
Tatbestand
Die beschwerdeführende AG (Beschwerdeführerin - Bfin. -) erwarb am 4. Januar 1951 sämtliche Geschäftsanteile der A.-GmbH. Am 10. Februar 1951 wurde zwischen der Bfin. und der A.-GmbH ein Ergebnisabführungsvertrag geschlossen, der in seinen entscheidenden Punkten folgenden Wortlaut hat:
"Die GmbH stellt ihren ganzen Geschäftsbetrieb einschließlich ihres gesamten mobilen und immobilen Vermögens in den Dienst der AG und verpflichtet sich, ihn nach deren Weisungen zu führen ... Die GmbH führt in eigenem Namen, unbeschadet der selbständigen Bilanzierung, ihr Geschäft für Rechnung der AG. Sie ist daher verpflichtet, den Gewinn, der nach Abzug der Aufwendungen einschließlich erforderlicher Abschreibungen und Wertberichtigungen verbleibt, an die AG abzuführen. Die AG verpflichtet sich, der GmbH jährlich einen etwa entstehenden Verlust des laufenden Geschäftsjahres zu vergüten. Gewinne oder Verluste des laufenden Geschäftsjahres werden daher in den Bilanzen der GmbH nicht ausgewiesen. . . . Der vorstehende Vertrag tritt mit dem 1. Januar 1951 in Kraft . . . "
Die A.-GmbH hatte ihrerseits am 4. Januar 1951 sämtliche Geschäftsanteile der B.-GmbH erworben. Am 10. Februar 1951 wurde zwischen der A.-GmbH und der B.-GmbH ebenfalls mit Wirkung vom 1. Januar 1951 ein Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen, der im wesentlichen den Vertragsbestimmungen zwischen der Bfin. und der A.-GmbH entspricht.
Im gegenwärtigen Verfahren handelt es sich darum, inwieweit Verlustvorträge der A.-GmbH und der B.-GmbH, die in deren Handelsbilanzen 1950 ausgewiesen sind, oder inwieweit die steuerrechtlichen Verluste dieser Gesellschaften aus den Jahren II/1948, 1949 und 1950 (Verlustabzüge) das körperschaftsteuerliche Einkommen der Bfin. beeinflussen.
Die B.-GmbH hat in den Geschäftsjahren II/1948 bis 1950 (vororganschaftliche Geschäftsjahre) unstreitig 8900 DM Verluste unter Berücksichtigung der Hinzurechnungen und Kürzungen nach dem Körperschaftsteuergesetz (KStG) - abzugsfähige Verluste - erlitten. Die Handelsbilanz der B.-GmbH vom 31. Dezember 1950 weist einen Verlust von 9700 DM auf.
Die A.-GmbH weist nach der Handelsbilanz vom 31. Dezember 1950 einen Verlust von 33 600 DM aus. In der der vorangehenden Betriebsprüfung angepaßten Steuerbilanz vom 31. Dezember 1950 weist die A.-GmbH einen Verlustvortrag von 35 400 DM aus. Bei der vorläufigen Veranlagung für 1950 wurden Verlustabzüge (Steuerbilanz-Verlust unter Berücksichtigung der Hinzurechnungen und Kürzungen nach dem KStG) aus II/1948 bis 1950 in Höhe von 33 000 DM vorgemerkt.
Zu den Bilanzen vom 31. Dezember 1951 und den Verlust- und Gewinnrechnungen des Geschäftsjahres 1951 der genannten Gesellschaften ist folgendes zu bemerken:
Die Handelsbilanz der B.-GmbH - eine besondere Steuerbilanz ist nicht aufgestellt worden - weist einen im Geschäftsjahre 1951 erzielten Gewinn von 9700 DM aus. Da der Verlustvortrag vom 1. Januar 1951 gleich hoch ist, werden beide Beträge in der Handelsbilanz vom 31. Dezember 1951 miteinander verrechnet, so daß ein neuer Verlustvortrag in dieser Bilanz als übertrag auf neue Rechnung nicht mehr in Erscheinung tritt. Im übrigen ist das Geschäftsergebnis auf Grund des Ergebnisabführungsvertrages mit der A.-GmbH vor dem Bilanzabschluß auf letztere übertragen worden.
Die Handelsbilanz der A.-GmbH auf den 31. Dezember 1951 weist in Verbindung mit der Verlust- und Gewinnrechnung den aus 1950 übernommenen Verlustvortrag von 33 600 DM und einen Gewinn (Verlust) für das Geschäftsjahr 1951 von 0 DM aus, so daß ein Verlustvortrag in gleicher Höhe wie am 1. Januar 1951 zur übertragung auf neue Rechnung verbleibt. Im übrigen ist das Geschäftsergebnis 1951 vor Bilanzabschluß auf die Bfin. übertragen worden. Die Steuerbilanz der A.-GmbH vom 31. Dezember 1951 weist auf der Aktivseite den bisherigen Verlustvortrag in Höhe von 35 400 DM aus. Auf der Passivseite wird ein Gewinn von 2.300 DM ausgewiesen. Der Gewinn beruht im wesentlichen auf abweichenden Bewertungen gegenüber der Handelsbilanz.
Aus ihrem Organverhältnis mit der A.-GmbH macht die Bfin. geltend, daß bei ihr außerhalb der Bilanz ein Verlust abzuziehen sei, dessen Höhe sich aus den bei der A.-GmbH nicht zur Auswirkung gekommenen Verlustabzügen aus II/1948 bis 1950 ergebe.
Das Finanzamt stellte die A.-GmbH und die B.-GmbH von der Körperschaftsteuer 1951 vorläufig frei. Den steuerlichen Gewinn der B.-GmbH (Handelsbilanzgewinn = Steuerbilanzgewinn + nichtabzugsfähige Ausgaben) übertrug das Finanzamt auf die A.-GmbH. Desgleichen beabsichtigte das Finanzamt, den steuerlichen Gewinn der A.-GmbH (Steuerbilanzgewinn + nichtabzugsfähige Ausgaben + steuerliches Ergebnis der B.-GmbH) auf die Bfin. zu übertragen. Die übernahme dieses Ergebnisses zu dem Einkommen der Bfin. wurde nicht mehr durchgeführt, da das Finanzamt auf Grund einer Anweisung der Oberfinanzdirektion neue Berechnungen vornahm. Das Finanzamt war nach der obigen Darstellung der Ansicht, daß die Verlustabzüge (ß 10 Abs. 1 Ziff. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG - und § 6 KStG) der Organgesellschaften aus II/1948 bis 1950 den steuerlich an das beherrschende Unternehmen abzuführenden Gewinn nicht mindern dürfen. Als Folge der Anweisung der Oberfinanzdirektion vertrat das Finanzamt nunmehr die Auffassung, daß von dem nach den Bestimmungen des KStG ermittelten Gewinn der Organgesellschaften zunächst deren Verlustabzüge in entsprechender Höhe abzusetzen seien, so daß nur ein hiernach verbleibendes positives Ergebnis auf das beherrschende Unternehmen zu übernehmen sei. Wenn der Verlustabzug größer sei als der nach den steuerlichen Bestimmungen ermittelte Gewinn, so sei das auf den Organträger zwecks gemeinsamer Veranlagung zu übernehmende Ergebnis 0 DM. Das beherrschende Unternehmen könne von seinem Einkommen den aus dem Betrieb der Organgesellschaft herrührenden Verlustabzug nicht unmittelbar absetzen, denn die Rechtslage sei hier die gleiche wie bei der Anwendung des Schachtelprivilegs (Urteil des Reichsfinanzhofs I A 439/32 vom 18. Februar 1933, Slg. Bd. 33 S. 63, Reichssteuerblatt 1933 S. 647). Für die B.-GmbH folgte hieraus, daß die Verlustabzüge aus II/1948 bis 1950 von 8.900 DM vollen Umfangs angerechnet wurden und nur das verbleibende Ergebnis auf die A.-GmbH übertragen wurde. Da das steuerliche Ergebnis der A.-GmbH kleiner war als die Verlustabzüge aus II/1948 bis 1950, blieben diese in Höhe von rund 29 000 DM unberücksichtigt.
Dem von der Bfin. erklärten Einkommen 1951 hat das Finanzamt keine Beträge aus den nach der obigen Darstellung vorzunehmenden Veranlagungen der B.-GmbH und der A.-GmbH auf Grund der Anweisung der Oberfinanzdirektion hinzugerechnet. Die Berücksichtigung des noch nicht ausgenutzten Teils der Verlustabzüge aus vororganschaftlichen Verlusten der A.-GmbH bei der Veranlagung der Bfin. wurde abgelehnt. Die Verlustabzüge wirkten sich vielmehr nur in der angegebenen begrenzten Weise bei der Ergebnisübertragung von der B.-GmbH an die A.-GmbH und von der letzteren an die Bfin. aus.
Mit der Berufung gegen den vorläufigen Steuerbescheid verfolgte die Steuerpflichtige das Ziel, die Verlustabzüge der A.-GmbH in Höhe des nicht verbrauchten Betrages von rund 29 000 DM zu Lasten des Ergebnisses der Bfin. zu verrechnen.
Das Finanzgericht kam in einer eingehenden Würdigung des Rechtsproblems zu folgendem Ergebnis:
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (z. B. Urteile des Reichsfinanzhofs I A 391/31 vom 31. März / 31. Oktober 1933, Slg. Bd. 34 S. 228, Reichssteuerblatt 1934 S. 684, und I A 128/36 vom 8. September / 3. November 1936, Slg. Bd. 40 S. 185, Reichssteuerblatt 1937 S. 167) bleibe die Organgesellschaft subjektiv steuerpflichtig und könne eigenes Einkommen haben. Dies sei insbesondere der Fall, wenn der Ergebnisabführungsvertrag sich nur auf einen selbständigen Teilbetrieb der Organgesellschaft beziehe. Die sogenannte Einheitstheorie sei für die Körperschaften abzulehnen.
Von Bedeutung für die Errechnung der von der Organgesellschaft an das beherrschende Unternehmen zu übertragenden Ergebnisse sei die Frage der Behandlung der Personensteuern der Organgesellschaft. Das Finanzgericht sei in übereinstimmung mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 109/53 U vom 24. November 1953, Slg. Bd. 58 S. 281, Bundessteuerblatt (BStBl) 1954 III S. 21, der Auffassung, daß der auf die Personensteuer entfallende Gewinn nicht dem beherrschenden Unternehmen zuzurechnen sei, sondern bei der Organgesellschaft verbleibe. Das vom Reichsfinanzhof verfolgte Verfahren, nichtabzugsfähige Ausgaben usw. der Organgesellschaften dem Einkommen des beherrschenden Unternehmens zuzurechnen, finde im KStG keine Stütze. Es handle sich sachlich nicht um Personensteuern des beherrschenden Unternehmens, sondern der Organgesellschaft. Würden die nicht abzugsfähigen Steuern der Organgesellschaft dem Einkommen des beherrschenden Unternehmens hinzugerechnet, so sei darauf hinzuweisen, daß Leistungen des beherrschenden Unternehmens auf Grund von Ergebnisabführungsverträgen grundsätzlich bei ihm Betriebsausgaben seien und es jedenfalls dem System des geltenden KStG fremd sei, nicht abzugsfähige Steuern einer Kapitalgesellschaft (nämlich der Organgesellschaft) einer anderen Person (dem beherrschenden Unternehmen) hinzuzurechnen. Wie bereits ausgeführt, stehe die Kammer auf dem Standpunkt, daß die Organgesellschaft nicht nur subjektiv steuerpflichtig sei, sondern auch grundsätzlich eigenes Einkommen haben könne. Die nichtabzugsfähigen Steuern der Organgesellschaft hätten den an das beherrschende Unternehmen abzuführenden Betrag gemindert oder den der Organgesellschaft zu erstattenden Betrag erhöht. Es handle sich somit um einen Teil des Einkommens der Organgesellschaft.
Die in den Verlust- und Gewinnrechnungen der A.-GmbH und der B.-GmbH als Ausgaben gebuchten nichtabzugsfähigen Steuern seien daher dem Einkommen dieser Gesellschaften hinzuzurechnen, da es sich um deren Steuern handle.
Die weitere Frage gehe dahin, ob der Steuerbilanzgewinn oder der Handelsbilanzgewinn der Organgesellschaft an das beherrschende Unternehmen abzuführen sei.
Der Reichsfinanzhof habe in der Entscheidung I A 401/32 vom 25. September 1934/22. Januar 1935, Slg. Bd. 37 S. 151 ff., Reichssteuerblatt 1935 S. 517, ausgeführt: "Nicht der etwa nach der Handelsbilanz des Organs ausgewiesene und der Muttergesellschaft zugeführte Betrag, der je nach Wunsch der Beteiligten beliebig gering berechnet werden kann, ist maßgebend, sondern das nach den gesetzlichen Vorschriften zu errechnende Einkommen".
Wenn grundsätzlich dem beherrschenden Unternehmen solche Beträge zuzurechnen seien, die es auf Grund des Ergebnisabführungsverträge erhalten habe, so sei zu fordern, daß für derartige Verträge ein Modus gewählt werde, durch den das abzuführende oder zu erstattende Ergebnis möglichst frei von Manipulationsmöglichkeiten bestimmt werden könne. Es sei bei dieser Rechtsauffassung zu bezweifeln, daß ein nach den handelsrechtlichen Vorschriften bei der Organgesellschaft errechnetes Ergebnis eine geeignete Grundlage für einen Ergebnisabführungsvertrag bilden könne. Die Kammer halte es deshalb für geboten, dem beherrschenden Unternehmen den Steuerbilanzgewinn zuzurechnen.
Auf Grund dieser Erwägungen sei die weitere Frage zu prüfen, wie der vororganschaftliche Verlust der Organgesellschaft bei dem beherrschenden Unternehmen zu behandeln sei. Hier könne der teilweise vertretenen Ansicht (vgl. Urteil des Finanzgerichts Stuttgart vom 22. September 1953, "Die Wirtschaftsprüfung" 1953 S. 502) nicht zugestimmt werden, daß es im Sinne der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs gelegen habe, auf der Grundlage der vororganschaftlichen Verluste der Organgesellschaft das Einkommen des beherrschenden Unternehmens zu mindern. Nicht nur der Bundesfinanzhof, sondern auch der Reichsfinanzhof hätten ständig den Standpunkt vertreten, daß die Organgesellschaft nicht nur subjektiv steuerpflichtig sei, sondern daß sie auch eigene Einkünfte haben könne. Hierzu komme, daß der Verlustvortrag (nach früherem Recht) und der Verlustabzug an die Person desjenigen geknüpft seien, der den Verlust erlitten habe. Die Auffassung der Oberfinanzdirektion, nach der die Verlustabzüge der Organgesellschaften das an das beherrschende Unternehmen abzuführende Ergebnis mindern und damit sich auch teilweise bei diesem auswirken, lehnte das Finanzgericht ab. Es gehe zu weit, eine an die Person gebundene steuerliche Vergünstigungsvorschrift ganz oder zum Teil im Rahmen eines zivilrechtlichen Ergebnisabführungsvertrages sich bei einer anderen Gesellschaft auswirken zu lassen. Die Organgesellschaft könne somit den vororganschaftlichen Verlust nur insoweit einkommensmindernd verwenden, als sie eigenes Einkommen habe.
In Verbindung hiermit trete die Frage auf, ob nicht die handelsbilanzmäßigen Verlustvorträge der Organgesellschaft die an das beherrschende Unternehmen abzuführenden Ergebnisse mindern. Dies hätte zur Voraussetzung, daß die Ergebnisabführungsverträge sich nicht nur auf den Zeitabschnittsgewinn erstreckten, sondern auch auf den handelsrechtlichen Verlustvortrag (ß 42 Ziff. 5 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbH -), der vor Inkrafttreten der Ergebnisabführungsverträge vorgelegen habe. Nach dem Kommentar von Blümich-Klein-Steinbring zum Körperschaftsteuergesetz, 2. Auflage, Anm. 66 zu § 1, seien derartige vororganschaftliche Verluste nicht zu berücksichtigen, während im Schrifttum (z. B. Eyerich , Vororganschaftlicher Verlust bei Ergebnisausschlußverträgen in "Der Betriebs-Berater" 1954 Heft 53 S. 1026) die steuerliche Anerkennung derartiger Abmachungen bejaht werde. Zu dieser Frage brauche jedoch im gegenwärtigen Verfahren keine Stellung genommen zu werden, weil nach Auffassung der Kammer die beiden hier in Betracht kommenden Ergebnisabführungsverträge lediglich den Zeitabschnittsgewinn erfaßten.
Zusammenfassend ging somit das Finanzgericht von der Rechtsauffassung aus, daß die Personensteuern der Organgesellschaften bei diesen Gesellschaften zu erfassen seien, daß den beherrschenden Unternehmen das steuerbilanzmäßige Ergebnis zuzurechnen sei, und daß der vororganschaftliche Verlust in Form des Verlustabzuges nur der Organgesellschaft zustehe, also nicht auf das beherrschende Unternehmen übertragen werden könne. Hinsichtlich des handelsbilanzmäßigen Verlustvortrages war es der Auffassung, daß nach der tatsächlichen Vertragsgestaltung nur die sogenannten Zeitabschnittsgewinne bei Errechnung der Ergebnisse zugrunde zu legen seien. Im Ergebnis hat das Finanzgericht deshalb dem Einkommen der Bfin. den Steuerbilanzgewinn der A.-GmbH und den Steuerbilanzgewinn (= Handelsbilanzgewinn) der B.-GmbH durch übertragung auf die A.-GmbH und von dieser auf die Bfin. hinzugerechnet.
Die Rechtsbeschwerde der Steuerpflichtigen vertritt die Ansicht, daß der vororganschaftliche bisher nicht ausgeglichene Verlust der A.-GmbH in Höhe von rund 29 000 DM auch das Ergebnis der Bfin. mindern müsse. Es sei das steuerliche Ergebnis der Organgesellschaft auf das beherrschende Unternehmen zu übertragen. Hierzu gehöre auch der auf die Personensteuern entfallende Gewinn und aus der gleichen rechtlichen Beurteilung heraus der der Organgesellschaft zustehende Verlustabzug. Die Verlustabzüge der Organgesellschaften stünden somit auch dem beherrschenden Unternehmen (der Bfin.) zu.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rechtsbeschwerde ergibt folgendes:
Die Rechtsauffassung des Finanzgerichts entspricht in den wesentlichen Punkten der Rechtsauffassung des später ergangenen Urteils des Bundesfinanzhofs I 73/54 U vom 8. März 1955, Slg. Bd. 60 S. 489, BStBl 1955 III S. 187.
Mit Recht hat das Finanzgericht die sogenannte Einheitstheorie (auch Filialtheorie genannt) abgelehnt. Das hat zur Folge, daß die steuerlichen Gewinne des beherrschenden Unternehmens und der Organgesellschaft, die durch den Ergebnisabführungsvertrag verbunden sind, nach den allgemeinen, das Steuerrecht beherrschenden Grundsätzen zu errechnen sind. Hierbei ist grundsätzlich der Organvertrag als von den Steuerpflichtigen geschaffener und von den Steuerbehörden anerkannter Tatbestand zugrunde zu legen, da es sich, wenn die Voraussetzungen der Organschaft gegeben sind, um eine zulässige bürgerlich-rechtliche Gestaltung handelt. Die gegenteilige Auffassung, die ein eigenes steuerpflichtiges Einkommen der Organgesellschaft nicht anerkennt, sondern nur ein Einkommen des beherrschenden Unternehmens, das das gemeinsame Einkommen der beiden Rechtspersönlichkeiten umfaßt, beruht auf der Einheitstheorie.
Zutreffend hat auch das Finanzgericht den rechtlichen Unterschied zwischen dem steuerlichen Mehrergebnis auf Grund der abweichenden Beurteilung von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben in der Steuerbilanz und in der Handelsbilanz gegenüber dem auf die Personensteuern entfallenden Gewinn begründet. Ergänzend zu den Ausführungen unter Ziff. 4 des Urteils des Bundesfinanzhofs I 73/54 U sei auch auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen:
Wenn das Steuerrecht den Ergebnisabführungsvertrag zwischen dem beherrschenden Unternehmen und der Organgesellschaft anerkennt, so bedeutet dies nicht, daß das in der Handelsbilanz ausgewiesene Ergebnis zu übernehmen sei. Es müssen hier gleichartige Grundsätze angewandt werden, wie sie die Rechtsprechung allgemein z. B. für Verträge zwischen Eltern und Kindern (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 246/50 S vom 22. August 1951, Slg. Bd. 55 S. 449, BStBl 1951 III S. 181; IV 83/50 U vom 17. Oktober 1951, Slg. Bd. 55 S. 548, BStBl 1951 III S. 223; I 193/55 U vom 6. Dezember 1955, BStBl 1956 III S. 17), sowie zwischen Gesellschaftern und ihren juristischen Körperschaften (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 20/50 U vom 7. November 1950, Slg. Bd. 55 S. 27, BStBl 1951 III S. 12; I 160/54 U vom 16. August 1955, Slg. Bd. 61 S. 401, BStBl 1955 III S. 353; I 47/55 U vom 11. Oktober 1955, Slg. Bd. 61 S. 515, BStBl 1955 III S. 397) ausgesprochen hat. Die Anerkennung des Organvertrages setzt voraus, daß das tatsächlich erzielte Ergebnis der Organgesellschaft auf das beherrschende Unternehmen zu übertragen ist. Als dieses Ergebnis kann aber nicht das in der Handelsbilanz ausgewiesene Ergebnis anerkannt werden, da der Kaufmann hier nicht durch Mindestansätze für die Betriebsvermögensgegenstände gebunden ist. Vielmehr muß das Steuerbilanzergebnis als das nach dem Vertrag abzuführende Ergebnis angesehen werden. Dem Steuerrecht widerspricht es, über ein gesetzlich gegebenes Wahlrecht hinaus dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zu geben, den Gewinn durch willkürliche Gestaltungen zu beeinflussen, wie es jeweils steuerlich am günstigsten ist. Es wird das Steuerbilanzergebnis nicht deshalb auf die Muttergesellschaft übertragen, weil die Organgesellschaft kein eigenes Einkommen haben kann, sondern deshalb, weil der dem Vertrag entsprechende Betrag das in der Steuerbilanz ausgewiesene Ergebnis darstellt. Diese Grundsätze kommen auch in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 401/32 zum Ausdruck.
Bei den Personensteuern ist die Rechtslage anders. Hier handelt es sich um Teile des steuerlichen Einkommens der Organgesellschaft, die nach dem Ergebnisabführungsvertrag nicht übernommen werden und im allgemeinen handelsrechtlich auch nicht übernommen werden dürfen. Der Organgesellschaft müssen diese Beträge verbleiben, weil sie damit eine ihr persönlich obliegende öffentlich-rechtliche Verpflichtung erfüllt. Die Mittel zu Erfüllung eigener Verpflichtungen müssen einer Organgesellschaft belassen werden, wenn man sie nicht im Laufe der Zeit hinsichtlich ihres Vermögens aushöhlen will, was zwingendem Handelsrecht widersprechen würde. Die Organgesellschaft muß deshalb die Einkommensteile, die auf Personensteuern beruhen, selbst versteuern. Siehe hierzu auch die Ausführungen in dem Erläuterungsbuch zum Körperschaftsteuergesetz von Mirre-Dreutter S. 103 ff. Soweit man eine gegenteilige Handhabung nicht auf Vereinfachung gründet, liegt ihr die vom Reichsfinanzhof und ihm folgend auch vom Senat abgelehnte Einheitstheorie zugrunde.
Dagegen bestehen Bedenken gegen die Würdigung des Finanzgerichts hinsichtlich der Behandlung des handelsbilanzmäßigen Verlustvortrages der B.-GmbH. Wie das Finanzgericht selbst ausführt und auch in der Entscheidung I 73/54 U ausdrücklich hervorgehoben wird, ist für die steuerliche Anwendung der Ergebnisabführungsvereinbarung die handelsrechtliche Wirksamkeit entscheidend. Diese Erkenntnis tritt in der Rechtsprechung und in der Literatur immer mehr zu Tage. Siehe hierzu die Ausführungen in dem Urteil des Finanzgerichts München vom 24. November 1954, Entscheidungen der Finanzgerichte 1955 S. 79, und von Henze in "Der Betriebs-Berater" 1956 S. 169 ff. Hiernach können Gewinne von der Organgesellschaft an das beherrschende Unternehmen nur unter der Voraussetzung übertragen werden, daß zwingende gesetzliche Bestimmungen nicht entgegenstehen. Von der gleichen Ansicht geht auch Abschn. 49 Abs. 3 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) 1951 hinsichtlich des Kapitalentwertungskontos der Organgesellschaft aus. Die Richtlinien sind ebenfalls der Ansicht, daß die Organgesellschaft eigenes Einkommen haben kann. Hierzu rechnen sie die von der Organgesellschaft für die Tilgung des Kapitalentwertungskontos aufgebrachten Beträge, die bei der Einkommensbesteuerung der Organgesellschaft zu erfassen sind.
Die gleiche Lage wie beim Kapitalentwertungskonto ist auch dort gegeben, wo ein Verlustvortrag der Organgesellschaft vorliegt, der das Stammkapital und bei Aktiengesellschaften (siehe § 130 des Aktiengesetzes) die gesetzliche Rücklage angreift. Die entsprechenden Bestimmungen sind zwingend, weil sie dem Gläubigerschutz dienen. Sie unterliegen nicht der Gestaltungsfreiheit zwischen dem beherrschenden Unternehmen und der Organgesellschaft. Auch hier wird man also davon ausgehen müssen, daß der Ergebnisabführungsvertrag die Verpflichtung der Organgesellschaft nicht beseitigen kann, die Fehlbeträge am Stammkapital (Grundkapital) und gegebenenfalls an der gesetzlichen Rücklage auszugleichen, ehe Gewinn an das beherrschende Unternehmen abgeführt werden.
Im vorliegenden Fall verfügt die B.-GmbH bei einem Stammkapital von 10 000 DM nur noch über ein Aktivvermögen von 200 DM. Handelsbilanzmäßig wurde ein Betrag von 9700 DM (handelsrechtlicher Verlustvortrag) der Firma zur Auffüllung ihres Stammkapitals belassen. Man wird dies als eine zulässige Maßnahme im Rahmen des Ergebnisabführungsvertrages ansehen müssen, die auch steuerlich anzuerkennen ist. Es liegt kein Umgehungstatbestand vor. Die Firma ist lediglich ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach § 30 GmbHG nachgekommen. Dies hat zur Folge, daß bei der Bfin. sich der Steuerbilanzgewinn um den gleichen Betrag mindert.
Wie bereits ausgeführt, gründet sich die Rechtsauffassung der Bfin. im Ergebnis auf die Einheitstheorie. Die Bfin. verkennt aber, daß bei ihrer Anwendung der vororganschaftliche Verlust nicht nur dem beherrschenden Unternehmen, sondern auch der Organgesellschaft verloren gehen würde, wie in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 254/55 U vom 31. Januar 1956, BStBl 1956 III S. 91, im einzelnen dargestellt wird. Auch das Finanzgericht hat in seiner Begründung unter Bezug auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs für Umwandlungen und Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften hierauf hingewiesen. Die von der Bfin. vorgetragene Rechtsauffassung würde sich im Streitfalle im Ergebnis zu ihren Ungunsten auswirken.
Das vom Finanzgericht der Veranlagung zugrunde gelegte Einkommen der Bfin. mindert sich hiernach um den der B.-GmbH zur Tilgung des Verlustvortrags überlassenen Steuerbilanz- (= Handelsbilanz-) gewinn von 9700 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 408418 |
BStBl III 1956, 151 |
BFHE 1956, 407 |
BFHE 62, 407 |
BB 1956, 425 |
DB 1956, 468 |