Leitsatz (amtlich)
Ein Unternehmer, der mit seinen Handelsvertretern vereinbart hat, daß deren Provisionsanspruch rechtlich bereits mit der Beendigung der Vermittlungstätigkeit oder dem Abschluß des Geschäfts entstehen soll, kann auch vor Ausführung des Geschäfts geleistete Provisionszahlungen als Betriebsausgaben abziehen.
Orientierungssatz
Anzahlungen sind auch dann zu aktivieren, wenn sie auf Dienstleistungen erbracht werden (vgl. BFH-Urteil vom 4.8.1976 I R 145/74). Anzahlungen in diesem Sinne liegen nur vor, wenn es sich um Vorleistungen auf eine von dem anderen Vertragspartner zu erbringende Lieferung oder Leistung handelt (vgl. BFH-Urteil vom 3.7.1980 IV R 138/76).
Normenkette
EStG § 5; HGB § 87a; AktG § 151 Abs. 1
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) stellt seit März 1970 verschiedene Waren her und vertreibt diese über einen Versandhandel. Die Lieferverträge mit den Kunden --in der Regel handelte es sich um Kleinaufträge im Wert von unter 100 DM-- wurden in den Streitjahren 1970 und 1971 durch selbständige Handelsvertreter vermittelt. Für deren Tätigkeit galten im wesentlichen folgende vertragliche Vereinbarungen:
§ 3
Als Provision für die vermittelten und ausgeführten Kaufverträge wird vereinbart: 4 DM pro Packung.
Mit dieser Provision ist die Tätigkeit voll abgegolten, so daß eine darüber hinausgehende Erstattung von Reisekosten, Postgebühren und Spesen nicht erfolgt.
§ 8 Abs. 1
Der Provisionsanspruch ist jedoch erst verwirklicht, wenn die bestellte Ware an den Kunden ausgeliefert und der Kaufpreis bezahlt ist.
Abs. 2
Eventuelle Auftragsstornierungen werden dem Handelsvertreter angezeigt, und er verpflichtet sich, die auf diesen Auftrag schon erhaltene oder kassierte Provision zurückzuzahlen.
§ 9 ......
Abs. 4
Ausgezahlte Provisionen, für die der Provisionsanspruch durch Lieferung und Zahlung noch nicht verwirklicht ist, gelten ohne besonderen Hinweis als Provisionsvorschuß.
Abs. 5
Wird die Provision sofort ausgezahlt, so gilt der wöchentliche Provisionsabrechnungsbeleg als Abrechnung.
Nach dem Vortrag des Klägers im Klageverfahren soll für alle Handelsvertreter in den Streitjahren jedoch folgende Zusatzvereinbarung getroffen worden sein:
"Ich ... erhalte von der Firma A auf meine eingereichten Aufträge wöchentlich hierauf meinen Provisionsanspruch ausgezahlt. Diese Provisionsauszahlung ist und gilt als endgültig und verdient.
Eventuelle Auftragsstornierungen werden von der Firma angezeigt und von mir zurückbezahlt.
Der § 9 im Handelsvertretervertrag ist bis auf den letzten Absatz im übrigen ungültig.
Ebenso wird aus dem § 8 im Handelsvertretervertrag der erste Absatz ungültig."
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) gaben die Handelsvertreter am Freitag jeder Woche die Bestellscheine ab und erhielten dann jeweils am Donnerstag der folgenden Woche die entsprechenden Provisionsbeträge ausgezahlt. Die von den Handelsvertretern eingereichten Bestellscheine enthielten neben den einzelnen bestellten Mengen genaue Liefertermine, die in nicht unerheblichem Umfang in das nächstfolgende Wirtschaftsjahr hinüberreichten. Der Kläger behandelte in den Streitjahren sämtliche Zahlungen an seine Handelsvertreter als sofort abziehbare Aufwendungen.
Nach einer Steuerfahndungsprüfung verlangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) unter Berufung auf die §§ 8 Abs.1 und 9 Abs.4 des Handelsvertretervertrages die Aktivierung der Beträge, die auf erst im Folgejahr zu erbringende Lieferungen gezahlt worden waren. Das FA ging dabei davon aus, daß in den Streitjahren nur der Handelsvertretervertrag ohne die Zusatzvereinbarung galt. Die Aktivierung führte für die Jahre 1970 und 1971 zu Gewinnerhöhungen um 351 825 DM und 169 018 DM.
Der Einspruch des Klägers blieb in diesem Punkt ohne Erfolg.
Das FG wies die Klage mit (im wesentlichen) folgender Begründung ab: Die streitigen Zahlungen seien als Anzahlungen zu aktivieren. Die Handelsvertreter hätten zwar im Zeitpunkt der Zahlung durch den Kläger ihre Vermittlungsleistung bereits erbracht gehabt. Die Provisionsverpflichtung des Klägers sei jedoch nach § 87a Abs.1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) erst mit der Ausführung des vermittelten Geschäfts durch ihn entstanden. Aus § 87a Abs.2 HGB folge, daß der Provisionsanspruch des Handelsvertreters nicht bereits mit dem Abschluß des vermittelten Geschäfts unbedingt entstehe, sondern durch die Ausführung des Geschäfts aufschiebend und nicht auflösend bedingt sei. Aus dem vom Kläger gehandhabten Abrechnungsmodus lasse sich nicht schließen, daß die Provisionsansprüche bereits im Zeitpunkt des Abschlusses der Geschäfte unbedingt entstanden seien. Aus dem Handelsvertretervertrag und der Zusatzvereinbarung ergebe sich vielmehr, unabhängig davon, ob --wie der Kläger behaupte-- für alle Handelsvertreter in den Streitjahren bereits die Zusatzvereinbarung gegolten habe, daß die Entstehung der Provisionsansprüche letztlich an die Ausführung des Geschäfts auch durch die Kunden geknüpft gewesen sei. Alle vorher geleisteten Zahlungen seien deshalb als Anzahlungen zu aktivieren.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe die vertraglichen Vereinbarungen zwischen ihm, dem Kläger, und den Handelsvertretern unrichtig ausgelegt. Er sei in Übereinkunft mit den Handelsvertretern davon ausgegangen, daß der Provisionsanspruch bereits mit Abschluß des Geschäfts entstehen sollte, und daß die Vertreter nur in dem Ausnahmefall einer Auftragsstornierung verpflichtet sein sollten, die erhaltene Provision zurückzuzahlen. Der Provisionsanspruch der Handelsvertreter sei deshalb nicht aufschiebend, sondern durch die Erfüllung des Geschäfts durch den Kunden auflösend bedingt gewesen. Die Geschäfte seien nur unwesentlich mit einem Stornierungsrisiko behaftet gewesen, so daß mit Abschluß des Vertrags das eigentliche Geschäft bereits "gelaufen" gewesen sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Gewinn aus Gewerbebetrieb für das Jahr 1970 um 351 825 DM und für das Jahr 1971 um 169 018 DM zu mindern.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG durfte in seiner Entscheidung nicht offenlassen, ob und ggf. in welchen Fällen in den Streitjahren für die Tätigkeit der Handelsvertreter ausschließlich der ursprüngliche Handelsvertretervertrag galt oder ob dieser Vertrag nur in Verbindung mit der Zusatzvereinbarung maßgeblich war. Die Aktivierung der streitigen Zahlungen als Anzahlungen ist nur im ersteren Fall gerechtfertigt.
1. Anzahlungen sind nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 151 Abs.1 Aktivseite III B 1 des Aktiengesetzes (AktG) 1965 auch dann zu aktivieren, wenn sie, wie möglicherweise im Streitfall, auf Dienstleistungen erbracht werden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4.August 1976 I R 145/74, BFHE 119, 468, BStBl II 1976, 675). Doch liegen Anzahlungen in diesem Sinn nur vor, wenn es sich dabei um Vorleistungen auf eine von dem anderen Vertragspartner zu erbringende Lieferung oder Leistung handelt (BFH-Urteil vom 3.Juli 1980 IV R 138/76, BFHE 131, 57, BStBl II 1980, 648, Buchst.a der Entscheidungsgründe). Ein Unternehmer, der an seine Handelsvertreter schon vor Ausführung des Geschäfts durch ihn Provisionsbeträge zahlt, leistet nach Auffassung des Senats allerdings nicht mehr vor, wenn er mit den Handelsvertretern vereinbart hat, daß deren Provisionsanspruch rechtlich bereits mit der Beendigung der Vermittlungstätigkeit oder dem Abschluß des Geschäfts entstehen soll.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die Provisionsverpflichtung des Unternehmers gegenüber dem Handelsvertreter zu passivieren und sind demgemäß hierauf geleistete Zahlungen als Betriebsausgaben sofort abziehbar, sobald der Provisionsanspruch rechtlich entstanden ist (vgl. Urteile in BFHE 119, 468, BStBl II 1976, 675, und vom 19.Oktober 1972 I R 50/70, BFHE 107, 426, BStBl II 1973, 212 m.w.N.). Bei Geltung der gesetzlichen Regelung ist dies gemäß § 87a Abs.1 Satz 1 HGB frühestens der Fall, wenn der Unternehmer das vermittelte Geschäft ausführt. Die Vermittlung als solche oder auch der Abschluß des Geschäfts führen danach noch nicht zur Entstehung eines vollwertigen Provisionsanspruchs, obgleich der Handelsvertreter seine Leistung bereits erbracht hat (s. z.B. Schröder in Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, 5.Aufl., § 87 Anm.1).
Durch entsprechende rechtsgeschäftliche Vereinbarungen kann die Entstehung des Provisionsanspruchs jedoch entweder zeitlich vorverlegt oder aber auch hinausgezögert werden (§ 87a Abs.1 Satz 2 HGB; s. hierzu u.a. auch Schröder, a.a.O., § 87a Anm.10 ff. mit weiteren Hinweisen). Dieser Zeitpunkt ist dann grundsätzlich auch maßgebend für die Frage, ob es sich bei den Zahlungen des Unternehmers an seine Handelsvertreter um Anzahlungen, die zu aktivieren sind, oder um sofort abziehbare Aufwendungen handelt (vgl. Urteil in BFHE 119, 468, BStBl II 1976, 675; für den Fall der Vorverlegung des Zeitpunkts der Anspruchsentstehung s. insbesondere Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 5 EStG Anm.1545, 3.Abs.; Clemm, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht --JbFSt-- 1979/80, S.173, 186; Müller-Dott, Steuerberater-Jahrbuch --StbJb-- 1983/84, S.265, 282; Roemer, Die Realisierung des Handelsvertreterprovisionsanspruchs, S.158 u. 170, 171).
2. Aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs.2 FGO) kann der Senat jedoch nicht abschließend beurteilen, wann die Provisionsansprüche der einzelnen Handelsvertreter des Klägers entstanden waren.
a) Soweit in den Streitjahren allein von dem Handelsvertretervertrag ausgegangen werden müßte, ergibt sich aus dessen §§ 8 Abs.1 und 9 Abs.4 --wie das FG zutreffend entschieden hat-- eindeutig, daß der Provisionsanspruch (vereinbarungsgemäß) erst nach der Lieferung durch den Kläger mit der Bezahlung durch die Kunden entstehen sollte. Der Senat pflichtet dem FG auch darin bei, daß der Kläger in diesem Fall nach den oben dargestellten Grundsätzen die vor Ausführung des Geschäfts an seine Handelsvertreter geleisteten Zahlungen als Anzahlungen zu aktivieren gehabt hätte (vgl. insbesondere Urteil in BFHE 119, 468, BStBl II 1976, 675).
b) Soweit jedoch in den Streitjahren die Zusatzvereinbarung und der dadurch modifizierte Handelsvertretervertrag als maßgebliche Rechtsgrundlagen anzusehen sein sollten, teilt der erkennende Senat nicht die Auffassung des FG, es lägen auch in diesem Fall aktivierungspflichtige Anzahlungen vor.
aa) Das FG ging davon aus, daß die vertraglichen Vereinbarungen des Klägers mit den Handelsvertretern widersprüchlich und deshalb auslegungsbedürftig seien. Es kam schließlich zu dem Ergebnis, daß in der Zusatzvereinbarung lediglich eine Fälligkeitsabrede gesehen werden könne.
Diese Auslegung, an die der Senat nicht gebunden ist (vgl. hierzu die Urteile des BFH vom 5.Mai 1976 I R 166/74, BFHE 119, 478, BStBl II 1976, 717, und vom 30.November 1977 I R 27/75, BFHE 124, 56, BStBl II 1978, 149), ist unzutreffend. Der Senat folgert aus dem Wortlaut der Zusatzvereinbarung "diese Provisionszahlung ist und gilt als endgültig und verdient", daß die vertragschließenden Parteien damit den Entstehungszeitpunkt des Provisionsanspruchs --entgegen der gesetzlichen Regelung in § 87a Abs.1 Satz 1 HGB-- allein an den Abschluß des Geschäfts durch den Handelsvertreter knüpfen wollten, und sieht darin nicht --wie das FG-- lediglich eine Fälligkeitsabrede. Aufgrund dieser Regelung sollten die Handelsvertreter vielmehr bereits im Zeitpunkt des Abschlusses der Geschäfte einen durchsetzbaren Anspruch auf Provision erhalten und nicht nur einen Anspruch auf Provisionsvorschuß. Eine solche Vereinbarung wäre für beide Parteien auch im Hinblick auf die praktische Abwicklung des Handelsvertreterverhältnisses vorteilhaft gewesen. Die Handelsvertreter des Klägers vermittelten eine Vielzahl von Kleinaufträgen (i.d.R. unter 100 DM) mit verhältnismäßig geringem Stornierungsrisiko. Der Geschäftserfolg trat damit bereits mit dem Abschluß bzw. der Vermittlung des Geschäfts ein, so daß wöchentlich eine --insoweit endgültige-- Abrechnung vorgenommen werden konnte. Die Führung eines Vorschußkontos für jeden Handelsvertreter und die dadurch veranlaßte Überwachung und Kontrolle waren bei Geltung der Zusatzvereinbarung entbehrlich.
Der Umstand, daß bei eventuellen Auftragsstornierungen die Handelsvertreter bereits erhaltene Provisionen zurückzuzahlen hatten, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Es handelt sich insoweit um eine lediglich auflösende Bedingung (vgl. hierzu auch Schröder, a.a.O., § 87 Anm.1; Roemer, a.a.O., S.22 ff.). Die Handelsvertreter sollten vernünftigerweise ihre Provision endgültig nur behalten dürfen, wenn durch die Leistung des Kunden das vermittelte Geschäft auch tatsächlich realisiert wurde. Diese Vereinbarung hatte jedoch auf die Entstehung des Provisionsanspruchs keinen Einfluß. Zu Unrecht stützt sich das FG für seine Auffassung auf den durch die Zusatzvereinbarung unverändert gebliebenen Wortlaut des § 3 des Handelsvertretervertrags. Diese Regelung betrifft die Höhe der Provision von 4 DM pro Packung und nicht die Frage des Entstehens oder Weiterbestehens des Provisionsanspruchs. Das ergibt sich insbesondere aus dem letzten Satz des § 3, wonach mit der Provision von 4 DM alle Unkosten des Handelsvertreters abgegolten sind und darüber hinaus kein Anspruch auf Kostenerstattung oder weiteren Auslagenersatz besteht. Die im Streitfall entscheidende Frage, wann der Provisionsanspruch entsteht, ist allein in §§ 8 und 9 des Handelsvertretervertrags geregelt, die allerdings möglicherweise durch die Zusatzvereinbarung im Sinne der vom Senat gefundenen Auslegung modifiziert wurden.
bb) Soweit die Zusatzvereinbarung bereits in den Streitjahren galt, wurde demnach durch sie der Zeitpunkt der zivilrechtlichen Entstehung des Provisionsanspruchs vorverlegt. Er sollte danach bereits mit der Vermittlung oder dem Abschluß des Geschäfts durch den Handelsvertreter, also noch vor der Lieferung der Ware durch den Kläger, entstehen. Bei dieser Sach- und Rechtslage erbrachte der Kläger mit den Zahlungen an seine Handelsvertreter keine Vorleistungen mehr; er erfüllte vielmehr bereits entstandene Verbindlichkeiten.
c) Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist seine Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird Feststellungen darüber nachzuholen haben, aufgrund welcher Vereinbarungen die Handelsvertreter in den Streitjahren für den Kläger tätig waren.
Fundstellen
Haufe-Index 61407 |
BStBl II 1986, 669 |
BFHE 146, 541 |
BFHE 1986, 541 |
BB 1986, 1693-1694 (ST) |
DB 1986, 2056-2057 (ST) |
DStR 1987, 49-49 (ST) |
HFR 1986, 572-573 (ST) |