Leitsatz (amtlich)
1. Die Berechnung der Haftungssumme im Fall der Geschäftsführerhaftung für Umsatzsteuerrückstände bei Nichtvorhandensein ausreichender Zahlungsmittel zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten (Grundsatz der anteiligen Tilgung der Umsatzsteuer) ist zeitraumbezogen (Haftungszeitraum) und überschlägig vorzunehmen. Ungleichmäßigkeiten in der Zahlungsfähigkeit des steuerpflichtigen Unternehmers während des Haftungszeitraums können durch pauschale Abschläge von der überschlägig ermittelten durchschnittlichen Tilgungsquote ausgeglichen werden (Anschluß an die Urteile des BFH vom 26.März 1985 VII R 139/81, BFHE 143, 488, BStBl II 1985, 539, und vom 12.Juni 1986 VII R 192/83, BFHE 146, 511, BStBl II 1986, 657).
2. In die Vergleichsrechnung zur Ermittlung der anteiligen Tilgungsquote (1.) sind auch die Personalaufwendungen des Unternehmers einzubeziehen.
Orientierungssatz
Geschäftsführerhaftung für Umsatzsteuerrückstände einer KG bei Nichtvorhandensein ausreichender Mittel zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten: Die KG kann sich weder durch eine Vorausabtretung von Kundenforderungen an ein Kreditinstitut (Globalzession) noch durch Vorausabtretung von Kundenforderungen an Lieferanten (aufgrund verlängerten Eigentumsvorbehalts) mit schuldausschließender und damit haftungsausschließender Wirkung für den Geschäftsführer der zur Befriedigung des FA benötigten Mittel begeben (vgl. BFH-Urteil vom 26.4.1984 V R 128/79).
Normenkette
AO §§ 103, 105, 109; AO 1977 §§ 191, 69, 34; UStG 1973 § 18
Tatbestand
Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger)war in den Jahren 1974 bis 1976 Geschäftsführer einer GmbH, die ihrerseits Komplementärin einer GmbH & Co. KG (KG) war. Die KG hatte auf die laut Voranmeldungen fälligen Umsatzsteuervorauszahlungsschulden September bis Dezember 1974 und März bis Dezember 1975 von insgesamt 305 188,55 DM lediglich 28 862,92 DM gezahlt. Die Umsatzsteuervorauszahlungen November und Dezember 1975 sind wegen vom Beklagten, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) gewährter Fristverlängerungen erst im Januar bzw. Februar 1976 fällig geworden. Die Umsatzsteuer 1974 ist auf 241 054,65 DM, die Umsatzsteuer 1975 auf 136 141,75 DM bestandskräftig festgesetzt.
Wegen der rückständigen Umsatzsteuervorauszahlungen 1974 und 1975 nahm das FA den Kläger als Geschäftsführer der GmbH und mittelbaren Geschäftsführer der KG mit Haftungsbescheid vom Juni 1976 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 9.Dezember 1976 mit insgesamt 277 891,93 DM als Haftungsschuldner in Anspruch (§§ 109, 105, 103 der Reichsabgabenordnung --AO--). In der Einspruchsentscheidung ist ausgeführt, die Haftungsinanspruchnahme des Klägers sei erforderlich, weil ein Zugriff auf die KG oder die GmbH wegen deren schlechter wirtschaftlichen Lage aussichtslos erscheine. Auf die mit dem Ziel der Aufhebung des Haftungsbescheids erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) die Haftungssumme für 1974 auf 54 063 DM und für 1975 auf 39 149 DM herabgesetzt; im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Es hat ausgeführt: Die Haftung bestehe dem Grunde nach zu Recht. Der Kläger könne sich als Geschäftsführer nicht damit entlasten, wegen vorangegangener Abtretung von Kundenforderungen der KG an die örtliche Sparkasse (Globalzession) und an Lieferanten der KG (aufgrund verlängerten Eigentumsvorbehalts) über keine Mittel zur Zahlung der Umsatzsteuervorauszahlungen verfügt zu haben. Zu einer restlosen Tilgung der Umsatzsteuerschulden hätten die Mittel der KG allerdings auch dann nicht ausgereicht. Der Kläger hafte deshalb in Höhe des Betrages, den das FA bei einer gleichmäßigen Verteilung der Mittel der KG zwecks Befriedigung der anderen Gläubiger und des FA erhalten hätte (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.Oktober 1977 III R 131/73, BFHE 123, 398). Aus der hierfür vorzunehmenden Vergleichsrechnung seien die Personalkosten (nach Verpflichtungen und tatsächlichen Zahlungen) herauszunehmen, weil diese im Fall der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der KG den Umsatzsteuerforderungen vorgegangen wären (§ 61 der Konkursordnung --KO--). Angesichts der übrigen Zahlungsverpflichtungen gegenüber anderen Gläubigern (Fremdverpflichtungen) von 6 784 307 DM und hierauf erbrachten Zahlungen von 3 481 367 DM ergebe sich für die Fremdverpflichtungen rein rechnerisch eine durchschnittliche Tilgungsquote von etwa 50 v.H. Unter Berücksichtigung der angespannten finanziellen Lage der KG erscheine dem FG unter Vornahme eines Abschlags von 10 v.H. eine Tilgungsquote von 40 v.H. für die Umsatzsteuervorauszahlungen als angemessen. Es hätten daher auf die Vorauszahlungen insgesamt 122 075 DM (40 v.H. von 305 188 DM) gezahlt werden müssen. Da die KG nur 28 863 DM gezahlt habe, verbleibe ein ungedeckter Unterschiedsbetrag von 93 212 DM (122 075 DM ./. 28 863 DM), für den der Kläger als Haftungsschuldner einzustehen habe. Diese Haftungssumme verteile sich entsprechend dem Verhältnis der fälligen Umsatzsteuervorauszahlungen 1974 (160 379,65 DM) und 1975 (115 945,98 DM) auf das Jahr 1974 mit 58 v.H., das sind 54 063 DM, und auf das Jahr 1975 mit 42 v.H., das sind 39 149 DM. Im Umfang des darüber hinausgehenden Klagebegehrens sei die Klage unbegründet.
Gegen dieses Urteil haben der Kläger und das FA Revision eingelegt.
Der Kläger verfolgt mit der Revision das Klagebegehren --die Aufhebung des Haftungsbescheids-- weiter. Hilfsweise beantragt er, die Sache unter Aufhebung der Vorentscheidung an das FG zurückzuverweisen. Er rügt unrichtige Anwendung von §§ 109, 103 AO sowie Verfahrensfehler wegen unzureichender Sachaufklärung durch das FG (§ 76 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Mit der Anschlußrevision begehrt das FA, unter Abänderung des finanzgerichtlichen Urteils die Haftungssumme für das Jahr 1974 auf 78 961 DM und diejenige für das Jahr 1975 auf 57 177 DM festzusetzen. Das FA rügt unrichtige Anwendung der §§ 109, 103 AO wegen Nichteinbeziehung der Personalkosten in die vom FG vorgenommene Berechnung der anteiligen Umsatzsteuertilgungsquote.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Revision des FA hat im wesentlichen Erfolg.
I. Revision des Klägers
1. Bei der rechtlichen Beurteilung der Frage, inwieweit dem Kläger als (mittelbaren) Geschäftsführer der KG eine schuldhafte Pflichtverletzung i.S. der §§ 109, 103, 105 AO anzulasten ist, ist das FG zutreffend davon ausgegangen, daß bei Nichtvorhandensein ausreichender Mittel zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten die Umsatzsteuerschulden von dem Steuerpflichtigen --anders als Lohnsteuerschulden-- in etwa dem gleichen Verhältnis zu tilgen sind wie die Verbindlichkeiten anderer Gläubiger (vgl. Urteil des BFH vom 26.April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1984, 277). Ob und inwieweit dem Kläger als Geschäftsführer der KG eine schuldhafte Verletzung seiner steuerlichen Verpflichtungen anzulasten ist, hängt also davon ab, in welchem Umfang der Kläger die vorhandenen Mittel der KG zu einer in etwa gleichmäßigen Befriedigung des FA und der anderen Gläubiger verwendet hat. Dabei ist, wie der BFH bereits im Urteil vom 26.März 1985 VII R 139/81 (BFHE 143, 488, BStBl II 1985, 539) und im Anschluß daran im Urteil vom 12.Juni 1986 VII R 192/83 (BFHE 146, 511, BStBl II 1986, 657) entschieden hat, sowohl hinsichtlich des Umfangs der sämtlichen Verbindlichkeiten wie der auf diese erbrachten Zahlungen auf die Verhältnisse im gesamten Haftungszeitraum --hier also die Jahre 1974, 1975 und 1976-- abzustellen. Es ist also eine zeitraumbezogene Berechnung durchzuführen dahingehend, ob das Verhältnis der gesamten Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu den hierauf erbrachten Zahlungen in etwa demjenigen entspricht, mit dem die Umsatzsteuerschulden getilgt wurden. Ist dies nicht der Fall, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers vor, für welche dieser als Haftungsschuldner einzustehen hat (§§ 109, 105, 103 AO).
2. Die Berechnung der für den Umfang der Geschäftsführerhaftung maßgebenden anteiligen Tilgungsquote ist, wie bereits in dem genannten Urteil in BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776, UR 1984, 277 und den hieran anschließenden Urteilen in BFHE 143, 488, BStBl II 1985, 539 und in BFHE 146, 511, BStBl II 1986, 657 ausgeführt, "in etwa", also überschlägig vorzunehmen. Es kommt darauf an, ob unter Beachtung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, hier der steuerpflichtigen Gesellschaft (§ 2 Abs.1 des Umsatzsteuergesetzes --UStG-- 1973), die Umsatzsteuerforderungen im wesentlichen angemessen berücksichtigt wurden (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 19.Februar 1979 II 69/76 VI, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1979, 626, rechtskräftig). Eine "auf Heller und Pfennig" abgestimmte Verteilung der vorhandenen Mittel auf die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ist nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 25.Juni 1953 IV 513/52, Juristische Rundschau --JR-- 1953, 465, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Abgabenordnung, § 109, Rechtsspruch 3). Dies gilt um so mehr, als eine mit letzter Genauigkeit durchzuführende Berechnung des Verhältnismaßstabs --der anteiligen Tilgungsquote-- oftmals gar nicht möglich ist, weil die hierfür erforderlichen Geschäftsunterlagen der Gesellschaft wegen eines über deren Vermögen inzwischen eröffneten Konkursverfahrens nur noch sehr eingeschränkt oder überhaupt nicht mehr zugänglich sind (vgl. das genannte Urteil in BFHE 146, 511, BStBl II 1986, 657). Im übrigen hat die den gesamten Haftungszeitraum erfassende Vergleichsrechnung, wenn sie überschlägig vorgenommen wird, den Vorteil, daß sich bei ihr gewisse Ungleichmäßigkeiten oder Zufälligkeiten, die sich aus einer unterschiedlichen Tilgung zu einzelnen Fälligkeiten innerhalb des Haftungszeitraums ergeben, auf die Dauer gesehen, im wesentlichen ausgleichen. Wenn und soweit dies rein rechnerisch nicht in vollem Umfang gewährleistet erscheint, spricht nichts dagegen, diesen Ausgleich --wie im Streitfall geschehen-- durch einen Pauschalabschlag auf die durchschnittliche Tilgungsquote vorzunehmen.
3. Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen ist die Berechnung der für die Tilgung der Umsatzsteuerschulden maßgebenden anteiligen Tilgungsquote durch das FG --abgesehen von der Ausklammerung der Personalkosten (vgl. hierzu unter Ziffer II.)-- im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar entspricht das Vorgehen des FG zur Ermittlung dieser Verhältnisquote insofern nicht mit letzter Genauigkeit der Berechnungsmethode in den genannten Urteilen in BFHE 143, 488, BStBl II 1985, 539 und in BFHE 146, 511, BStBl II 1986, 657, als das FG die Umsatzsteuerschulden selbst nicht in die Vergleichsberechnung einbezogen, sondern ausschließlich auf die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern, den Fremdgläubigern, und die darauf erbrachten Zahlungen abgestellt hat. Die Berechnung des FG entspricht jedoch im Grundsatz, da sie zeitraumbezogen auf den Haftungszeitraum abgestellt ist, derjenigen in den vorgenannten Urteilen des BFH. Im übrigen wirkt sich die Nichteinbeziehung der Umsatzsteuerschulden in der Vergleichsrechnung des FG ausschließlich zugunsten des Klägers aus, weil im gegenteiligen Fall der auf die Umsatzsteuerzahlungen anzulegende Verhältnisanteil über 62 v.H. betragen würde, also höher wäre, als sogar der vom FA --auf der Grundlage seines Revisionsbegehrens (vgl. hierzu unter Ziffer II.)-- errechnete Verhältnisanteil von 54 v.H. Das hat seinen Grund in dem vom FG vorgenommenen Pauschalabschlag von 10 v.H., den das FA nicht beanstandet und in der Anschlußrevision sogar ausdrücklich übernommen hat. Da der BFH über den mit der Anschlußrevision gestellten Antrag des FA nicht hinausgehen darf (§ 118 FGO i.V.m. §§ 121, 96 FGO; vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15.Aufl., Anm.4 zu § 118 FGO), hat es mit der vom FA ermittelten Verhältnisquote von 54 v.H. --vgl. hierzu unter Ziffer II.--, also einer Erhöhung gegenüber der Berechnung des FG (ohne Pauschalabschlag) um 4 v.H. sein Bewenden.
4. Die hiergegen von dem Kläger mit dem Ziel der Freistellung von der Haftungsschuld in Gänze, hilfsweise der Zurückverweisung der Sache erhobenen Einwendungen sind nicht stichhaltig. Dies gilt sowohl für die Auffassung, die Frage des Vorhandenseins ausreichender Mittel und deren Verwendung hätte auf die Verhältnisse bei Fälligkeit der jeweiligen Umsatzsteuervorauszahlungen --also stichtagsbezogen-- geprüft werden müssen, wie das weitere Argument, die KG sei wegen der Globalzession vom September 1974 (an die Stadtsparkasse) sowie wegen Vorausabtretungen an Lieferanten (aufgrund verlängerter Eigentumsvorbehalte) nicht mehr in der Lage gewesen, die Umsatzsteuervorauszahlungen ab September 1974 --ganz oder wenigstens anteilig-- zu entrichten. Daß und weshalb für die Frage der anteilsmäßigen Tilgung von Umsatzsteuerschulden nicht auf die Verhältnisse an den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten der Umsatzsteuervorauszahlungen, also stichtagsbezogen, abgestellt werden kann, sondern diese Frage, bezogen auf den ganzen Haftungszeitraum, also zeitraumbezogen, zu beurteilen ist, hat der erkennende Senat im Urteil in BFHE 146, 511, BStBl II 1986, 657 (vgl. oben Ziffer 1) mit eingehender Begründung entschieden. Der Senat hält an dem dort eingenommenen Standpunkt fest, daß sich eine Benachteiligung des FA gegenüber anderen Gläubigern erst und nur aus einer Betrachtung des gesamten Haftungszeitraums erschließt.
Daß sich der steuerpflichtige Unternehmer --hier die KG (§ 2 Abs.1 UStG 1973)-- durch eine Globalzession an ein Kreditinstitut nicht mit schuld- und damit haftungsausschließender Wirkung für den Geschäftsführer der zur Befriedigung des FA benötigten Mittel begeben kann, ergibt sich aus dem Urteil in BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776 (unter Ziffer 4 Buchst.b der Entscheidungsgründe). Hinsichtlich der Vorausabtretungen von Kundenforderungen an Lieferanten aufgrund sog. verlängerter Eigentumsvorbehalte kann die Beurteilung in diesem Punkt nicht anders sein. Denn es macht für die Frage des Vorhandenseins ausreichender Mittel und deren Verwendung gegenüber dem Steuergläubiger keinen Unterschied, ob der Unternehmer die Kundenforderungen gebündelt --in toto-- an einen bestimmten Gläubiger (z.B. ein Kreditinstitut) oder ob er sie einzeln --pro parte-- an verschiedene Gläubiger (z.B. Lieferanten mit Eigentumsvorbehalt) im voraus abgetreten hat.
Erweisen sich aber --wie dargetan-- die Einwendungen des Klägers gegen seine Inanspruchnahme bereits aus rechtlichen Gründen nicht als zutreffend, so bestand für das FG keine Veranlassung zu einer weiteren Sachaufklärung. Der gerügte Verfahrensmangel (§ 76 FGO) liegt nicht vor.
II. Revision des FA
Das FA begehrt mit der Anschlußrevision eine Erhöhung der Haftungssumme von 93 212 DM auf insgesamt 136 138 DM (für 1974 von 54 063 DM auf 78 961 DM, für 1975 von 39 149 DM auf 57 177 DM). Es begründet die Erhöhung der Haftungssumme damit, daß die Personalkosten der KG (Löhne einschließlich der darauf entfallenden Abgaben) in die Vergleichsberechnung zur Ermittlung des in etwa angemessenen Umsatzsteuertilgungsanteils hätten einbezogen werden müssen. Das FA hält mit anderen Worten die von dem FG vorgenommene Ausklammerung der Personalkosten aus der Vergleichsrechnung für unberechtigt. Diese Auffassung ist zutreffend.
Das FG hat die Ausklammerung der Personalkosten damit begründet, daß die ihnen zugrunde liegenden Forderungen im Fall der Eröffnung des Konkursverfahrens entsprechend der Rangfolge des § 61 KO --hier des § 61 Abs.1 Nr.1 KO-- den Umsatzsteuerforderungen vorangegangen wären. Diese Erwägung ist jedoch nicht stichhaltig. § 61 KO setzt durch die Bezugnahme auf ausschließlich der KO zu entnehmende und damit aus dieser zu definierende Begriffe wie "Konkursgläubiger" (vgl. § 3 Abs.1 KO) und "Konkursforderungen" (§ 61 Abs.1 KO) voraus, daß eine Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des steuerpflichtigen Unternehmens stattgefunden hat. Das ist hier jedoch im Haftungszeitraum --den Jahren 1974 bis 1976-- nicht der Fall gewesen. Eine unmittelbare Anwendung von § 61 KO scheidet daher aus. Auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht. Dies ergibt sich --abgesehen von den grundsätzlichen Bedenken gegen die analoge Anwendung konkursrechtlicher Regelungen auf außerkonkursrechtliche Vorgänge (vgl. hierzu auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19.Oktober 1983 2 BvR 485, 486/80, BVerfGE 65, 183)-- daraus, daß sonst auch die anderen in § 61 Abs.1 Nr.1 KO genannten Forderungen --möglicherweise also die Umsatzsteuer selbst (§ 61 Abs.1 Nr.2 KO)-- aus der Vergleichsrechnung auszuklammern wären, was hinsichtlich der Umsatzsteuer mit den unter Ziffer I Nr.1 genannten Urteilen des BFH nicht zu vereinbaren wäre (vgl. insbesondere das Urteil in BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776 unter Ziffer 3 Buchst.c der Entscheidungsgründe).
Ganz allgemein erscheint es dem erkennenden Senat verfehlt, in die Berechnung der anteiligen Tilgungsquote die Frage der Tilgungsvordringlichkeit bestimmter Verbindlichkeiten einzubeziehen. Denn diese Frage ist, wie sich aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.Dezember 1982 VIII ZR 214/81 (Neue Juristische Wochenschrift 1983, 887), betreffend Telefongebühren der Deutschen Bundespost, ergibt, oftmals im nachhinein schwer zu beantworten. Sie würde darüber hinaus die Vergleichsrechnung mit kaum noch übersehbaren, zusätzlichen Problemen und --letztlich--Ausnahmen belasten, die den oben (zu 2.) dargelegten Grundsätzen zuwiderlaufen würden.
Scheidet aber, wie dargetan, eine Heranziehung von § 61 KO bei Ermittlung des angemessenen Umsatzsteueranteils aus und sind somit die Personalaufwendungen (nach Verbindlichkeiten und Zahlungen) in die Vergleichsrechnung aufzunehmen, so ergibt sich --unter Berücksichtigung des vom FA übernommenen Pauschalabschlags von 10 v.H. (vgl. oben Ziffer I Nr.3)-- in etwa ein Anteil von 54 v.H., mit dem die Umsatzsteuerforderungen hätten getilgt werden müssen. Es hätten daher --übertragen in Zahlenwerte-- auf die Umsatzsteuervorauszahlungen 1974 und 1975 insgesamt 164 801 DM gezahlt werden müssen; nach Abzug des gezahlten Betrags von 28 863 DM verbleibt ein nicht gedeckter Differenzbetrag von insgesamt 135 938 DM (nicht: 136 138 DM), wovon auf das Jahr 1974 ein Betrag von 78 844 DM und auf das Jahr 1975 ein solcher von 57 094 DM entfällt. Dies sind die Haftungssummen, mit denen der Kläger als Geschäftsführer der KG in Anspruch zu nehmen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 61926 |
BStBl II 1988, 172 |
BFHE 150, 312 |
BFHE 1987, 312 |
BB 1987, 2008 |
BB 1987, 2008-2010 (ST) |
HFR 1987, 561-563 (ST) |