Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verbrauchsteuern
Leitsatz (amtlich)
AO § 112; BrMonG §§ 119, 124; Gesetz zur änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 21. Oktober 1948 § 1 Abschnitt IV.
Im Sinne des § 112 AO ist die Hinterziehung von Branntweinaufschlag Steuerhinterziehung, die Hehlerei mit Branntwein, für den Branntweinaufschlag hinterzogen ist, Steuerhehlerei.
AO §§ 396, 403. Zwischen Hinterziehung von Branntweinaufschlag, begangen durch heimliche Herstellung von Branntwein, und Steuerhehlerei mit solchem Branntwein ist wahldeutige Feststellung zulässig.
StAnpG § 1 Absatz 2 und 3; AO § 420. Der Satz "in dubio pro reo" kommt für die Beurteilung von Tatbeständen im Besteuerungsverfahren nur in Betracht, soweit die Steuerforderung auf einen Straftatbestand gegründet wird.
Normenkette
AO §§ 112, 396, 392, 403, 398, 420; StAnpG § 1 Abs. 2, § 1/3; BrMonG § 119; BrMonG § 124
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) wird in Anspruch genommen:
......................................................
als Haftungsschuldner (ß 97 Abs. 2 AO) in Höhe von 52,50 DM Branntweinaufschlag für verbotswidrig hergestellten Branntwein, den er seines Vorteils wegen erworben und weiterverkauft habe, obwohl er wußte, daß der Branntwein nicht versteuert sei (Monopolhehlerei), § 124 in Verbindung mit § 110 des Branntweinmonopolgesetzes (BrMonG).
Entscheidungsgründe
Die Vorentscheidung gibt in einer Hinsicht zu Bedenken Anlaß; bezüglich der Branntweinaufschlagforderung enthält sie einen Widerspruch zu dem Inhalt der Akten.
In den Akten des Hauptzollamts ist wiederholt von "selbstgebranntem Schnaps" die Rede. Auch der Bf. spricht in seiner Einspruchsbegründung vom 4. September 1950 von angeblich selbstgebranntem Schnaps (Bl. 30). Ist dies richtig, dann ist der Bf. nicht Monopolhehler, wie die Vorentscheidung annimmt, sondern Hinterzieher von Branntweinsteuer (Branntweinaufschlag).
Der Branntweinaufschlag ist seit dem Inkrafttreten des Kontrollratgesetzes (KontrRG) Nr. 27 (17. Mai 1946) Steuer im Sinn der Reichsabgabenordnung (Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs II z 1/49 vom 8. Juni 1949, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern - ZfZ - 1949 S. 333, Steuerrechtskartei - StRK -, BrMonG § 78 Rechtspr. 1); nur im Sinn der Strafvorschriften gilt der Branntweinaufschlag als Monopoleinnahme (Gesetz zur änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 21. Oktober 1948 - Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl. - S. 103 - § 1 Teil IV Satz 2; vgl. auch Entscheidung des Bundesgerichtshofs 4 StR 99/50 vom 17. August 1951, Neue Juristische Wochenschrift 1951 S. 810 ff.). Hinterziehung des Branntweinaufschlags ist also als Monopolhinterziehung nach § 119 BrMonG und nicht als Steuerhinterziehung im Sinn des § 396 AO strafbar. Das hindert aber nicht, die Hinterziehung des Branntweinaufschlags als Steuerhinterziehung und die Hehlerei mit Branntwein, hinsichtlich dessen der Branntweinaufschlag hinterzogen worden ist, als Steuerhehlerei im Sinn des § 112 AO anzusehen und den Hinterzieher von Branntweinaufschlag als Steuerhinterzieher ebenso wie den Hehler von Branntwein als Steuerhehler mit der Haftung nach § 112 AO in Anspruch zu nehmen. § 110 b BrMonG kommt nur bei Verkürzung von solchen Monopoleinnahmen in Betracht, die nicht Steuern im Sinn der Reichsabgabenordnung sind, z. B. Verwendung von steuerbegünstigtem Branntwein zu Zwecken, für die Branntwein zu einer höheren Preisspitze von der Monopolverwaltung abgegeben wird als für den Zweck, zu dem der Branntwein zulässigerweise verwendet werden durfte, denn § 110 b ist keine Strafvorschrift im Sinn von § 1 Teil IV des Gesetzes vom 21. Oktober 1948.
Die Vorinstanz hätte die Möglichkeit gehabt, die Frage, ob Monopolhinterziehung oder Monopolhehlerei vorliegt, offen zu lassen und eine dahingehende Feststellung wahlweise zu treffen. Zwar ist § 2 b des Strafgesetzbuchs (StGB), eingefügt durch Gesetz vom 28. Juni 1935 (Reichsgesetzbl. - RGBl. - I S. 839) durch Artikel I KontrRG Nr. 11 vom 30. Januar 1946 (Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland S. 55) aufgehoben. Das schließt aber nicht aus, die Wahlfeststellung, soweit deren Ablehnung eine überspannung darstellt und die in Betracht kommenden Tatbestände innerlich miteinander verwandt sind, als zulässig anzuerkennen. Dementsprechend hält sowohl das Schrifttum wie die Rechtsprechung auch jetzt noch die Wahlfeststellung von Diebstahl und Hehlerei für zulässig (Schönke, StGB, 5. Auflage § 2 b Anm. II 3 Absatz 2; Deutsche Rechts-Zeitschrift - DRZ - 1947 S. 48; Urteil des Obersten Gerichtshofs der britischen Zone vom 20. Juni 1949, Entscheidungen in Strafsachen Bf. 2 S. 89; Oberlandesgericht Freiburg vom 12. Juni 1946; Oberlandesgericht Celle vom 9. November 1946 = DRZ 1947 S. 64 und 65; Landgericht Tübingen vom 14. Oktober 1947 und Oberlandesgericht Kassel vom 16. Februar 1948 = Neue Juristische Wochenschrift 1948 S. 389 und 696; Oberlandesgericht Hamm vom 30. April 1949 = Süddeutsche Juristen-Zeitung 1950 S. 54). Dieselben Erwägungen, die für die Zulässigkeit der Wahlfeststellung bei Diebstahl und Hehlerei sprechen, liegen bei Steuervergehen der vorliegenden Art vor. Die heimliche Herstellung von Branntwein und dessen hehlerischer Erwerb durch einen Dritten gehen ähnlich Hand in Hand wie Diebstahl und hehlerischer Erwerb der gestohlenen Sache; die Tat des Steuerhehlers findet dieselbe sittliche Mißbilligung wie die Tat des Schwarzbrenners (Reichsgericht in Strafsachen - RGSt - Bd. 68 S. 257, 262), beide sind mit den gleichen Strafen bedroht (§§ 122, 123, 124, Absätze 2 und 3 BrMonG).
An sich wäre die Vorentscheidung wegen des in ihr enthaltenen Widerspruchs mit den Akten aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung zurückzuverweisen. Davon sieht aber der Senat bei dem eben dargelegten rechtlichen Sachverhalt und bei der im gegebenen Fall offensichtlichen Unmöglichkeit, eine der beiden Straftaten mit Bestimmtheit festzustellen, ab; weder die Feststellung, daß der Bf. den Branntwein selbst hergestellt, noch die Feststellung, daß er Monopolhehlerei begangen hat, können bei einer wahlweisen Feststellung dieser beiden Straftaten, die der Senat vorliegend für zulässig hält, an dem Ergebnis der angefochtenen Entscheidung etwas ändern.
Der Bf. macht u. a. geltend, daß bei der Zweifelhaftigkeit des Tatbestandes der Grundsatz "in dubio pro reo" zu seinen Gunsten angewendet werden müsse. Hierzu ist zu sagen, daß dieser Grundsatz für das Besteuerungsverfahren ebensowenig gelten kann wie der Satz "in dubio contra fiscum" (Entscheidungen des Reichsfinanzhofs, Slg. Bd. 28 S. 197, Slg. Bd. 31 S. 50); nur soweit eine Steuerforderung auf einen Straftatbestand gegründet wird, wie hier bezüglich der Branntweinaufschlagforderung auf § 112 AO, kann eine Anwendung dieses Satzes bei der Tatsachenwürdigung in Betracht kommen. Vorliegend ist aber für seine Anwendung bei der Beurteilung des Straftatbestandes kein Raum, weil die Vorinstanz den Sachverhalt, soweit er hier in Frage kommt, auf Grund ihrer freien, durch die Beweiswürdigung gewonnenen überzeugung zweifelsfrei für festgestellt erachtet und im übrigen durch eine erheblich niedrigere Bemessung der zu versteuernden Branntweinmenge gegenüber dem Steuerbescheid weitgehendes Entgegenkommen zugunsten des Bf. gezeigt hat.
Danach war die Rechtsbeschwerde auf Kosten des Bf. (ß 307 AO) als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 407326 |
BStBl III 1952, 21 |
BFHE 1953, 49 |
BFHE 56, 49 |