Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschriften der §§ 33 und 33 a EStG 1961 sowie § 64 EStDV 1963 verstoßen nicht gegen den Schutz von Ehe und Familie im Sinne von Art. 6 GG.
Bei der Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung im Sinne von § 33 EStG 1961, § 64 EStDV 1963 können die Freibeträge nach § 33 a EStG 1961 vom Einkommen abgezogen werden.
Normenkette
EStG §§ 33, 33a
Tatbestand
Der Bf. hatte im Jahre 1963 ein Einkommen von 24.983 DM. Bei der Veranlagung gewährte das Finanzamt den Eheleuten vier Kinderfreibeträge sowie Freibeträge nach § 33 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1961 für die Unterstützung von Angehörigen in der Ostzone (510 DM) und für die elfmonatige Beschäftigung einer Hausgehilfin (1.100 DM). Die geltend gemachten Diätkosten von 480 DM berücksichtigte es nicht, weil die Grenze der zumutbaren Eigenbelastung (2 % von 24.983 DM =) 499 DM nicht überschritten war.
Der Einspruch und die Berufung hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht, dessen Urteil in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1965 S. 541 veröffentlicht ist, führte aus: § 33 EStG und § 64 EStDV seien verfassungsrechtlich einwandfrei und stellten - entgegen den Bedenken des Bf. - kinderreiche Familien nicht schlechter als andere Steuerpflichtige. Die der Bundesregierung erteilte Ermächtigung zur Staffelung der zumutbaren Eigenbelastung nach Einkommen und Familienstand sei ausreichend konkret im Sinne des Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Die Vorschrift des § 64 EStDV halte sich auch im Rahmen der erteilten Ermächtigung.
Der Bf. rügt mit der Rb. unrichtige Anwendungen des bestehenden Rechts und hält insbesondere seine verfassungsrechtlichen Einwendungen aufrecht. Er hält nunmehr nicht nur § 33 EStG und § 64 EStDV, sondern auch § 33 a EStG 1961 und § 25 LStDV als mit Art. 6 Abs. 1 GG für nicht vereinbar. Er macht ferner zusätzliche Krankheitskosten für die Kur seiner Ehefrau von etwa 1.000 DM geltend und rügt, das Finanzamt habe die Grenze der zumutbaren Eigenbelastung falsch berechnet, weil es die Unterhaltskosten nach § 33 a EStG 1961 außer Betracht gelassen habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
I. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken des Bf.
Der Senat ist mit dem Finanzgericht der Auffassung, daß § 33 EStG und § 64 EStDV nicht gegen das Grundrecht des Schutzes und der Förderung von Ehe und Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG verstoßen.
Durch die Regelung des § 33 EStG werden Ehe und Familie - entgegen der Auffassung der Auffassung des Bf. - sogar besonders geschützt und gefördert. Denn nach § 33 EStG kann der Steuerpflichtige nicht nur seine eigenen außergewöhnlichen Ausgaben vom Einkommen abziehen, sondern auch die Aufwendungen für seine Ehefrau und die Kinder, für die ihm Kinderfreibeträge zustehen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs VI 144/55 U vom 9. Juli 1958, BStBl 1958 III S. 407, Slg. Bd. 67 S. 346, und VI 215/63 U vom 4. Dezember 1964, BStBl 1965 III S. 169, Slg. Bd. 81 S. 467). Bei der Höhe der Steuerermäßigung hat der Gesetzgeber den Besonderheiten der Familien dadurch Rechnung getragen, daß er in § 33 Abs. 1 Satz 2 EStG die Bundesregierung anwies, die Höhe der zumutbaren Eigenbelastung nach dem Einkommen und nach dem Familienstand zu staffeln. Demgemäß hat die Bundesregierung in § 64 EStDV die zumutbare Eigenbelastung auch gestaffelt. Die zumutbare Eigenbelastung ist bei einem Einkommen von mehr als 6.000 DM höher als bei niedrigeren Einkommen; ebenso ist sie bei Steuerpflichtigen ohne Kinderfreibeträge höher als bei Steuerpflichtigen mit Kinderfreibeträgen; auch die Zahl der Kinder wirkt sich aus.
Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die Bundesregierung die Sätze nicht noch stärker gestaffelt hat, z. B. dadurch, daß sie für Steuerpflichtige mit einem und zwei Kindern sowie für Steuerpflichtige mit drei und mehr Kindern verschieden hohe Sätze festsetzte. Sie war zu einer weiteren Staffelung durch die gesetzliche Ermächtigung nicht verpflichtet.
Eine andere Frage ist es, ob eine weitere Staffelung bei kinderreichen Familien zweckmäßig gewesen wäre (vgl. § 25 LStDV in der Fassung der Verordnung vom 12. August 1965, BGBl 1965 I S. 815) und ob nicht dadurch dem Grundrecht des Schutzes und der Förderung von Ehe und Familie noch besser Rechnung getragen worden wäre, z. B. dadurch, daß man - wie der Bf. will - außergewöhnliche Belastungen bei Ehegatten mit dem doppelten Betrag usw. vom Einkommen abziehen ließe. Hier geht es aber um eine steuerpolitische und familienpolitische Entscheidung. Nach dem Grundsatz der Dreiteilung der Staatsgewalt, wie er in Art. 20 GG festgelegt ist, haben die Steuergerichte nicht die politischen Entscheidungen des Gesetzgebers zu überwachen, sondern nur, ob der Gesetzgeber die Grenzen, die das Grundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG setzt, ohne vernünftigen Grund und willkürlich verletzt hat (vgl. Urteile des Senats VI 20/58 U vom 28. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 196, Slg. Bd. 66 S. 512; VI 168/59 U vom 29. Januar 1960, BStBl 1960 III S. 103, Slg. Bd. 70 S. 277; VI 23/65 S vom 9. April 1965, BStBl 1965 III S. 441, Slg. Bd. 82 S. 535). Eine solche Feststellung kann der Senat hier nicht treffen.
Der weitere Einwand des Bf., Ehe und Familie würden gegenwärtig erheblich schlechter behandelt als bis zum Jahre 1938, ist verfassungsrechtlich ohne Bedeutung. Der Gesetzgeber ist nach dem GG nicht verpflichtet eine günstigere frühere Regelung beizubehalten oder wiedereinzuführen. Der Senat sieht darum davon ab, zu prüfen, ob die frühere Regelung wirklich, wie der Bf. behauptet, günstiger war.
Die Verfassungsmäßigkeit des § 25 LStDV ist hier nicht entscheidungserheblich, weil diese Vorschrift für den Streitfall nicht angewandt wird.
Die Angriffe des Bf. gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 33 a EStG 1961 greifen ebenfalls nicht durch. Durch den Freibetrag für eine Hausgehilfin nach § 33 a Abs. 3 EStG 1961 ist der Bf. nicht schlechter-, sondern - gerade wegen seiner Familienverhältnisse - bessergestellt als andere Steuerpflichtige, bei denen diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Wie der Senat im Urteil VI 6/63 vom 26. Juni 1964 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 33 a, Rechtsspruch 71) hervorgehoben hat, dient also die geltende Regelung gerade dem Schutz und der Förderung von Ehe und Familie.
Ausgaben für die Beschäftigung einer Hausgehilfin dürfen zwar nur bis zur Grenze von 1.200 DM jährlich vom Einkommen abgezogen werden. Bei dieser Begrenzung geht es aber ebenfalls um eine steuerpolitische Entscheidung, die das Grundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG keineswegs aus sachlich nicht gerechtfertigten Erwägungen willkürlich verletzt.
Dasselbe gilt für Aufwendungen zur Unterstützung von Angehörigen, bei denen der Bf. das verfassungsrechtliche Bedenken erhebt, daß in allen Fällen derselbe Freibetrag gewährt wird, ohne Rücksicht auf den Familienstand und das Einkommen des Steuerpflichtigen (ß 33 a Abs. 1 EStG). Der Gesetzgeber hat für häufig auftretende Tatbestände in §§ 33 a EStG 1961 eine Sonderregelung geschaffen, um die Besteuerung zu vereinfachen und eine gleichmäßige Behandlung der Steuerpflichtigen besser zu gewährleisten. Solche Typisierungen sind verfassungsrechtlich zulässig. Wie sie im einzelnen ausgestaltet werden, ist ebenfalls eine Frage der Steuerpolitik. Der Senat vermag nicht festzustellen, daß bei der Schaffung des § 33 a Abs. 1 EStG sachfremde und das Grundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG mißachtende Erwägungen mitgespielt hätten. Die Einwendungen des Bf. richten sich auch hier wieder gegen die Zweckmäßigkeit des geltenden Rechts. über diese Frage können aber, wie bereits gesagt, die Steuergerichte nicht befinden.
II. Zu den anderen Rügen des Bf. Soweit der Bf. jetzt Krankheitskosten von rund 1.000 DM für seine Ehefrau geltend macht, ist das ein neues tatsächliches Vorbringen, das der Senat nicht berücksichtigen kann. Als Krankheitskosten nach § 33 EStG 1961 kommen mithin nur die Diätkosten von 480 DM in Betracht, die aber nicht die Grenze von (2 v. H. des Einkommens von 24.983 DM =) 499 DM übersteigen.
Soweit der Bf. rügt, daß das Finanzgericht dabei die zumutbare Eigenbelastung nicht richtig berechnet habe, ist sein Einwand allerdings begründet.
Das Finanzamt und das Finanzgericht haben bei der Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung gemäß dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 83/57 U vom 29. August 1958 (BStBl 1958 III S. 423, Slg. Bd. 67 S. 389) die nach § 33 a EStG 1961 anzuerkennenden Aufwendungen nicht mit den Diätkosten zusammengerechnet. Das ist rechtlich einwandfrei. Die von Herrmann-Heuer (ß 33 EStG Anm. 13), Brockhoff (Deutsche Steuer-Zeitung 1957 S. 268) und Littmann (Das Einkommensteuerrecht, 7. Auflage, § 33 EStG, Anm. 33) geäußerte Kritik an dieser Rechtsprechung veranlaßt den Senat nicht, seine Rechtsprechung zu ändern. § 33 und § 33 a EStG 1961 stehen selbständig nebeneinander und sind an verschiedene Voraussetzungen gebunden. Inwiefern die Gesetzesauslegung des Senats gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßen soll, wie der Bf. meint, ist nicht ersichtlich.
Der Senat hat aber im Urteil VI 83/57 U (a. a. O.) offengelassen, ob nicht bei der Ermittlung der zumutbaren Eigenbelastung das Einkommen um die Freibeträge nach § 33 a EStG 1961 zu mindern ist. Der Senat hält es für zweckmäßig, nunmehr zu dieser Zweifelsfrage Stellung zu nehmen.
Die Anweisung in § 33 Abs. 1 Satz 2 EStG zur Staffelung der zumutbaren Eigenbelastung nach Einkommen und Familienstand dient dem Zweck, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. Das rechtfertigt es, vor Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung besondere, nach dem EStG anzuerkennende Lebenshaltungskosten vom Einkommen abzuziehen. Die zumutbare Belastung des Steuerpflichtigen kann sich nur nach dem Betrag richten, der für außergewöhnliche Ausgaben im Sinne des § 33 EStG zur Verfügung steht. Für diese Auslegung spricht, daß die Bundesregierung in § 64 EStDV den Abzug des Altersfreibetrags (ß 32 Abs. 3 Ziff. 2 EStG) und der Freibeträge für Flüchtlinge, Vertriebene und ihnen gleichgestellten Personen (ß 33 a EStG) 1953) vom Einkommen zugelassen hat. Es ist kein Grund ersichtlich, die Freibeträge nach § 33 a EStG 1961 anders zu behandeln, da durch diese Aufwendungen der verfügbare Teil des Einkommens in gleicher Weise gemindert wird. Dieser Auffassung neigte anscheinend auch der Bundesminister der Finanzen in seiner Stellungnahme im Rechtsbeschwerdeverfahren VI 83/57 U (a. a. O.) zu. Da § 33 a EStG 1961 außergewöhnliche Belastungen nur bis zu bestimmten Höchstbeträgen berücksichtigt, hält der Senat es für richtig, auch hier nur diese Höchstbeträge anzusetzen.
Die Grenze der zumutbaren Eigenbelastung ist bei dieser Rechtsauslegung wie folgt zu berechnen: Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 2
Satz 1 EStG -------------------- 24.983 DM ./. ---------------------------- 510 DM ./. ---------------------------- 1.100 DM ./. ---------------------------- 23.373 DMDie zumutbare Eigenbelastung beträgt mithin 2 v. H. von 23.373 DM = 467 DM.
Von den Diätkosten von 480 DM wären somit 13 DM als außergewöhnliche Belastung vom Einkommen abzuziehen. Diese Herabsetzung des Einkommens führt jedoch nach der Einkommensteuertabelle nicht zu einer geringeren Einkommensteuerschuld.
Fundstellen
Haufe-Index 411902 |
BStBl III 1966, 242 |
BFHE 1966, 83 |
BFHE 85, 83 |