Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietvertrag auf bestimmte Zeit bedingt nicht stets befristete Vermietertätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Allein der Abschluss eines Mietvertrages auf eine bestimmte Zeit rechtfertigt noch nicht den Schluss, auch die Vermietungstätigkeit sei nicht auf Dauer ausgerichtet.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) ―im Streitjahr (1996) zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute― erwarben im Jahre 1995 eine Eigentumswohnung, die sie ab 1996 ihrem Sohn für monatlich 650 DM (Kaltmiete) vermieteten. Hinsichtlich der Nebenabgaben enthielt der Mietvertrag keine Eintragungen. Der Mietvertrag wurde vom 1. Februar 1996 bis 31. Januar 2001 befristet, und zwar ohne Verlängerungsklausel. Der Sohn wohnte nach stillschweigender Verlängerung des Mietvertrags bis Juni 2002 in der Wohnung. Anschließend vermieteten sie die Kläger fremd.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger negative Einkünfte aus der Vermietung der Wohnung in Höhe von 40 543 DM geltend, deren Berücksichtigung der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) wegen unklarer Nebenkostenvereinbarungen am Fremdvergleich scheitern ließ.
Darum wie auch um die Miethöhe ging es im Verfahren vor dem Finanzgericht (FG). Der zuständige Einzelrichter führte eine Beweisaufnahme durch und vernahm den Sohn der Kläger als Zeugen zu den vertraglichen Absprachen des Mietvertrags und zu dessen tatsächlicher Durchführung. Überdies holte er ein Gutachten über die Höhe der ortsüblichen Miete ein. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass der angemessene ortsübliche Mietpreis 1 018,80 DM pro Monat betrage.
Das FG wies die Klage in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1120 veröffentlichten Urteil dann aber mangels Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger ab. Das Mietverhältnis mit dem Sohn sei ausweislich des Mietvertrages nicht auf Dauer angelegt, sondern sei bereits bei Vertragsschluss ohne Verlängerungsklausel befristet gewesen. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass nach Ablauf des befristeten Mietvertrags eine Selbstnutzung in Betracht gezogen worden sei.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie sich gegen die Annahme des FG wenden, es liege im Streitjahr eine nicht auf Dauer ausgerichtete Vermietungstätigkeit vor. Anders als bislang entschieden enthalte der Zeitmietvertrag, um den es hier gehe, keinen Vorbehalt künftiger Eigennutzung und auch keinen Hinweis auf eine geplante Veräußerung. Sei er deshalb steuerrechtlich anzuerkennen, so müsse der geltend gemachte Erhaltungsaufwand allerdings um den Aufwand für die Küche (19 639,55 DM) vermindert werden.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben, den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 14. Oktober 1997 zu ändern und die Einkommensteuer für das Jahr 1996 unter Berücksichtigung negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 35 958 DM neu festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das FG hat die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger mit unzutreffender Begründung verneint.
1. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt, wer ein Grundstück gegen Entgelt zur Nutzung überlässt und beabsichtigt, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung des Grundstücks einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften; die Einkünfteerzielungsabsicht kann insoweit nur in Ausnahmefällen verneint werden (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771). Eine Vermietungstätigkeit ist auf Dauer angelegt, wenn sie nach den bei Beginn der Vermietung ersichtlichen Umständen keiner Befristung unterliegt (BFH-Urteil vom 9. Juli 2002 IX R 57/00, BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695).
a) Aus dem auf eine bestimmte Zeit eingegangenen Mietvertrag allein folgt noch nicht eine (steuerrechtlich bedeutsame) Befristung der Vermietungstätigkeit. Denn eine Vermietungstätigkeit kann auch dann auf Dauer angelegt sein, wenn ―aus welchen Gründen auch immer― mehrere Zeitmietverträge hintereinander abgeschlossen werden sollen oder der ursprüngliche Vertrag ―was jederzeit und auch konkludent möglich ist (vgl. nur Palandt/Weidenkaff, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 63. Aufl., § 542 Rz. 10)― verlängert werden soll. Es müssen dementsprechend Umstände hinzutreten, die zusammen mit dem Abschluss des Vertrages auf eine bestimmte Zeit den Schluss rechtfertigen, der Vermieter habe seine Tätigkeit nicht auf Dauer ausgerichtet. Deshalb hat der BFH als Indiz gegen die Absicht einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit nicht allein auf die Befristung des Vertrags abgestellt, sondern entscheidend auf den Umstand, dass bereits im Mietvertrag die Befristung mit einer ausdrücklich erklärten Selbstnutzungsabsicht (BFH-Urteil in BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695) oder Verkaufsabsicht (BFH-Urteil vom 4. Dezember 2001 IX R 70/98, BFH/NV 2002, 635) verknüpft wird. Für eine auf Dauer angelegte Vermietungstätigkeit spricht vor allem, dass sich der Steuerpflichtige tatsächlich so verhält und seine Wohnung nach Ablauf der ausbedungenen Mietzeit wiederum vermietet oder den befristeten Vertrag verlängert (vgl. zur Berücksichtigung späterer Umstände BFH-Urteil vom 28. Juni 2002 IX R 68/99, BFHE 199, 380, BStBl II 2002, 699).
b) Die Indizienwürdigung im Einzelfall ist zwar eine Frage der Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung, die dem FG obliegt. Das FG muss aber alle feststehenden Indizien in eine Gesamtwürdigung einbeziehen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 9. Juli 2002 IX R 47/99, BFHE 199, 417, BStBl II 2003, 580, m.w.N.).
2. Nach diesen Maßstäben ist die Gesamtwürdigung des FG unvollständig, weil es nicht alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen hat. Das FG hat nämlich nicht berücksichtigt, dass die Kläger das Mietverhältnis über die Wohnung nach dem Ablauf der mit ihrem Sohn vereinbarten Mietzeit zunächst verlängert und anschließend fremdvermietet haben. Dieser Umstand ergibt sich aus der vom FG in Bezug genommenen Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 25. Juli 2003.
Demgegenüber spricht die von den Klägern zunächst erwogene Selbstnutzung, wie sie der Kläger in der mündlichen Verhandlung bekundete, nicht gegen eine auf Dauer angelegte Vermietungstätigkeit. Die noch indifferente Überlegung einer möglichen Selbstnutzung, die der Vermieter ―nur für sich― in Betracht zieht, ist steuerrechtlich nicht anders zu bewerten als eine stets bestehende bedingte Veräußerungsabsicht (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C. III. 5., 1. Abs. a.E.).
3. Da es an einer Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller maßgeblichen Beweisanzeichen fehlt, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das Revisionsgericht kann die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht, die eine Würdigung von Beweisanzeichen bedeutet, nicht selbst durchführen.
Das FG muss daher im zweiten Rechtsgang das strittige Mietverhältnis insgesamt erneut beurteilen. Dabei wird es hinsichtlich der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht bei der hier gegebenen Sachlage die Rechtsprechung des BFH zur verbilligten Vermietung zu beachten haben (BFH-Urteil vom 5. November 2002 IX R 48/01, BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646), die zu einer Aufspaltung des zivilrechtlich einheitlichen Rechtsgeschäfts in einen steuerbaren entgeltlichen und in einen nicht steuerbaren unentgeltlichen Teil führen kann (BFH-Urteile vom 22. Juli 2003 IX R 59/02, BFHE 202, 566, BStBl II 2003, 806, und vom 4. August 2003 IX R 56/02, BFH/NV 2004, 39, jeweils m.w.N.). Kommt es danach zu einer Prognose, mit der die Einkünfteerzielungsabsicht zu überprüfen ist, so muss diese den Maßstäben entsprechen, die der BFH in seinem Urteil vom 6. November 2001 IX R 97/00 (BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726) aufgestellt hat. Hierbei muss allerdings ―im Zusammenspiel von § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG und § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG― beachtet werden, dass ―kommt es zu einer Aufteilung der einheitlichen Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil― Werbungskosten nur in der Höhe des entgeltlichen Teiles der Nutzungsüberlassung in die Prognose einzubeziehen sind, der dem Verhältnis der vereinbarten zur marktüblichen Miete entspricht.
Das FG wird ferner die bisher offen gelassene Frage zu prüfen haben, ob der Mietvertrag einem Fremdvergleich standhält oder nicht. Der Senat verweist bezüglich der Nebenabreden auf sein Urteil in BFHE 199, 380, BStBl II 2002, 699. Entspricht der Vertrag nämlich nicht dem, was fremde Dritte vereinbart hätten, wäre der Vertrag steuerrechtlich nicht anzuerkennen.
Fundstellen
Haufe-Index 1305887 |
BFH/NV 2005, 455 |
BStBl II 2005, 211 |
BFHE 2005, 235 |
BFHE 208, 235 |
BB 2005, 369 |
DB 2005, 425 |
DStR 2005, 236 |
DStRE 2005, 239 |
DStZ 2005, 135 |
HFR 2005, 312 |