Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ob das Vermögen eines Steuerpflichtigen so hoch ist, daß es eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG bei Aussteuergewährungen ausschließt, ist grundsätzlich nach dem tatsächlichen Verkehrswert des Vermögens zu beurteilen. Daß nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 104/63 U vom 28. Februar 1964 (BStBl 1964 III S. 268, Slg. Bd. 79 S. 97) bei einem Einfamilienhaus des Steuerpflichtigen in der Regel allenfalls nur der doppelte Einheitswert anzusetzen ist, gilt nicht für andere Vermögenswerte (z. B. für Weinbauvermögen oder anderen Grundbesitz).
Normenkette
EStG § 33; EStR Abschn. 188 Abs. 8
Tatbestand
Streitig ist, ob die Steuerpflichtigen, die einen Weinbaubetrieb von 3,7 ha mit einem Einheitswert zum 1. Januar 1952 von 28.900 DM und außerdem einen Wohnhausanteil mit einem Einheitswert von 9300 DM besitzen, wegen der bei der Eheschließung ihrer Tochter im Jahre 1960 gegebenen Aussteuer im Werte von 12.438 DM eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG beanspruchen können. Das Finanzamt hat dies bei der Einkommensteuerveranlagung für 1960 unter Hinweis auf Abschn. 188 Abs. 8 EStR 1960 verneint. Der dagegen erhobene Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Berufung hatte im wesentlichen Erfolg. Das Finanzgericht ging in übereinstimmung mit dem Urteil des Senats VI 141/59 S vom 7. August 1959 (BStBl 1959 III S. 385, Slg. Bd. 69 S. 330) davon aus, daß Aussteueraufwendungen grundsätzlich auch noch nach dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes als außergewöhnliche Belastungen bei der Einkommensteuer berücksichtigt werden können. Es folgte auch der vom Senat im Urteil VI 7/59 vom 7. August 1959 (BStBl 1959 III S. 383, Slg. Bd. 69 S. 324) vertretenen Auffassung, daß erhebliches Vermögen der Steuerpflichtigen eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG bei Aussteueraufwendungen ausschließt. Das Finanzgericht sah das Vermögen der Steuerpflichtigen jedoch nicht als erheblich in diesem Sinne an. Da ein Vermögen nach dem Urteil VI 7/59 (a. a. O.) erst erheblich sei, wenn es die Freibeträge des § 5 VStG übersteige, müsse die durch das Steueränderungsgesetz 1961 (StändG 1961) vom 13. Juli 1961 (BGBl. 1961 I S. 981, BStBl 1961 S. 444) vorgenommene Erhöhung der Vermögensteuer-Freibeträge auch bei der Anwendung des § 33 EStG auf Aussteueraufwendungen berücksichtigt werden, zumal sie lediglich eine längst fällige Anpassung an die veränderten Geldverhältnisse sei. Der gegenteiligen Auffassung, die dem Urteil des Senats VI 104/63 U vom 28. Februar 1964 (BStBl 1964 III S. 268, Slg. Bd. 79 S. 97) zugrunde liege, könne nicht gefolgt werden. Daß der Bundesfinanzhof in diesem Urteil der Geldentwertung des Vermögens dadurch Rechnung tragen wolle, daß er den Ansatz der Verkehrswerte des Grundbesitzes nur mit dem doppelten Einheitswert ansetze, sei nicht ausreichend. Bei Zugrundelegung dieser Bewertungsgrundsätze ergebe sich für die Steuerpflichtigen im Streitfall für 1960 ein Vermögen von 62.500 DM, dem Freibeträge nach § 5 VStG in der Fassung des StändG 1961 in Höhe von 80.000 DM gegenüberständen. Da demnach der Verkehrswert des Vermögens geringer gewesen sei als die für das Streitjahr maßgebenden Vermögensteuer-Freibeträge, stehe das Vermögen der Steuerpflichtigen der Gewährung einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG wegen der Aussteueraufwendungen nicht entgegen. Die geltend gemachten Aufwendungen kämen aber nur in Höhe von 6480 DM als außergewöhnliche Belastung in Betracht.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt mit seiner Rb. unrichtige Anwendung des § 33 EStG. Der Bundesfinanzhof habe in den Urteilen VI 7/59 S und VI 104/63 (a. a. O.) die Freibeträge bei der Vermögensteuer lediglich als brauchbaren Anhalt für die Abgrenzung eines erheblichen Vermögens bezeichnet. Das Finanzgericht habe demgegenüber eine Bindung an diese Freibeträge angenommen. Diese Auffassung führe zu einer unzulässigen und nicht gewollten Verbindung von zwei verschiedenartigen Steuern und unterstelle den Absichten des Gesetzgebers eine größere Tragweite, als sie beabsichtigt gewesen sei. Das Vermögen der Steuerpflichtigen sei im Gegensatz zur Annahme des Finanzgerichts als erheblich anzusehen, so daß eine Anwendung des § 33 EStG wegen ihrer Aussteueraufwendungen nicht in Betracht komme. Es bestehe aus dem Anteil an einem vermieteten Wohnhaus und einem nicht unbedeutenden 3,7 ha großen Weinbaubetrieb, der ihre wirtschaftliche Existenz bilde. Es gehe nicht an, den Verkehrswert dieses Betriebs nur mit dem doppelten Einheitswert anzunehmen, wie es das Finanzgericht getan habe. Der Bundesfinanzhof habe im Urteil VI 104/63 U (a. a. O.) diese Wertermittlung nur für selbst bewohnte und bescheiden ausgestattete Einfamilienhäuser vorgesehen. Diese Bewertung treffe aber nicht zu für einen Weinbaubetrieb, bei dem der Einheitswert nicht nur den Wert des Grund und Bodens und der Gebäude, sondern insbesondere den Wert der Rebanlagen, des Inventars und der normalen Weinbestände umfasse. Der Verkehrswert des Weinbaubetriebs und der des vermieteten Wohnhauses liege daher wesentlich höher, und zwar auch noch über dem vom Finanzgericht zugrunde gelegten Freibetrag von 80.000 DM.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Das Finanzgericht hat zutreffend angenommen, daß auch nach dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes für Aussteueraufwendungen eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung nach § 33 EStG in Betracht kommen kann. Voraussetzung ist aber, daß die Steuerpflichtigen kein erhebliches Vermögen besitzen. Wann ein Vermögen als erheblich in diesem Sinn anzusehen ist, ist weder aus dem EStG noch aus einem anderen Gesetz unmittelbar zu entnehmen. Der Senat hat daher im Urteil VI 7/59 S (a. a. O.) Anhaltspunkte für die Feststellung der Erheblichkeit des Vermögens gegeben und dabei betont, daß eine schematische Anwendung dieser Gesichtspunkte nicht angängig ist, daß vielmehr in jedem Fall die persönlichen Verhältnisse der Steuerpflichtigen weitgehend zu berücksichtigen sind, insbesondere ob die Steuerpflichtigen außer der Aussteuer auch noch durch andere zwangsläufige und außergewöhnliche Aufgaben belastet sind. Er hat es als vertretbar bezeichnet, ein Vermögen, dessen Verkehrswert geringer ist als die im damaligen Streitjahr 1955 geltenden Vermögensteuer-Freibeträge in diesem Sinn als unerheblich anzusehen. Im Urteil VI 104/63 U (a. a. O.) wurde in Ergänzung dazu ausgeführt, daß nach der ab 1960 bei der Vermögensteuer vorgenommenen Erhöhung der Freibeträge diese erhöhten Vermögensteuer-Freibeträge nicht ohne weiteres bei der Feststellung der Erheblichkeit des Vermögens für die Anwendung des § 33 EStG bei Aussteueraufwendungen zugrunde gelegt werden können. In diesem Urteil wurde demgegenüber die in Abschn. 188 Abs. 8 EStR 1961 vorgenommene Abgrenzung als brauchbare Schätzungsgrundlage bezeichnet. Die Ausführungen des Finanzgerichts in der Vorentscheidung veranlassen den Senat nicht zur änderung der dem Urteil VI 104/63 U (a. a. O.) zugrunde liegenden rechtlichen Beurteilung. Als Anhaltspunkt für die Feststellung, ob das Vermögen der Steuerpflichtigen erheblich ist oder nicht, kann daher nicht der für das Streitjahr 1960 bei der Vermögensteuer der Steuerpflichtigen maßgebende Freibetrag von 80.000 DM dienen, sondern nach der als zutreffend anzusehenden Gesetzesauslegung in Abschn. 188 Abs. 8 EStR 1961 ein Betrag von 37.500 DM.
Dem Finanzgericht ist auch nicht zu folgen, wenn es als Verkehrswert des Grundbesitzes der Steuerpflichtigen und ihres Weinbauvermögens nur das Doppelte des Einheitswerts dieser Vermögensgegenstände annimmt. Der Senat hat in dem Urteil VI 104/63 U (a. a. O.) die Ermittlung des Verkehrswertes durch Verdoppelung des Einheitswerts nur bei selbst bewohnten Einfamilienhäusern mit einfacher Ausstattung als vertretbar angesehen. Hierfür sprach neben sozialen Erwägungen insbesondere der Umstand, daß eine Geldbeschaffung durch Beleihung derartiger Häuser oft nicht oder nur in bescheidenen Grenzen möglich sein wird. Für ein Betriebsvermögen kommt eine derartige Vereinfachung bei der Ermittlung des wahren Wertes jedoch nicht in Betracht. Der Vorsteher des Finanzamts weist mit Recht in seiner Rb. darauf hin, daß der Einheitswert des Weinbaubetriebs der Steuerpflichtigen nicht nur die dem Weinbau dienenden Grundstücke umfaßt, sondern auch den Wert der Rebanlagen, die hierzu gehörenden Gebäude, das Inventar und vor allem den normalen Weinbestand. Daß das doppelte des Einheitswerts bei dieser Sachlage nicht den tatsächlichen Verkehrswert ergibt, bedarf keiner weiteren Begründung. Es braucht nicht ermittelt zu werden, wie hoch im Streitjahr der wirkliche Verkehrswert des Grundbesitzes und des Weinbauvermögens war. Die Einheitswerte beider Vermögensobjekte betragen zusammen 38.200 DM. Sie sind also etwa so hoch, wie die nach Abschn. 188 Abs. 8 EStR 1961 nach dem Familienstand der Steuerpflichtigen in Betracht kommende Begrenzung des als unerheblich anzusehenden Vermögens, die 37.500 DM beträgt. Der Verkehrswert des Vermögens der Steuerpflichtigen übersteigt den für sie als Anhaltspunkt geltenden Grenzbetrag mit Sicherheit erheblich. Die Rb. hat daher Erfolg und führt zur Aufhebung des Urteil des Finanzgerichts.
Die Sache ist entscheidungsreif. Da die Einspruchsentscheidung zutreffend eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG abgelehnt hat, ist die hiergegen gerichtete Berufung nach Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411502 |
BStBl III 1965, 193 |
BFHE 1965, 533 |
BFHE 81, 533 |