Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat hält an seiner im Urteil VII 156/65 vom 11. Juli 1968 (BFH 92, 405, BZBl 1968, 1026) vertretenen Auffassung fest, daß ein gegen Art. 95 EWGV verstoßender Ausgleichsteuersatz nur insoweit nicht anwendbar ist, als ein Verstoß vorliegt, daß wegen eines solchen Verstoßes aber nicht die nationale Vorschrift nichtig ist.
2. Ein Ausgleichsteuersatz, der nicht im Gesetz zum Durchschnittssatz erklärt worden ist. Ist gleichwohl ein Durchschnittssatz im Sinne von Art. 97 EWGV, wenn er nicht nur die Belastung des der Einfuhr entsprechenden inländischen Umsatzes ausgleicht, sondern auch dem Ausgleich der Umsatzsteuervorbelastung für die vorangehenden Fertigungs- und Vertriebsstufen vergleichbarer inländischer Waren dient.
3. Besteht zur Zeit der Einfuhr einer Ware für sie kein Ausgleichsteuer-Durchschnittssatz im Sinne des Art. 97 EWGV und verstößt der angewandte Ausgleichsteuersatz gegen Art. 95 EWGV, so ist zur Ermittlung der zulässigen Höhe der Besteuerung jedenfalls dann kein konkreter Belastungsvergleich notwendig, wenn später im Einvernehmen mit der EWG-Kommission ein Durchschnittssatz eingeführt worden ist und sich die maßgeblichen Verhältnisse in der Zelt zwischen dieser Festlegung und der Einfuhr nicht wesentlich geändert haben.
4. Unbeschadet des Art. 97 EWGV haben die Gerichte auch zu prüfen ob die den Ausgleichsteuersatz enthaltende Gesetzesbestimmung gegen das GG verstößt. Die „einphasige” Erhebung der Ausgleichsteuer auf die Einfuhr in Gestalt eines allgemeinen Steuersatzes verstieß nicht gegen Art. 3 GG und auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Normenkette
EWGVtr Art. 95, 97; EWGV Art. 177; GG Art. 2-3, 20, 80; UStG 1951 § 1 Nr. 3, § 4 Nr. 1a, § 7 Abs. 4, 5 Nr. 1 Hs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin ließ am 9. Oktober 1963 Vollmilchpulver aus Luxemburg zum freien Verkehr abfertigen. Neben dem Zoll erhob das Zollamt (ZA) Ausgleichsteuer zum Steuersatz von 4 v. H. des Wertes. Die Klägerin machte mit ihrem Einspruch geltend, daß die Erhebung der Ausgleichsteuer gegen Art. 95 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV), Art. 3 Ziff. 2 GATT und auch gegen § 1 Nr. 3 UStG 1951 in Verbindung mit Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verstoße, weil die Lieferung von inländischem Voltmilchpulver gemäß § 4 Nr. 20 f.) UStG seit dem 1. Februar 1956 und die Lieferung des Vorproduktes Milch nach § 4 Nr. 25 UStG 1951 seit dem 30. Juni 1961 umsatzsteuerfrei seien. Der Einspruch blieb erfolglos.
Auf die Berufung holte die Vorinstanz eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EGH) ein. Dieser legte mit Urteil vom 16. Juni 1966 in der Rs. 57/65 (Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der EurGem Bd. XII S. 257 – RsprGH XII, 257 –, BZBl 1966, 735) Art. 95 Abs. 1 EWGV dahin aus, daß er unmittelbare Wirkungen erzeuge und individuelle Rechte des einzelnen begründe, welche die staatlichen Gerichte zu beachten haben.
Das Finanzgericht (FG) hob daraufhin die Einspruchsentscheidung und den Steuerbescheid hinsichtlich der Ausgleichsteuer auf und verwies die Sache an das ZA zurück. Es ging davon aus, daß in der Zeit von 1963 bis 1. April 1965, d. h. bis zum Inkrafttreten der Herabsetzung des Steuersatzes von 4 v. H. auf 3 v. H., sich das inländische Kosten- und Preisgefüge und damit die Umsatzsteuerbelastung vergleichbarer Waren nicht wesentlich geändert habe, zumal die EWG-Kommission bereits im Jahre 1963 die Höhe des Steuersatzes beanstandet habe. Da in dem vom Bundeswirtschaftsministerium dem EGH vorgelegten Gutachten die Vorbelastung für Vollmilchpulver mit 2,9 bzw. 2,86 v. H. angegeben gewesen sei, hielt die Vorinstanz eine Verletzung des Art. 95 EWGV durch den Steuersatz von 4 v. H. für gegeben. Da die Bestimmung der Höhe eines Steuersatzes nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung Aufgabe der gesetzgebenden Gewalt sei, könne das Gericht nur die angefochtenen Verwaltungsbescheide aufheben.
Mit der Revision macht das Hauptzollamt (HZA) geltend, daß auch der Steuersatz von 4 v. H. ein Durchschnittssatz sei. Der Bundesminister der Finanzen (BdF) führte hierzu in der mündlichen Verhandlung aus, daß der Gesetzgeber die allgemeinen Sätze für Inlandslieferungen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen auf 0 v. H. gesenkt habe, ohne den Ausgleichsteuersatz zu verändern. Durch dieses Unterlassen einer Änderung des allgemeinen Ausgleichsteuersatzes habe er diesen als Durchschnittssatz belassen und damit als solchen „eingeführt”.
Das HZA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen, hilfsweise: den angefochtenen Steuerbescheid des ZA vom 9. Oktober 1963 unter Aufhebung der Vorentscheidung hinsichtlich der Ausgleichsteuer auf den Betrag abzuändern, der sich unter Zugrundelegung eines Ausgleichsteuersatzes von 3 v. H. ergibt.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie bestreitet das Vorliegen eines Durchschnittssatzes und regt die Einholung einer erneuten Vorabentscheidung des EGH zu verschiedenen das Vorliegen von Durchschnittssätzen betreffenden Fragen an. Die dem EGH in der Sache VII 156/65 vorgelegte Frage sei zu allgemein formuliert gewesen. Den Begriff des Durchschnittssatzes im Sinne von Art. 97 EWGV habe es bis zum Siebzehnten Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (17. UStÄndG) im deutschen Recht überhaupt nicht gegeben. Die in § 18 Abs. 2 Nr. 1 bzw. § 28 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1951 enthaltenen Begriffe „Durchschnittssätze” hätten einen anderen Inhalt. Diese Durchschnittssätze seien nach anderen Grundsätzen aufzustellen und dienten der Erleichterung der Buchführung. Der Begriff des Durchschnittssatzes im Sinne des Art. 97 EWGV sei daher nach dem EWGV auszulegen und nicht nach dem nationalen Gesetz. Art. 97 EWGV stelle eine Ermächtigung dar. Auch der Steuersatz von 3 v. H. sei 1965 nicht „in Vollzug von Art. 97 EWGV” und damit nicht als Durchschnittssatz eingeführt worden. Es sei auch zweifelhaft, ob Berechnungen hierfür angestellt worden seien. Eine gegen den Art. 95 EWGV verstoßende Rechtsnorm könne nur in vollem Umfange nichtig sein, nicht etwa teilnichtig oder relativ unwirksam gegenüber EWG-Waren, nicht aber gegenüber Drittlandswaren. Ein solcher Verstoß beziehe sich überhaupt nicht auf das Verhältnis zwischen Staaten. Maßgebend für die Überprüfung eines belastenden Verwaltungsaktes und des ihm zugrunde liegenden Gesetzes sei allein das Verhältnis des betroffenen Bürgers zu seinem Staate. In diesem Verhältnis sei der Verstoß und damit die Nichtigkeit nicht relativ, sondern absolut. Im übrigen betrage die Gesamtbelastung der inländischen vergleichbaren Waren höchstens 0,16 v. H. Auch nach anderen Berechnungen ergebe sich ein niedrigerer Satz als 3 v. H. Im übrigen verstoße die Erhebung der Ausgleichsteuer gegen die Diskriminierungsverbote in Art. 7 Abs. 1 und Art. 40 Abs. 3 EWGV sowie in Art. 3 Ziff. 2 GATT, ferner gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 GG) und gegen den Sinn und Zweck der Ausgleichsteuer, der in dem Klammersatz zu § 1 Nr. 3 UStG 1951 zum Ausdruck komme. Bei einer anderen Entscheidung weiche der Senat vom BFH-Gutachten Vz D 2/54 S vom 21. Oktober 1954 (BFH 60, 146, BStBl III 1955, 57) ab. Milchpulver sei in unmittelbarer Anwendung des § 4 Nr. 1 a Satz 1 UStG 1951 als Roh- und Hilfsstoff, der für die deutsche Erzeugung erforderlich ist und im Inland nicht in ausreichender Menge erzeugt wird, steuerfrei. Sehe man in dieser Vorschrift eine Ermächtigung, so sei diese unbestimmt und verstoße daher gegen Art. 80 Abs. 1 GG.
Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei verletzt (Art. 2 in Verbindung mit Art. 19, 20 GG). Denn das „Übermaß” des Eingrills werde auch nicht dadurch wieder wettgemacht, daß andere Bürger im „Untermaß” belastet werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat teilweise Erfolg.
I.
Der Einholung einer Vorabentscheidung des EGH nach Art. 177 Abs. 1 a EWGV zur Auslegung des EWGV bedarf es dann nicht, wenn der EGH zu der betreffenden Frage bereits Stellung genommen hat und das Gericht sich dessen Auffassung anschließt (vgl. EGH-Rs. 28-30/62 vom 27. März 1963, RsprGH IX, 65 [80]). Zur Streitsache hat der EGH Art. 95 EWGV in der oben angegebenen Rs. 57/65 dahin ausgelegt, daß dessen Abs. 1 unmittelbare Wirkungen ab 1. Januar 1962 erzeuge und individuelle Rechte des einzelnen begründe, welche die staatlichen Gerichte zu beachten hätten. An dieser Auffassung hat der EGH auf den Vorlagebeschluß des BFH VII 156/65 vom 18. Juli 1967 (BFH 89, 52, BZBl 1967, 942) im Urteil Rs. 28/67 vom 3. April 1968 (RsprGH XIV, 215) festgehalten. In dieser Rs. hat der EGH ferner unter „inländischen Abgaben …, die gleichartige inländische Waren unmittelbar oder mittelbar zu tragen haben” im Sinne von Art. 95 Abs. 1 EWGV alle Abgaben verstanden, die das inländische Erzeugnis auf allen Fertigungs- und Vertriebsstufen tatsächlich und spezifisch treffen, die derjenigen der Einfuhr gleichartiger Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten vorangehen oder entsprechen. Dagegen hat er dem Art. 97 EWGV keine unmittelbaren Wirkungen im obengenannten Sinne zugesprochen; d. h. der einzelne könne sich nicht auf diesen Artikel berufen, wenn der betreffende Mitgliedstaat die Umsatzsteuer nach dem System der kumulativen Mehrphasensteuer erhebt und tatsächlich von der Erlaubnis Gebrauch gemacht hat, Durchschnittssätze für Waren oder Gruppen von Waren festzulegen. Dann gälten in diesem Staat die von ihm als solche eingeführten Sätze. Anhand dieser Auslegung hat der erkennende Senat in dem Urteil VII 156/65 vom 11. Juli 1968 (BFH 92, 405, BZBl 1968, 1026) entschieden, daß der als allgemeiner Steuersatz von 4 v. H. des Wertes nach § 7 Abs. 4 UStG 1951 eingeführte Ausgleichsteuersatz für Milchpulver kein Durchschnittssatz im Sinne von Art. 97 EWGV sei und gegen Art. 95 Abs. 1 EWGV in Höhe von 1 v. H. verstoße. An dieser Auffassung hält der Senat fest, zumal im Streitfalle der Zeitpunkt der Einfuhr dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Senkung des Ausgleichsteuersatzes auf 3 v. H. durch das 16. UStÄndG 1965 noch näherliegt als der Zeitpunkt der Einfuhr in der Sache VII 156/65.
Zu einer erneuten Einholung einer Vorabentscheidung des EGH gibt das Vorbringen der Beteiligten keinen Anlaß, weil die vom EGH gegebene Auslegung der Art. 95 und 97 EWGV im Zusammenhang mit den auf die Vorlagebeschlüsse der FG ergangenen Vorabentscheidungen Rsen. 7/67, 13/67, 20/67, 25/67, 27/67, 31/67 und 34/67 vom 4. April 1968 (RsprGH XIV, 267 bis 375) auch zur Entscheidung der neu aufgeworfenen Fragen ausreicht.
In dem Urteil VII 156/65 ist der Senat bei der Frage wann der Gesetzgeber einen Steuersatz als Durchschnittssatz eingeführt hat, davon ausgegangen, daß dies eine Frage des nationalen Rechts sei. Er hat dies aus der Antwort des EGH in der Rs. 28/67 auf die Frage des Senats, was unter Durchschnittssätzen im Sinne von Art. 97 EWGV zu verstehen sei, entnommen. Danach sind dies die von dem betreffenden Staat als solche eingeführten Sätze. Auch in den Entscheidungen in den Rsen. 13/67 und 25/67, die zu wesentlich eingehenderen Fragen der FG zum Begriff des Durchschnittssatzes im Sinne von Art. 97 EWGV ergangen sind, hat sich der EGH auf diese Auslegung beschränkt. So hatte das FG in der Rs. 25/67 gefragt, was unter einem Durchschnittssatz im Sinne von Art. 97 EWGV zu verstehen sei und ob ein im Jahre 1951 eingeführter Regelsteuersatz ein solcher Durchschnittssatz sein könne. Ein anderes FG hatte in der Rs. 13/67 gefragt, wie der Begriff „Durchschnittssätze” in Art. 97 EWGV auszulegen sei, insbesondere ob bei einem kumulativen Mehrphasensteuersystem Ausgleichsteuersätze generell als Durchschnittssätze im Sinne des Art. 97 EWGV gelten, oder ob in jedem Fall zu prüfen sei, ob ein Steuersatz nicht über oder unter dem Durchschnitt der unmittelbaren oder mittelbaren Umsatzsteuerbelastung gleichartiger inländischer Waren liegt, z. B. wenn der Steuersatz nur der Belastung einer Umsatzphase einer gleichartigen inländischen Ware entspricht, und ob ein Durchschnittssatz vorliege, wenn Waren verschiedener Fertigungsstufen, z. B. Getreide und daraus hergestellte Backwaren, unter den gleichen Steuersatz fallen. In diesen beiden Rsen. hat sich der EGH jeweils damit begnügt, auf die dem BFH in der Rs. 28/67 gegebenen Antworten hinzuweisen. In dieser Vorabentscheidung hat er sein Urteil in der Rs. 57/66 dahin erläutert, daß die unmittelbare Wirkung des Art. 95 Abs. 1 EWGV nur für diejenigen Abgabensätze gelte, die der nationale Gesetzgeber selbst nicht als Durchschnittssätze ansieht. Damit sowie durch die Nichtbeantwortung der betreffenden besonderen Fragen hat der EGH eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß zur Entscheidung der Frage, ob eine Abgabe im Sinne von Art. 95 oder von Art. 97 EWGV vorliegt, die Feststellung genügt, daß der Gesetzgeber einen Steuersatz als Durchschnittssatz eingeführt hat oder nicht. Dies kann aber nur nach nationalem Recht beurteilt werden.
Deshalb bedarf es auch keiner erneuten Vorlage wegen der Rechtsbehauptung der Klägerin, der Gesetzgeber müsse bewußt und gewollt auf Grund des Art. 97 EWGV gehandelt und dies auch im Gesetz deutlich zum Ausdruck gebracht haben. Wie der Senat im Urteil VII 156/65 ausgeführt hat, unterliegt die Ausgleichsteuer als inländische Abgabe der Steuerhoheit der Bundesrepublik Deutschland, die durch das Diskriminierungsverbot des Art. 95 EWGV lediglich eingeschränkt, aber nicht aufgehoben ist. Soweit dieses Verbot nicht verletzt ist, wenn also die Ausgleichsteuersätze unter der vergleichbaren Umsatzsteuerbelastung liegen, ist der Mitgliedstaat in der Wahl seines Steuersystems und der Bildung der Ausgleichsteuersätze frei. So sieht es auch der EGH als „Sache der Mitgliedstaaten” an, Durchschnittssätze festzulegen, und billigt diesen einen Entscheidungsspielraum bei der Bestimmung der Warengruppen und Berechnung der Durchschnittssätze zu, dessen Gebrauch nur der Nachprüfung durch die Kommission unterliege und eine unmittelbare Wirkung von Art. 97 EWGV ausschließe. Der nationale Richter könne daher nur prüfen, ob der Mitgliedstaat die Umsatzsteuer nach dem System der kumulativen Mehrphasensteuer erhebt und ob er von der ihm durch Art. 97 EWGV eingeräumten Möglichkeit bzw. Befugnis Gebrauch gemacht und Durchschnittssätze festgelegt hat. Ob dies geschehen ist, ergibt sich aus der Auslegung des betreffenden Steuergesetzes auf Grund seines Wortlauts, seines Sinnes und Zweckes oder anderer Mittel der Gesetzesauslegung. Aus der Entwicklung der Gesetzgebung hat der Senat im Urteil VII 156/65 entnommen, daß der Gesetzgeber schon vor dem Inkrafttreten des 17. UStÄndG und auch vor dem Inkrafttreten des EWGV Ausgleichsteuer-Durchschnittssätze eingeführt hatte, ohne den Ausdruck „Durchschnittssätze” zu gebrauchen. Auch hieraus, vor allem aber aus dem Umstand, daß die meisten Mitgliedstaaten schon vor der Vereinbarung des EWGV die Umsatzsteuer nach dem kumulativen Mehrphasensteuersystem erhoben, bei dem ein exakter Grenzausgleich die Festlegung von Durchschnittssätzen verlangt, hat der Senat geschlossen, daß bei der Einführung von Durchschnittssätzen nicht auf Art. 97 EWGV Bezug genommen zu werden brauchte. Damit hat der Senat entgegen der Meinung der Klägerin nicht den EWGV und auch nicht das Urteil des EGH in der Rs. 28/67 ausgelegt. Er hat vielmehr die vom EGH gegebene Auslegung angewendet, indem er erörtert hat, wann der Gesetzgeber Durchschnittssätze als solche eingeführt hat.
Würde man Art. 97 Abs. 1 EWGV als eine Ermächtigungsvorschrift ansehen, auf die wie beim Erlaß einer Rechtsverordnung auf Grund eines Gesetzes Bezug zu nehmen ist, so müßte der nationale Richter auch prüfen, ob sich der Gesetzgeber im Rahmen der Ermächtigung gehalten und die Durchschnittssätze unter Wahrnehmung der Grundsätze des Art. 95 EWGV aufgestellt hat. Das aber hat gerade der EGH ausdrücklich abgelehnt und als Aufgabe der Kommission angesehen. Ein Ausgleichsteuersatz, der nicht im Gesetz zum Durchschnittssatz erklärt worden ist, ist nach Auffassung des Senats gleichwohl ein Durchschnittssatz im Sinne von Art. 97 EWGV, wenn er nicht nur die Belastung des der Einfuhr entsprechenden inländischen Umsatzes ausgleicht, sondern auch dem Ausgleich der Umsatzsteuervorbelastung für die vorangehenden Fertigungs- und Vertriebsstufen vergleichbarer inländischer Waren dient. Denn bei einem kumulativen Mehrphasensteuersystem kann der Ausgleich der unmittelbaren und mittelbaren Umsatzsteuerbelastung bei der Vielzahl der als gleichartig oder vergleichbar anzusehenden, unter einem Steuersatz zusammengefaßten Waren und bei den jeweils unterschiedlichen Herstellungsarten und Vertriebswegen nur in Gestalt eines Durchschnittssatzes erfolgen. In welcher Weise die Steuersätze zustande kamen, brauchte daher nicht besonders im Gesetz zum Ausdruck zu kommen, während dies bei den Durchschnittssätzen im Sinne von § 28 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1951, die der Erleichterung der Buchführung nichtaufzeichnungspflichtiger Landwirte usw. dienten, erforderlich war.
II.
Der BdF hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, daß der in § 7 Abs. 4 UStG 1951 festgelegte allgemeine Steuersatz von 4 v. H. dadurch zum Durchschnittssatz geworden sei, daß der Gesetzgeber anläßlich der Befreiung der der Einfuhr entsprechenden Inlandslieferung von Milchpulver von der Umsatzsteuer den Ausgleichsteuersatz nicht entsprechend gesenkt habe. Durch die Beibehaltung des Ausgleichsteuersatzes trotz Änderung der Umsatzsteuerbelastung sei der Satz von 4 v. H. als Durchschnittssatz eingeführt worden. Der Gesetzgeber habe dies nach außen nicht kenntlich zu machen und auch nicht etwa den Satz von 4 v. H. erst aufzuheben und dann wieder als Durchschnittssatz einzuführen brauchen, zumal der Bundestag den Ausdruck „Durchschnittssatz” weder im Gesetz noch in der Begründung gebraucht habe. Durch den bestehengebliebenen Ausgleichsteuersatz von 4 v. H. sei die Vorbelastung mit Umsatzsteuer erfaßt und damit der Voraussetzung für einen Durchschnittssatz entsprochen worden. Daß der Steuersatz sich später als zu hoch und deshalb als unrichtig herausgestellt habe, berühre seine Eigenschaft als Durchschnittssatz nicht.
Dieser Auffassung kann der Senat nicht folgen. Zwar kann ein Durchschnittssatz dann als „vom Mitgliedstaat eingeführt” angesehen werden, wenn dieser die Ausgleichsteuer nicht nur einphasig, d. h. nach dem allgemeinen Steuersatz für den Umsatz der Einfuhr, sondern entsprechend dem kumulativen Mehrphasensteuersystem auch zum Ausgleich der Umsatzsteuervorbelastung der vergleichbaren inländischen Waren erhebt. Für den Fall aber, daß im Gesetz selbst nicht zum Ausdruck kommt, daß es sich um einen Durchschnittssatz handelt, hat der Senat im Urteil VII 156/65 auf Grund der Gesetzesentwicklung darauf abgestellt, ob in den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte für einen beabsichtigten Ausgleich auch der Umsatzsteuervorbelastung vorhanden waren, z. B. die Berücksichtigung entsprechender Belastungsberechnungen. Unter diesen Umständen kann auch ein Steuersatz von 4 v. H. gemäß § 7 Abs. 4 UStG 1951 ein Durchschnittssatz sein. Liegen keine derartigen Anhaltspunkte vor, so spricht das dafür, daß es bei der seit Einführung der Ausgleichsteuer im Jahre 1932 vom Gesetzgeber gewählten „einphasigen” Erhebung der Ausgleichsteuer verblieben ist, wie im zweiten Abschnitt des Urteils VII 156/65 und in Abschnitt V. dieses Urteils näher dargelegt ist. Wohl kann bei Änderung einer Norm ein gesetzgeberischer Wille auch in der Untätigkeit, nämlich der Unterlassung der Änderung einer damit korrespondierenden Norm zum Ausdruck kommen. Sollte aber der Ausgleichsteuersatz von 4 v. H. an Stelle der Belastung des der Einfuhr entsprechenden, nunmehr von der Umsatzsteuer befreiten Umsatzes die Umsatzsteuervorbelastung der gleichartigen inländischen Ware ausgleichen, so müßte aus den einschlägigen Parlamentsprotokollen irgendetwas darüber hervorgehen, daß anläßlich der Beratung der Umsatzsteuerbefreiung Erörterungen über die zutreffende Höhe des Ausgleichs bei der Einfuhr stattgefunden haben. Diese Protokolle lassen aber in dieser Hinsicht nichts erkennen. Beim Inkrafttreten des 6. UStÄndG im Jahre 1956, mit dem die Umsatzsteuerbefreiung für Lieferungen von Milcherzeugnissen durch den Hersteller unter den Voraussetzungen von § 4 Nr. 20 UStG eingeführt worden war, war der EWGV noch nicht in Kraft getreten, so daß wegen des damaligen Systems der Ausgleichsteuererhebung auf nur einer Umsatzstufe, nämlich der Einfuhr, noch kein Anlaß bestand, Durchschnittssätze im Sinne von Art. 97 EWGV einzuführen. So handelt erstmalig der Entwurf der Bundesregierung vom 17. Januar 1961, also fünf Jahre nach der weitgehenden Befreiung der landwirtschaftlichen Lieferungen von der Umsatzsteuer, in der Bundestags-Drucksache III 2402 S. 11 f. davon, daß die Milcherzeugnisse trotz der Umsatzsteuerbefreiung ihre Lieferung mittelbar mit Umsatzsteuer belastet seien und Berechnungen über die Gesamtvorbelastung mit Umsatzsteuer der beteiligten Ressorts, insbesondere des Bundesernährungsministeriums, Belastungen auf der Erzeugerstufe von zwischen 2,0 und 2,9 v. H. des Verkaufspreises, bei Milch von 1,3 v. H. ergeben hätten. Der Entwurf ist damit begründet, daß verschiedene GATT-Staaten und die EWG-Kommission die Erhebung von 4 v. H. Ausgleichsteuer als gegen Art. IV rev. GATT und Art. 95 EWGV verstoßend angegriffen hätten. Dieser Entwurf weist auch nicht wie der Entwurf der Bundesregierung zum 12. UStÄndG vom 16. Mai 1963 (Bundestags-Drucksache IV 1047 und IV/661 – neu –) auf einen früheren Vorschlag der Bundesregierung zur Berücksichtigung der Umsatzsteuervorbelastung und Herabsetzung der Ausgleichsteuersätze hin, so daß alles dagegen spricht, daß der Gesetzgeber bereits 1956 die Vorbelastung des inländischen Milchpulvers mit Umsatzsteuer in dem Ausgleichsteuersatz von 4 v. H. berücksichtigte und diesen Satz damit als Durchschnittssatz einführte.
III.
Der Senat hat im Urteil VII 156/65 die Feststellung, daß der Steuersatz von 4 v. H. gegen Art. 95 EWGV in Höhe von 1 v. H. verstoße, deshalb darauf gestützt, daß die EWG-Kommission bei der Vertretung der Bundesrepublik Deutschland Vorstellungen erhoben hat, weil diese auf Berechnungen der Umsatzsteuervorbelastung für Milchpulver gegründet waren und schließlich insofern Erfolg hatten, als der deutsche Gesetzgeber den Steuersatz durch das 16. UStÄndG 1965 auf 3 v. H. ermäßigt hatte. Auch im Streitfall hat die Vorinstanz auf Grund der ihr vorliegenden Berechnungen der EWG-Kommission, die auch Berechnungen des Instituts für Betriebswirtschaft in Braunschweig-Völkenrode herangezogen hatte, festgestellt, daß der Steuersatz von 4 v.H. gegen Art. 95 EWGV verstoße. Sie hat aber daraus gefolgert, daß der Steuerbescheid im ganzen aufzuheben sei, weil es nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht Aufgabe der Gerichte sein könne, einen vom Gesetz abweichenden Steuersatz festzusetzen bzw. der Steuerberechnung zugrunde zu legen. Der Vorinstanz ist insoweit zuzustimmen, als es nicht Aufgabe des Gerichts sein kann, anstelle des Gesetzgebers einen neuen Steuersatz festzusetzen. Denn aus Art. 77, 80 und 81 GG folgt eindeutig, daß die gesetzgebende Gewalt nur von den gesetzgebenden Körperschaften und den zur Rechtsetzung zulässigerweise ermäßigten Organen ausgeübt werden darf. Daher ist es ausgeschlossen, daß Gerichte Befugnisse ausüben, die von der Verfassung eindeutig dem Gesetzgeber übertragen worden sind (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 2 S. 380 [406] – BVerfGE 2, 380 [406] –; 4, 219 [234]). Die Gerichte haben zwar die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zu prüfen (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3, Art. 100 Abs. 1 GG). Damit sie sich aber nicht über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen können, sind sie bei Annahme einer Verletzung des GG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 11 und § 80 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verpflichtet, dem allein der Ausspruch, daß ein Gesetz nichtig sei, vorbehalten ist (siehe BVerfGE 1, 184 [197]). Eine Vorlage an das BVerfG scheidet jedoch aus, wenn das Deutsche Gesetz nicht gegen das GG, sondern gegen den EWGV verstößt.
Gleichwohl muß das nationale Gericht im Falle der unmittelbaren Wirkung einer Bestimmung des EWGV dem einzelnen Rechtsschutz gewähren, wie der EGH in der Rs. 57/65 zur Auswirkung des Art. 95 EWGV entschieden hat. Danach hat das nationale Gericht festzustellen, ob der betreffende Mitgliedstaat seiner Verpflichtung nach Art. 95 Abs. 3 EWGV nachgekommen ist, die dem Art. 95 Abs. 1 EWGV entgegenstehenden Bestimmungen bis zum 1. Januar 1962 aufzuheben oder zu berichtigen, „um sodann Abs. 1 in jedem Falle unmittelbar anwenden zu können”. Wie dies geschehen kann, hat der EGH in den Rsen. 28/67 und 34/67 dahin erläutert, daß es dem nationalen Gericht überlassen bleibe, nach seinem Recht darüber zu entscheiden, ob eine Abgabe, die nur über einen bestimmten Betrag hinaus mit Art. 95 Abs. 1 EWGV unvereinbar ist, insgesamt rechtswidrig ist oder nur insoweit, als sie jenen Betrag übersteigt. In Anwendung dieser Auslegung hat der erkennende Senat im Urteil VII 156/65 entschieden, daß eine rechtsgültig zustandegekommene und nicht gegen das GG, aber gegen Art. 95 EWGV verstoßende Gesetzesbestimmung nicht als nichtig anzusehen sei mit der Folge, daß überhaupt keine Abgabe erhoben werden könnte. Der Annahme einer solchen Nichtigkeit steht schon die weitergehende Wirkung eines gesetzlich bestimmten Steuersatzes entgegen, nämlich daß er unbeschadet eines Verstoßes gegen den EWGV auf Drittlandswaren angewendet werden kann (vgl. auch Ulmer, Außenwirtschaftsdienst 1966 S. 277 [281]). Denn insoweit ist die Steuerhoheit nicht durch den EWGV beschränkt. Daß unter Umständen Drittlandswaren schlechter als EWG-Waren behandelt werden, wenn ein Ausgleichsteuersatz auf EWG-Waren nicht in voller Höbe anzuwenden ist, ist die notwendige Folge bei Zollabkommen. Ein solches Abkommen enthält auch der EWGV, dessen erstes Vertragsziel eine Zollunion ist (Art. 9 EWGV). Wird z. B. eine Zollermäßigung vereinbart, so gilt für die gleiche Ware je nach ihrer Herkunft entweder der normale oder ein ermäßigter Zollsatz. Auch die Art. 95 ff. EWGV sollen in erster Linie Einbrüche in das System des innergemeinschaftlichen Abbaus der Zölle und der gleichzeitigen Einrichtung eines gemeinschaftlichen Außenzolltarifs verhindern (siehe EGH in der Rs. 2 und 3/62 vom 14. Dezember 1962, RsprGH VIII, 869). Denn Ausgleichsteuersätze, welche die inländische Umsatzsteuerbelastung gleichartiger inländischer Waren übersteigen, wirken insoweit protektionistisch und damit zollähnlich. Kann ein solcher Satz insoweit nicht auf EWG-Waren angewendet werden, so wirkt sich dies im Vergleich zu Drittlandswaren, auf die der volle Ausgleichsteuersatz anzuwenden ist, wie eine Zoll-Präferenz aus (siehe Hübschmann-Grabower-Beck-v. Wallis-Schwarz, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 1 Nr. 3 Anm. 6 und 8 ff. UStG 1951).
Einer völligen Nichtigkeit eines Ausgleichsteuersatzes wegen eines Verstoßes gegen Art. 95 EWGV steht auch die Rechtsnatur der Ausgleichsteuer als einer inneren, noch grundsätzlich der Steuerhoheit der Bundesrepublik Deutschland unterliegenden Abgabe entgegen, die jedenfalls in Höhe des vertragskonformen Teiles vom EWGV unberührt bleibt und daher auch nicht das gleiche Schicksal wie der gegen Art. 95 EWGV verstoßende Teil erleiden kann. So wird die Ausgleichsteuer als immanenter Teil der Umsatzsteuer nach den Ausführungen des Generalanwalts Gand in der Rs. 31/67 (RsprGH XIV, 248) anders als das Gebiet der Zölle nur in sehr begrenztem Maße vom EWGV berührt, ja sogar überhaupt nicht, wenn Ausgleichsteuer auf EWG-Waren erhoben wird, obwohl keine gleichartigen inländischen Waren und sonstigen inländischen Produktionen vorhanden sind, die hierdurch geschützt werden könnten (EGH-Rs. 27/67, RSprGH XIV, 333 [349]). In dieser Rechtssache hat der EGH auch zum Verhältnis des Abs. 1 Art. 95 EWGV zu Abs. 2 a. a. O. festgestellt, daß Abs. 1 Abgaben „nur untersage, soweit sie einen bestimmten Vergleichsbetrag überschreiten, während das in Abs. 2 enthaltene Verbot auf die Schutzwirkung der genannten Abgaben abstelle, ohne einen genauen Bezugspunkt für den Vergleich zu nennen, und daß der Vertrag dem nationalen Richter nicht untersage, gegebenenfalls zu entscheiden, unterhalb welcher Höhe die Abgabe die von dem Vertrag verbotene Schutzwirkung nicht mehr erzeuge und daraus alle gebotenen Folgerungen zu ziehen”. Demnach kann Art. 95 EWGV nur der Beseitigung von Diskriminierungen bei der Erhebung der Ausgleichsteuer dienen, nicht aber die völlige oder teilweise Nichtigkeit eines Ausgleichsteuersatzes herbeiführen, zumal in der Regel jede inländische Ware beim System der kumulativen Mehrphasensteuer mindestens mittelbar mit Umsatzsteuer belastet ist, die durch die Ausgleichsteuer ausgeglichen werden kann.
Kann danach die gesetzliche Festsetzung des Steuersatzes nicht als nichtig angesehen werden, so könnte der Rechtsschutz wohl in der von der Vorinstanz gewählten Weise gewährt werden, daß der Steuerbescheid aufgehoben und dem Gesetzgeber Gelegenheit gegeben wird, eine neue vertragsmäßige Regelung für die noch nicht bestandskräftigen Fälle zu treffen (vgl. Entscheidung des BVerfGE 1 BvR 679/64 vom 13. Dezember 1967, BStBl II 1968, 70; BVerfGE 15, 46 [76]). Eine solche Möglichkeit scheitert aber hier schon daran, daß das UStG 1951 mit Wirkung vom 1. Januar 1968 durch § 31 Abs. 1 Nr. 1 UStG (Mehrwertsteuer) vom 29. Mai 1967 (BGBl I 1967, 545) aufgehoben worden und die nachträgliche Änderung eines bereits aufgehobenen Gesetzes nicht denkbar ist.
Gegen die Auffassung, daß die FG selbst Durchschnittssätze bilden müßten, sprechen folgende Erwägungen. Wie der EGH in der Rs. 28/67 ausgeführt hat, steht den Mitgliedstaaten bei der Bestimmung der Warengruppen und – mangels gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die Berechnungsweise – bei der Festlegung der Durchschnittssätze ein Entscheidungsspielraum zu, der es ausschließt, daß sich der einzelne vor den staatlichen Gerichten auf Art. 97 EWGV berufen kann. Abgesehen davon, daß den Gerichten auch nicht auf diesem Weg diese dem Gesetzgeber obliegende Aufgabe zukommen kann, würden sich verschieden hohe in diesen Entscheidungsspielraum fallende Ausgleichssteuersätze ergeben, die nicht zu beanstanden wären und auch von der Revisionsinstanz hingenommen werden müßten. Wenn nunmehr auch nach Ersetzung der Ausgleichsteuer durch die Einfuhrumsatzsteuer keine Wettbewerbsverzerrungen und Verkehrsverlagerungen mehr eintreten können, so würde die Bildung von Durchschnittssätzen durch die Gerichte doch zu einer unerträglichen Ungleichmäßigkeit der Besteuerung führen. Diese würde sich einmal daraus ergeben, daß das einzelne Gericht nur für einen bestimmten Bezirk zuständig ist, ferner aber daraus, daß die gebildeten Durchschnittssätze von den bei späteren Einfuhren erhobenen, vom Gesetzgeber vertragskonform, aber verspätet eingeführten Durchschnittssätzen abweichen könnten. Im übrigen wären die FG ihrer Organisation nach gar nicht in der Lage, ohne Vernachlässigung ihrer eigentlichen Aufgaben die notwendigen umfangreichen Erhebungen bei den einschlägigen Betrieben und die Beurteilungen der wirtschaftlichen Ergebnisse anhand von Sachverständigengutachten bei einer Vielzahl von Waren zeitgerecht durchzuführen.
Können aber die FG aus den vorstehenden rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht selbst Durchschnittssätze bilden, so müssen sie dennoch feststellen, ob und inwieweit der geltende Ausgleichsteuersatz gegen Art. 95 EWGV verstößt, um dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts zur Geltung zu verhelfen (siehe Ipsen, Europarecht 1966 S. 356 [358]). Dabei sind sie nicht unbedingt und in allen Fällen zur Durchführung eines auf Bruchteile von Hundertsätzen genau abzielenden konkreten Belastungsvergleiches genötigt. Denn minimale Mehr- oder Minderbelastungen der eingeführten Waren fallen beim Wettbewerb nicht ins Gewicht. Deshalb genügt es auch nach Art. 97 EWGV, Durchschnittssätze unter Beachtung der Grundsätze des Art. 95 EWGV aufzustellen, wobei sich ebenfalls bei den einzelnen Waren der betreffenden Warengruppe Belastungsunterschiede ergeben können. Für die Prüfung der zulässigen Belastung können die Gerichte alle sich anbietenden Erkenntnisquellen nutzen. Eine solche liegt insbesondere in dem nach dem 1. Januar 1962 zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers, seine vertraglichen Verpflichtungen aus Art. 95 Abs. 3 EWGV zu erfüllen, indem er im Einvernehmen mit der EWG-Kommission den betreffenden Steuersatz senkt. Haben sich die für die Ermäßigung des Steuersatzes maßgebenden Verhältnisse in der Zwischenzeit nicht wesentlich geändert, so kann das Gericht keinen von dem später gesetzlich unter Wahrung des Art. 95 EWGV festgelegten Steuersatz abweichenden Satz anwenden. Denn der Gesetzgeber hätte, wenn er nachträglich seiner Verpflichtung aus Art. 95 Abs. 3 EWGV rückwirkend bis 1. Januar 1962 nachkommen wollte, nichts anderes tun können, als – sofern sich nicht die hierfür maßgebenden Verhältnisse inzwischen wesentlich geändert haben – den später vertragskonform festgelegten Steuersatz schon von dem genannten Zeitpunkt an einzuführen. Würde er für die rückliegenden, nicht bestandskräftigen Fälle einen anderen Steuersatz festsetzen, so würde er auch den Gleichheitssatz verletzen, weil der einzelne bereits ab 1. Januar 1962 den gleichen Rechtsanspruch auf Beachtung des Art. 95 EWGV hatte wie derjenige, der in den Genuß des ermäßigten Steuersatzes kam. Deshalb läßt sich in diesen Fällen ein wirksamer und dem Art. 3 GG konformer Rechtsschutz gegenüber diskriminierenden Ausgleichsteuersätzen allein dadurch erreichen, daß der Betroffene so gestellt wird, als ob der Gesetzgeber bereits im Zeitpunkt der Einfuhr seine Verpflichtung aus Art. 95 Abs. 3 EWGV erfüllt hätte, indem er die späteren vertragskonformen Steuersätze festgelegt hat. Eine rückwirkende Anwendung ungünstigerer Durchschnittssätze scheidet dagegen wegen des grundsätzlichen Verbots belastender rückwirkender Steuergesetze aus (siehe BVerfGE 7, 194; 15, 313). Wie der Senat im Urteil VII 156/65 ausgeführt hat, steht einer Rückwirkung zu Lasten des Steuerpflichtigen vor allem der Umstand entgegen, daß der Einführer, der vor dem 30. Dezember 1966 seinen Rechtsbehelf zu Recht auf Art. 95 EWGV gestützt hatte, diesen Rechtsschutz durch das Inkrafttreten des 17. UStÄndG nachträglich verloren hätte. Es sind daher auch wesentliche Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse oder der Umsatzsteuerbelastung gleichartiger oder vergleichbarer inländischer Waren von den Gerichten in der Zeit zwischen der Einfuhr und dem Inkrafttreten des 17. UStÄndG bzw. von Gesetzen, mit denen schon vorher Durchschnittssätze eingeführt wurden, zu berücksichtigen. Diese Änderungen sind dann als erheblich und wesentlich anzusehen, wenn sie z. B. durch Wegfall einer Steuerbefreiung zu einem höheren vom Gesetzgeber eingeführten Durchschnittssatz geführt haben und die sich dadurch ergebende wirtschaftliche Belastung der Einfuhr eine Diskriminierung von nennenswertem Gewicht darstellt, d. h. eine solche, die sich in vollen oder halben Prozentsätzen ausdrücken läßt (vgl. die durch das 17. UStÄndG eingeführten Ausgleichsteuersätze von 7 v. H., 7,5 v. H., 8,5 v. H., 9,5 v. H. und 10 v. H.).
IV.
Im Streitfall hat die Vorinstanz zwar zutreffend festgestellt, daß der Steuersatz von 4 v. H. nicht als Durchschnittssatz angesehen werden kann, und aus der Ermäßigung des Steuersatzes für Milchpulver durch das 16. UStÄndG 1965 sowie aus den Berechnungen der EWG-Kommission in ihrem Schreiben vom 19. Dezember 1963 an die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland den Schluß gezogen, daß der Steuersatz von 4 v. H. gegen Art. 95 EWGV verstieß. Sie hätte aber deshalb den Steuerbescheid nicht völlig aufheben dürfen, sondern nach den vorstehenden Ausführungen prüfen müssen, inwieweit der Steuersatz von 4 v. H. gegen Art. 95 EWGV verstieß und ob sie den ermäßigten Steuersatz von 3 v. H. der Besteuerung zugrunde legen konnte. Dies war der Fall, wie der Senat ohne Tatsachenfeststellung selbst entscheiden kann. Denn der Steuersatz von 3 v. H. war im Gegensatz zu den allgemeinen Steuersätzen in § 7 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 1 – 1. Halbsatz und Nr. 4 UStG 1951 in der Fassung des 16. UStÄndG als besonderer, ermäßigter Steuersatz in § 7 Abs. 5 Nr. 1 – 2. Halbsatz bestimmt worden. Da die Lieferung des Milchpulvers durch das Trockenmilchwerk als der der Einfuhr entsprechende Umsatz nach § 4 Nr. 20 f.) UStG steuerfrei war, konnte dieser Satz nur zum Ausgleich der mittelbaren Umsatzsteuerbelastung dieses Erzeugnisse dienen. Dies zeigen auch die oben angegebenen Berechnungen der Kommission, die einer Vorbelastung von 2,86 eine solche von 3,1 v. H. nach der Berechnung der Bundesregierung unter Zugrundelegung eines Pauschalsatzes (8 v. H.) gegenüberstellt. Wegen der Vielzahl und der Verschiedenartigkeit der dabei zu berücksichtigenden Umstände – das Gesetz erfaßte mit diesem Satz nicht nur Milchpulver, sondern ganz allgemein „Milch und Rahm, haltbar gemacht, eingedickt und gezuckert”, so daß auch andere Erzeugnisse in die Berechnung einzubeziehen waren – konnte diese mittelbare Belastung nur in Gestalt eines Durchschnittssatzes ausgeglichen werden. Obwohl der Satz von 3 v. H. ebenso wie alle anderen bestehenden Ausgleichsteuersätze erst durch das 17. UStÄndG als Durchschnittssatz bezeichnet wurde, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, daß der Gesetzgeber – auf Drängen der Kommission – tatsächlich schon durch das 16. UStÄndG von der in Art. 97 EWGV vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und den Satz von 3 v. H. als Durchschnittssatz eingeführt hat. Mag sich auch die Umsatzsteuerbelastung infolge der von der Klägerin angeführten Gesetze zwischen der Einführung des Durchschnittssatzes 1965 und dem Inkrafttreten des 17. UStÄndG weiterhin ermäßigt haben, so spricht das eher dafür, daß der Satz von 3 v. H. im Zeitpunkt des Inkrafttretens des 16. UStÄndG und daher auch im Zeitpunkt der Einfuhr an der unteren Grenze des Durchschnitts lag, nicht aber dafür, daß er zu hoch war. Da das Schreiben der Kommission kurz nach der Einfuhr des Milchpulvers im Streitfall erging, waren die darin angestellten Berechnungen so zeitnah, daß eine wesentliche Veränderung ihrer Grundlagen im Sinne der einleitenden rechtlichen Ausführungen des Senats ausgeschlossen erscheint. Dafür, daß der Ausgleichsteuersatz von 3 v. H. zutreffend war, spricht auch der gleich hohe Ausfuhrvergütungssatz nach Anlage 7 zum UStG 1951, der mit Wirkung vom 1. August 1963 durch das 15. UStÄndG vom 19. März 1964 (BGBl I 1964, 147) eingeführt worden war. Somit ist der Besteuerung der Satz von 3 v. H. zugrunde zu legen.
Nach den Berechnungen der Klägerin beträgt die kumulierte Gesamtbelastung deutschen Milchpulvers auch unter Berücksichtigung der mittelbaren Vorbelastung höchstens 0,16 v. H., nach der Methode des Entwurfs zur Richtlinie des Rates vom 30. April 1968 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – L 115/14) angeblich sogar nur 0,08 v. H. Aus den oben näher dargestellten Gründen muß es sich der Senat versagen, diese und die übrigen von der Klägerin vorgetragenen Berechnungen im einzelnen nachzuprüfen, weil es sich bei dem Satz von 3 v. H. um einen von den Gerichten nicht nach seiner Vereinbarkeit mit Art. 95 EWGV nachprüfbaren Durchschnittssatz handelt, der zudem von der Kommission geprüft war, und wesentliche Änderungen der maßgebenden Verhältnisse zwischen dem Zeitpunkt der Einfuhr und der Einführung des Durchschnittssatzes im Jahr 1965 nicht ersichtlich und auch von den Beteiligten nicht geltend gemacht worden sind. Die Berechnungen sind auch weder im Verfahren vor dem EGH von der Bundesregierung noch im Verfahren vor dem Senat vom BdF als richtig anerkannt worden.
V.
Nach Ansicht der Klägerin verletzt die Ausgleichsteuer für eingeführtes Milchpulver Art. 3 GG, weil die gleichmäßige steuerliche Belastung gegenüber dem nur gering mit Umsatzsteuer belasteten deutschen Milchpulver weder durch den Ausgleichsteuersatz von 4 v. H. noch den von 3 v. H. herbeigeführt werde. Schon aus dem Klammerzusatz „(Ausgleichsteuer)” in § 1 Nr. 3 UStG 1951 ergebe sich, daß der Sinn und Zweck der Ausgleichsteuer darin bestehe, die Belastung gleichartiger inländischer Waren mit Umsatzsteuer auszugleichen, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhüten. Nach dem BFH-Gutachten Vz D 2/54 S vom 21. Oktober 1954 (a. a. O.) diene die Ausgleichsteuer auch nur dem Ausgleich. Dieser könne nur durch den „konkreten Belastungsvergleich” erzielt werden, nicht aber durch den „abstrakten”, wie ihn die BFH-Urteile VII 108/58 U vom 15. Oktober 1959 (BFH 69, 604, BStBl III 1959, 486) und VII 43/60 S vom 26. Juli 1961 (BFH 73, 399, BStBl III 1961, 411) anstellten, die insofern von dem oben angegebenen Gutachten abweichen würden. Mit dem Klammerzusatz sei konkret gesagt, daß die Besteuerung der Einfuhren nur dann erfolgen solle, wenn dies zum Ausgleich einer Umsatzsteuerbelastung konkurrierender inländischer Erzeugnisse erforderlich sei. Dem Grundrecht des einzelnen nach Art. 3 GG, also einem Individualrecht, genüge nicht „schlechthin ein Ausgleich der Marktbedingungen in- und ausländischer Waren” und auch nicht der Ausgleich einer höheren Ausgleichsteuerbelastung einer Ware durch die geringere Ausgleichsteuerbelastung einer andersartigen Ware.
Unbeschadet des Art. 97 EWGV haben die Gerichte auch zu prüfen, ob die dem Steuersatz zugrunde liegende Gesetzesbestimmung nicht gegen Art. 3 GG verstößt. Die von der Klägerin in dieser Hinsicht aus dem BFH-Gutachten gezogenen Folgerungen treffen jedoch nicht zu. Dieses hatte die Frage zum Gegenstand, ob nichteingeführte Waren, die zu einem Zollverkehr abgefertigt und damit Zollgut wurden, infolge der sinngemäß auf die Ausgleichsteuer anzuwendenden Zollvorschriften (§ 15 Abs. 2 UStG 1951) auch der Ausgleichsteuer unterlagen. Dies verneinte der BFH, weil es dem Sinn und Zweck der Ausgleichsteuer widerspreche, Waren der Ausgleichsteuer zu unterwerfen, die ohne die Ausgleichsteuer nicht günstiger als die mit der Umsatzsteuer belasteten inländischen Waren gestellt seien. Lediglich im Zusammenhang mit der die Begründung ergänzenden geschichtlichen Betrachtung zitierte er aus der Begründung der die Ausgleichsteuer einführenden Verordnung des Reichspräsidenten vom 8. Dezember 1931 den von der Klägerin angeführten Satz: „Diese Steuer dient nur dem Ausgleich der Belastung der deutschen Waren, die eine Umsatzsteuer tragen, mit den eingeführten Gegenständen.” Wenn die Klägerin von sich aus in diesem Zitat das Wort „nur” unterstrichen hat, so schränkt sie damit den Sinn des Satzes in einem nicht gerechtfertigten Umfang ein. Tatsächlich liegt in diesem Satz der Ton auf den Worten „Ausgleich der Belastung der deutschen Waren”, weil dem Gesetzgeber deren bisherige Belastung mit 0,85 v. H. zu gering für einen Ausgleich erschienen war, ein solcher aber anläßlich der Erhöhung des Umsatzsteuersatzes auf 2 v. H. notwendig wurde. Dies ergibt sich aus den dem zitierten Satz vorhergehenden Sätzen des Gutachtens. Diese beweisen überdies das Gegenteil von dem, was die Klägerin aus dem Klammerzusatz „(Ausgleichsteuer)” in § 1 Nr. 3 UStG 1951 herleiten will. Denn hier ist nur die Rede von der Besteuerung der „Einfuhr”, d. h. des Umsatzes aus dem Ausland in das Inland, nicht aber von einem „konkreten Belastungsvergleich” für einzelne Waren und auch nicht von einem damit verbundenen Ausgleich der Umsatzsteuervorbelastung. Die Urteile VII 108/58 U und VII 43/60 S weichen somit nicht von dem BFH-Gutachten ab. An der von ihnen vorgenommenen Auslegung des Klammerzusatzes hält der Senat nach erneuter Überprüfung der Rechtslage fest und verweist hierzu im einzelnen auf deren Gründe.
Die beiden Urteile gingen allerdings hauptsächlich von dem Begehren der Steuerpflichtigen aus, gänzlich von der Ausgleichsteuer freigestellt zu werden, weil in den beiden Fällen angeblich überhaupt keine Umsatzsteuerbelastung gleichartiger inländischer Waren vorgelegen hat. Heute ist es – namentlich auf Grund des EGH-Urteils zu Art. 95 EWGV in der Rs. 28/67 – kaum mehr bestritten, daß mit der Ausgleichsteuer auch die mittelbare Umsatzsteuerbelastung gleichartiger oder vergleichbarer inländischer Waren ausgeglichen werden kann, also die Umsatzsteuerbelastung der der Einfuhr vorangehenden Fertigungs- und Vertriebsstufen, mit der auch inländische Waren dann in der Regel belastet sind, wenn ihr dem Einfuhrvorgang entsprechender Umsatz von der Umsatzsteuer befreit ist. Deshalb kann in der Regel eine eingeführte Ware – außer bei gesetzlichen Steuerbefreiungen, z. B. nach der Freiliste 1 – nicht gänzlich von der Ausgleichsteuer freigestellt werden. Sind daher einzelne Umsatzstufen inländischer Waren von der Umsatzsteuer befreit, so kann allenfalls um die Höhe der Ausgleichsteuersätze gestritten werden.
Im Streitfall hat die Klägerin in unmittelbarer Anwendung des Art. 95 EWGV auf Grund des später gesetzlich festgelegten Steuersatzes von 3 v. H. zum Teil Erfolg. Sowohl das Diskriminierungsverbot des Art. 95 EWGV als auch die Anwendung des entgegen der Verpflichtung aus Art. 95 Abs. 3 EWGV verspätet festgelegten Steuersatzes auf rückliegende Fälle sind gerade Ausdruck desselben Gebots der Gleichbehandlung, das auch in Art. 3 GG enthalten ist. Die Klägerin kann daher unter Berufung auf Art. 3 GG grundsätzlich nicht mehr erreichen, als sie schon erreicht hat. Nach der Rechtsprechung des BVerfG verbietet Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber, willkürlich einen in wesentlichen Punkten – trotz gewisser Verschiedenheiten – gleichen Sachverhalt ungleich zu behandeln. Die erheblichen Unterschiede des Steuergegenstands, der Bemessungsgrundlage und der Erhebung bei der Umsatzsteuer und bei der Ausgleichsteuer sowie die Unmöglichkeit, bei sämtlichen inländischen Waren die unmittelbare und mittelbare Umsatzsteuerbelastung zu ermitteln, und die Notwendigkeit, mehrere Waren zu Tarifgruppen zusammenzufassen, stehen einer völlig gleichen Behandlung jeder einzelnen inländischen und ausländischen Ware im Wege. Eine solche ist auch nicht im Gesetz gefordert, ebensowenig ist ihre Notwendigkeit aus dem Sinn und Zweck der Ausgleichsteuer zu entnehmen. So unterlagen sämtliche eingeführten Waren mit Ausnahme der von der Ausgleichsteuer befreiten von Anfang an nur dem allgemeinen Steuersatz nach § 7 Abs. 4 bzw. (für die ermäßigten Steuersätze von 3 v. H. und 1,5 v. H.) § 7 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 4 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 b UStG 1951 in der Fassung des 12. UStÄndG vom 16. Mai 1963, also demselben Umsatzsteuersatz, dem die dem Einführungsvorgang entsprechende Lieferung der gleichartigen inländischen Ware unterliegt. Erstmals mit der Einführung der erhöhten Ausgleichsteuersätze von 6 v. H. durch das UStÄndG vom 28. Juni 1951 (BGBl I 1951, 402) wurde bei bestimmten Waren auch die Umsatzsteuer-Vorbelastung der entsprechenden dem Einfuhrvorgang vorangehenden Lieferungen ganz oder teilweise ausgeglichen. Auch hier lag dem Gesetzgeber eine völlige Gleichbehandlung der in- und ausländischen Waren, etwa auf Grund eines konkreten Belastungsvergleichs, noch fern, wie sich schon aus der endgültigen Differenzierung dieser Ausgleichsteuersätze in solche von 6,5 v. H. bis 10 v. H. durch das 17. UStÄndG ergibt. Nach dem Entwurf zu diesem Gesetz (Bundestags-Drucksache 1983 vom 26. Februar 1951) sollten nur Waren erfaßt werden, deren Vorbelastung mindestens 2 v. H. betrug. Die vielfach darüber hinausgehenden Vorbelastungen blieben unberücksichtigt.
Somit bestand zunächst der Sinn und Zweck der Ausgleichsteuer und damit die Gleichbehandlung im Sinne eines Ausgleichs lediglich darin, bei allen Waren den Einfuhrvorgang mit dem gleichen Steuersatz wie jeden inländischen Umsatz auf einer Stufe zu belegen. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß das Gesetz mit dem allgemeinen Steuersatz auch eingeführte Waren erfaßte, denen keine gleichartigen oder vergleichbaren inländischen Waren gegenüberstanden, bei denen also ein konkreter Belastungsvergleich nicht möglich war. Ein solcher kann nicht schon in den 6 v. H.-Sätzen, die lediglich pauschal die Vorbelastung von 2 v. H. und darüber berücksichtigten, sondern frühestens in der Einführung der ermäßigten Steuersätze von 1 v. H., 2 v. H. und 2,5 v. H. sowie des erhöhten Steuersatzes von 8 v. H. durch das auf Grund der Verpflichtungen aus Art. 95 EWGV ergangene 12. UStÄndG mit Wirkung vom 1. Juni 1963 zum Ausdruck gekommen sein. Da es sich dabei aber – auch einschließlich der 6 v. H.-Warenliste – nur um wenige Warengruppen handelt, änderte sich der Ausgleichszweck nur für diese dahin, daß sie zur Vermeidung einer Schlechterstellung den gleichartigen inländischen Waren hinsichtlich der Ausgleichsteuerbelastung gleichgestellt wurden. Für sämtliche übrigen Einfuhrwaren beschränkte er sich darauf, daß die Belastung dem Umsatzsteuerniveau des Inlands durch den Steuersatz für eine Umsatzphase – ebenfalls nur zur Vermeidung einer Diskriminierung – ganz grob angeglichen wurde (siehe Hübschmann-Grabower-Beck-v. Wallis-Schwarz, a. a. O., UStG 1951 § 1 Nr. 3 Anm. 4 a und 4 b, § 7 Abs. 4 bis 7 Anm. 4, 5).
Diese Gestaltung lag im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens und war nicht willkürlich. Der Gesetzgeber kann grundsätzlich selbst diejenigen Sachverhalte auswählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpfen, die er also im Rechtssinne als „gleich” ansehen will. Er muß aber seine Auswahl sachgerecht treffen und darf nicht Unterschiede außer Betracht lassen, die in den zu regelnden Sachverhalten für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise so erheblich sind, daß dies als willkürlich bezeichnet werden müßte (BVerfGE 1, 14 [45]; 21, 12 [26]). Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen mußte, da die Lieferung der Ware im Ausland nicht der Umsatzsteuer unterlag, die eingeführte Ware im Rahmen der Zollabfertigung unter Anwendung der entsprechenden Zollvorschriften der Ausgleichsteuer unterworfen werden, ohne daß es auf den Steuergegenstand der Umsatzsteuer, nämlich einer Leistung oder Lieferung gegen Entgelt im Inland, ankam. Dies geschah dadurch, daß zum Zwecke der Mindestbesteuerung lediglich der Einfuhrvorgang belastet wurde. Dadurch konnten eingeführte Waren nur in den wenigen Fällen, in denen der dem Einfuhrvorgang entsprechende Umsatz einer gleichartigen oder vergleichbaren inländischen Ware von der Umsatzsteuer befreit war, benachteiligt werden und da auch nur zum Teil, weil in jedem Fall die Umsatzsteuervorbelastung dieser Ware auszugleichen war. Ins Gewicht fallende Wettbewerbsverzerrungen konnten hierdurch nur in Ausnahmefällen eintreten. Eine gewisse ungleiche wirtschaftliche Auswirkung auf die einzelnen Steuerschuldner und ihre Wettbewerbslage ist aber bei Steuergesetzen unvermeidbar und hinzunehmen (siehe BVerfGE 21, 12 [27]). Bei einem kumulativen Mehrphasensteuersystem sind ferner die unter III. aufgeführten Berechnungsschwierigkeiten, die einen bis ins letzte exakten Grenzausgleich nicht gestatten, in Betracht zu ziehen. Dazu treten die bei der Umsatzsteuer und Ausgleichsteuer völlig verschiedenen Erhebungsweisen. Die Umsatzsteuer wird nach dem Entgelt, die Ausgleichsteuer nach dem Zollwert und nach den Zollvorschriften erhoben (§§ 5, 6 und 15 Abs. 2 UStG 1951). Die Steuerbefreiungsvorschriften unterscheiden sich ebenso wie die Ermäßigungsvorschriften gänzlich voneinander (§§ 4 Nr. 1 und 15 Abs. 2 UStG 1951 bei der Ausgleichsteuer, §§ 4 Nr. 2 ff., 7 Abs. 2 Nr. 2 c und d, Abs. 3 UStG 1951 für die Umsatzsteuer) usw. Auch diese Verschiedenheiten müßten im Ausgleichsteuersatz berücksichtigt werden (siehe Eckhardt-Limmer, Studie über die Reform der Umsatzausgleichsteuer, 1960, Verlag Dr. Otto Schmidt KG Köln, S. 9; Schwarz, Umsatzsteuer-Rundschau 1959 S. 83). Unter diesen Umständen erscheint die Wahl der Regelung der Ausgleichsteuersätze in der erwähnten Weise durch den Gesetzgeber nicht willkürlich und zwar auch dann nicht, wenn wie im Streitfall der Steuersatz von 4 v. H. aufrechterhalten wurde, obwohl der entsprechende Inlandsumsatz von der Umsatzsteuer befreit worden war. Um so weniger aber kann der in unmittelbarer Anwendung des Art. 95 EWGV vom Senat der Besteuerung zugrunde gelegte Satz von 3 v. H. gegen den Gleichheitssatz verstoßen.
VI.
…
VII.
Der Senat hält ferner an seiner im Urteil VII 156/65 vertretenen Auffassung fest, daß der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und damit Art. 2 in Verbindung mit Art. 19, 20 GG nicht dadurch verletzt sind, daß – wie die Klägerin meint – der Steuersatz einem konkreten Belastungsvergleich nicht standhält. Wie der Senat auch unter V. ausgeführt hat, bestand der Zweck der Erhebung der Ausgleichsteuer auf eingeführte Waren auch noch im Zeitpunkt der streitigen Einfuhr überwiegend und auch noch für Milchpulver – unbeschadet der Verpflichtungen aus dem EWGV – darin, auch die Einfuhr von Waren als einen Umsatz zu belasten, um die ausländischen Waren durch den Steuersatz von nur einer Umsatzphase ganz grob dem Umsatzsteuerniveau des Inlands anzugleichen. Dadurch sollten alle Arten von Waren, und zwar auch solche, denen im Inland keine gleichartigen oder vergleichbaren Waren gegenüberstehen, ohne Rücksicht auf ihre Herkunft in eine vergleichbare steuerliche Lage gebracht werden (siehe auch EGH in der Rs. 27/67, a. a. O.). Die steuerliche Gleichmäßigkeit sollte und konnte auch beim System der kumulativen Mehrphasensteuer nicht – wie die Klägerin meint – in einem bis ins letzte exakten Grenzausgleich herbeigeführt werden, sondern dadurch, daß auch sämtliche ausländische Waren in das Umsatzsteuersystem anläßlich der Einfuhr einbezogen wurden und dadurch ihre steuerliche Besserstellung gegenüber den inländischen Waren gemildert wurde. Eine völlige Gleichstellung hätte nur durch den sich aus einem konkreten Belastungsvergleich ergebenden, aber nicht durchführbaren, bis ins letzte exakten Grenzausgleich erfolgen können. Bei den überwiegend zur Anwendung kommenden allgemeinen Steuersätzen von 4 v. H. bzw. 3 v. H. und 1,5 v. H. konnte sich – wie auch im Streitfall – nur in den Ausnahmefällen eine Schlechterstellung gegenüber gleichartigen inländischen Waren ergeben, deren Lieferung von der Umsatzsteuer befreit war. Diese Schlechterstellung – im Streitfall um 1 v. H. – fiel aber auch wegen der beim Belastungsvergleich noch zu berücksichtigenden Umsatzsteuervorbelastung wirtschaftlich nicht so ins Gewicht, daß sie als Übermaß im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG angesehen werden könnte. Deshalb hält der Senat den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für nicht verletzt, nicht aber deshalb, weil das Übermaß des Eingriffs gegenüber einem davon betroffenen Bürger durch das Untermaß bei anderen Bürgern ausgeglichen werde, wie die Klägerin das Urteil VII 156/65 verstehen will. Denn dort hat der Senat generell die nur einphasige Besteuerung der Einfuhr, also eine im Regelfall zu niedrige Ausgleichsteuer-Belastung, gegenüber der Allphasenbesteuerung durch die Umsatzsteuer als nicht „unmäßig” angesehen. In diesem Sinne kann das ganze System der einphasigen Erhebung der Ausgleichsteuer bei der Einfuhr im Schnitt die Einfuhrwirtschaft nicht benachteiligen und damit kein unverhältnismäßiges Eingriffsmittel im Sinne von BVerfGE 19, 330 sein.
VIII.
Eine Anwendung der Art. 7 und 40 EWGV scheidet, wie der Senat bereits im Urteil VII 156/65 entschieden hat, deshalb aus, weil der Senat eine Verletzung des speziellen Diskriminierungsverbotes des Art. 95 EWGV, das für die Erhebung von inländischen Abgaben vorgesehen ist, bejaht hat, so daß für die Anwendung irgendwelcher anderer Diskriminierungsverbote kein Raum mehr ist. Das Vorabentscheidungsverfahren ist nur für entscheidungserhebliche Auslegungsfragen vorgesehen (siehe Art. 177 Abs. 2 EWGV; auch Daig, Europarecht 1968 S. 259 [267]). Erreicht der Betroffene bereits die begehrte Gleichbehandlung durch die unmittelbare Anwendung des hierfür einschlägigen Diskriminierungsverbotes, so verbietet schon der Grundsatz, daß die spezielle Norm der allgemeinen vorgeht, die Heranziehung anderer Diskriminierungsverbote. Das nationale Gericht ist, wenn ein Verstoß gegen eine Bestimmung des EWGV behauptet wird, auf deren Anwendung es nach seiner Ansicht für die Entscheidung nicht ankommt, nicht gehalten, den EGH zu deren Auslegung anzurufen.
Fundstellen
Haufe-Index 514710 |
BFHE 1969, 67 |