Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterzeichnung der Klageschrift ,,i. A."
Leitsatz (NV)
Die Unterzeichnung der Klageschrift durch einen Bevollmächtigten mit dem Zusatz ,,i. A." genügt dem Erfordernis der Schriftlichkeit der Klageerhebung.
Normenkette
FGO § 64
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist, ob die am 4. Februar 1988 ,,namens und im Auftrag" der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beim Finanzgericht (FG) eingereichte Klageschrift vom 3. Februar 1988 dem Formerfordernis des § 64 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht. Der Briefkopf trägt den Namen des damaligen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, Steuerberater H. Unterschrieben ist der Schriftsatz von dem Kanzleiangestellten Dipl.-Finanzwirt N. mit dem Zusatz ,,i. A.". Nach Ablauf der Klagefrist ging am 26. Februar 1988 die auf Herrn N. ausgestellte Untervollmacht des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin ein.
Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Zur Begründung führte es aus, nach dem Beschluß des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 5. November 1987 V ZR 139/87 (Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1988, 210) müsse der Unterzeichner einer Rechtsmittelschrift die volle Verantwortung für den Inhalt derselben übernehmen. Mit der Unterzeichnung nicht ,,i. V.", sondern ,,i. A." gebe der Unterzeichnende zu erkennen, daß er eine solche Verantwortung nicht übernehme. Die Anwendung dieser Grundsätze sei auch im finanzgerichtlichen Verfahren geboten. Die Untervollmacht für den Dipl.-Finanzwirt N. sei erst nach Ablauf der Klagefrist ausgestellt worden und könne den Mangel nicht heilen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Nach § 64 Abs. 1 FGO muß die Klageschrift, wie jeder den Prozeß bestimmende Schriftsatz, schriftlich eingereicht werden.
Die Schriftform soll gewährleisten, daß aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muß feststehen, daß es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern daß es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes - GmSOGB - vom 30. April 1979 GmS-OGB 1/78, NJW 1980, 172 unter V.).
Diesem Formerfordernis ist genügt, wenn die Klage vom Kläger oder seinem Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Mai 1972 V R 149/71, BFHE 106, 7, BStBl II 1972, 771).
2. Soll die Klage durch einen Bevollmächtigten erhoben werden, ist allerdings Voraussetzung, daß der Bevollmächtigte die Klageschrift auch in dieser Eigenschaft einreicht (BFH-Urteil vom 7. August 1974 II R 169/70, BFHE 113, 490, BStBl II 1975, 194).
Ausreichend, aber auch erforderlich ist, daß er die Verantwortung für das Einreichen der Klageschrift übernimmt. Daran fehlte es in dem Urteil in BFHE 113, 490, BStBl II 1975, 194 zugrunde liegenden Fall. Dort hatte die - nachträglich zur Bevollmächtigten bestellte - Sekretärin der Kläger mit ihrer Unterschrift lediglich die richtige Übertragung des Textes der Klageschirft aus dem Diktat bescheinigt; sie konnte deshalb nicht als Bevollmächtigte angesehen werden.
Dagegen ist nicht hinderlich, daß ein Prozeßbevollmächtigter im finanzgerichtlichen Verfahren die Klageschrift nicht mit dem Zusatz ,,i. V.", sondern ,,i. A." unterzeichnet. Zwar mag in einem solchen Zusatz zum Ausdruck kommen, daß der Inhalt der Klageschrift auf einen Dritten zurückzuführen ist, wie dies das vom FG seiner Entscheidung zugrunde gelegte Urteil des BGH in NJW 1988, 210 angenommen hat (ebenso FG Köln, Urteil vom 21. September 1988 12 K 398/85, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1989, 68; a. A. FG Köln, Zwischenurteil vom 24. November 1988 5 K 101/82, EFG 1989, 239, und Weber-Grellet, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1989, 524, wonach beide Kürzel gleichbedeutend sein sollen). Die allein erforderliche Übernahme der Verantwortung für das Einreichen der Klageschrift wird durch den Zusatz ,,i. A." indes nicht eingeschränkt.
Diese Rechtsauffassung liegt auch dem Urteil des BFH in BFHE 106, 7, BStBl II 1972, 771 zugrunde. Dort hatte der - nachträglich bevollmächtigte - Bürovorsteher des Prozeßbevollmächtigten ,,für den nach Diktat verreisten Steuerbevollmächtigten" unterschrieben und damit möglicherweise ebenfalls zu erkennen gegeben, daß er die Klageschrift ohne inhaltliche Prüfung einreiche. Der BFH hat - ohne dies näher auszuführen - darin aber keinen Grund gesehen, die Wirksamkeit der Klageerhebung mangels Wahrung der Schriftform in Zweifel zu ziehen.
Dieser Rechtsauffassung des BFH steht nicht der Beschluß des BGH in NJW 1988, 210 entgegen, wonach der Unterzeichner einer Rechtsmittelschrift die volle Verantwortung für deren Inhalt übernehmen müsse, dies aber bei einer Unterzeichnung ,,i. A." nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck komme. Wie der BGH in den Urteilen vom 19. Oktober 1988 IVb ZR 5/88 (NJW 1989, 394) und vom 13. Juli 1989 VII ZR 223/88 (Betriebs-Berater - BB - 1989, 1850) ausgeführt hat, ist das Erfordernis eigenhändiger Unterschrift eines bei einem Rechtsmittelgericht zugelassenen Rechtsanwalts äußerer Ausdruck für die vom Gesetz geforderte eigenverantwortliche Prüfung des Inhalts der Rechtsmittelschrift durch einen postulationsfähigen Rechtsanwalt. Dieser müsse mit der Unterschrift die volle Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelschrift übernehmen.
Da dieses Erfordernis danach ausdrücklich mit den Besonderheiten des Anwaltsprozesses begründet wird, können die daraus gezogenen Folgerungen für die Unterschriftsleistung im erstinstanzlichen Klageverfahren vor dem FG nicht gelten; denn dieses Verfahren kennt weder einen Vertretungs- noch gar einen Anwaltszwang.
Aus diesem Grund hat es der BFH auch in anderen Zusammenhängen stets abgelehnt, für Verfahren, die nicht dem Vertretungszwang unterworfen waren, die den Anwaltsprozeß betreffenden Grundsätze des BGH zur Unterzeichnung von bestimmenden Schriftsätzen zu übernehmen (Beschluß in BFHE 111, 278, BStBl II 1972, 242).
Für das dem Vertretungszwang unterworfene Verfahren vor dem BFH (vgl. Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -) vertritt auch der BFH - insoweit mit dem BGH übereinstimmend - die Auffassung, daß die vertretungsberechtigte Person den Prozeßstoff eigenverantwortlich überprüfen müsse (vgl. BFH-Beschluß vom 14. Mai 1982 VI R 197/81, BFHE 136, 52, BStBl II 1982, 607). Einen solchen Fall betraf auch der vom FG erwähnte Beschluß des BFH vom 8. März 1984 I R 50/81 (BFHE 140, 424, BStBl II 1984, 445). Dort hat der BFH zum Erfordernis der Schriftform im Zusammenhang mit einer Revisionsbegründung, für die nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG Vertretungszwang bestand, ausgeführt, daß der betreffende Schriftsatz von demjenigen, der die Verantwortung für den Inhalt trage, eigenhändig unterschrieben sein müsse. Ob er der Rechtsprechung des BGH allerdings auch insoweit folgen könnte, als die Unterzeichnung mit ,,i. A." statt ,,i. V." als eine Ablehnung der Übernahme der Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelschrift zu verstehen sein soll, hat der BFH demgegenüber ausdrücklich offengelassen (BFH-Beschluß vom 7. März 1989 X R 159/87, BFH/NV 1989, 534). Dies braucht auch hier für das - nicht dem Vertretungszwang unterworfene - erstinstanzliche Klageverfahren nicht entschieden zu werden.
Danach ist die Schriftform im Streitfall gewahrt, obwohl die Klageschrift ,,i. A." unterzeichnet ist. Auch in einer solchen Unterzeichnung kommt deutlich zum Ausdruck, daß die Klageschrift eigenverantwortlich für einen anderen - und damit durch den Unterzeichner als Bevollmächtigten - eingereicht werden sollte.
3. Im Streitfall war die Klage für den Prozeßbevollmächtigten erhoben. Dieser hat die Klageerhebung durch Erteilung einer Untervollmacht genehmigt. Hierzu war er berechtigt.
Die dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin erteilte Vollmacht berechtigte diesen ausdrücklich auch zur Bestellung von Untervollmachten (vgl. auch § 155 FGO i. V. m . § 81 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Dies konnte noch nachträglich geschehen (§ 155 FGO i. V. m. § 89 Abs. 2 ZPO; vgl. auch BFH-Urteil vom 4. Juli 1984 II R 188/82, BFHE 142, 3, BStBl II 1984, 831).
Danach hat das FG die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Das Urteil muß daher aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 416955 |
BFH/NV 1991, 100 |