Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Bundesfinanzhof tritt der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs insoweit bei, als er die Möglichkeit bejaht, Gesellschafterdarlehen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens einer Kapitalgesellschaft als verdeckte Stammeinlagen zu behandeln.
Abgesehen von Fällen offenbaren Mißbrauchs kann ein Gesellschafterdarlehen nur dann als verdeckte Stammeinlage behandelt werden, wenn nach den Feststellungen der Finanzbehörde die Zuführung weiterer Mittel objektiv notwendig und das Einspringen eines Gesellschafters deshalb zwingend war, weil das erforderliche Kapital im Wege der Aufnahme von Fremdkrediten nach den Umständen des Einzelfalles nicht hätte beschafft werden können.
Normenkette
BewG § 62 Abs. 1, § 103/1, § 66/4, § 109/4; StAnpG §§ 5-6
Tatbestand
I. -
Streitig ist die Höhe des Einheitswerts des Betriebsvermögens der beschwerdeführenden GmbH zum 1. Januar 1947. Die Beschwerdeführerin (Bfin.) wurde als Betriebsfirma einer als Einzelfirma bestehenden Fabrik Ende 1946 gegründet und hat zum 1. Januar 1947 ihre Tätigkeit aufgenommen. Das Stammkapital betrug 100.000 RM. Daran war der Inhaber der Einzelfirma mit 90.000 RM, seine Ehefrau mit 10.000 RM beteiligt. Später wurden noch drei Kinder des Ehepaares mit je 10.000 RM beteiligt. Die Bfin. übernahm bei ihrer Gründung von der Einzelfirma (Besitzfirma) einen Teil der Aktiven, insbesondere den Warenbestand im Betrage von 341.283,80 RM, sowie einen Teil der Passiven. Die Einzahlung des Stammkapitals erfolgte im Laufe des Jahres 1947 durch entsprechende Belastung des Verrechnungskontos "Einzelfirma" bei der Bfin. Die Anlagewerte der Besitzfirma wurden der Bfin. pachtweise überlassen. Für den übernommenen Warenbestand wies die Eröffnungsbilanz eine "Darlehnsschuld" von ebenfalls 341.283,80 RM aus.
Die Vorbehörden haben die "Darlehnsschuld" als verdecktes Stammkapital angesehen und demgemäß bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens nicht zum Abzug zugelassen. Das Finanzgericht ist davon ausgegangen, daß eine - offenbar unbestrittene - betriebliche Notwendigkeit der Hingabe des Warenbestandes an die Bfin. vorgelegen habe, daß aber dieser Umstand noch nicht ohne weiteres dazu führen könne, den in die äußere Form einer Darlehnsschuld gekleideten Gegenposten als verdeckte Stammeinlage anzusehen. Das könne nur dann angenommen werden, wenn besondere Umstände vorlägen, insbesondere das unter der Bezeichnung "Darlehen" gewährte Kapital nach dem Willen der Vertragspartner wirtschaftlich Eigenkapital darstelle und der Sachverhalt zwingend eine andere als die erklärte Rechtsform erkennen lasse. Für solche besonderen, im Einzelfall durch die Steuerbehörden besonders sorgfältig zu prüfenden Umstände sprächen insbesondere die Unverzinslichkeit des "Darlehens", sein auffälliges Mißverhältnis zum Stammkapital, die Tatsache seiner überlassung im Zusammenhang mit der Gründung der GmbH sowie seine Umstellung bei der Währungsreform im Verhältnis 2 : 1, obwohl die Besitzfirma eine Umstellung im Verhältnis 1 : 1 habe verlangen können.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) hält unter Berufung auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs die Annahme verdeckten Stammkapitals nur dann für zulässig, wenn eine andere als die gewählte Form, nämlich die Zuführung entsprechenden Eigenkapitals, zwingend gewesen sei. Im vorliegenden Fall sei jedoch gerade umgekehrt die Darlehnshingabe zwingend gewesen, weil die "Besitzfirma" insbesondere im Hinblick auf den zu erwartenden Lastenausgleich die Möglichkeit gehabt haben müsse, einen Teil des der GmbH zunächst zur Verfügung gestellten Anlaufkapitals wieder zurückzunehmen. Im übrigen hätten die Finanzbehörden die körperschaftsteuerpflichtigen Gebilde grundsätzlich so hinzunehmen, wie sie aus der Hand ihres Schöpfers hervorgegangen seien, und könnten eine gewählte Rechtsform nicht deshalb verwerfen, weil sie ihrer Ansicht nach wirtschaftlich unzweckmäßig, hier die Ausstattung mit einem größeren Gesellschaftskapital ohne Darlehnshingabe richtiger gewesen wäre.
II. -
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Zunächst ist mit der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteil vom 21. Januar 1937, Reichssteuerblatt 1937 S. 348) davon auszugehen, daß zwischen einem eigentlichen Darlehen und der Einräumung eines nicht nur kurzfristigen Kredits beim Warenbezug zwar ein Unterschied besteht, daß aber auch die Stundung des Kaufpreises beim Warenbezug - und um eine solche handelt es sich in dem hier zu entscheidenden Fall - zur Annahme verdeckten Stammkapitals führen kann, wenn es sich einmal nicht um die übliche Kreditfrist in dem betreffenden Geschäftszweige handelt und zum anderen solche besonderen Umstände vorliegen, unter denen auch sonst ein Darlehen als verdecktes Stammkapital angesehen werden kann.
Die Annahme, daß die Besitzfirma der Bfin. lediglich eine branchenübliche Kreditfrist eingeräumt habe, scheidet nach den Umständen des Falles aus. Zur Frage des Vorliegens verdeckten Stammkapitals hat die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs in zahlreichen Entscheidungen zur Körperschaftsteuer und zur Vermögensteuer (Einheitsbewertung) zwar grundsätzlich an der Möglichkeit festgehalten, die in die äußere Form eines Darlehns gekleidete Zuführung von Mitteln seitens des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft an die Gesellschaft steuerlich als verdecktes Eigenkapital zu behandeln. Sie ist aber dabei sehr vorsichtig zu Werk gegangen und hat es zunächst einmal abgelehnt, schon beim Vorliegen des Ersatztatbestandes des § 3 Abs. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KapVStG) - Darlehnsgewährung, die eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt- oder mit der Begründung, die gewählte Rechtsform des Darlehns sei bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unzweckmäßig und eine Kapitalzuführung wäre richtiger gewesen, eine verdeckte Stammeinlage anzunehmen. Sie hat vielmehr unter zwei Gesichtspunkten ganz bestimmte Voraussetzungen für eine von der vom Steuerpflichtigen gewählten Darlehnsform abweichende steuerliche Beurteilung aufgestellt.
Der eine, ursprünglich in erster Linie vom Körperschaftsteuersenat betonte Gesichtspunkt (vgl. die grundlegende Entscheidung vom 19. September 1933, Slg. Bd. 34 S. 194), dem auch der Bundesfinanzhof in der die Körperschaftsteuer betreffenden Entscheidung vom 7. November 1950 (Bundessteuerblatt 1951 S. 12) gefolgt ist, geht von der überlegung aus, daß bei der Körperschaftsteuer, bei der die subjektive Steuerpflicht ausschließlich an die Rechtsform geknüpft sei, diese Form allein maßgeblich sei. Das führe dazu, bei Beurteilung der die innere Struktur der Erwerbsgesellschaften bestimmenden Verträge mit zurückhaltender Vorsicht vorzugehen und nur dann von der vom Steuerpflichtigen gewählten Rechtsform abzuweichen, wenn nicht die gewählte Rechtsform, sondern eine andere "zwingend" gewesen sei. In späteren Entscheidungen wurde dieser Gesichtspunkt auch vom Vermögensteuersenat in den Vordergrund gestellt und in den Urteilen vom 21. November 1940 (Reichssteuerblatt 1941 S. 269) und vom 24. Juni 1943 (Reichssteuerblatt S. 765) dahin näher umschrieben, daß Darlehen der Gesellschafter an ihre Kapitalgesellschaft dann als Beteiligung am Gesellschaftsvermögen bzw. als Erhöhung der Beteiligung am Grund- oder Stammkapital anzusehen seien, wenn besondere Umstände vorlägen, die dafür sprächen, daß die Darlehnshingabe für die Gesellschaft rein objektiv den wirtschaftlichen Erfolg habe, Eigenkapital (gesellschaftlich gebundenes Vermögen der Kapitalgesellschaft) durch die Darlehnsform zu ersetzen in einem Fall, in dem die Kapitalerhöhung das wirtschaftlich Gebotene und allein Mögliche gewesen wäre, wenn also z. B. kein Fernstehender der Gesellschaft entsprechende Darlehen auf unbestimmte Zeit zur Verfügung gestellt hätte.
Der zweite Gesichtspunkt (vgl. insbesondere die Entscheidung des Vermögensteuersenats vom 14. Mai 1936, Reichssteuerblatt 1936 S. 692) stellt hauptsächlich auf den von den Beteiligten mit dem betreffenden Rechtsgeschäft wirtschaftlich verfolgten Zweck ab. Der Darlehnsgeber wolle Geld sicher und zinsbringend anlegen mit der Maßgabe, daß seine Forderung und deren Verzinsung von dem Vermögen und den jeweiligen Erträgen des Geschäfts unabhängig sein solle, während der eine gesellschaftliche Einzahlung vornehmende Gesellschafter auch bezüglich dieser Einzahlung am Vermögen und Gewinn der Gesellschaft beteiligt sein wolle. Dabei soll es nach den ebenfalls zur Vermögensteuer ergangenen Entscheidungen vom 7. April 1938 (Reichssteuerblatt S. 564) und vom 12. Mai 1938 (Reichssteuerblatt S. 525) nicht darauf ankommen, ob bürgerlich-rechtlich eine Schuld der Gesellschaft besteht, sondern allein darauf, wie sich die Beteiligten tatsächlich verhalten und wie sich die Dinge in Wirklichkeit abgespielt hätten, und ob das "Darlehen" tatsächlich die Gesellschaft wie eine Fremdschuld belaste oder eine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen darstelle. Dabei sprächen insbesondere Unverzinslichkeit oder Anpassung der Verzinsung an den Geschäftserfolg, Unkündbarkeit, Fehlen von Vereinbarungen über Fälligkeit und Sicherheit, Hingabe des "Darlehns" im Zusammenhang mit der Gründung der Kapitalgesellschaft sowie Mißverhältnis zwischen "Darlehen" und Stamm- oder Grundkapital gegen die Anerkennung als Darlehen und für die Annahme verdeckten Stammkapitals (Urteile des Reichsfinanzhofs zur Vermögensteuer vom 7. Dezember 1932, Reichssteuerblatt 1933 S. 50, und vom 26. Mai 1933, Reichssteuerblatt S. 1167; zur Körperschaftsteuer vom 30. August 1938, Reichssteuerblatt S. 901).
Der erkennende Senat tritt der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs insoweit bei, als er beim Vorliegen besonderer, von den Finanzbehörden darzulegender Umstände die Möglichkeit bejaht, ein in die äußere Form eines Darlehns gekleidete Zuführung von Mitteln an eine Kapitalgesellschaft als verdeckte Stammeinlage anzusehen. Das muß ohne weiteres dann gelten, wenn die eigene Kapitalgrundlage der GmbH für deren Aufgaben von vornherein unzureichend war, die Gesellschafter sich dieser Unzulänglichkeit bewußt waren und die zusätzliche Finanzierung durch Darlehen in dem Gedanken gewählt haben, im Falle des Mißlingens ihre Verluste zum Nachteil der fremden Gläubiger möglichst nieder zu halten. In Fällen dieser Art hat schon die Rechtsprechung der Zivilgerichte (Reichsgericht in Juristische Wochenschrift 1938 S. 862; Reichsgericht in Zivilsachen Band 166 S. 57) die Anmeldung der Gesellschafterdarlehen im Konkurs der Gesellschaft unter Berufung auf die Grundsätze von Treu und Glauben für unbeachtlich erklärt und sie damit praktisch dem Eigenkapital gleichgestellt. Entsprechendes muß in derartigen Fällen für das Steuerrecht nach den §§ 5 und 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) gelten.
Außerhalb solchen offensichtlichen Mißbrauchs - der im vorliegenden Fall nicht angenommen werden kann - widerstreiten sich in der Frage der verdeckten Stammeinlage zwei für die steuerliche Beurteilung von Rechtsvorgängen zu beachtende Regeln, die Anerkennung des Grundsatzes, daß der Steuerpflichtige seine Verhältnisse so einrichten kann, wie er es, wenn auch unter dem Gesichtspunkt der Steuerersparnis, für richtig hält, und die für die Beurteilung einer vom Pflichtigen gewählten Rechtsform gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise, die dazu führt, die Dinge so zu sehen, wie sie sich in Wirklichkeit verhalten, und beim Auseinandergehen der gewählten Form und des tatsächlichen Inhalts letzterem den Vorzug geben. Dabei wird allgemein von der vom Pflichtigen gewählten Rechtsform nur dann abgewichen werden dürfen, wenn die Steuerbehörden bei sorgfältiger Prüfung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu der überzeugung kommen, daß die Form nur den äußeren Schein wiedergibt und mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht in Einklang zu bringen ist. Handelt es sich um die Frage der Rechtsform eines Unternehmens überhaupt, so gilt bei einer Kapitalgesellschaft, daß auch die Steuerbehörde vom Pflichtigen geschaffene besondere juristische Person nach dem Grundsatz anzuerkennen hat, daß jemand, der zwischen sich und den Verkehr eine Rechtspersönlichkeit einschiebt, die damit verbundenen steuerlichen Vorteile genießt und die Nachteile zu tragen hat. Darüber hinaus gibt die Frage der Ausstattung einer Kapitalgesellschaft mit Eigenkapital, die an die Einhaltung bestimmter handelsrechtlicher Formen geknüpft ist, zu der überlegung Anlaß, ob nicht auch in dieser Beziehung die Steuerbehörden, sofern nicht ein offenbarer Mißbrauch vorliegt, schlechthin an die gewählte Form gebunden sind und von den der Gesellschaft durch die Gesellschafter zugeführten Mitteln nur das förmliche Grund- und Stammkapital als Eigenkapital ansehen dürfen.
Der Reichsfinanzhof hat, wie bereits dargelegt, zur Körperschaftsteuer und zur Vermögensteuer in der Frage des verdeckten Eigenkapitals diese nur auf die Form abstellende Betrachtungsweise abgelehnt, dafür aber die Behandlung von Darlehen als Eigenkapital mit besonderer Vorsicht und Zurückhaltung vorgenommen. Dem ist zuzustimmen mit der gegenüber der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs einschränkenden Maßgabe, daß Gesellschafterdarlehen nur dann als verdeckte Stammeinlage angesehen werden können, wenn die Zuführung weiterer Mittel objektiv notwendig und das Einspringen der Gesellschafter im Wege der Darlehnshingabe deshalb zwingend war, weil das erforderliche Kapital im Wege der Annahme von Fremdkrediten nach den Umständen des Einzelfalles nicht hätte beschafft werden können. Daneben kommt dem vom Reichsfinanzhof weiter herausgestellten Gesichtspunkt der Beurteilung der Darlehnshingabe nach den das Darlehen betreffenden Abmachungen der Beteiligten, wie sie sich insbesondere aus den die Verzinsung, Kündbarkeit und Sicherstellung betreffenden Nebenabreden ergeben, für die Behandlung als verdeckte Stammeinlage nur insoweit Bedeutung zu, als sich hieraus Anhaltspunkte für die Frage gewinnen lassen, ob die Erlangung entsprechender Mittel nur von seiten der Gesellschafter oder auch durch Aufnahme von Fremdkrediten möglich gewesen wäre.
Hiernach mußte die Vorentscheidung, die die Darlehnsgewährung im wesentlichen unter die Abmachungen der Beteiligten betreffenden Gesichtspunkten beurteilt und danach als verdeckte Stammeinlage angesehen hat, aufgehoben und die nicht spruchreife Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen werden. Da sich für die Höhe des im Wege des Kredits erlangbaren Fremdkapitals bei der Art des Betriebs der GmbH keine allgemeinen Regeln aufstellen lassen (wie es z. B. bei Unternehmen des Wohnungs- oder Schiffsbaues möglich ist, vgl. die Entscheidung des Bundesfinanzhofs II 56/52 vom 7. Mai 1952, Bundessteuerblatt III S. 183 und die zur Veröffentlichung bestimmte Entscheidung II 201/52 vom 4. März 1953), wird es erforderlich sein, wegen der Höhe des erlangbaren Fremdkapitals ein Sachverständigengutachten einzuholen (vgl. dazu Sandig, Finanzierung mit Fremdkapital, S. 3 ff.). Soweit es dabei auf die Frage der Kreditsicherung ankommt, dürfen nur solche Sicherheiten berücksichtigt werden, die die GmbH selbst bieten kann, und nicht solche, die etwa die Gesellschafter zusätzlich leisten können.
Fundstellen
Haufe-Index 407671 |
BStBl III 1953, 208 |
BFHE 1954, 541 |
BFHE 57, 541 |