Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob Umsätze aus der Tätigkeit als Werbeberater und als Schaufensterdekorateur nach § 4 Ziff. 17 UStG 1951 (ß 4 Ziff. 13 UStG 1934) umsatzsteuerfrei sind.
Normenkette
UStG § 4 Ziff. 17, § 12/2/5
Tatbestand
Es ist streitig, ob die Einnahmen des Beschwerdegegners (Bg.) im Kalenderjahre 1952 gemäß § 4 Ziff. 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1951 als Umsätze aus der Tätigkeit als Künstler steuerfrei sind. Der Gesamtumsatz 1952 des Bg. hat 9.265 DM betragen, von denen 6.332 DM auf Werbeentwürfe und 2.933 DM auf selbst durchgeführte Schaufensterdekorationen des Bg. entfallen.
Gegen die Veranlagung der gesamten Beträge zur Umsatzsteuer hat der Bg. erfolglos Einspruch eingelegt. Auf die Berufung hat das Finanzgericht die Werbeentwürfe, nicht aber die Tätigkeit der Schaufensterdekoration, als künstlerisch anerkannt. Es hat demgemäß nur 2.933 DM der Umsatzsteuer unterworfen.
Hiergegen hat der Vorsteher des Finanzamts Rechtsbeschwerde (Rb.) eingelegt.
Die Nachprüfung der Rb. ergibt folgendes: Der Bg. hat in der Einspruchsbegründung und in der Berufungsbegründung ausgeführt, seine Tätigkeit bestehe im Entwerfen von Ideen für Inserate, Plakate, Prospekte für Industrie und Handel; in der Anfertigung von Aquarellen, Pastellen, Gemälden usw.; zur Hauptsache aber in künstlerischen Schaufensterdekorationen mit Werbeideen für den Einzelhandel. Es sei eine rein künstlerisch schaffende Tätigkeit. Abgesehen von einer ordnungsgemäßen dreijährigen Lehrzeit als Schaufensterdekorateur von 1927 bis 1930 habe er drei Semester angewandte Kunst und Aktzeichnen in einer Werkschule belegt. Außerdem sei er mehrere Jahre als Meisterschüler bei einem Kunstmaler tätig gewesen. Er besitze also eine vollwertige künstlerische Vorbildung. Eine solche Ausbildung benötige ein Werbeberater nicht.
In der Berufungsbegründung hat der Bg. zusätzlich ausgeführt: Die Entwürfe dienten nicht nur rein geschäftlichen Werbezwecken. Die Auftraggeber verlangten eine zwingende künstlerische Leistung. Dafür sei tiefschürfende gedankliche Arbeit und künstlerische Gestaltungskraft erforderlich. Das Schaufenster habe neben seiner Funktion als Werbemittel auch eine wichtige andere Aufgabe im öffentlichen Leben zu erfüllen. Ungezählte Menschen suchten im Schaufenster nicht das Warenangebot, sondern den Genuß der Betrachtung des Schönen. Diese unbeabsichtigte Nebenwirkung des Werbemittels Schaufenster werde zu einem wesentlichen Kulturfaktor. Die Schaufensterdekoration zeige eine Entwicklung vom Handwerklichen zum Künstlerischen. Wenn man die Schaufenster der maßgeblichen Geschäfte betrachte, habe man in manchen Fällen den Eindruck, daß hier ein Künstler am Werk gewesen sein müsse.
Der Bg. hat in dem Berufungsverfahren folgende gutachtliche äußerung des Direktors der ..... Werkschule vorgelegt:
"Herr .... hat seine graphische Ausbildung u. a. an den .... Werkschulen erhalten. Seine Arbeiten, die er der Kommission vorlegte, sind geprüft. Es handelt sich um reine Entwurfstätigkeit künstlerischer Art. Die steuerlichen Vergünstigungen sind ihm zuzuerkennen".
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Der Bg. hat im Streitjahr 1952 Umsätze aus der Anfertigung von Aquarellen, Pastellen und Gemälden, wie er sie zunächst in seiner Einspruchsbegründung als einen Teil seiner Betätigung angeführt hatte, nicht gehabt. Nach seiner Aufstellung im Berufungsverfahren sind seine Einnahmen im Jahre 1952 lediglich aus Werbe-Entwürfen und aus Schaufensterdekorationen geflossen.
Zwar hat der Reichsfinanzhof in dem Rechtssatz zu seiner Entscheidung V A 901/28 vom 18. Juni 1929 (Slg. Bd. 25 S. 201 Reichssteuerblatt 1929 S. 575) ausgesprochen: "Wer sich gewerblich ausschließlich durch die Ausschmückung von Schaufenstern betätigt, kann unter Umständen auf die Steuerbefreiung des Künstlers Anspruch haben." Diese Entscheidung ist jedoch ergangen zu § 3 Nr. 5 UStG 1926. Danach waren "von der Umsatzsteuer .... befreit: Privatgelehrte, Künstler und Schriftsteller, sofern die steuerpflichtigen Umsätze im Steuerabschnitte den Betrag von 6.000 Reichsmark nicht übersteigen." Diese Befreiungsvorschrift war auf das Merkmal der subjektiven Künstlereigenschaft abgestellt. War diese zu bejahen, so waren die Künstler mit ihren Umsätzen (sofern sie die Freigrenze nicht überstiegen hatten) steuerfrei. Infolgedessen hat der Reichsfinanzhof im vorgenannten Urteil ganz auf die Frage abgestellt, ob die Künstlereigenschaft des damaligen Bf. zu bejahen sei, und dazu ausgeführt, "daß es nicht ohne weiteres gegen die Künstlereigenschaft spricht, wenn jemand ausschließlich als Ausschmücker von Schaufenstern tätig ist." Das Urteil kann auf die seit dem § 4 Ziff. 13 UStG 1934 (Reichsgesetzblatt I S. 942) bestehende veränderte Rechtslage - jetzt § 4 Ziff. 17 UStG 1951 - nicht mehr angewandt werden. Gemäß § 4 Ziff. 17 UStG 1951 ist die Steuerbefreiung nur zu gewähren für "Umsätze aus der Tätigkeit als ... Künstler ...". Danach ist davon auszugehen, daß zu dem subjektiven Merkmal der Künstlereigenschaft das objektive Merkmal der "Tätigkeit als Künstler" hinzutritt.
Es entspricht dem Wesen des Künstlers, daß er Kunstwerke schafft. Kunstwerke sind dazu bestimmt, durch Schönheit und Form auf das Empfinden der Menschen einzuwirken, wie z. B. Gemälde, Aquarelle, Plastiken, Bauwerke. Das schließt nicht aus, daß vom Auftraggeber oder Abnehmer mit dem Kunstwerk ein praktischer Zweck verfolgt wird, dem der Künstler bei seiner Gestaltung Rechnung trägt. So kann z. B. ein Bauwerk, das durch die Schönheit und Ausgeglichenheit seiner Formen ästhetisch wirken soll und wirkt, ein Kunstwerk sein, auch wenn es nicht, wie eine Kirche oder ein Theater, einem ideellen, sondern einem praktischen Nutzzwecke dienen soll, wie z. B. ein Bürohaus, ein Amtsgebäude, ein Kaufhaus oder u. U. sogar eine Fabrikanlage. Dasselbe gilt für eine künstlerische Plastik oder ein Gemälde, auch wenn sie z. B. dazu bestimmt sind, als Modelle für die gewerbsmäßige Anfertigung von Kopien bzw. Drucken zu dienen. Eine Plastik, ein Gemälde oder eine sonstige Schöpfung eines Künstlers verlieren auch nicht dadurch ihren Charakter als Kunstwerk, daß sie dazu bestimmt sind, bei Gelegenheit einer Schaufensterdekoration zur Wirkung zu kommen, wenn die Plastik, das Gemälde usw. für sich gesehen vom Künstler dazu bestimmt und geeignet sind, durch Form und Schönheit ästhetisch zu wirken. Anders ist es aber, wenn jemand, mag er auch seinem Können nach als Künstler anzuerkennen sein, Entwürfe für Schaufensterdekorationen oder für Werbeplakate anfertigt, die ihrer Art nach dazu bestimmt sind, das Interesse des Publikums auf die im Schaufenster ausgestellten Verkaufsobjekte hinzulenken, also ihrer Art nach einem materiellen Zwecke zu dienen. Dasselbe gilt für die Schaufenstergestaltung selbst (Dekorationstätigkeit), mag sie auch Geschick, Geschmack und gutes Formempfinden voraussetzen und beweisen. Hier betätigt sich der Künstler nicht mehr "als Künstler", sondern "als Werbefachmann", wie die Vorinstanz mit Recht angenommen hat; seine Tätigkeit ist eine gewerbliche, nicht eine künstlerische. Der Bg. hat in seiner Stellungnahme zur Rb. ausgeführt, die größte Zahl der Menschen, die durch die Anziehungskraft gut gestalteter Schaufenster angelockt würden, suchten in den meisten Fällen nicht das Angebot des Kaufmanns, sondern ganz einfach den ästhetischen Genuß, den ihnen die Schaufenster mit ihren Farben und Formen böten, es sei eine Nebenerscheinung, daß dabei auch in erheblichem Maße Kaufwünsche entstünden; die Aufgabe, dem Kaufmann Waren verkaufen zu helfen, habe heute bei der Schaufenstergestaltung eine untergeordnete Bedeutung. Damit widerspricht der Bg. aber seinen Ausführungen im Berufungsverfahren. Der Senat vermag ihm auch hierin nicht zu folgen. Umgekehrt ist es in Wirklichkeit. Daß das Plakat, das Schaufenster usw. auch ästhetisch wirken soll, ist Mittel zu dem erstrebten Hauptzweck der Verkaufs- oder sonstigen Wirtschaftswerbung (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 608/53 U vom 26. Mai 1955, Slg. Bd. 61 S. 72 = Bundessteuerblatt 1955 III S. 225). So faßt auch das Publikum die geschmacklich schöne Schaufenstergestaltung nicht als ein Kunstwerk, sondern als eine schöne Reklame zum Nutzen des auftraggebenden Geschäftsmannes auf. Diese Tätigkeit ist sowohl im Entwurf als auch in der Ausführung nicht künstlerischer, sondern gewerblicher Art. - Einer Prüfung, ob der Bg. nach seinem Können die Eigenschaft als Künstler besitzt, bedurfte es somit im Streitfalle nicht.
Es sei noch darauf hingewiesen, daß bei der Prüfung der Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 17 UStG - anders als bei der Gewerbesteuer (Urteil des Reichsfinanzhofs VI 292/39 vom 24. Mai 1939, Slg. Bd. 47 S. 42 = Reichssteuerblatt 1939 S. 941) - nicht die Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen einheitlich zu beurteilen, die Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Ziff. 17 UStG also nicht davon abhängig ist, daß der Steuerpflichtige überwiegend als Künstler tätig ist. Hat ein Schaufenstergestalter (Werbefachmann) auch Umsätze aus einer wirklichen "Tätigkeit als Künstler", z. B. aus dem Verkauf seiner Gemälde, so ist für diese Umsätze die Steuerfreiheit bei Vorliegen aller Voraussetzungen des § 4 Ziff. 17 UStG zu gewähren.
Auf die Rb. des Vorstehers des Finanzamts war daher die Vorentscheidung aufzuheben und die Berufung des Bg. gegen die Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung (AO).
Der Bg. hat mündliche Verhandlung beantragt. Der Senat hält es jedoch für zweckmäßig, ohne solche zunächst gemäß § 294 AO durch Bescheid zu erkennen.
Fundstellen
BStBl III 1957, 60 |
BFHE 64, 158 |
StRK, UStG:4/17 R 3 |