Leitsatz (amtlich)
Ob die unmittelbare Vereinigung aller Anteile an einer Kapitalgesellschaft in einer Hand auch dann Grunderwerbsteuer auslöst, wenn ihr hinsichtlich derselben Grundstücke eine sogenannte mittelbare Anteilsvereinigung über eine 100 %ige Beteiligung vorausgegangen ist, bleibt offen. Jedenfalls wird in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 2 GrEStG 1963 keine Grunderwerbsteuer erhoben, wenn mit der unmittelbaren Anteilsvereinigung innerhalb von zwei Jahren ein Zustand wiederhergestellt wird, der schon vorher bestanden hatte.
Normenkette
GrEStG 1963 Rheinland-Pfalz § 1a Abs. 3; GrEStG 1940 § 1 Abs. 3; GrEStG 1963 Rheinland-Pfalz § 17 Abs. 32, 4
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war bis zum 6. Mai 1966 Inhaber sämtlicher Anteile der A GmbH. Außerdem gehörten ihm sämtliche Anteile an der S GmbH.
Mit Gesellschafterbeschluß vom 6. Mai 1966 wurde das Stammkapital der A GmbH von 500 000 DM auf 1 000 000 DM erhöht. Den neuen Anteil übernahm die S GmbH, die als Gegenleistung ihr gesamtes Vermögen in die A GmbH einbrachte. Anschließend wurde die Liquidation der S GmbH beschlossen. Durch notariellen Vertrag vom 23. April 1968 übertrug diese GmbH ihren Anteil an der A GmbH auf den Kläger.
Zum Vermögen der A GmbH gehörten Grundstücke. Außerdem hielt diese GmbH sämtliche Anteile an der P GmbH; diese war ihrerseits Eigentümerin von Grundstücken.
Aufgrund des Vertrages vom 23. April 1968 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) bezüglich der Grundstücke der beiden vorgenannten Gesellschaften gemäß § 1 a Abs. 3 Nr. 1 des rheinland-pfälzischen Grunderwerbsteuergesetzes i. d. F. vom 17. Dezember 1963 - GrEStG 1963 - (Gesetz- und Verordnungsblatt 1963 S. 229 - GVBl 1963, 229 -) Grunderwerbsteuer fest.
Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Steuerbescheid auf. § 1 a Abs. 3 GrEStG 1963 setze einen Rechtsträgerwechsel voraus. Durch die Vereinigung aller Anteile in der Hand des Klägers habe sich hinsichtlich der Herrschaftsgewalt an den Grundstücken nichts geändert. Diese sei vor wie nach dem Vertrag vom 23. April 1968 in der Hand des Klägers gewesen.
Mit seiner Revision beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Durch die Übertragung der Anteile an der A GmbH auf den Kläger gemäß dem Vertrag vom 23. April 1968 seien alle Anteile an der genannten GmbH in der Hand des Klägers vereinigt worden. § 1 a Abs. 3 Nr. 2 GrEStG 1963 sei daher nach seinem eindeutigen Wortlaut erfüllt.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des FA ist unbegründet.
1. Es kann dahinstehen, ob der Vertrag vom 23. April 1968 den Tatbestand des § 1 a Abs. 3 Nrn. 1 oder 2 GrEStG 1963 erfüllte. Einerseits war dieser Vertrag darauf gerichtet, die Anteile an der A GmbH (unmittelbar) in der Hand des Klägers zu vereinigen. Zum Vermögen dieser Gesellschaft gehörten die Anteile an der P GmbH, so daß insoweit eine mittelbare Anteilsvereinigung in der Hand des Klägers vorliegen könnte; denn nach dem Urteil des Senats vom 11. Juni 1975 II R 38/69 (BFHE 116, 406, BStBl II 1975, 834) reicht für die Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG (= § 1 a Abs. 3 GrEStG 1963) der Zugriff auf die Grundstücke über eine zwischengeschaltete Gesellschaft aus. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß § 1 a Abs. 3 GrEStG 1963 den Erwerb der Herrschaftsmacht über die der Gesellschaft gehörenden Grundstücke erfassen will. Diese Herrschaftsmacht über die Grundstücke der A GmbH und der P GmbH hatte der Kläger aber schon vor Abschluß des Vertrages vom 23. April 1968; denn die Anteile an der A GmbH waren bis dahin teils unmittelbar und teils mittelbar in seiner Hand vereinigt, indem sie zum Teil ihm selbst und zum Teil der S GmbH gehörten, deren Anteile wiederum in seiner Hand waren. Über diese beiden Gesellschaften hatte er auch bereits den Zugriff auf die Grundstücke der P GmbH. Die Vereinigung aller Anteile in seiner Hand hatte sich daher durch den Vertrag vom 23. April 1968 lediglich verstärkt, indem sie, was die Anteile an der A GmbH anbetrifft, von einer teils unmittelbaren und teils mittelbaren zur (ausschließlich) unmittelbaren Vereinigung geworden war.
Ob unter den vorgenannten Umständen eine Besteuerung noch dem Sinn des § 1 a Abs. 3 GrEStG 1963 gerecht wird, mag zweifelhaft sein. Der Senat braucht diese Frage jedoch nicht zu entscheiden. Denn jedenfalls wird die Steuer in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 2 GrEStG 1963 nicht erhoben, weil mit dem Vertrag vom 23. April 1968 lediglich der Zustand wieder hergestellt wurde, welcher bis zur Durchführung der am 6. Mai 1966 beschlossenen Kapitalerhöhung bestanden hatte; auch bis dahin hatte der Kläger sämtliche Anteile an der A GmbH gehalten, zu deren Vermögen nach wie vor die Anteile der P GmbH gehörten.
2. § 17 Abs. 2 GrEStG 1963 gilt trotz seines Wortlautes auch für die Fälle des § 1 a Abs. 3 GrEStG 1963. Das zeigt die Bezugnahme in § 17 Abs. 4, der auch auf die Abs. 2 und 3 des § 1 a verweist. (Die Verweisung auf § 1 statt auf den § 1 a in § 17 ist offenbar ein redaktionelles Versehen, weil bis zu dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes - ÄndG - vom 17. Dezember 1963 die steuerbaren Tatbestände in § 1 geregelt waren).
Bei wörtlicher Auslegung setzt § 17 Abs. 2 GrEStG 1963 voraus, daß der Erwerber seine Rechte an dem Geschäftsanteil, den er vorher einem anderen übertragen hatte, von diesem zurückerwirbt. Im vorliegenden Fall hat dagegen der Kläger einen Geschäftsanteil erworben, welcher vorher nicht ihm gehört hatte, sondern von der A GmbH im Wege einer Erhöhung ihres Stammkapitals an die S GmbH ausgegeben worden war. Will jedoch die genannte Vorschrift die Wiederherstellung des früheren grunderwerbsteuerrechtlichen Zustandes begünstigen, so kann es bei ihrer sinngemäßen Anwendung nicht darauf ankommen, ob dieser jetzt von dem Kläger erworbene Geschäftsanteil zwischendurch von ihm selbst an einen Dritten veräußert oder durch Kapitalerhöhung neu geschaffen und direkt an diesen Dritten ausgegeben worden war.
Die dem Vertrag vom 23. April 1968 vorangegangene Kapitalerhöhung, welche die Abspaltung des Gesellschaftsanteils an der A GmbH verursachte, war zwar kein der Grunderwerbsteuer unterliegender Vorgang; denn sie bewirkte nur eine Abschwächung der bis dahin vorliegenden Vereinigung aller Anteile an der A GmbH in der Hand des Klägers (vgl. dazu das Urteil vom 8. November 1978 II R 82/73, BFHE 126, 332, BStBl II 1979, 153, 154 rechte Spalte). Dadurch wird jedoch die entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 2 GrEStG 1963 auf den vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen; denn diese Vorschrift will jedenfalls - wie bereits ausgeführt - die Wiederherstellung des früheren Zustandes grunderwerbsteuerrechtlich begünstigen.
Der Rückerwerb am 23. April 1968 erfolgte innerhalb von zwei Jahren (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1963); denn die Kapitalerhöhung wurde am 6. Mai 1966 vorgenommen.
Die Anwendung des § 17 Abs. 4 GrEStG 1963 entfällt, weil die Kapitalerhöhung als nicht der Grunderwerbsteuer unterliegender Vorgang nicht anzeigepflichtig war.
Den Antrag gemäß § 17 Abs. 2 GrEStG 1963 sieht der Senat spätestens in dem Einspruch gegen den Steuerbescheid. Der Antrag war damit rechtzeitig gestellt. Ein besonderes Erstattungsverfahren ist nicht notwendig. Über die Steuervergünstigung kann im anhängigen Verfahren entschieden werden (Urteil vom 26. Februar 1975 II R 173/71, BFHE 116, 50, BStBl II 1975, 675).
Fundstellen
Haufe-Index 73494 |
BStBl II 1980, 359 |
BFHE 1980, 70 |