Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Rückstellungen, deren Bildung nicht dem Gesetz entspricht, müssen auch dann gewinnerhöhend aufgelöst werden, wenn das Finanzamt jahrelang ihre Bildung duldete, ohne eine bindende Zusage zu geben.
Normenkette
EStG §§ 4-5, 6/1/3
Tatbestand
Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1960, ob die Revisionsbeklagte, eine Familien-KG, eine Rückstellung auflösen muß, die sie in den vorangegangenen Jahren wegen einer dem persönlich haftenden Gesellschafter gegebenen Pensionszusage gebildet hatte.
Entscheidungsgründe
Auch die KG bezweifelt nicht, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung der Pensionszusagen nach der Rechtsprechung schon zu der Zeit nicht vorlagen, als die Rückstellungen gebildet wurden. Wie der Senat im Urteil IV R 62/66 vom 17. Februar 1967 (BFH 87, 531, BStBl III 1967, 222) eingehend darlegte, ist die Rückstellung jetzt auch deshalb unzulässig, weil eine Personengesellschaft ihren Gesellschaftern in keinem Falle mit steuerlicher Wirkung eine Pensionszusage machen kann. Auf diese Ausführungen wird Bezug genommen.
In dem genannten Urteil führte der Senat ferner aus, daß eine Rückstellung stets aufzulösen ist, wenn sich herausstellt, daß sie gesetzlich unzulässig ist, und zwar auch, wenn sich die Rechtsprechung in der Beurteilung dieser Rückstellungen inzwischen geändert hat. Der Senat ließ dahingestellt, ob der Entscheidung des I. Senats I 188/61 S vom 26. Juni 1962 (BFH 75, 366, BStBl III 1962, 399) gefolgt werden könne, weil diese sich nur auf die besonderen Verhältnisse bei einer Kapitalgesellschaft bezogen habe. Er führte weiter aus, der Ansicht des VI. Senats des BFH in dem Urteil VI 327/60 U vom 15. März 1963 (BFH 76, 815, BStBl III 1963, 297), in dem dieser die Rechtsprechung des I. Senats auch für Personengesellschaften übernahm, könne jedoch nicht gefolgt werden. Auch auf diese Ausführungen, bei denen der Senat verbleibt, wird Bezug genommen.
Unter diesen Umständen bedurfte es keiner Prüfung der Frage mehr, ob hinsichtlich der Anerkennung von Pensionszusagen bei Familienpersonengesellschaften zur Zeit der Bildung der Rückstellung überhaupt eine gefestigte Rechtsprechung vorlag, auf die sich die KG hätte verlassen dürfen, wie dies der VI. Senat in seinem Urteil offensichtlich unterstellte.
Der Umstand allein, daß das FA die Bildung der Rückstellung zunächst anerkannte, rechtfertigt nicht, daß die KG nunmehr unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben die Aufrechterhaltung der Rückstellung verlangen kann. Auch hierzu nahm der Senat in dem Urteil IV R 62/66 Stellung. In dem Urteil IV 133/63 S vom 5. März 1964 (BFH 79, 218, BStBl III 1964, 311) führte der Senat aus, daß bei der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben im öffentlichen Recht immer zu beachten ist, daß die Verwaltung Interessen der Allgemeinheit zu wahren hat und dabei nach Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes an Gesetz und Recht gebunden ist. Sie hat daher nicht nur das Recht, sondern im Interesse einer gleichmäßigen steuerlichen Behandlung aller Staatsbürger auch die Pflicht, geschehene Fehler richtigzustellen, soweit das noch möglich ist. Daß sie eine falsche Bilanzierung lediglich duldete, bewirkt nicht die Entstehung eines Anspruchs des Steuerpflichtigen auf Fortführung dieser Bilanzierung in der Zukunft. Fraglich könnte nur sein, ob die Richtigstellung der bisherigen Bilanzierung auch dann gerechtfertigt ist, wenn sie sich nicht nur so auswirkt, daß in Zukunft (einschließlich des gerade zu beurteilenden Veranlagungszeitraums) eine den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Bilanzierung gewählt wird, sondern wenn sie darüber hinausreichende Wirkungen entfaltet, so wie das bei der Auflösung einer Rückstellung infolge der Zusammenballung eines Gewinns der Fall ist. Prüft man diesen Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, so muß auch berücksichtigt werden, daß dieser Gewinn in der Vergangenheit unversteuert geblieben war, und zwar auf Grund von Umständen, die in erster Linie die KG geschaffen hatte und nicht das FA, das sie nur duldete, und daß die KG die nicht abgeführten Steuern jahrelang gewinnbringend und unverzinslich zur Verfügung hatte. Wie schon in dem Urteil IV R 62/66 ausgeführt wurde, birgt jede Bildung einer Rückstellung die Gefahr in sich, daß die Auflösung erfolgen muß, und zwar auch zu einem dem Steuerpflichtigen nicht genehmen Zeitpunkt. Dieses Risiko liegt primär im Bereich des Steuerpflichtigen selbst und ist daher auch von ihm zu tragen (vgl. auch das Urteil des Senats IV 42/61 U vom 16. September 1964, BFH 80, 500, BStBl III 1964, 654). Sofern sich im Einzelfall Härten ergeben, kann und muß die Verwaltung diese nach § 131 AO ausgleichen. Sie hat auch die Möglichkeit, den Ausgleich so zu gestalten, daß er in etwa der Lage entspricht, die ohne die jahrelange Bildung der Rückstellung bestanden hätte. Dabei kann sie auch die mit der jahrelangen Nichtzahlung verbundenen Vorteile berücksichtigen. Den Gerichten ist diese Befugnis nicht gegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 412530 |
BStBl III 1967, 389 |
BFHE 1967, 325 |
BFHE 88, 325 |
BB 1967, 747 |
DB 1967, 1247 |
DStR 1967, 418 |