Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Behandlung der sogenannten Ertragszuschüsse in der DM-Eröffnungsbilanz der Versorgungsbetriebe der Gemeinden.
2. Zur Ermittlung der steuerlich abzugsfähigen Konzessionsabgaben der Versorgungsbetriebe.
DMBG §§ 28, 34; KStG § 6; EStG § 4 Abs. 4; Konzessionsabgaben-Anordnung vom 4. März 1941 §§
Normenkette
DMBG § 28; DMBG § 34; KStG § 6; EStG § 4 Abs. 4; KAE §§ 2, 5, 11
Tatbestand
Streitig ist, ob und mit welchem Betrag die Beschwerdegegnerin (Bgin.), ein städtischer Versorgungsbetrieb in der Form des § 1 Abs. 1 Ziff. 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), die in ihrer RM-Schlußbilanz vom 20. Juni 1948 passivierten Bauzuschüsse zur Herstellung von Anschlüssen in die DM-Eröffnungsbilanz übernehmen mußte. Die Bgin. behandelte diese auf Grund ihrer allgemeinen Lieferungsbedingungen von den Abnehmern erhobenen Bauzuschüsse seit 1939 bis jetzt auf Grund des § 19 Abs. 6 der Eigenbetriebsverordnung als vorausbezahlte Entgelte für die laufende Verpflichtung, die Abnehmer zu Tarifpreisen zu beliefern, und als Vorauszahlung zur Hebung der dadurch beeinträchtigten künftigen Rentabilität. Diese sogenannten Ertragszuschüsse wurden in den Handels- und Steuerbilanzen passiviert. Der Passivposten wurde mit jährlich 5 v. H. zugunsten des Gewinns aufgelöst.
Das Finanzamt übernahm die in der RM-Schlußbilanz ausgewiesenen Ertragszuschüsse im Verhältnis 1 RM = 1 DM in die DM-Eröffnungsbilanz. Das Finanzgericht gab der Sprungberufung der Bgin. statt, weil die Bauzuschüsse in der DM-Eröffnungsbilanz als Kapitalzuschüsse und demnach als Wertberichtigungen zu den aktivierten Anschlüssen zu betrachten seien. Es lehnte die übernahme dieses Passivpostens in die DM-Eröffnungsbilanz unter Hinweis auf Abschnitt 15 der Verwaltungsanordnung betreffend steuerliche Richtlinien zum D-Markbilanzgesetz (DMBR) ab.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, kann die Rechtsnatur der Bauzuschüsse zweifelhaft sein. Man kann sie sowohl als Ertragszuschüsse als auch als Kapitalhaft sein. Man kann sie sowohl als Ertragszuschüsse als auch als Kapitalzuschüsse auffassen. Die Bgin. hat sie seit 1939 nicht nur in ihren Handels- sondern auch in ihren Steuerbilanzen vor und nach dem Währungsstichtag als Ertragszuschüsse angesehen. Da diese Behandlung nicht offenbar falsch ist, muß die Bgin. die aus dieser Behandlung sich ergebenden steuerlichen Folgen tragen. Sie kann nicht behaupten, daß diese Zuschüsse, und zwar ausschließlich für den Zeitpunkt der Währungsumstellung, ihrer Natur nach nur als Kapitalzuschüsse aufgefaßt werden könnten. Es mag sein, daß die Bgin. auf Grund des § 19 Abs. 6 der Eigenbetriebsverordnung zur Behandlung der Bauzuschüsse als Ertragszuschüsse in ihren Handelsbilanzen verpflichtet war. Daraus kann sie aber nicht das Recht herleiten, diese Bauzuschüsse einzig und allein am 21. Juni 1948 in ihrer sowohl die Handels- als auch die Steuerbilanz darstellenden DM-Eröffnungsbilanz als Kapitalzuschüsse zu betrachten. Denn einmal muß unterstellt werden, daß der Verordnungsgeber der Eigenbetriebsverordnung die Behandlung der Zuschüsse als Ertragszuschüsse nicht angeordnet hätte, wenn diese Rechtsauffassung nicht möglich gewesen wäre. Zudem hätte es der Bgin. freigestanden, schon vor und nach dem Währungsstichtag für ihre Steuerbilanzen eine abweichende Auffassung zu vertreten. Das hat sie nicht getan. Sie muß sich deshalb an der vom Verordnungsgeber vorgeschriebenen und möglichen Auffassung der Rechtsnatur der Bauzuschüsse auch für die DM-Eröffnungsbilanz festhalten lassen.
Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, ob es nicht näher gelegen hätte, die Bauzuschüsse von Anfang an als Kapitalzuschüsse anzusehen. Denn die gewählte, der Eigenbetriebsverordnung entsprechende Bilanzierung widerspricht nicht offenbar den Verhältnissen (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs I 55/53 U vom 6. Oktober 1953 - Slg. Bd. 58 S. 61, Bundessteuerblatt (BStBl) 1953 III S. 315 -). Daß die Bauzuschüsse nach den Herstellungskosten der Anschlüsse und nicht nach einem künftigen Minderertrag berechnet werden, spricht nicht zwingend gegen ihren Charakter als Ertragszuschüsse. Denn wie das Finanzgericht und die Bgin. zutreffend ausführen, läßt sich ein Ertragszuschuß nicht in jedem einzelnen Fall nach der künftigen, von Jahr zu Jahr möglicherweise schwankenden Rentabilität dieses Anschlusses berechnen. Es lag deshalb nahe, die der Höhe nach feststehenden Herstellungskosten des Anschlusses als Zuschuß zur Verbesserung der künftigen Rentabilität zu fordern (vgl. auch Urteile des Reichsfinanzhofs I 18/42 vom 12. Mai 1942 - Reichssteuerblatt (RStBl) S. 852 -, und I 19/44 vom 15. November 1944 - RStBl 1945 S. 57 -). Daß die Bauzuschüsse im Falle der Vertragsauflösung nicht zurückgezahlt werden, ist für die Beurteilung ihrer Rechtsnatur ohne Bedeutung. Auch bei Kapitalzuschüssen wird die Rückzahlung im Fall der Beendigung des Vertragsverhältnisses oft ausgeschlossen. Im übrigen kann auf das Urteil des Senats I 162/54 U vom 13. September 1955 - Slg. Bd. 61 S. 300, BStBl 1955 III S. 315 - verwiesen werden, in dem ein im wesentlichen gleichliegender Fall entschieden worden ist.
Faßt man die Bauzuschüsse als Ertragszuschüsse auf, so handelt es sich um die Bilanzierung von Sachwertverpflichtungen aus schwebenden Verträgen, bei denen die Abnehmer ihrer Zahlungspflicht bereits teilweise durch Zahlung in RM nachgekommen sind. Bei solchen Verpflichtungen besteht die Vermutung, daß der Wert der Verpflichtung gegenüber der RM-Zeit nicht abgesunken ist. Der Senat stimmt deshalb der Auffassung des Finanzamts zu, daß die passivierten Ertragszuschüsse grundsätzlich im Verhältnis 1 RM = 1 DM in die DM-Eröffnungsbilanz übernommen werden müssen. Der Einwand der Bgin., daß am 21. Juni 1948 bei den durch die Währungsumstellung veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen die einzelnen Anschlüsse im allgemeinen keine wirtschaftliche Belastung mehr darstellten, kann eine andere Umstellung nicht rechtfertigen. Denn die einheitlich nach den Herstellungskosten berechneten Bauzuschüsse stellen nicht auf die Rentierlichkeit des einzelnen Anschlusses ab. Das wäre nicht möglich gewesen. Sie gehen vielmehr davon aus, daß die Summe aller Anschlüsse nicht den Ertrag bringt, der unter Berücksichtigung des Kapitaleinsatzes und der Tätigkeit des Versorgungsunternehmens als gerechtfertigt angesehen wird. Dieser erwünschte Mehrertrag wird dann, weil ein anderes Verfahren praktisch nicht möglich ist, auf alle Abnehmer nach gleichen Maßstäben umgelegt. Der Vortrag der Bgin. ist mit der Tatsache nicht vereinbar, daß sie auch nach der Währungsreform von ihren Abnehmern in gleicher Weise Ertragszuschüsse fordert und verbucht. Der Senat muß aus der Tatsache der Weitererhebung dieser Bauzuschüsse den Schluß ziehen, daß sie von der Bgin. nach wie vor zur Erreichung eines angemessenen Ertrages für gerechtfertigt gehalten werden. Auch die Tatsache, daß die Preisverhältnisse auf dem Gebiet der Versorgung mit Gas, Wasser und Strom durch die Währungsumstellung nicht sofort entscheidend geändert worden sind und daß die Bgin. die mit den Bauzuschüssen erstellten Anschlüsse in die DM-Eröffnungsbilanz mit höheren Werten als in der RM-Schlußbilanz übernommen hat, lassen es gerechtfertigt erscheinen, die Ertragszuschüsse im Verhältnis 1 RM = 1 DM in die DM-Eröffnungsbilanz einzusetzen. Die erst im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgetragene Behauptung der Bgin., daß die Rückstellung der Bauzuschüsse bei der Bewertung des Anlagevermögens in der DM-Eröffnungsbilanz wertmindernd berücksichtigt worden ist, kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beachtet werden. Da die Sache aber an das Finanzgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen wird, kann sie das Finanzgericht überprüfen.
Aus den Akten ergibt sich, daß die von der Bgin. an die Stadt gezahlten Konzessionsabgaben auf Grund jeweils erteilter Ausnahmegenehmigungen nach § 11 der Konzessionsabgaben-Anordnung vom 4. März 1941 berechnet und steuerlich anerkannt worden sind. Das ist, wie sich aus der Entscheidung des Senats I 140/56 U vom 18. Dezember 1956, BStBl 1957 III S. 169, ergibt, nicht zutreffend. Die Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das unter Beachtung der vorstehenden Rechtsausführungen auch hinsichtlich der Berechnung der Konzessionsabgaben über die Körperschaftsteuer für die streitigen Veranlagungszeiträume erneut entscheiden muß.
Aus dem Urteil I 140/56 U ergibt sich, daß die Konzessionsabgaben-Anordnung nur als Anhalt für die Ermittlung der im einzelnen Fall steuerlich abzugsfähigen Konzessionsabgaben dienen kann. Bei dieser steuerlichen Prüfung ist von den sogenannten Friedenssätzen des § 2 Abs. 2 der Konzessionsabgaben-Anordnung auszugehen, weil bei wirtschaftlicher und den tatsächlichen Verhältnissen gerecht werdender Betrachtung der Krieg in den hier zur Entscheidung stehenden Veranlagungszeiträumen als beendet anzusehen ist und eine Friedenswirtschaft besteht. Da die Konzessionsabgaben-Anordnung nur als Anhalt bei der Ermittlung der angemessenen Konzessionsabgaben dient, braucht nicht entschieden zu werden, ob und bis zu welchem Zeitpunkt preisrechtlich die erhöhten Sätze des § 2 Abs. 1 der Konzessionsabgaben-Anordnung gefordert und gezahlt werden dürfen.
Bei Anwendung des in § 5 Abs. 2 Buchst. a der Konzessionsabgaben-Anordnung zum Ausdruck kommenden Gedankens , daß dem Versorgungsunternehmen auf längere Zeit gesehen eine angemessene Verzinsung seines Eigenkapitals verbleiben muß, ist eine Bindung an den Wortlaut des § 5 der Konzessionsabgaben-Anordnung nicht gerechtfertigt. Der Senat hat deshalb bereits im Urteil I 140/56 U dargelegt, daß die Konzessionsabgaben grundsätzlich nicht deshalb beschränkt werden dürfen, weil das Versorgungsunternehmen Rücklagen zur Erweiterung und Modernisierung des Betriebs hätte machen müssen. Der Senat ergänzt seine damaligen Ausführungen zur Frage, ob die abzugsfähige Konzessionsabgabe steuerlich deshalb herabgesetzt werden darf, weil anders das Versorgungsunternehmen die zur ordnungsmäßigen Weiterführung des Betriebs notwendigen Rücklagen nicht machen kann, dahin, daß dieser im § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Konzessionsabgaben-Anordnung zum Ausdruck kommende Gesichtspunkt bei der steuerlichen überprüfung grundsätzlich außer Betracht bleibt. Denn einmal kann es dem Gläubiger der Konzessionsabgabe im allgemeinen nicht zugemutet werden, auf einen Teil einer auf längere Sicht angemessenen Konzessionsabgabe nur deshalb zu verzichten, weil in dem einen oder anderen Jahr eine betriebswirtschaftlich notwendige Rücklage gebildet werden müßte. Zudem ist das Finanzamt nur schwer in der Lage, die Frage zu beurteilen, ob und in welchem Umfang eine Rücklage zur ordnungsmäßigen Weiterführung des Betriebs erforderlich ist.
Eine Zurückverweisung durch das Finanzgericht an das Finanzamt ist nur aus besonderen Gründen, insbesondere zur Ersparung von Kosten, Arbeit oder Zeit zulässig (ß 284 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung). Wenn indessen das Finanzgericht zur Berechnung der sich aus seiner sachlichen Entscheidung ergebenden Steuern nicht mehr an Arbeit oder Zeit aufzuwenden hat als das Finanzamt, ist eine Zurückverweisung an das Finanzamt zur Vornahme dieser Berechnung nicht statthaft. Das Finanzgericht ist ebenso wie das Finanzamt Tatsacheninstanz. Es muß deshalb grundsätzlich die sich aus seiner Entscheidung ergebenden Steuern selbst berechnen und festsetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 408755 |
BStBl III 1957, 218 |
BFHE 1957, 582 |
BFHE 64, 582 |
BB 1957, 570 |
DB 1957, 594 |