Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer
Leitsatz (amtlich)
Das Grundsteueränderungsgesetz vom 10. August 1951 hat für Dienstgrundstücke und Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener nur jene Grundsteuerbefreiungen wieder eingeführt, die durch das Grundsteuergesetz vom 1. Dezember 1936 ab 1. April 1938 beseitigt worden sind. Grundsteuerbefreiungen, die schon vorher durch landesgesetzliche Vorschriften rechtswirksam beseitigt waren, hat das Grundsteueränderungsgesetz nicht wieder eingeführt.
Dienstgrundstücke und Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener, die nach den vor dem 1. April 1938 geltenden landesgesetzlichen Vorschriften von der Staatsgrundsteuer, nicht aber von der Gemeindegrundsteuer befreit waren, können ab 1. April 1951 nicht (auch nicht teilweise) von der Grundsteuer befreit werden.
Normenkette
GrStG § 4/5/c
Tatbestand
Streitig ist, ob der landwirtschaftliche Betrieb der ev.-luth. Pfarre N. ab 1. April 1951 von der Grundsteuer zu befreien ist.
Der Betrieb liegt in der Gemeinde N. des ehemaligen Landes Braunschweig. Bei der ersten Hauptveranlagung ist der Grundsteuermeßbetrag auf 104 RM festgesetzt worden. Das Finanzamt hat den Antrag der Steuerpflichtigen (Stpfl.), den Betrieb nach § 4 Ziff. 5 Buchst. c des Grundsteuergesetzes (GrStG) ab 1. April 1951 von der Grundsteuer zu befreien, mit folgender Begründung abgelehnt: Im ehemaligen Lande Braunschweig seien Pfarrgrundstücke vor dem 1. April 1938 lediglich von der staatlichen Grundsteuer, nicht aber von der Grundsteuer der Gemeinden und Kreiskommunalverbände befreit gewesen. Da durch das Grundsteueränderungsgesetz vom 10. August 1951 die Befreiung ab 1. April 1951 nur in dem früheren Umfang wiederhergestellt worden sei, könne in den ehemaligen braunschweigischen Gebietsteilen des Landes Niedersachsen eine Befreiung der Pfarrgrundstücke von der Grundsteuer nicht gewährt werden.
Die Stpfl. vertritt demgegenüber die Auffassung, es sei wohl richtig, daß das maßgebende braunschweigische Landesgesetz die Befreiung der Pfarrgrundstücke von der Gemeindegrundsteuer versagt habe; insoweit widerspreche aber dieses Gesetz dem Grundsteueränderungsgesetz vom 10. August 1951 und sei als rechtsungültig anzusehen.
Die Sprungberufung der Stpfl. hatte Erfolg und das Finanzgericht stellte den streitigen Betrieb in vollem Umfang ab 1. April 1951 von der Grundsteuer frei. Die Entscheidung der Vorinstanz beruht vor allem auf folgenden Erwägungen: Es könne nicht zweifelhaft sein, daß das in Betracht kommende braunschweigische GrStG vom Jahre 1923 nebst änderungsgesetzen bis zum Inkrafttreten des Grundsteueränderungsgesetzes vom 10. August 1951 zunächst rechtsgültig gewesen sei. Dieser Rechtszustand sei zwar durch das Reichsgericht in einem verfassungsrechtlichen Verfahren bestätigt, aber durch § 4 Ziff. 5 Buchst. c GrStG 1951 beseitigt worden. Die früheren Grundsteuerbefreiungen der Kirchengrundstücke seien als negative Staatsleistungen im Sinne des Art. 138 der Weimarer Verfassung zu betrachten, und zwar auch dann, wenn die Grundsteuer nicht dem Staat, sondern der Gemeinde zufließe. Durch § 4 Ziff. 5 Buchst. c GrStG sei mit der Wiedergewährung der Grundsteuerfreiheit für kirchliche Grundstücke eine dem Art. 138 der Weimarer Verfassung und Art. 140 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) entsprechende Rechtslage hergestellt worden. Zwar hätte es der Klarheit gedient, wenn der Gesetzgeber den Wortlaut dieser Vorschrift dahin erweitert hätte, daß Landesgesetze in denjenigen Ländern nicht mehr anzuwenden seien, in denen eine bestehende Grundsteuerbefreiung mit der Begründung, sie sei nicht als verfassungsmäßig garantierte Staatsleistung anzusehen, aufgehoben worden sei. Diese Unterlassung könne aber zu keiner anderen Auslegung des Gesetzes führen; denn es sei offenbar nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen, im Lande Braunschweig im Gegensatz zu allen anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland eine Grundsteuerpflicht kirchlicher Grundstücke zu bejahen. Auch nach dem Wortlaut des § 4 Ziff. 5 Buchst. c GrStG könne man zu dieser Auslegung kommen. Im ehemaligen Lande Braunschweig habe für Pfarrgrundstücke zumindest Befreiung von der Staatsgrundsteuer bestanden. Die von den Gemeinden und Kreisen vor dem 1. April 1938 erhobenen Zuschläge zur Grundsteuer seien keine echten Kommunalsteuern, sondern nur ein Teil der staatlichen Grundsteuer gewesen. Erst durch das GrStG 1936 sei die bisherige Staatsgrundsteuer in eine reine Gemeindesteuer umgewandelt worden. Es seien deshalb sämtliche Voraussetzungen für die Befreiung des streitigen landwirtschaftlichen Betriebs ab 1. April 1951 von der Grundsteuer gegeben.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts gegen diese Entscheidung ist begründet.
I. - Unter den Beteiligten besteht keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß der Grundbesitz der Kirchen, Pfarren usw. im Lande Braunschweig seit alters her weitgehend von der Grundsteuer befreit war. Von der Staatsgrundsteuer war dieser Grundbesitz voll befreit; aber auch jener kirchliche Grundbesitz, für den bisher zu den Gemeindesteuern nichts beigetragen worden war, wurde den gemeindlichen Steuern vom Grundbesitz nicht unterworfen. In diesem Rechtszustand trat ab 1. Juli 1923 eine Wende ein. Das braunschweigische GrStG vom 26. Februar 1923 (Braunschweigische Gesetz- und Verordnungssammlung S. 37) hob nämlich für den Grundbesitz der Kirchen, Pfarren usw. die Befreiung von der Grundsteuer weitgehend auf. Nach § 2 Abs. 1 Buchst. d dieses Gesetzes waren nur noch die dem öffentlichen Gottesdienst dauernd gewidmeten Gebäudegrundstücke von der staatlichen Grundsteuer befreit. Darüber hinaus erhielten die Gemeinden und Kreiskommunalbehörden das Recht, auf Grund der Grundsteuerlisten des Staates Zuschläge von den in ihrem Bezirk belegenen Grundstücken zu erheben (vgl. § 22 Abs. 1 des Gesetzes vom 26. Februar 1923 und § 33 des braunschweigischen Gemeindeabgabengesetzes vom 5. November 1923, Braunschweigische Gesetz- und Verordnungssammlung S. 357). Dieses Vorgehen des Gesetzgebers (weitgehende Beseitigung der bisherigen Grundsteuerfreiheit des kirchlichen Grundbesitzes) löste ein verfassungsrechtliches Verfahren nach Art. 13 Abs. 2 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 aus. Dieses Verfahren wurde mit folgendem Beschluß des Reichsgerichts, 4. Zivilsenat, vom 20. Juni 1925 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 348) beendet:
"Das braunschweigische Grundsteuergesetz vom 26. Februar 1923 (G. u. V. Bl. S. 37) ist mit den Artikeln 173, 138 insoweit unvereinbar, als es die bisherige, auf Gesetz beruhende Freiheit des Grundbesitzes der Kirchen, Pfarren und Pfarrwitwentümer der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig von Staatssteuern beseitigt hat.
Dagegen verstößt die in jenem Gesetz ausgesprochene Aufhebung der Freiheit jenes Grundbesitzes von den Kommunalsteuern nicht gegen die genannten Verfassungsvorschriften."
Auf Grund dieser Entscheidung wurde durch änderungsgesetz vom 7. November 1925 (Braunschweigische Gesetz- und Verordnungssammlung S. 271) für den Grundbesitz der Kirchen, Pfarren und Pfarrwitwentümer hinsichtlich der Staatsgrundsteuer die Grundsteuerpflicht rückwirkend wieder aufgehoben und dieser Grundbesitz in gleichem Umfang wie vor dem GrStG vom 26. Februar 1923 von der Staatsgrundsteuer freigestellt. Die von den Gemeinden und Kreiskommunalbehörden beschlossenen Zuschläge zur Grundsteuer wurden durch das änderungsgesetz ausdrücklich zu selbständigen Gemeindesteuern erklärt.
Auf das GrStG vom 26. Februar 1923 folgte in Braunschweig das GrStG vom 4. Juli 1927 (Braunschweigische Gesetz- und Verordnungssammlung S. 223). Dieses Gesetz hielt hinsichtlich der Besteuerung des kirchlichen Grundbesitzes an dem bisherigen Rechtszustand, wie er sich aus dem GrStG vom 26. Februar 1923 in der Fassung des änderungsgesetzes vom 7. November 1925 ergab, fest. Das gleiche gilt für das folgende braunschweigische GrStG vom 1. April 1931 (Braunschweigische Gesetz- und Verordnungssammlung S. 48). Demgemäß wurden in diesem Gesetz in § 2 Abs. 1 unter Buchst. d und h als von der Grundsteuer befreit aufgeführt:
"d) Die dem öffentlichen Gottesdienst dauernd gewidmeten Gebäudegrundstücke von Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, oder von Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen;
der Grundbesitz der Kirchen, Pfarren und Pfarrwitwentümer, der bis zum 1. Juli 1923 steuerfrei war, soweit er nicht bereits nach d von der Grundsteuer befreit ist."
Außerdem wurde in § 18 Abs. 1 und 2 dieses Gesetzes bestimmt, daß die Gemeinden und Kreisgemeindeverbände berechtigt sind, auf Grund der Grundsteuerlisten des Staates von dem in ihrem Bezirk belegenen Grundbesitz nach Tausendteilen seines Einheitswertes Zuschläge, von dem in § 2 Abs. 1 unter h aufgeführten Grundbesitz, soweit er nicht unmittelbar dem öffentlichen Gebrauch oder Dienst gewidmet ist, Grundsteuern in Tausendteilen seines Einheitswertes zu erheben.
Das braunschweigische GrStG vom 1. April 1931 wurde durch das Reichsgrundsteuergesetz vom 1. Dezember 1936 abgelöst, dieses Gesetz selbst durch das Grundsteueränderungsgesetz vom 10. August 1951 abgeändert.
Danach erweist sich die Annahme der Vorinstanz, das braunschweigische GrStG vom Jahre 1923 (nebst änderungsgesetzen) sei bis zum Inkrafttreten des Grundsteueränderungsgesetzes vom 10. August 1951 zunächst rechtsgültig gewesen, als unzutreffend. Es darf nicht übersehen werden, daß zeitlich in folgender Reihenfolge abgelöst worden sind: Das GrStG 1923 vom GrStG 1927, das GrStG 1927 vom GrStG 1931 und das GrStG 1931 vom Reichsgrundsteuergesetz 1936. Im übrigen ist auch das GrStG 1923 ausdrücklich ab 1. April 1927 vorbehaltlich der Anwendung auf frühere Fälle aufgehoben worden (ß 28 GrStG vom 4. Juli 1927). Die Vorinstanz hätte allenfalls sagen können, daß der Rechtszustand hinsichtlich der Besteuerung der Pfarrgrundstücke, wie er nach dem GrStG vom 26. Februar 1923 in der Fassung des änderungsgesetzes vom 7. November 1925 bestanden hat, unverändert in die beiden weiteren braunschweigischen GrStGe (Gesetz vom 4. Juli 1927 und Gesetz vom 1. April 1931) übernommen worden ist. Daß dieser Rechtszustand nach der Auffassung der Vorinstanz gar noch bis zum Inkrafttreten des Grundsteueränderungsgesetzes vom 10. August 1951 bestanden haben soll, ist nicht zutreffend. Hier wird übersehen, daß ja gerade das Reichsgrundsteuergesetz 1936 die Befreiung der Pfarrgrundstücke von der Grundsteuer, soweit eine solche nach dem zuletzt maßgebenden braunschweigischen GrStG vom 1. April 1931 noch bestand, vom 1. April 1938 ab beseitigt hat. Das ergibt sich daraus, daß die Pfarrgrundstücke in § 4 GrStG 1936 unter den Befreiungen nicht mehr aufgeführt sind. Andererseits waren auch nach § 1 des Einführungsgesetzes zu den Realsteuergesetzen (EinfGRealStG) die landesrechtlichen Vorschriften - abgesehen von der hier nicht in Betracht kommenden Vorschrift des § 27 GrStG - vom 1. April 1938 ab nicht mehr anwendbar. Der Auffassung der Stpfl., daß das GrStG 1936, soweit es sich auf die Beseitigung der Grundsteuerfreiheit von kirchlichem Grundbesitz bezogen habe, rechtsunwirksam gewesen sei, kann nicht beigetreten werden (vgl. Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs III D 1/48 vom 23. November 1948, Slg. Bd. 54 S. 280). Demgemäß ist festzustellen, daß die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Buchst. h des braunschweigischen GrStG vom 1. April 1931, das eine Befreiung der Pfarrgrundstücke von der staatlichen Grundsteuer enthält (siehe oben), vom 1. April 1938 ab außer Kraft gesetzt worden ist. Hinsichtlich der Gemeindegrundsteuer ergab sich keine änderung, weil den Pfarrgrundstücken auch schon nach dem genannten braunschweigischen GrStG die Befreiung von der Grundsteuer versagt war (siehe oben).
Die Auffassung, daß durch die Einfügung des § 4 Ziff. 5 Buchst. c GrStG der Rechtszustand hinsichtlich der Grundsteuerpflicht des kirchlichen Grundbesitzes, wie er durch das Reichsgericht bestätigt und aus dem GrStG 1923 in der Fassung des änderungsgesetzes vom 7. November 1925 in die weiteren GrStGe 1927 und 1931 übernommen worden ist, beseitigt worden sei, begründet sowohl die Vorinstanz als auch die Stpfl. mit dem Hinweis auf die Verhandlungen im Deutschen Bundestag. Entgegen der Entscheidung des Reichsgerichts, wonach die kommunale Grundsteuerfreiheit nicht als Staatsleistung angesehen werden könne, habe sich der Deutsche Bundestag eindeutig auf den Standpunkt gestellt, daß die früheren Grundsteuerbefreiungen als Staatsleistungen im Sinne des Art. 140 GG zu betrachten seien, und zwar auch dann, wenn die Grundsteuer nicht dem Staat, sondern der Gemeinde zufließe. Mit anderen Worten: Der § 4 Ziff. 5 Buchst. c GrStG spreche die Gemeindegrundsteuerfreiheit des kirchlichen Grundbesitzes auch insoweit aus, als diese durch die Landesgesetzgebung vor dem 1. April 1938 beseitigt worden sei. Diese Begründung geht fehl. Es kann dahingestellt bleiben, ob unter Staatsleistungen auch Befreiungen von den Kommunalsteuern zu verstehen sind. Jedenfalls wurden bisher unter Staatsleistungen nur Leistungen des Staates (darunter auch Freiheit von Staatssteuern) verstanden, dagegen nicht Leistungen der Gemeinden oder deren Steuerverzicht. Vgl. hierzu Scholz, Kommentar zum Grundsteuergesetz, Anm. 69 und die dort angeführten Entscheidungen. Die Entscheidung des Reichsgerichts vom 20. Juni 1925 hatte Gesetzeskraft (ß 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Ausführung des Artikels 13 Abs. 2 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 8. April 1920, RGBl. S. 510). Sie war kein Urteil, sondern ein gesetzgebender Akt besonderer Art. Die zuständigen Gerichte und Verwaltungsbehörden haben in den an sie gebrachten Streitfällen die Folgerungen aus der vom Reichsgericht festgestellten Rechtslage zu ziehen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs Gr.S 3/20 vom 13. November 1920, Slg. Bd. 4 S. 9). Es ist somit daran festzuhalten, daß im Lande Braunschweig die Befreiung der Pfarrgrundstücke von der gemeindlichen Grundsteuer durch Landesgesetze rechtswirksam aufgehoben worden war. Durch das Grundsteueränderungsgesetz vom 10. August 1951 (ß 4 Ziff. 5 Buchst. c) sind Dienstgrundstücke und Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener lediglich in dem Umfang von der Grundsteuer befreit worden, in dem sie nach den vor dem 1. April 1938 geltenden landesgesetzlichen Vorschriften befreit waren. Diese Vorschrift kann nur dahin verstanden werden, daß für den genannten Grundbesitz lediglich diejenigen Befreiungen von der Grundsteuer wieder eingeführt worden sind, die durch das Reichsgrundsteuergesetz 1936 ab 1. April 1938 beseitigt worden sind. Grundsteuerbefreiungen, die schon vorher durch landesgesetzliche Vorschriften rechtswirksam beseitigt waren, hat das Grundsteueränderungsgesetz vom 10. August 1951 nicht wieder eingeführt.
Die Vorinstanz befindet sich auch in einem Irrtum, wenn sie annimmt, daß in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland Grundsteuerfreiheit für den kirchlichen Grundbesitz - gemeint sind wohl Dienstgrundstücke und Dienstwohnungen von Geistlichen und Kirchendienern - bestehe. In mehreren damaligen Ländern war für den genannten Grundbesitz schon vor der Einführung des Reichsgrundsteuergesetzes 1936 die Befreiung von der Grundsteuer aufgehoben. In diesen Gebietsteilen der Deutschen Bundesrepublik wird der genannte Grundbesitz zur Grundsteuer herangezogen. Auch der Grundsatz "Gleichmäßigkeit der Besteuerung" schlägt nicht durch. Vor der Einführung des Reichsgrundsteuergesetzes 1936 waren die laufenden Steuern vom Grundbesitz in den sechzehn damaligen Ländern ganz verschieden gestaltet. Die Verschiedenheiten bestanden nicht nur bei den Vorschriften über die Besteuerungsgrundlage, den Tarif, die Fälligkeit, Ermäßigung bei Leerstehen von Räumen usw., sondern auch bei denjenigen über die Steuerpflicht (Befreiungen). Da das Grundsteueränderungsgesetz Dienstgrundstücke und Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener in dem Umfang von der Grundsteuer wieder befreit hat, in dem sie nach den vor dem 1. April 1938 geltenden landesgesetzlichen Vorschriften befreit waren, konnte es gar nicht ausbleiben, daß bei der Besteuerung des genannten Grundbesitzes Verschiedenheiten von Land zu Land und innerhalb der einzelnen (jetzt bestehenden) Länder auftreten. Vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs III 67/54 U vom 23. Juli 1954, Slg. Bd. 59 S. 197, Bundessteuerblatt (BStBl.) 1954 III S. 285.
II. - Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß der streitige Betrieb bis zum 31. März 1938 nach den braunschweigischen Vorschriften von der Staatsgrundsteuer, nicht aber von der Grundsteuer der Gemeinde und des Kreisgemeindeverbandes zu befreien war. Ab 1. April 1938 fiel auch die Befreiung von der Staatsgrundsteuer weg. Fraglich ist nur, ob die Wiedereinführung der Befreiung in dem vor dem 1. April 1938 bestehenden Umfang sich im Streitfall auswirken kann, weil seit Einführung des Reichsgrundsteuergesetzes den Gemeinden das alleinige Recht zur Erhebung der Grundsteuer zugesprochen worden ist und die Länder (auch die Gemeindeverbände) seit 1. April 1938 die Grundsteuer nicht mehr in Anspruch nehmen dürfen. Die Vorinstanz behauptet, die von den Gemeinden und Kreiskommunalbehörden erhobenen Zuschläge seien keine echten Kommunalabgaben, sondern nur ein Teil der staatlichen Grundsteuer gewesen. Daß dies falsch ist, ergibt sich schon daraus, daß für den hier in Betracht kommenden Grundbesitz gar keine staatliche Grundsteuer erhoben worden ist. Mithin ist es abwegig anzunehmen, daß die von diesem Grundbesitz erhobene kreiskommunale und gemeindliche Grundsteuer ein Teil der staatlichen Grundsteuer gewesen sei. Im übrigen war in § 18 Abs. 2 des braunschweigischen GrStG vom 1. April 1931 (siehe oben zu I) ausdrücklich bestimmt, daß die Gemeinden und Kreiskommunalverbände berechtigt sind, von dem in § 2 Abs. 1 unter h aufgeführten Grundbesitz (hierunter fällt der von der staatlichen Grundsteuer befreite kirchliche Grundbesitz) Grundsteuern in Tausendteilen seines Einheitswertes zu erheben.
Das Grundsteueränderungsgesetz hat keine Bestimmung getroffen, wie im Falle des § 4 Ziff. 5 Buchst. c GrStG zu verfahren ist, wenn der in Betracht kommende Grundbesitz vor dem 1. April 1938 zwar von der staatlichen, nicht aber von der gemeindlichen und kreiskommunalen Grundsteuer befreit war. Ihren Anspruch auf Grundsteuerbefreiung hat die Stpfl. mit dem Hinweis begründet, daß ab 1. April 1938 die staatliche Grundsteuer in die gemeindliche Grundsteuer umgewandelt worden sei. Das ist nicht richtig. Vielmehr ist den Ländern und Gemeindeverbänden die Grundsteuer als Steuerquelle entzogen und den Gemeinden allein als Steuerquelle (naturgemäß als verstärkte Steuerquelle) zugewiesen worden. Nach § 1 GrStG ist die Grundsteuer eine Gemeindesteuer. § 4 Ziff. 5 Buchst. c a. a. O., dessen Anwendung hier streitig ist, bezieht sich deshalb nur auf die Befreiung von der Gemeindegrundsteuer, und zwar auch insoweit, als in dieser Vorschrift auf Befreiungen aus der Zeit vor dem 1. April 1938 verwiesen ist. Der Senat kommt daher zu dem Ergebnis, daß es für die Befreiung nur darauf ankommen kann, ob der betreffende Grundbesitz nach den vor dem 1. April 1938 geltenden landesgesetzlichen Vorschriften von der Gemeindegrundsteuer befreit war; bestand für ihn keine Befreiung von der Gemeindegrundsteuer, sondern nur eine Befreiung von der Staatsgrundsteuer, so kann er ab 1. April 1951 nicht (auch nicht teilweise) von der Grundsteuer befreit werden.
III. - Da die Vorinstanz die Rechtslage verkannt hat, ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sprungberufung der Stpfl. gegen den Bescheid des Finanzamts vom 11. August 1953 als unbegründet zurückzuweisen. Die Entscheidung im Kostenpunkt beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 408271 |
BStBl III 1955, 327 |
BFHE 1956, 335 |
BFHE 61, 335 |