Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Bei Anwendung der Verwaltungsanordnung zu § 131 LAG ist ihr Zweck zu beachten, den volkswirtschaftlich und sozialpolitisch erwünschten Besitz zu erhalten. Dem Hypothekengewinnabgabeschuldner müssen die für eine bescheidene Lebensführung unerläßlichen Beträge verbleiben.
Tz. 76 der Verwaltungsanordnung zu § 131 LAG betrifft nicht den Fall der Veräußerung des ganzen mit der Hypothekengewinnabgabe belasteten Grundstücks; dieser Fall ist vielmehr abschließend in Tz. 78 ff. geregelt.
Nach Tz. 78 a. a. O. entfällt der Erlaß der Hypothekengewinnabgabe-Leistungen ohne weiteres im Falle des Verkaufs des Grundstücks an eine Person außerhalb der sogenannten Familieneinheit, jedoch nur für denjenigen Erlaßzeitraum, in dem der Verkauf tatsächlich erfolgt ist. Der Erlaß von Hypothekengewinnabgabe-Leistungen für den vorhergehenden Erlaßzeitraum wird nicht von Tz. 78 betroffen.
Normenkette
LAG § 131
Tatbestand
Die Hypothekengewinnabgabe (HGA) des Beschwerdeführers (Bf.), eines Landwirts, ist durch Bescheid vom 14. April 1955 rechtskräftig auf 90.000 DM festgesetzt. Hierauf sind jährlich 5.913 DM zu entrichten.
Der Bf. hat beantragt, die im Erlaßzeitraum 1953/1955 fällig gewordenen Leistungen, d. h. insgesamt 17.739 DM, wegen wirtschaftlicher Bedrängnis zu erlassen. Das Finanzamt hat daraufhin die Leistungen erlassen, soweit sie jährlich 2.956,50 DM bzw. im Erlaßzeitraum 1953/1955 8.869,50 DM übersteigen. Auf die Beschwerde des Bf. hin hat die Oberfinanzdirektion diese Entscheidung verbösert und den Antrag ganz abgelehnt, weil ein Erlaß aus Härtegründen im Hinblick auf die Veräußerung des Guts des Bf. ausscheide. Die Berufung des Bf. gegen dieses Urteil ist ohne Erfolg geblieben. Das Finanzgericht hat ausgeführt, der Erlaß der streitigen Leistungen sei nach Tz. 76 wie auch nach Tz. 78 der Verwaltungsanordnung zu § 131 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) - vom 10. Juli 1956 IV C/5 - LA 2623 - 3/56 (Bundessteuerblatt - BStBl- 1956 I S. 347 ff.) - zu versagen.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.). Der Bf. rügt unrichtige Anwendung der genannten Verwaltungsanordnung.
Entscheidungsgründe
Nach § 131 LAG können fällige Leistungen zur HGA soweit erlassen werden, daß dem aus der öffentlichen Last verpflichteten Eigentümer des Grundstücks oder in den Fällen des § 118 LAG dem Abgabeschuldner der für eine bescheidene Lebensführung unerläßliche Betrag verbleibt. Die nähere Bestimmungen hierüber sind dem Bundesminister der Finanzen überlassen. Dieser hat von der vorerwähnten Ermächtigung in der obenangeführten Verwaltungsanordnung Gebrauch gemacht.
Die Entscheidung darüber, ob HGA-Leistungen wegen wirtschaftlicher Bedrängnis zu erlassen sind, ist eine Ermessensentscheidung. Die gerichtliche Nachprüfung hat sich daher darauf zu beschränken, zu prüfen, ob die Entscheidung der Oberfinanzdirektion einen Ermessensmißbrauch oder sonstigen Rechtsverstoß enthält. Diese Frage hat das Finanzgericht rechtsirrtümlich verneint.
Der Zweck, dem die Bestimmung über den Erlaß von HGA-Leistungen wegen wirtschaftlicher Bedrängnis für die Zeit ab 1953 dienen, ist die Erhaltung des volkswirtschaftlich und sozialpolitisch erwünschten Besitzes (vgl. Tz. 33 der Verwaltungsanordnung zu § 131 LAG). Dies ist der leitende Gedanke, der bei der Anwendung aller Bestimmungen der Verwaltungsanordnung zu § 131 LAG zu beachten ist.
Dem Abgabeschuldner müssen die für eine bescheidene Lebensführung unerläßlichen Beträge in der von der Verwaltungsanordnung bestimmten Höhe verbleiben. Die in einem Erlaßzeitraum - hier in den Jahren 1953 bis 1955 - fällig gewordenen oder zu einem in den Erlaßzeitraum fallenden Zeitpunkt nach § 200 LAG fällig gestellten Leistungen auf die HGA sind nur in derjenigen Höhe anzufordern, in der über das vorerwähnte Existenzminimum hinaus Mittel beim Abgabeschuldner verfügbar sind. Soweit die Abgabeleistungen hiernach nicht aufgebracht werden können, sind sie zu erlassen (vgl. Tz. 21 der Verwaltungsanordnung).
Wegen des obenangeführten Zweckes der Verwaltungsanordnung, durch Erlaß von HGA-Leistungen zur Erhaltung des volkswirtschaftlich und sozialpolitisch erwünschten Besitzes beizutragen, verbietet Tz. 78 den Erlaß von HGA-Leistungen, wenn der Abgabeschuldner das mit der HGA belastete Grundstück innerhalb oder mit Ende des Erlaßzeitraums an eine Person außerhalb der sogenannten Familieneinheit ganz veräußert; denn der geschilderte Zweck, der dem Verordnungsgeber vorgeschwebt hat, nämlich die Erhaltung des Besitzes, ist nicht mehr erfüllbar, wenn der Abgabeschuldner seinerseits den Besitz ganz veräußert hat. Ferner kann, wenn der Reinerlös aus dem Verkauf nicht ausnahmsweise zu gering ist, regelmäßig nicht von einer der Leistung der Abgaben im Wege stehenden wirtschaftlichen Bedrängnis gesprochen werden, sobald der Abgabeschuldner einen Kaufpreis für das Grundstück erhält.
Dieser Fall des Verkaufs des ganzen Grundstücks, das mit der HGA belastet war, ist indessen in der vorliegenden Streitsache nicht gegeben, die den Erlaßzeitraum der Jahre 1953 bis 1955 betrifft. Der Gutshof ist erst durch notariellen Vertrag vom 16. August 1956 verkauft worden, mithin erst innerhalb des Erlaßzeitraums der Jahre 1956 bis 1958. Daher hätte die Steuerbehörde im Fall des Bf. erst für diesen Erlaßzeitraum ohne weiteres einen Erlaßantrag hinsichtlich der HGA-Leistungen ablehnen können, sofern die sonstigen Voraussetzungen der Tz. 78 erfüllt wären und nicht die Tatsache eines für die Abgabenentrichtung zu geringen Reinerlös aus dem Verkauf für sich allein den Erlaß der Leistungen gerechtfertigt hätte (Tz. 79).
Zu Unrecht nehmen die Vorinstanzen an, daß dieser Fall des Verkaufs des Grundstücks im Erlaßzeitraum 1956/1958 dem übergang des Grundstücks auf den Erwerber "mit Ende des allgemeinen Erlaßzeitraums 1953/1955", also mit Ablauf des Jahres 1955, gleichzusetzen sei. Die Einbeziehung eines unzweifelhaft bürgerlich-rechtlich, wirtschaftlich und steuerrechtlich in den nächsten Erlaßzeitraum fallenden Veräußerungsvorgangs in den früheren Erlaßzeitraum widerspricht dem Sinn und Zweck der einschlägigen Bestimmungen. Nach den früheren Bestimmungen über die Umstellungsgrundschuldleistungen, den Vorläufern der HGA- Leistungen, konnten nur solche Ereignisse, die in das Jahr fielen, auf das sich ein Erlaßantrag bezog, die Erlaßentscheidung beeinflussen. Für die entsprechenden Entscheidungen zur HGA für die Zeit ab 1953 sind dann die Zeiträume dreier Jahre zu einem einheitlichen Erlaßzeitraum aus sachlichen und Vereinfachungsgründen zusammengefaßt worden (vgl. § 3 der Siebzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz - 17. AbgabenDV-LA-HGA-ErlDV -). Dies gilt auch nach Tz. 61 der Verwaltungsanordnung zu § 131 LAG. Hieran ist - mit der Maßgabe von Tz. 11 der Verwaltungsanordnung zu § 131 LAG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Satz 2 der 17.AbgabenDV-LA-HGA-ErlDV - festzuhalten, weil wirtschaftliche Vorgänge aus einem späteren Erlaßzeitraum nicht doppelt, nämlich sowohl im früheren als auch im späteren Erlaßzeitraum, berücksichtigt werden können und in ihrer steuerlichen Auswirkung auch nicht willkürlich, entgegen dem tatsächlichen Ablauf der Geschehnisse, zeitlich verschoben werden dürfen, wenn sie eindeutig, wie im vorliegenden Fall, in den späteren Erlaßzeitraum fallen. Es kann also für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob, wie die Vorinstanzen angenommen haben, aus der Veräußerung des Grundstücks ein ausreichender Reinerlös geblieben ist (Tz. 79 a. a. O.).
Deshalb kann der Antrag des Bf. für die Jahre 1953 bis 1955 nicht aus Tz. 78 heraus abgelehnt werden, wie es seitens der Vorinstanzen geschehen ist.
Was Tz. 76 betrifft, auf die sich die Vorinstanzen ebenfalls für ihre ablehnende Entscheidung berufen haben, so ist von dieser Bestimmung, worauf sie ausdrücklich hinweist, der hier allein streitige Fall der Veräußerung des ganzen mit der Hypothekengewinnabgabe belasteten Grundstücks überhaupt nicht betroffen. Dieser Fall ist abschließend in Tz. 78 ff. geregelt. Somit läßt sich der Antrag auch nicht aus Tz. 76 der Verwaltungsanordnung ablehnen.
Da beide Ablehnungsgründe, die die Vorinstanzen anwenden zu können geglaubt haben, entfallen, unterliegen das angefochtene Urteil sowie die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion der Aufhebung.
Die Sache geht zur erneuten Entscheidung an die Oberfinanzdirektion zurück. Diese hat zu prüfen, ob und inwieweit bei dem Bf. eine wirtschaftliche Bedrängnis für den Erlaßabschnitt 1953 bis 1955 anzunehmen ist.
Die Entscheidung über die Kostenlast für das gesamte Rechtsmittelverfahren und die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes werden der Oberfinanzdirektion übertragen.
Fundstellen
Haufe-Index 423981 |
BStBl III 1958, 114 |
BFHE 1958, 294 |
BFHE 66, 294 |