Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Senat verbleibt bei den Rechtsgrundsätzen der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 197/50 U vom 16. März 1951 (Bundessteuerblatt 1951 III S. 97). Berufssportler, die ihre Tätigkeit selbständig ausüben, beziehen Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Zum Begriff der Betriebsstätte bei Berufssportlern und Artisten.
Normenkette
EStG § 15/1, § 18 Abs. 1 Nr. 3; GewStG § 2; StAnpG § 16
Tatbestand
Strittig ist die Besteuerung der Kampfbörsen der Berufsboxer A. und B. aus Boxkämpfen im Jahre 1952 sowie die Haftung des Boxveranstalters für diese Steuern. Das Finanzamt hat unter dem 13. März 1952 gegen die Berufsboxer Steuerbescheide und gegen den Boxveranstalter einen Haftungsbescheid erlassen. In den Bescheiden wurde ausgeführt, daß das Finanzamt die Steuer im Wege des Steuerabzugsverfahren (ß 50 Abs. 4 bis 6 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) erhebe. Es haben ihren Wohnsitz der Boxveranstalter im Bundesgebiet, der Boxer A. in Belgien, B. in Frankreich. Die Berufsboxer sind beschränkt einkommensteuerpflichtig. Gegen die Steuer- und Haftungsbescheide wurde namens sämtlicher Beteiligter durch ihren gemeinsamen Rechtsbevollmächtigten Sprungberufung eingelegt. Gleichzeitig beantragte der Rechtsbevollmächtigte sämtliche Vorgänge zu einem einheitlichen Verfahren zu verbinden. Des weiteren beantragte er ersatzlose Aufhebung der Steuer- und Haftungsbescheide. Ein Berufsboxer sei kein freiberuflicher Schaffender. Um tätig zu werden, erhalte er eine Lizenz, die Gewerbecharakter trage. Er bedürfe zur Durchführung seiner Arbeit eines entsprechenden Gewerbebetriebs, wie dieser in Gestalt von Schulen und Veranstaltungsplätzen jeweils geschaffen werde.
Demgegenüber war das Finanzamt der Ansicht, daß der Berufssportler grundsätzlich selbständig tätig sei. Dabei werde vorausgesetzt, daß er seinen Beruf im wesentlichen durch Einsatz seines Körpers ausübe. Trete der alleinige Einsatz seines Körpers zurück und bekämen typisch gewerbliche Momente die Oberhand, dann werde er Gewerbetreibender. Es komme auf den Einzelfall an, wobei allerdings Ausgangspunkt sei, daß der Berufssportler in erster Linie selbständig Tätiger sei und nur ausnahmsweise Gewerbetreibender. Im vorliegenden Fall sehe das Finanzamt die Berufsboxer als selbständig Tätige an. Ihre Tätigkeit sei im Inland ausgeübt worden und nach § 49 EStG beschränkt einkommensteuerpflichtig. Die Haftung des Veranstalters ergebe sich aus § 50 EStG.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Es verneinte in übereinstimmung mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 197/50 U vom 16. März 1951 (Slg. Bd. 55 S. 255, Bundessteuerblatt 1951 III S. 97) die Einkommensteuerpflicht. Bei der Behandlung des Streitfalles scheide von vornherein auch nach der Auffassung des Finanzamts die an sich bestehende Möglichkeit aus, daß die Berufssportler als unselbständig Tätige aufgetreten und deshalb lohnsteuerpflichtig seien. Es handle sich bei den Boxkämpfen um Einzelveranstaltungen. Hierbei hätten die Boxer nicht derart über ihre Arbeitskraft verfügt und sich nicht in der anderweitigen Ausübung ihres Berufes derart beschränkt, daß sie etwa als Angestellte des Promoters oder der Geschäftsleitung der Sportanlage anzusehen seien. Es müsse deshalb die Frage entschieden werden, ob es sich um Gewerbetreibende im Sinne des § 15 EStG oder um selbständige Tätige im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 3 EStG gehandelt habe. Das Finanzgericht verneine das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Ziff. 3 EStG. Bei § 18 Abs. 1 Ziff. 3 EStG handle es sich nach den vom Gesetzgeber dargestellten Beispielen um mehr gelegentliche Tätigkeiten, selbst wenn sich im einen oder anderen Falle diese Tätigkeit über einen längeren Zeitraum erstrecke. Die Berufsboxer seien Gewerbetreibende. Mangels einer Betriebsstätte im Bundesgebiet komme ihre Heranziehung zur Einkommensteuer nach § 49 Ziff. 3 EStG nicht in Frage. In dem einmaligen Auftreten, das sich nur über einige Stunden erstreckt habe, könne eine Betriebsstätte nicht erblickt werden (Entscheidung des Reichsfinanzhofs IV B 3/36 vom 1. April 1936, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1936 S. 546).
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts nimmt eine selbständige Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 3 EStG an.
Der Senat hat dem Bundesminister der Finanzen mit Rücksicht auf die grundsätzliche Bedeutung der Frage die Möglichkeit einer Stellungnahme gegeben. Der Bundesminister der Finanzen hat im wesentlichen folgendes ausgeführt:
Es müsse anerkannt werden, daß der Wortlaut des Gesetzes für die Rechtsgrundsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 197/50 U vom 16. März 1951 spreche, die bei Berufssportlern keine selbständige Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 3 EStG angenommen habe. Es sei aber beachtlich, das man im Schrifttum, allerdings ohne Begründung, bei Berufssportlern überwiegend Einkünfte aus selbständiger Arbeit angenommen habe. Für diese Auffassung könne die Begründung zu § 18 EStG 1934 (RStBl. 1935 S. 42) sprechen. Hiernach sollten unter diese Vorschrift Einkünfte aus einer Tätigkeit fallen, bei der maßgebender Faktor nicht der Einsatz eines Betriebsvermögens, sondern ausschließlich oder fast ausschließlich die eigene Arbeitskraft des Steuerpflichtigen sei. Beim Berufssportler sei der Einsatz eines Betriebsvermögens von gänzlich untergeordneter Bedeutung. Er sei ausschließlich auf seine persönliche Arbeitskraft angewiesen, die zudem in besonders ausgeprägten natürlichen Fähigkeiten ihren Ausdruck finden müsse.
Bei den Berufssportlern neige die Verkehrsauffassung auch heute noch dazu, sie nicht als Gewerbetreibende, sondern als selbständig Tätige im Sinne des § 18 EStG zu betrachten. Sei man allerdings der Ansicht, daß die Einkünfte der beschränkt steuerpflichtigen Berufsboxers als Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusehen seien, so unterlägen sie nach § 49 Ziff. 2 EStG nur dann der Einkommensteuer, wenn die Berufsboxer im Inland eine Betriebsstätte unterhalten hätten, oder wenn ein ständiger Vertreter bestellt sei. Keinesfalls dürfte es hierfür genügen, wenn sich die Tätigkeit wie im vorliegenden Fall nur auf ein einmaliges Auftreten beschränke. Es läge nur eine zeitlich sehr begrenzte, vorübergehende und auch nach ihrer Absicht nicht für die Dauer bestimmte Einrichtung vor, bei der sich die Annahme einer Betriebsstätte nicht rechtfertigen lassen werde. Es werde sich auch bei Berufen, zu deren Wesensart es gehöre, den Ort ihrer Tätigkeit ständig zu wechseln, wie z. B. Berufssportlern und Artisten, die Konstruktion einer "ständig wechselnden Betriebsstätte" nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 16 des Steueranpassungsgesetzes nicht halten lassen. Der Begriff der Betriebsstätte könne nur einheitlich ausgelegt werden. Es erscheine nicht eingängig, dem Begriff bei den bezeichneten Berufsgruppen einen anderen Inhalt in der Richtung beizulegen, daß die Voraussetzungen einer gewissen Stetigkeit und zeitlicher Dauer zurücktreten. Aber selbst wenn man eine "ständig wechselnde Betriebsstätte" rechtlich für möglich halten sollte, dürfte auch hierbei das einmalige Auftreten für die Annahme einer Betriebsstätte nicht ausreichen. Desgleichen erscheine eine unterschiedliche Behandlung der ausländischen und inländischen Berufssportler hinsichtlich des Begriffs der Betriebstätte, etwa deswegen, weil der ausländische Berufssportler zur inländischen Einkommensteuer nur herangezogen werden könne, wenn er im Inland eine Betriebsstätte unterhalte, mit Rücksicht auf die nur mögliche einheitliche Auslegung des Begriffs der Betriebsstätte nicht vertretbar.
Bei Berufssportlern werde man eine Betriebsstätte dort annehmen müssen, wo sich ein fester Mittelpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit befinde. Das könne der Wohnsitz oder der Ort sein, an dem ein ständiges Trainingslager unterhalten werde. In der Regel werde der Berufsboxer auch von diesem Ort aus seine Boxkämpfe geschäftlich vorbereiten und vereinbaren, wenn er sich dazu nicht der Hilfe eines Managers bediene. Da im vorliegenden Fall bei den ausländischen Berufsboxern weder ein inländischer Wohnsitz noch ein ständiges Trainingslager im Inland vorgelegen habe, dürfte sich bei ihnen die Annahme einer inländischen Betriebsstätte nicht rechtfertigen lassen. Damit entfalle bei ihnen auch eine Gewerbesteuerpflicht.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rechtsbeschwerde ergibt folgendes:
Auch bei erneuter Würdigung des Rechtsproblems verbleibt der Senat bei den Grundsätzen der Entscheidung IV 197/50 U vom 16. März 1951. Der Berufssportler übt eine Tätigkeit aus, die mit der Tätigkeit des Artisten gleichartig ist, sofern man ihn nicht überhaupt dieser Berufsgruppe zurechnet. Man muß gewerbesteuerlich den Berufssportler in gleicher Weise wie den Artisten behandeln. Für die Verkehrsauffassung erscheint es bezeichnend, daß der Berufssportler im Streitfalle der Entscheidung IV 197/50 U einem Verband angehörte, der korporativ der internationalen Artistenloge angeschlossen war. Im gegenwärtigen Verfahren wird von den Berufssportlern der gewerbliche Charakter ihrer Tätigkeit unterstrichen.
Wie bereits in der Entscheidung IV 197/50 U ausgeführt wird, hat die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs das Vergnügungsgewerbe dem Gewerbe zugerechnet. Siehe auch Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 589/39 vom 6. September 1939, RStBl. 1939 S. 1081. In den Erläuterungsbüchern zum Gewerbesteuergesetz wird ganz überwiegend die Tätigkeit des Artisten als gewerbliche Tätigkeit angesehen, so von Kirmse, Blatteikommentar zum Gewerbesteuerrecht IV A - C III 2 (Forkel - Verlag), Blümich-Boyens-Steinbring, 5. Aufl. (Verlag Franz Vahlen GmbH) S. 51, Metz, (Verlag Schweizer 1937) S. 39, wohl auch von Abraham (Verlag Dr. O. Schmidt KG) S. 35. Der Senat sieht keine Veranlassung, die bisherige Rechtsprechung zu ändern.
Allein auf der Tatsache, daß der Berufssportler seine Tätigkeit im wesentlichen durch Einsatz des Körpers ausübt, während beim Gewerbebetrieb dem Betriebsvermögen eine beachtliche Bedeutung zukommt, kann die endgültige Entscheidung nicht aufgebaut werden. Das Fehlen eines beachtlichen Betriebsvermögens kann ein gewisses Merkmal für Zweifelsfälle bilden. Es gibt aber auch Gewerbetreibende ohne ein wesentliches Betriebsvermögen, so z. B. den Handlungsagenten, den Dienstmann, die Waschfrau, die Hausschneiderin. Die Ausübung des Berufssportes, insbesondere des Boxsportes, dürfte meist ein größeres Betriebsvermögen verlangen als es bei vielen Kleingewerbetreibenden benötigt wird.
Daß der Berufssportler nicht unter § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG fällt, ist nicht bestritten. Da der Senat aber in übereinstimmung mit dem Finanzgericht auch die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Ziff. 3 EStG nicht als gegeben ansieht, verbleibt er bei der Ansicht, daß es sich bei den Berufssportlern um Gewerbetreibende handelt. Im übrigen nimmt er auch weiterhin an, daß die im Gesetz unter § 18 Abs. 1 Ziff. 3 EStG aufgeführten Beispiele den Begriff der sonstigen Arbeit charakterisieren sollen. Eine Verneinung dieser Ansicht würde die Abgrenzung zum Gewerbebetrieb kaum mehr möglich machen. Es im Streitfalle auf die Verkehrsauffassung abstellen zu wollen, erscheint schon deshalb bedenklich, da eine einheitliche Auffassung nicht bestehen dürfte.
Des weiteren wird dem Finanzgericht beigepflichtet, daß im Streitfalle die Berufssportler keine Betriebsstätte im Bundesgebiet unterhalten haben. Es wird den Ausführungen des Bundesministers der Finanzen in dieser Richtung beigetreten.
Das Finanzgericht hat bei seiner Entscheidung angenommen, ohne es allerdings ausdrücklich auszusprechen, daß die Berufsboxer im Inland keinen ständigen Vertreter unterhalten haben. Auch von Seiten des Finanzamts wird dies nicht bestritten. Die Akten bieten keinen Anhalt für das Gegenteil. Es muß davon ausgegangen werden, daß auch in dieser Richtung die Voraussetzungen für eine Einkommensteuerpflicht im Bundesgebiet nicht gegeben sind
Die Rb. des Vorstehers, des Finanzamts wird deshalb als unbegründet zurückgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 408131 |
BStBl III 1955, 100 |
BFHE 1955, 257 |
BFHE 60, 257 |