Leitsatz (amtlich)
Wird nach Unanfechtbarkeit des Grunderwerbsteuerbescheids der Antrag auf Steuerbefreiung nach dem GrEStUmwG Bayern gestellt und die daraufhin erteilte Bescheinigung vorgelegt, so begründet dies weder nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 noch nach § 175 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 einen Anspruch auf Änderung des Steuerbescheids.
Normenkette
GrEStUmwG Bayern Art. 1 Abs. 1 Nr. 3; AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 175 S. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 4. Juni 1976 erwarb der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ein Grundstück zum Kaufpreis von 345 230 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte für diesen Erwerb gegen den Kläger mit Bescheid vom 11. August 1976 Grunderwerbsteuer im Gesamtbetrag von 24 166,10 DM fest. Der Bescheid wurde unanfechtbar.
Auf den Antrag des Klägers vom 21. Dezember 1977 bescheinigte die Regierung von Oberbayern mit Bescheid vom 4. August 1978 die Förderungswürdigkeit des Erwerbs nach dem Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung bei Änderung der Unternehmensform und bei Betriebsinvestitionen in volkswirtschaftlich förderungswürdigen Gebieten (GrEStUmwG Bayern) im Umfang von 66 v. H. Der Kläger beantragte beim FA mit Schreiben vom 20. Dezember 1977 und 22. August 1978 Grunderwerbsteuerbefreiung nach Art. 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStUmwG Bayern und Abänderung des Grunderwerbsteuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) bzw. nach § 175 Satz 1 Nr. 2 AO 1977. Ferner beantragte er, ihm wegen Versäumung der Antragsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil im Erwerbszeitpunkt noch nicht festgestanden habe, in welcher Form das Grundstück genutzt werden würde. Erst später habe sich herausgestellt, daß die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer erfüllt würden.
Das FA lehnte die Anträge mit Schreiben vom 3. November 1978, 18. Dezember 1978 und 31. Januar 1979 (letzteres unter Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung) ab. Der Einspruch, mit dem der Kläger beantragte, die Steuer um 15 949,60 DM herabzusetzen, war erfolglos.
Die Klage, mit der der Kläger sinngemäß begehrt, das FA unter Aufhebung der Ablehnungsverfügung und der Einspruchsentscheidung zum Erlaß eines Änderungsbescheides zu verpflichten, in dem die Steuer um 15 949,60 DM herabgesetzt wird, hat das Finanzgericht (FG) unter Hinweis auf seine in Entscheidungen der Finanzgerichte 1980, 461 veröffentlichte Entscheidung abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Nach Art. 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStUmwG Bayern ist auf Antrag von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz ausgenommen der Erwerb eines Grundstücks, soweit es unmittelbar und ausschließlich zur Errichtung oder Erweiterung einer Betriebstätte in dem dort näher bezeichneten Gebiet verwendet wird. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist u. a. , daß die Errichtung oder Erweiterung volkswirtschaftlich förderungswürdig und geeignet ist, die Wirtschaftskraft oder die Wirtschaftsstruktur des Gebietes zu verbessern und daß dies durch Vorlage einer Bescheinigung nachgewiesen wird.
Wenn auch das Gesetz selbst keinen Zeitpunkt für die Stellung des Antrages nennt, so muß doch aus seiner Konzeption geschlossen werden, daß der Antrag bis zur Unanfechtbarkeit des Grunderwerbsteuerbescheides gestellt werden muß. Dies ergibt sich vor allem aus den mit den Inkrafttretensklauseln des Gesetzes vom 27. Juli 1970 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl - 1970, 335) und des Änderungsgesetzes vom 14. April 1980 (GVBl 1980, 181) verbundenen Vorschriften über die zeitliche Beschränkung der Aufhebung unanfechtbarer Steuerfestsetzungen. Wäre der Antrag nicht vor Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung zu stellen, hätte es - trotz des rückwirkenden Inkraftsetzens - keiner derartigen Vorschrift bedurft.
2. Der Antrag des Klägers, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. Nachsicht zu gewähren, ist jedenfalls mit Rücksicht darauf, daß die Jahresfrist des § 110 Abs. 3 AO 1977 bzw. § 86 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung verstrichen war, zutreffend abgelehnt worden.
3. Das Urteil des FG beruht nicht auf einer Verletzung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977, wonach Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern sind, "soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer führen", sofern dem Steuerpflichtigen im Hinblick auf das nachträgliche Bekanntwerden kein grobes Verschulden vorzuwerfen ist. Tatsache i. S. dieser Vorschrift ist der Umstand, daß das Grundstück zu einem nach Art. 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStUmwG Bayern begünstigungsfähigen Zweck verwendet werden soll. Diese Tatsache ist zwar dem FA erst nach der Bekanntgabe des Steuerbescheides bekanntgeworden. Mangels Rechtserheblichkeit führt diese Tatsache jedoch nicht zu einer niedrigeren Steuer. Die Rechtserheblichkeit fehlt dieser nachträglich bekanntgewordenen Tatsache deshalb, weil der Kläger den für die Befreiung erforderlichen Antrag nicht rechtzeitig (s. oben 1.) gestellt hat. Allein das Stellen des Antrags nach Unanfechtbarkeit ist keine nachträglich bekanntgewordene Tatsache, sondern vielmehr eine nachträglich eingetretene Tatsache (vgl. Urteil des Senats vom 30. September 1981 II R 105/81, BFHE 134, 192, BStBl II 1982, 80). Auch wenn man die im August 1978 erteilte Bescheinigung als Beweismittel i. S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 ansähe, würde es ihr aus denselben Gründen an der Rechtserheblichkeit mangeln.
4. Die angefochtene Entscheidung verletzt schließlich auch nicht § 175 AO 1977. Es kann in diesem Rahmen dahingestellt bleiben, ob dieser Bescheinigung Bindungswirkung i. S. eines Grundlagenbescheides (§ 171 Abs. 10 AO 1977) zukommt, weil diese Wirkung sich nur entfalten könnte, wenn die weitere Voraussetzung der rechtzeitigen Antragstellung gegeben wäre. Das aber ist nicht der Fall.
Fundstellen
Haufe-Index 74291 |
BStBl II 1982, 491 |
BFHE 1982, 244 |