Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung eines Gewerbebetriebes unter Zurückbehaltung einer nicht wesentlichen Betriebsgrundlage
Leitsatz (NV)
1. Der Anwendung des § 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG steht nicht der Umstand entgegen, daß der Steuerpflichtige anläßlich der Veräußerung seines Gewerbebetriebes nicht wesentliche Betriebsgrundlagen (hier: GmbH-Geschäftsanteile als gewillkürtes Betriebsvermögen) zurückbehält.
2. Die zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter werden ungeachtet eines entgegenstehenden Willens des Steuerpflichtigen mit der Betriebsveräußerung Privatvermögen, wenn mit einer betrieblichen Verwertung oder mit einer -- eindeutig erklärten -- Übernahme in das Privatvermögen in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (Anschluß von BFH-Urteil vom 25. Juli 1972 VIII R 3/66, BFHE 106, 528, BStBl II 1972, 936).
3. Es steht nicht im Belieben des Steuerpflichtigen, "ewiges" Betriebsvermögen vorzuhalten. Daher endet die Eigenschaft als Betriebsvermögen auch dann, wenn der Steuerpflichtige seine werbende Tätigkeit (endgültig) einstellt, aber nicht die Absicht hat, das Betriebsvermögen "allmählich" zu veräußern.
4. Das "Wahlrecht" zwischen sofortiger bzw. kurzfristiger tarifbegünstigter Betriebsaufgabe und allmählicher nicht tarifbegünstigter Betriebsabwicklung hat der Steuerpflichtige nur dann, wenn er beabsichtigt, das bisherige Betriebsvermögen noch in zeitlichem Zusammenhang mit der Beendigung der werbenden Tätigkeit alsbald zu veräußern oder es demnächst in einem anderen Gewerbebetrieb zu verwenden.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1, 3, § 34 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb bis zum 28. Februar 1989 einen Tabakwareneinzelhandel. Zum Betriebsvermögen gehörte eine 50 %ige Beteiligung von nominal ... DM an der A-GmbH. Die Geschäftsanteile waren mit den Anschaffungskosten in Höhe von ... DM bilanziert. Mit Vertrag vom 17. Januar 1989 veräußerte der Kläger seinen Betrieb zum Kaufpreis von ... DM. Die GmbH-Anteile wurden nicht mitveräußert. Der Kläger behandelte sie fortan nicht als Privatvermögen, sondern als "Betriebsvermögen ohne Betrieb".
Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die Auffassung, der Kläger habe die GmbH-Anteile, die zutreffend als notwendiges Betriebsvermögen der Einzelfirma behandelt worden seien, zum Veräußerungsstichtag mit dem gemeinen Wert in sein Privatvermögen überführt. Betriebliche Zwecke für ein Fortbestehen von Betriebsvermögen seien nicht erkennbar. Der Kläger habe auch nicht vorgetragen, daß er die Anteile alsbald veräußern wolle.
Der Veräußerungsgewinn sei um den Wert der aufgedeckten stillen Reserven zu erhöhen. Das FA ermittelte den Veräußerungsgewinn wie folgt:
Erklärter Gewinn
... DM
Erhöhung GmbH-Anteil
... DM
... DM
./. Freibetrag § 16 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
120 000 DM
... DM
Mit Bescheid vom 21. März 1991 setzte es die Einkommensteuer für das Streitjahr 1989 nach einem zu versteuernden Einkommen von ... DM fest; während des Einspruchsverfahrens wurde der Bescheid aus hier nicht entscheidungserheblichen Gründen am 16. August 1991 geändert.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage berief sich der Kläger auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. März 1959 I 205/57 U (BFHE 69, 72, BStBl III 1959, 289). Die im BFH-Urteil vom 1. Oktober 1986 I R 96/83 (BFHE 148, 32, BStBl II 1987, 113) aufgestellten Rechtsgrundsätze hätten Geltung für Grundstücke, die notwendiges Betriebsvermögen seien, nicht aber für eine GmbH-Beteiligung im gewillkürten Betriebsvermögen.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe seine betriebliche Tätigkeit beendet. Das Zurückbehalten von Wirtschaftsgütern, die nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörten, stehe einer Wertung des Vorgangs als begünstigte Veräußerung des Gewerbebetriebs im ganzen nicht entgegen. Die GmbH-Beteiligung, die künftig keinem betrieblichen Zweck mehr diene und daher Privatvermögen geworden sei, müsse nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG mit dem gemeinen Wert angesetzt werden.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Auch in dem der BFH- Entscheidung in BFHE 69, 72, BStBl III 1959, 289 zugrundeliegenden Fall hätten GmbH-Anteile zum Betriebsvermögen des veräußerten bzw. aufgegebenen Unternehmens gehört. Hier wie dort seien die Anteile nicht mitveräußert worden. Das Urteil erlaube eine Ausnahme vom Grundsatz der Gewinnrealisierung, wenn -- wie vorliegend nach § 24 EStG oder § 17 EStG -- die spätere steuerliche Erfassung der stillen Reserven der Geschäftsanteile sichergestellt sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1989 vom 16. August 1991 in der Weise zu ändern, daß der Veräußerungsgewinn, soweit er auf die GmbH-Beteiligung entfällt, nicht angesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, daß die GmbH-Geschäftsanteile mit der Veräußerung der Einzelfirma Privatvermögen geworden sind.
1. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG gehören zu den tarifbegünstigten Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs erzielt werden. Als Veräußerung gilt auch die Aufgabe eines Gewerbebetriebs (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG).
Der Kläger hat Anfang des Jahres 1989 sein Einzelunternehmen i. S. des § 16 Abs. 1 EStG veräußert. Der Anwendung des § 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG steht nicht der Umstand entgegen, daß er die GmbH- Geschäftsanteile, die nicht wesentliche Betriebsgrundlagen waren, zurückbehalten hat (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 IV R 93/85, BFHE 151, 181, 186, BStBl II 1988, 374, unter 3.).
Diese Geschäftsanteile sind mit der Veräußerung Privatvermögen geworden. Der bei Einstellung bzw. Veräußerung des Gewerbebetriebs erklärte Wille des Steuerpflichtigen, Wirtschaftsgüter nicht in das Privatvermögen zu überführen, ist steuerrechtlich unbeachtlich, wenn mit einer betrieblichen Verwertung oder mit der -- eindeutig erklärten -- Übernahme in das Privatvermögen in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (BFH- Urteile vom 25. Juli 1972 VIII R 3/66, BFHE 106, 528, 530, BStBl II 1972, 936; vom 21. Mai 1992 X R 77--78/90, BFH/NV 1992, 659, unter 2. c). Im Streitfall waren die Geschäftsanteile weder dazu bestimmt, in ein anderes Betriebsvermögen überführt zu werden, noch sollten sie im Rahmen einer Betriebsabwicklung veräußert werden. Zwar kann sich an die Einstellung der werbenden Tätigkeit -- hier: nach Veräußerung der Einzelfirma unter Zurückbehaltung von Wirtschaftsgütern -- eine Abwicklung anschließen (BFH-Urteil vom 30. März 1989 IV R 45/87, BFHE 156, 204, 206, BStBl II 1989, 509). Es steht indes nicht im Belieben des Steuerpflichtigen, "ewiges" Betriebsvermögen vorzuhalten. Daher endet die Eigenschaft als Betriebsvermögen auch dann, wenn der Steuerpflichtige seine werbende Tätigkeit (endgültig) einstellt, aber nicht die Absicht hat, das Betriebsvermögen "allmählich" zu veräußern. Das "Wahlrecht" zwischen sofortiger bzw. kurzfristiger tarifbegünstigter Betriebsaufgabe und allmählicher nicht tarifbegünstigter Betriebsabwicklung hat er nur dann, wenn er beabsichtigt, das bisherige Betriebsvermögen noch im zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung der werbenden Tätigkeit alsbald zu veräußern oder es demnächst in einem anderen Gewerbebetrieb zu verwenden. Fehlt es wie vorliegend vom FG festgestellt an dieser Absicht, werden die zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der Veräußerung des Betriebes Privatvermögen. Veräußerung und Aufgabe des Betriebes haben dann zur Folge, daß auch ohne Entnahmeerklärung zwangsläufig eine begünstigte Gewinnrealisierung eintritt (s. bereits BFH-Urteile vom 26. September 1961 I 5/61 U, BFHE 73, 689, BStBl III 1961, 517, betr. gewillkürtes Betriebsvermögen, und vom 26. März 1991 VIII R 73/87, BFH/NV 1992, 227). Zutreffend bemerkt das FG, daß nur auf diese Weise -- dem Zweck des § 16 Abs. 3 EStG entsprechend -- die Besteuerung aller stillen Reserven sichergestellt wird. Gegenteiliges ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus dem zur Beendigung der Betriebsaufspaltung ergangenen BFH- Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 90/81 (BFHE 140, 526, BStBl II 1984, 474).
Der Senat folgt nicht der insbesondere von Knobbe-Keuk (Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993, § 7 V 3, § 22 IV 1 a), Reiß (Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 16 Rdnr. F 30 ff., betr. die Entnahme durch vermögensverwaltende Nutzung) und Dötsch (Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach Betriebsveräußerung und -aufgabe, 1987, S. 48 ff.) vertretenen Meinung, daß auch nach Veräußerung bzw. Aufgabe des Betriebs das nicht ausdrücklich in das Privatvermögen überführte Betriebsvermögen diese Rechtsqualität bis zur Veräußerung behalte. Diese Auffassung ist bereits unvereinbar mit dem Wortlaut des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG, dem zufolge bei einer Betriebsaufgabe, die ein Unterfall der Betriebsveräußerung ist (arg. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG: "als Veräußerung gilt auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs"), die nicht veräußerten Wirtschaftsgüter mit ihrem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Aufgabe des Betriebes anzusetzen sind.
Nicht berührt wird die Rechtsprechung, die zurückbehaltene Verbindlichkeiten als fortzuführendes (negatives) Betriebsvermögen ansieht (insbesondere BFH-Urteil vom 28. Februar 1990 I R 205/85, BFHE 159, 523, BStBl II 1990, 537).
2. Das Urteil in BFHE 69, 72, BStBl III 1959, 289, auf das sich der Kläger beruft, steht dieser Rechtsauffassung nicht entgegen. Im dort entschiedenen Fall kam es darauf an, ob hinsichtlich der Anteile an einer Betriebs-GmbH, sofern sie im Rahmen einer Betriebsaufspaltung Betriebsvermögen der Besitz-Personengesellschaft -- einer OHG -- waren, eine Gewinnrealisierung stattfindet, wenn die Besitzgesellschaft aufgelöst wird. Die Besonderheit des Sachverhalts lag darin, daß die OHG zuvor Geräte, Baumaterial, Firmennamen und Kundenkreis an die GmbH veräußert hatte. Der BFH führte aus, nicht bereits die Auflösung der OHG, sondern erst die Veräußerung der GmbH-Anteile an Dritte bewirke nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) die Gewinnrealisierung (Urteile vom 3. Februar 1932 VI A 805/31, RFHE 30, 187, RStBl 1932, 464; vom 9. Mai 1933 VI A 434/30, RFHE 33, 276, RStBl 1933, 999; vom 12. April 1934 VI A 1559/32, RFHE 36, 171, RStBl 1934, 838). Die Auflösung der OHG nach dem Verkauf ihrer Geräte und Maschinen stelle "keine Veräußerung der Anteile im Sinne dieser Rechtsauffassung dar". Die bei der Überführung einer Einzelfirma in eine GmbH vom RFH hinsichtlich der GmbH-Anteile aufgestellten Grundsätze müßten auch dort angewendet werden, wo Anlagevermögen zunächst zurückbehalten und erst später in die GmbH eingebracht werde. Wie sich aus der Bezugnahme auf die zitierten RFH-Entscheidungen ergibt, hat der BFH die Grundsätze über die gewinneutrale Einbringung von Wirtschaftsgütern in eine GmbH angewandt (vgl. auch BFH-Urteile vom 28. Juli 1960 IV 27/59 U, BFHE 71, 411, BStBl III 1960, 403; vom 25. Mai 1962 I 155/59 U, BFHE 75, 231, BStBl III 1962, 351; vom 13. Juli 1965 I 167/59 U, BFHE 83, 390, BStBl III 1965, 640, unter II.; vom 7. April 1976 I R 75/73, BFHE 119, 146, BStBl II 1976, 557). Im Streitfall sind dagegen rechtliche Aussagen zur Einbringung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen oder in eine "eigene" GmbH nicht einschlägig.
3. Der gemeine Wert der Anteile ist dem Veräußerungspreis hinzuzurechnen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Januar 1989 VIII R 370/83, BFH/NV 1989, 698). Der hieraus herrührende Gewinn ist Teil des Veräußerungsgewinns (Urteil in BFHE 151, 181, 186, BStBl II 1988, 374, unter 3.).
Fundstellen
Haufe-Index 421437 |
BFH/NV 1996, 877 |