Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung einer Investitionszulage; Aufklärungspflicht des FA; Darlegungspflicht des Stpfl.
Leitsatz (NV)
1. Enthält der Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage nach § 1 InvZulG 1969 objektiv einander widersprechende, über den wahren Sachverhalt hinwegtäuschende Angaben (hier: Bezeichnung grundstücksbezogener Aufwendungen als Herstellungs- und Teilherstellungskosten für unbewegliche Wirtschaftsgüter), so kann sich der Antragsteller gegenüber einer späteren Rückforderung der Zulage gemäß § 5 Abs. 5 InvZulG grundsätzlich nicht auf eine mangelhafte Sachaufklärung durch das FA berufen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Antragsteller die betreffenden Aufwendungen in dem vorangegangenen Antrag an das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft auf Anerkennung der besonderen Förderungswürdigkeit gemäß § 1 Abs. 4 InvZulG 1969 (bei Darstellung der Finanzierung des Vorhabens) selbst nicht als zulagebegünstigt angesehen hatte.
2. Hatte der Antragsteller die Erstellung des Zulageantrages seinem Buchhalter wie einem Bevollmächtigten zur selbständigen Erledigung übertragen, muß er sich das Verhalten und Wissen des Buchhalters als eigenes zurechnen lassen.
Normenkette
InvZulG 1969 § 1 Abs. 1, 4; InvZulG 1975 § 5 Abs. 5; AO §§ 204-205, 222 Abs. 1 Nr. 2; AO 1977 §§ 88, 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 1
Tatbestand
Streitig ist noch, ob auch die Investitionszulage für 1973 teilweise zurückgefordert werden durfte.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt eine elektrotechnische Fabrik sowie den Handel mit Eisen- und Metallwaren. Im Jahre 1972 begann er mit der Errichtung eines Zweigbetriebes in der Stadt A. Die Gesamtaufwendungen für dieses Vorhaben bezifferte er im Antrag für öffentliche Finanzierungshilfen an die gewerbliche Wirtschaft vom 8. August 1972 auf 5 600 000 DM. Darin waren gesondert ausgewiesene Grundstückskosten in Höhe von 490 000 DM enthalten. Der dem Antrag beigefügte Finanzierungsplan vom 6. Juni 1972 wies eine erwartete Investitionszulage von 511 000 DM (10 % aus 5 110 000 DM) aus. Das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft erteilte am 18. Juli 1973 die Bescheinigung über die Förderungswürdigkeit der Zweigbetriebserrichtung.
Am 12. Februar 1974 - mit Nachtrag vom 1. März 1974 - beantragte der Kläger die Gewährung einer Investitionszulage nach § 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1969. In dem von ihm persönlich unterschriebenen Antragsformular bestätigte er das Vorliegen u. a. folgender Voraussetzungen:
Die Wirtschaftsgüter, Ausbauten und Erweiterungen gehören zum Anlagevermögen der Betriebsstätte.
Die unbeweglichen Wirtschaftsgüter werden / wurden am Ort der Betriebsstätte errichtet.
Die dem Antrag beigefügte 13seitige Aufstellung über Investitionen in Höhe von 3 506 861,15 DM enthält hinsichtlich eines Teilbetrages von insgesamt 583 938,07 DM auch folgende (und ähnliche) Angaben:
Lfd. Begün- Im einzel- Tag der Herstel- Genaue Bezeich- Anschaffungs-
Nr. stigte nen durch- lung, Anschaffung nung des Wirt- oder Herstel-
Vor- geführte oder Anzahlung schaftsgutes oder ungskosten
haben Maßnahme der Baumaßnahme DM
1 2 3 4 5 6
40 A, E b 15. November 1972 Messungs- 487,50
anerkennung
41 A, E b 15. September 1971 Grundstückskauf 125 000,00
Stadt A
42 A, E b 30. März 1972 dto. 125 000,00
43 A, E b 29. September 1972 dto. 125 000,00
44 A, E b 25. April 1973 dto. 134 320,00
133 A, E e 24. Juli 1973 Erd- und Entwäs- 19 481,47
serungsarbeiten, B
183 A, E e 28. November 1973 Wasseranschluß 840,20
Stadtwerke A
184 A, E e 10. Dezember 1973 Wasseranschluß 11 740,00
Stadtwerke A
185 A, E e 30. Oktober 1973 Entwässerungs- 35 000,00
anlage Stadt A
Aus den Erläuterungen zu Fußnote 4 des Antragsformulars ergibt sich, daß von den in Spalte 3 der vorgenannten Aufstellung (im einzelnen durchgeführte Maßnahme) verwendeten Buchstaben ,,b" die Herstellung unbeweglicher Wirtschaftsgüter bedeutet und ,,e" Teilherstellungskosten für unbewegliche Wirtschaftsgüter oder für Ausbauten oder Erweiterungen an zum Anlagevermögen gehörenden Gebäuden bezeichnet.
Für die Bearbeitung der Zulagenangelegenheiten war im Betrieb des Klägers dessen Buchhalter V zuständig gewesen. Der Kläger selbst hatte sich nach eigenem Bekunden mit den Anträgen (auch an das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft) nicht näher befaßt und war von deren Richtigkeit ausgegangen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vermerkte auf der letzten Seite der dem Zulagenantrag beigefügten Zusammenstellung: ,,Alle Originalbelege haben vorgelegen! Es wurden nur die tatsächlich bezahlten Beträge angesetzt (minus Umsatzsteuer und Skonti). Rechnerisch geprüft: 1. 4. 1974."
Das FA setzte mit Bescheid vom 11. April 1974 eine Investitionszulage für 1973 in Höhe von 350 002 DM fest (10 % aus 3 479 495 DM und 7,5 % aus 27 366 DM für nach dem 18. Februar 1973 angeschaffte, hergestellte oder bestellte Wirtschaftsgüter).
Im Anschluß an eine im Februar 1975 durchgeführte Betriebsprüfung stellte sich das FA auf den Standpunkt, die Prüfung habe ergeben, daß in den Aufwendungen des Jahres 1973 in Höhe von 583 938,07 DM solche für die Anschaffung von Grund und Boden enthalten seien. Es forderte mit Bescheid vom 28. Januar 1976 insoweit einen Betrag von 58 393 DM zurück. Ferner setzte es entsprechende Zinsen fest.
Einspruch und Klage hatten hinsichtlich der Zulagenrückforderung für 1973 keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bejahte insoweit die Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 InvZulG 1975. Es ging davon aus, daß nichtabnutzbare Wirtschaftsgüter nicht gemäß § 1 Abs. 1 InvZulG zulagefähig seien. Im übrigen hielt es das FA auch für formell befugt, die Zulage für 1973 im geltend gemachten Umfang zurückzufordern.
Der Kläger rügt mit seiner Revision Verletzung materiellen Rechts. § 5 Abs. 5 InvZulG 1975 ermögliche eine Rückforderung bereits ausgezahlter Zulagen nur dann, wenn nachträglich festgestellt werde, daß die tatsächlichen Voraussetzungen für ihre Gewährung nicht vorlagen. Daran fehle es im Streitfall jedoch. Er, der Kläger, habe die Gesamtinvestition in seinem Antrag ausreichend erläutert und die entsprechenden Unterlagen vorgelegt. Das FA habe daher nach Durchführung der Betriebsprüfung lediglich eine - unzulässige - andere rechtliche Würdigung bereits bekannter Tatsachen vorgenommen.
Der Kläger beantragt, die Rückforderung der Investitionszulage in Höhe von 58 393 DM sowie die entsprechenden Zinsfestsetzungen aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FA hat die Investitionszulage in Höhe von 58 393 DM zu Recht zurückgefordert.
1. Nach § 1 Abs. 1 InvZulG 1969 wurde eine Investitionszulage u. a. nur dann gewährt, wenn abnutzbare Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt worden waren. Die im Antrag des Klägers vom 12. Februar 1974 bezeichneten Aufwendungen entfielen - unstreitig - in Höhe von 583 938,07 DM auf die Anschaffung und erstmalige Erschließung des Grund und Bodens. Hierbei handelt es sich nicht um ein abnutzbares Wirtschaftsgut.
2. Das FA hat die diesen Schluß tragenden tatsächlichen Voraussetzungen erst nach Auszahlung der Investitionszulage festgestellt. Es war mithin zur Rückforderung nach § 5 Abs. 5 InvZulG 1975 (zur zeitlichen Anwendung s. § 8 Abs. 1 desselben Gesetzes) grundsätzlich befugt.
Anders als im Fall des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 1. Juni 1979 III R 100/76 (BFHE 128, 293, BStBl II 1979, 609) waren dem FA die eine Versagung der Zulage rechtfertigenden Tatsachen im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag des Klägers noch nicht positiv bekannt. Weder aus dem Zulagenantrag selbst noch aus den beigefügten Rechnungsbelegen ergab sich zweifelsfrei, daß der Kläger ein noch unbebautes und unerschlossenes Grundstück erworben hatte und auch für die Erwerbs- und Erschließungskosten als solche eine Zulage begehrte. Die betreffenden Vorgänge waren in der dem Antrag beigefügten Aufstellung zwar mit Kurzbeschreibungen wie ,,Grundstückskauf A", ,,Erd- und Entwässerungsarbeiten, B", ,,Wasseranschluß Stadtwerke A", ,,Entwässerungsanlage Stadt A" und ähnliche aufgeführt, doch andererseits als Herstellung unbeweglicher Wirtschaftsgüter oder als Teilherstellung solcher Wirtschaftsgüter und von Ausbauten oder Erweiterungen an (zum Anlagevermögen gehörenden) Gebäuden bezeichnet worden. Angesichts dieser widersprüchlichen Angaben des Klägers kann nicht von einer positiven Kenntnis des FA von den tatsächlichen Vorgängen und dem wahren Sachverhalt ausgegangen werden. Der Einwand des FA im Klageverfahren, die Bezeichnung etwa der gewichtigsten Maßnahme als ,,Grundstückskauf" und ihre gleichzeitige Beschreibung als Herstellung eines unbeweglichen Wirtschaftsgutes erweckten den Eindruck, es handele sich um Aufwendungen für den Miterwerb (oder den Abbruch miterworbener) zum Abbruch bestimmter Gebäude, betrifft jedenfalls keine unmögliche Auslegung. Daß derartige Aufwendungen zu den Herstellungskosten des (neu) zu errichtenden Gebäudes gehören können, ist allgemein anerkannt (s. z. B. BFH-Urteil vom 9. Februar 1983 I R 29/79, BFHE 138, 63, BStBl II 1983, 451).
3. Das FA war schließlich auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert, von der Befugnis gemäß § 5 Abs. 5 InvZulG 1975 Gebrauch zu machen.
Es hätte zwar die Auflistung und Darstellung der einzelnen Investitionen des Klägers zum Anlaß von eigenen Ermittlungen nehmen müssen (§§ 204, 205 der Reichsabgabenordnung - AO -; nunmehr § 88 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Entsprechende Rückfragen beim Kläger drängten sich angesichts der aufgezeigten Widersprüche geradezu auf. Denn diese waren offensichtlich (vgl. hierzu z. B. das BFH-Urteil vom 11. Juli 1978 VIII R 120/75, BFHE 125, 488, BStBl II 1979, 57).
Doch kann sich der Kläger - wie das FG im Ergebnis zutreffend entschieden hat - gleichwohl auf diese Verletzung der finanzamtlichen Ermittlungspflicht nicht zu seinen Gunsten berufen.
a) Nach der zu § 222 AO ergangenen Rechtsprechung stehen Treu und Glauben einer Bescheidberichtigung durch das FA zuungunsten des Steuerpflichtigen in der Regel dann entgegen, wenn dieser seiner (eigenen) Mitwirkungspflicht nicht voll nachgekommen ist (s. die zahlreichen Hinweise im Urteil des BFH vom 26. März 1974 VIII R 224/72, BFHE 112, 444, BStBl II 1974, 538). In dem genannten Urteil hat der BFH diese Grundsätze auch auf die Rückforderung von Investitionszulagen übertragen. Ihre strikte Anwendung ist nach Auffassung des erkennenden Senats gerade in solchen Zulageverfahren geboten, die - wie im Streitfall - vor Inkrafttreten des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) abgewickelt wurden. Denn zu dieser Zeit konnten Zulagebescheide nicht wirksam mit einem Vorläufigkeitsvermerk (nach § 100 Abs. 2 AO) versehen werden (Urteil in BFHE 128, 293, BStBl II 1979, 609). Andererseits waren die FÄ gehalten, rasch auszuzahlen, um den mit der Zulage bezweckten Erfolg zu erreichen (s. hierzu das Senatsurteil vom 13. Dezember 1985 III R 183/81, BFHE 146, 320, BStBl II 1986, 441).
Den Kläger traf danach die Pflicht, den steuerlich (zulagerechtlich) relevanten Sachverhalt dem FA richtig, vollständig und deutlich zur Prüfung zu unterbreiten. Dieser Pflicht ist er nicht nachgekommen. Er hat im Gegenteil objektiv einander widersprechende, über den wahren Sachverhalt hinwegtäuschende Angaben gemacht (s. hierzu insbesondere die BFH-Urteile vom 9. Juli 1964 IV 342/61 U, BFHE 80, 52, BStBl III 1964, 492, und vom 19. Oktober 1971 VIII R 27/66, BFHE 103, 404, BStBl II 1972, 106).
b) Nach Auffassung des FG führte der Buchhalter V des Klägers die grundstücksbezogenen Aufwendungen im Zulageantrag auf, obwohl er wußte, daß sie nicht zulagebegünstigt waren. Das FG schloß dies daraus, daß V, der auch den Antrag an das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft bearbeitet hatte, dort die Grundstücksinvestitionen in rechtlich zutreffender Weise von einer möglichen Zulagengewährung ausgenommen hatte. Diese Würdigung des FG war möglich. Der Kläger hat gegen die zugrundeliegenden Feststellungen auch keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben. Der Hinweis der Revision, der Zulageantrag sei 1‹ Jahre nach jenem an das Bundesamt gestellt worden und es sei nicht mehr aufklärbar, ob das ursprünglich vorhandene Wissen auch noch zum späteren Zeitpunkt bestanden habe, erfüllt nicht die Voraussetzungen der ordnungsgemäßen Rüge eines Verfahrensfehlers. Es wird insoweit lediglich ein anderer Sachverhalt behauptet. Der erkennende Senat ist demnach an die Feststellungen und Würdigungen des FG, soweit sie V betreffen, gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden.
Die Vorinstanz hat das Wissen des V auch zutreffend dem Kläger als eigenes zugerechnet. V war der zuständige Bearbeiter für die Investitionszulagenangelegenheiten des Klägers. Dieser hat sich nach seinen eigenen Angaben (in der mündlichen Verhandlung vor dem FG) mit den von V erstellten Anträgen nicht (mehr) näher befaßt und ist von deren Richtigkeit ausgegangen. Daraus folgt, daß der Kläger dem Buchhalter V auch die Erstellung des Zulageantrages wie einem Bevollmächtigten zur selbständigen Erledigung übertragen hatte. Das Verhalten und Wissen seines Bevollmächtigten ist einem Steuerpflichtigen aber nach allgemeinen abgabenrechtlichen Grundsätzen zuzurechnen (s. die zuvor genannten Urteile in BFHE 80, 52, BStBl III 1964, 492, und in BFHE 103, 404, BStBl II 1972, 106; vgl. auch das Urteil des BFH vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324, zur Berücksichtigung des Verschuldens eines steuerlichen Beraters im Rahmen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO 1977).
c) Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers ist schließlich auch deswegen nicht anzuerkennen, weil er bei der Investitionsentscheidung selbst nicht mit der Gewährung einer Zulage für die grundstücksbezogenen Aufwendungen rechnete. In dem seinem Antrag an das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft beigefügten Finanzierungsplan hat er eine erwartete Investitionszulage für Aufwendungen ausgewiesen, die die Anschaffung und Erschließung des Grund und Bodens eindeutig nicht mitumfaßten. Die Zulagenrückforderung berührt demnach auch keine im Vertrauen auf ein bestimmtes Verwaltungshandeln getroffenen Vermögensdispositionen des Klägers (vgl. hierzu das Urteil des FG München vom 16. Juni 1982 IX 187/80 E, Entscheidungen der Finanzgerichte 1983, 55, mit Anmerkung von Lohse, Deutsches Steuerrecht 1983, 425).
d) Nach alledem steht die Verletzung der finanzamtlichen Ermittlungspflicht der Zulagenrückforderung nicht entgegen. Der materiell-rechtlich richtigen Entscheidung kommt angesichts des fehlenden Vertrauensschutzes des Klägers das größere Gewicht zu.
Fundstellen
Haufe-Index 415323 |
BFH/NV 1988, 266 |