Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zahlungen zur Abfindung und Versorgung an einen Handelsvertreter, die der in die Geschäftsbeziehungen eintretende Handelsvertreter zu leisten hat, sind in der Regel keine Aufwendungen für einen Geschäftswert, sondern Aufwendungen für ein besonderes, nach § 7 EStG absetzungsfähiges Wirtschaftsgut. EStG 1957 § 4 Abs. 4, § 6 Abs. 1 Ziff. 2, § 7.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 6/1/2, § 7
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1957, ob die an einen ausscheidenden Gesellschafter gezahlte Rente als Kaufpreisrente zu aktivieren oder als betriebliche Versorgungsrente abzugsfähig ist.
Der Steuerpflichtige war von 1952 bis 1954 in dem Agenturgeschäft seines Schwiegervaters, das die Vertretung für drei Firmen zum Gegenstand hatte, als Angestellter, ab 1. Januar 1955 als Gesellschafter tätig. Der Schwiegervater kündigte das Gesellschaftsverhältnis zum 30. Juni 1956. Am 14. November 1956 kam ein Auseinandersetzungsvertrag zustande. Danach wurde die Gesellschaft erst zum 31. Dezember 1956 aufgelöst, und zwar mit der Maßgabe, daß das Geschäft auf den Steuerpflichtigen übergehen sollte. Es wurde vereinbart, daß eine Auseinandersetzungsbilanz aufzustellen und das sich danach für den Schwiegervater ergebende Kapital auszuzahlen sei. Das Inventar und einen PKW sollte der Steuerpflichtige gesondert ablösen. Schließlich wurde bestimmt, daß der Steuerpflichtige, solange er die übernommenen Vertretungen innehabe, an seinen Schwiegervater eine Pension und nach dessen Tode seiner Schwiegermutter eine Witwenrente zu zahlen habe. Die Höhe dieser Leistungen wurde nach einem festen Hundertsatz der dem Steuerpflichtigen zustehenden Bruttoprovisionen bestimmt, die aus jedem Vertretungsverhältnis für die im Vertrage aufgeführten Bezirke anfielen. Die Pensionen betrugen für 1957 40 v. H., für 1958 30 v. H. und ab 1959 20 v. H.; die Witwenrente sollte im ersten Jahr 20 v. H. und von da an 15 v. H. betragen. Die Rente sollte unmittelbar von den Geschäftsherren ausbezahlt werden. Diese Rentenregelung war von den Geschäftsherren zur Voraussetzung dafür gemacht worden, daß der Steuerpflichtige die Vertretungen erhielt.
Im Jahre 1957 bezog der Schwiegervater eine Rente von 21 676,96 DM (1958 14 798 DM, 1959 9670 DM). Der Steuerpflichtige behandelte die Zahlungen als Betriebsausgaben.
Bei der Einkommensteuerveranlagung 1957 erkannte das Finanzamt einen Teilbetrag von 6000 DM als betriebliche Versorgungsrente an. Den darüber hinausgehenden Betrag von 15 676,96 DM sah es als aktivierungspflichtige Kaufpreisrente für das Wirtschaftsgut "Vertretungsrecht" an und erhöhte insoweit den Gewinn.
In seiner Sprungberufung führte der Steuerpflichtige aus, daß die Rente eine Entschädigung für die langjährige Tätigkeit seines Schwiegervaters im Betriebe darstelle, um dessen künftige Versorgung sicherzustellen. Da der Steuerpflichtige das Kapitalguthaben ausgezahlt und das Inventar gesondert vergütet habe, liege ein Gegenwert für die Rente nicht vor. Ein Firmenwert komme nicht in Betracht, weil die Vertretung auf dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Vertreter und den Geschäftsherren beruhe. Sein Schwiegervater habe über die Vertretungen nicht verfügen können. Dem Versorgungscharakter der Renten stehe ihre Abhängigkeit vom Umsatz nicht entgegen. Es bestehe kein rechtlicher Unterschied zu gewinnabhängigen Versorgungsrenten (Hinweis auf die Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 926/30 vom 23. März 1932, RStBl 1932 S. 705; VI 91/40 vom 7. Mai 1941, RStBl 1941 S. 553).
Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Es nahm eine betriebliche Versorgungsrente an und führte aus: Die Rente sei keine Gegenleistung für übernommene Wirtschaftsgüter. Dem Versorgungscharakter stehe nicht entgegen, daß die Geschäftsherren auf den Steuerpflichtigen einen Druck ausgeübt hätten. Die Geschäftsherren seien zwar nicht verpflichtet gewesen, dem Schwiegervater des Steuerpflichtigen eine Versorgungsrente zu zahlen; sie hätten aber an der Versorgung ihres langjährigen Vertreters ein Interesse gehabt. Die hiernach vorliegende Versorgungsrente habe betrieblichen Charakter. Das Vorhandensein familiärer Bindungen stehe dieser Würdigung nicht entgegen (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 265/58 U vom 30. Juli 1959, BStBl 1959 III S. 406, Slg. Bd. 69 S. 387).
Der Vorsteher des Finanzamts vertritt in seiner Rb. die Auffassung, daß, da der Steuerpflichtige die Rentenverpflichtung habe übernehmen müssen, um die Vertretungen zu bekommen, die Zahlungen als Anschaffungskosten für das Agenturgeschäft zu aktivieren seien. Die Zahlungen müßten so behandelt werden, als ob der Steuerpflichtige, dem die vollen Provisionen zustünden, sie unmittelbar an die vertretenen Firmen geleistet habe und diese sie an seinen Schwiegervater weitergegeben hätten. Der Steuerpflichtige habe durch seine Zahlungen eine Verpflichtung übernommen, die an sich Sache der vertretenen Firmen gewesen wäre. Wirtschaftlich stünden nicht die Beziehung des Steuerpflichtigen zu seinem Schwiegervater, sondern zu den vertretenen Firmen im Vordergrund.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist, wenn auch aus anderen Gründen als die Vorentscheidung, unbegründet.
Zu den Anschaffungskosten des Agenturgeschäfts gehört auch der Wert der Zahlungsverpflichtungen, die der Steuerpflichtige seinen Schwiegereltern gegenüber eingegangen ist. Diese Verpflichtungen sind betrieblicher Art. Sie beruhen, wie die Vorinstanz zutreffend feststellte, nicht auf familiärer Grundlage. Dafür sprechen mehrere Umstände, nämlich die Auseinandersetzung auf Grund einer Auseinandersetzungsbilanz, die gesonderte Abfindung für bestimmte Wirtschaftsgüter, die ausschlaggebende Bedeutung, die von den Geschäftsherren der übernahme der Versorgungsverpflichtung beigemessen wurde, die Begrenzung der Zahlungsverpflichtung für die Zeit des Bestehens der Vertretungen und schließlich die Bemessung der Verpflichtung nach der Höhe der Provisionen. Es liegt die Annahme nahe, daß die Geschäftsherren auf diese Weise eine sie etwa nach § 89b HGB treffende Verpflichtung zur Leistung einer Ausgleichszahlung an ihren langjährigen Vertreter auf dessen Nachfolger abwälzten. Solche Vertragsgestaltungen sind unabhängig von familiären Beziehungen.
Der Umstand allein, daß die Zahlungen der Versorgung des früheren Vertreters dienen sollten, verleiht ihnen nicht den Charakter einer als laufende Betriebsausgabe abzugsfähigen Versorgungsrente. Entscheidend ist der von den Vertragsparteien verfolgte Hauptzweck. Eine betriebliche Versorgungsrente liegt nur dann vor, wenn sie kein Entgelt für erworbene Wirtschaftsgüter sein soll, sondern Leistungen anderer Art, besonders die von dem Rentenberechtigten dem Betriebe erbrachten Dienste, abgelten soll. Dabei muß der betriebliche Versorgungsgedanke im Vordergrund stehen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 232/54 U vom 12. Juli 1955, BStBl 1955 III S. 302, Slg. Bd. 61 S. 270; IV 265/58 U; VI 346/62 U vom 3. Juli 1964, BStBl 1964 III S. 548).
Im Streitfall verfolgte der Steuerpflichtige mit der Versorgungsvereinbarung den Zweck, die Voraussetzungen für die übertragung der von dem Rentenberechtigten bisher wahrgenommenen Vertretungen durch die Geschäftsherren zu schaffen. Vom Standpunkte des Steuerpflichtigen macht es wirtschaftlich keinen Unterschied, ob er die Leistungen gegenüber dem bisherigen Inhaber der Vertretungen oder gegenüber den Geschäftsherren selbst erbrachte. Da die Geschäftsherren die übertragung der Vertretungen von den Rentenzahlungen abhängig machten, stellte der Wert der Renten den Anschaffungspreis für die Vertreterrechte dar. Die Rechtslage ist ähnlich derjenigen bei der übertragung von Gewerbekonzessionen, die die Eingehung von Leistungsverpflichtungen gegenüber dritten Personen (meist gegenüber den bisherigen Inhabern) zur Voraussetzung haben (vgl. Urteil des erkennenden Senats IV 186/60 U vom 10. Juli 1963, BStBl 1963 III S. 501, Slg. Bd. 77 S. 492; IV 33/60 U vom 16. Juni 1964, BStBl 1964 III S. 526).
Die von dem Steuerpflichtigen gegenüber dem bisherigen Betriebsinhabers zu erbringenden Leistungen gelten, anders als eine von den Geschäftsherren nach § 89b HGB geleistete Ausgleichszahlung, nicht die durch die bisherige Tätigkeit des Vertreters geschaffenen künftigen Gewinnaussichten ab; sie hängen vielmehr mit dem Erwerb des Gesamtbetriebs unmittelbar zusammen. Sie sind Aufwendungen für ein aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut.
Dieses Wirtschaftsgut hat keinen firmenwertähnlichen Charakter. Denn es kann davon ausgegangen werden, daß im Falle der übertragung der Handelsvertretungen auf einen Dritten dieser dem Steuerpflichtigen die bisherigen Aufwendungen nicht ersetzen würde. Es ist deshalb gerechtfertigt, die Renten steuerlich ebenso zu beurteilen wie Aufwendungen für den Erwerb eines auf Grund einer persönlichen und unveräußerlichen Konzession betriebenen Unternehmens oder für den Eintritt in sonstige nicht übertragbare Rechtsbeziehungen (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs I 213/59 vom 19. Januar 1960, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 5, Rechtsspruch 220, betreffend entgeltlich erworbene Wirtschaftsprüfungsmandate). Die hiernach zu aktivierenden Aufwendungen sind grundsätzlich auf die zu schätzende Dauer der Vertretungsrechte zu verteilen (§ 7 EStG).
Bei der Aktivierung von Ausgaben, deren Höhe sich nicht nach feststehenden Beträgen bemißt, sondern die von einer schwankenden Bezugsgröße, wie Umsätzen oder Gewinnen, abhängen, kommt im allgemeinen eine sofortige Aktivierung der zu schätzenden voraussichtlichen Gesamtaufwendungen nur dann in Betracht, wenn dem erworbenen Wirtschaftsgut ein nach objektiven Maßstäben unschwer zu bestimmender Wert beizumessen ist. Das ist z. B. bei Grundstücken, Maschinen u. ä. Wirtschaftsgütern, nicht aber bei Aufwendungen für den Eintritt in die Rechtsposition eines Handelsvertreters der Fall. Es ist deshalb davon auszugehen, daß eine Aktivierung dieser Aufwendungen nur allmählich nach Maßgabe der tatsächlich geleisteten Zahlungen gefordert werden kann (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 945/31 vom 1. Februar 1933, RStBl 1933 S. 479). Andererseits muß eine den Verhältnissen entsprechende Abschreibung zugelassen werden. Weder die Dauer der Nutzung noch der jeweilige Teilwert des Wirtschaftsguts "Vertretungsrecht" kann mit einiger Sicherheit bestimmt werden. Da nur die Aufwendungen für die Anschaffung laufend in der Form von Renten gemacht wurden, ist es gerechtfertigt, von einer Aktivierung der Aufwendungen und ihrer Verteilung auf die Nutzungsdauer abzusehen und statt dessen die tatsächlichen Zahlungen sofort als laufende Betriebsausgaben zum Abzug zuzulassen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 355/61 U vom 26. Juli 1962, BStBl 1962 III S. 390, Slg. Bd. 75 S. 338).
Fundstellen
Haufe-Index 411483 |
BStBl III 1965, 170 |
BFHE 1965, 471 |
BFHE 81, 471 |
BB 1965, 276 |
DB 1965, 425 |
DStR 1965, 172 |