Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung eines Mietvertrags zwischen Eltern und ihrem unterhaltsberechtigtem Kind nach Schenkung eines Geldvermögens
Leitsatz (NV)
1. Die mietweise Überlassung einer Wohnung durch die Eltern an ihr unterhaltsberechtigtes Kind stellt keine Naturalleistung und auch keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO 1977 dar. Dies gilt auch, soweit die Miete aus einem zuvor von den Eltern geschenkten Geldvermögen geleistet wird (Anschluss an BFH-Urteil vom 19. Oktober 1999 IX R 39/99, BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224).
2. Beträgt der zwischen den Angehörigen vereinbarte Mietzins 50 v.H. oder mehr, jedoch weniger als 75 v.H. der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Einkünfteerzielungsabsicht anhand einer Überschussprognose zu prüfen. Bei positiver Prognose sind die mit der verbilligten Vermietung zusammenhängenden Werbungskosten in voller Höhe abziehbar; bei negativer Prognose ist die Vermietungstätigkeit in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil mit der Folge aufzuteilen, dass in entsprechender Anwendung des § 21 Abs. 2 EStG in der vor 2004 geltenden Fassung ‐ ebenso wie bei einer Vermietung zu einem Mietzins zu weniger als 50 v.H. der ortsüblichen Miete ‐ nur die auf den entgeltlichen Teil entfallenden Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden können (Anschluss an BFH-Urteil vom 5. November 2002 IX R 48/01, BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646).
Normenkette
EStG § 2 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute und erwarben im Streitjahr (1996) eine Zweizimmer-Eigentumswohnung in Y, die sie durch Mietvertrag vom … Dezember 1996 an ihre ―1975 geborene― und studierende Tochter A für eine monatliche Kaltmiete von 473 DM zuzüglich 90 DM Vorauszahlung für die Nebenkosten vermieteten. Die Miete entsprach nach Auffassung der Kläger 50 v.H. der ortsüblichen Vergleichsmiete.
Zur Bestreitung der Mietzahlungen schenkten die Kläger der Tochter im Oktober 1996 einen Betrag von 20 000 DM; dieser Betrag wurde im Umfang von 6 000 DM für den Umzug und die Wohnungseinrichtung verwendet. Im Übrigen erzielte die Tochter A im Streitjahr Einkünfte in Höhe von insgesamt 1 401 DM.
Die Wohnung wurde auch von der anderen Tochter der Kläger, der 1978 geborenen B, bezogen, der die Kläger nach deren Abitur ebenfalls 20 000 DM schenken wollten, um ihr zu ermöglichen, die Hälfte der Miete zu tragen. Sie erzielte als Schülerin im Streitjahr Einkünfte von monatlich 350 DM und erhielt im Übrigen eine monatliche Zuwendung ihrer Großmutter in Höhe von monatlich 250 DM.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 1996 machten die Kläger Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung der Eigentumswohnung in Höhe von 49 148 DM geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) ließ die Werbungskostenüberschüsse bei der Veranlagung mit der Begründung außer Ansatz, das Mietverhältnis mit den Töchtern sei nicht anzuerkennen, weil die Kinder die Mietzahlungen hauptsächlich aus zuvor hingegebenen Zuwendungen bestritten und die der Mietzahlung dienende Schenkung der Eltern auf deren Unterhaltspflicht gegenüber ihren Kindern beruhten.
Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1046 veröffentlicht.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts und des Verfahrensrechts.
Sie beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung unter Berücksichtigung der Verluste aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 49 148 DM zu ändern.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es trägt unter Bezugnahme auf die Gründe des FG-Urteils vor, das Mietverhältnis halte einem Fremdvergleich nicht stand. Trotz der Absicht der Kläger, die Wohnung an beide Töchter zu vermieten, sei der Mietvertrag nur mit der älteren Tochter abgeschlossen worden, die auch die Belastungen aus dem Mietverhältnis allein habe tragen müssen. Die Aufnahme der jüngeren Schwester in die Wohnung sei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht aus freien Stücken, sondern aufgrund vorheriger Absprachen im familiären Kreise geschehen. Diese wesentliche Einschränkung der Mieterin im freien Gebrauch der Mietsache würde ein fremder Dritter bei Abschluss eines Mietvertrages nicht hinnehmen; denn die freie Gebrauchsgewährung sei Hauptpflicht des Vermieters und für den Vertragstyp Miete unerlässlich.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG kann der erkennende Senat nicht abschließend entscheiden, in welchem Umfang die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen sind.
1. Zu Unrecht hat das FG die Berücksichtigung der streitigen Werbungskosten allein mit der Begründung abgelehnt, die Tochter A der Kläger habe die mit den Eltern vereinbarte Mietzahlung nicht selbst getragen, weil sie aus dem zuvor von den Klägern geschenkten Betrag in Höhe von 20 000 DM geleistet worden sei und damit wirtschaftlich die Unterhaltspflicht gegenüber der Tochter durch kostenlose Überlassung von Wohnraum erfüllt werde.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 19. Oktober 1999 IX R 39/99, BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224) stellt das mietweise Überlassen der Wohnung an die unterhaltsberechtigte Tochter der Kläger keine Naturalunterhaltsleistung dar.
aa) Aus den Feststellungen des FG ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die Vereinbarungen zwischen den Klägern und ihrer Tochter nur zum Schein getroffen sein könnten (§ 117 des Bürgerlichen Gesetzbuches ―BGB―) und das Mietverhältnis deshalb als Scheingeschäft gemäß § 41 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) steuerrechtlich nicht zu berücksichtigen ist (vgl. zur Prüfung, ob ein Scheingeschäft vorliegt, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 19. Dezember 1995 IX R 85/93, BFHE 180, 265, BStBl II 1997, 52, und vom 28. Januar 1997 IX R 23/94, BFHE 182, 542, BStBl II 1997, 655).
bb) Der Mietvertrag hält auch dem sog. Fremdvergleich stand.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind Verträge zwischen Angehörigen der Besteuerung nur dann zugrunde zu legen, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen sind und darüber hinaus sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht. Die neuere Rechtsprechung des Senats setzt dabei zumindest voraus, dass die Hauptpflichten der Vertragsparteien, wie das Überlassen einer bestimmten Mietsache zur Nutzung und die Höhe der zu entrichtenden Miete (vgl. § 535 BGB), klar und eindeutig vereinbart worden sind und entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden (z.B. Senatsurteile vom 20. Oktober 1997 IX R 38/97, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106, und vom 17. Februar 1998 IX R 30/96, BFHE 185, 397, BStBl II 1998, 349).
Nach den bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) liegen diese Voraussetzungen im Streitfall vor.
Die Kläger haben die Wohnung aufgrund des abgeschlossenen Mietvertrages tatsächlich ihrer Tochter zur eigenen Wohnnutzung (ohne dass insoweit eine Haushaltsgemeinschaft mit den Eltern besteht) überlassen; diese hat den vereinbarten Mietzins ab Beginn des Mietverhältnisses im Dezember 1996 gezahlt und war dazu aufgrund der im Oktober 1996 erhaltenen Schenkung von 20 000 DM ―trotz des davon bestrittenen Aufwands in Höhe von 6 000 DM für den Umzug und die Wohnungseinrichtung― tatsächlich in der Lage. Die Tatsache, dass die Vertragsparteien einen erheblich unter der ortsüblichen Miete liegenden Mietzins vereinbart haben, ist nicht zusätzlich als Gesichtspunkt in den Fremdvergleich einzubeziehen; sie führt lediglich zu einer Aufteilung der Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil, wenn der Mietzins weniger als 50 v.H. der ortsüblichen Miete beträgt (§ 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―) oder zwar mehr als 50 v.H., aber weniger als 75 v.H. der ortsüblichen Miete beträgt und zu einer negativen Überschussprognose führt (vgl. BFH-Urteil vom 5. November 2002 IX R 48/01, BFH/NV 2003, 253). Schließlich hindert die Aufnahme der Tochter B in die von der Tochter A gemietete Wohnung entgegen der Auffassung des FG nicht die Annahme eines (drittüblichen) Mietvertrags, weil auch bei fremden Mietern die Aufnahme von Angehörigen oder sonst nahe stehenden Personen zum Recht des Mieters auf bestimmungsgemäßen Gebrauch der Mietsache i.S. des § 535 BGB gehört (vgl. Palandt/Weidenkaff, Bürgerliches Gesetzbuch, 62. Aufl., Rz. 21, zu § 535 BGB).
cc) Das Vermieten der den Klägern gehörenden Wohnung an ihre unterhaltsberechtigte unverheiratete Tochter ist auch kein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO 1977 (Senatsentscheidung in BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224).
Die Tatsache, dass die Miete aus dem zuvor von den Klägern geschenkten Geldbetrag geleistet werden konnte und nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG auch geleistet wurde, rechtfertigt nicht die Feststellung des FG, die gewählte Gestaltung sei entgegen der gewählten rechtlichen Konstruktion eines entgeltlichen Mietvertrages wirtschaftlich eine unentgeltliche Wohnungsüberlassung, die den streitigen Werbungskostenabzug ausschließe. Vielmehr sind die dem Kindesunterhalt dienende Zahlung einerseits und die Erfüllung der mietvertraglichen Vereinbarungen andererseits zwei bürgerlich-rechtlich und wirtschaftlich unterschiedliche Vorgänge, die auch steuerrechtlich voneinander zu trennen sind (vgl. Senatsentscheidung in BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224).
2. Ist danach im Streitfall von einer wirksamen Vereinbarung des Mietverhältnisses zwischen den Klägern und ihrer Tochter A auszugehen, so kann gleichwohl auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG nicht beurteilt werden, in welchem Umfang die streitigen Aufwendungen der Kläger als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen sind.
a) Ein solcher Werbungskostenabzug setzt nämlich im Streitfall voraus, dass auf der Grundlage einer bisher vom FG nicht vorgenommenen Überschussprognose die Absicht der Kläger geprüft wird, mit der Vermietung der Eigentumswohnung an ihre Tochter auf Dauer einen Überschuss der Einnahmen über den Werbungskosten zu erzielen.
Zwar ist von einer solchen Überschusserzielungsabsicht nach der Rechtsprechung des Senats selbst bei der verbilligten Überlassung eines auf Dauer vermieteten Objekts ―ohne Erstellung einer Überschussprognose― auszugehen, sofern der Mietzins nicht weniger als 75 v.H. der ortsüblichen Marktmiete beträgt (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 253, m.N. zur älteren abweichenden und nunmehr aufgegebenen BFH-Rechtsprechung; vgl. zur ―bei Dauervermietung immer anzunehmenden― Einkünfteerzielungsabsicht im Übrigen BFH-Urteile vom 30. September 1997 IX R 80/84, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, und vom 9. Juli 2002 IX R 57/00, BFHE 199, 422, und IX R 47/99, BFHE 199, 417).
Beträgt aber ―wie im Streitfall― der vereinbarte Mietzins 50 v.H. oder mehr, jedoch weniger als 75 v.H. der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Einkünfteerzielungsabsicht anhand einer Überschussprognose zu prüfen. Bei positiver Prognose sind die mit der verbilligten Vermietung zusammenhängenden Werbungskosten in voller Höhe abziehbar; bei negativer Prognose ist die Vermietungstätigkeit in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil mit der Folge aufzuteilen, dass in entsprechender Anwendung des § 21 Abs. 2 EStG ―ebenso wie bei einer Vermietung zu einem Mietzins zu weniger als 50 v.H. der ortsüblichen Miete― nur die auf den entgeltlichen Teil entfallenden Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden können (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 253).
b) Im Streitfall hat das FG ―auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung zu Recht― keine tatsächlichen Feststellungen zur Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger getroffen. Insbesondere hat es die im finanzgerichtlichen Verfahren vorgelegte und vom FA in Zweifel gezogene Überschussprognose nicht zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht. Die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen hat das FG deshalb nachzuholen, um die Notwendigkeit einer Aufteilung des streitigen Mietverhältnisses in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil sowie eine ggf. dementsprechend ―auf den entgeltlichen Teil bezogene― begrenzte Abziehbarkeit der Werbungskosten annehmen zu können.
Fundstellen
Haufe-Index 962768 |
BFH/NV 2004, 1378 |
HFR 2003, 876 |