Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnungen ohne Angabe des Nettoentgelts sind keine Rechnungen i.S. von § 14 Abs. 3 UStG
Leitsatz (amtlich)
Macht ein Bildungszentrum ihm abgetretene Kostenerstattungsansprüche von Betriebsräten für Schulungen gemäß § 40 i.V.m. § 37 Abs. 6 BetrVerfG gegenüber den Arbeitgebern geltend, so sind die Abrechnungen jedenfalls dann keine Rechnungen i.S. von § 14 Abs. 3 UStG, wenn sie zwar die Umsatzsteuerbeträge gesondert angeben, die in den Kosten für Unterkunft und Verpflegung enthalten sind, im Übrigen aber diese Kosten nur als Bruttobetrag (einschließlich Umsatzsteuer) und nicht als (Netto-)Entgelt angeben. Die Grundsätze des zum Vorsteuerabzug ergangenen Urteils vom 27. Juli 2000 V R 55/99 gelten für § 14 Abs. 3 UStG entsprechend.
Normenkette
UStG 1980 § 14 Abs. 3
Verfahrensgang
FG Hamburg (EFG 1997, 1069; LEXinform-Nr. 0141963) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ―ein von Mitgliedern einer Gewerkschaft gegründeter Verein― veranstaltet in seinem Bildungszentrum Kurse und Seminare für Betriebsräte im Themenbereich Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht. Die Teilnehmer werden in einem vom Kläger betriebenen Heim gegen Entgelt untergebracht und verpflegt. Der Kläger unterwirft diese Leistungen der Umsatzsteuer.
Aufgrund der Verpflichtung der Arbeitgeber gemäß § 37 Abs. 6 i.V.m. Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVerfG), die Teilnehmer solcher Veranstaltungen von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen und gemäß § 40 BetrVerfG die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu übernehmen, ließ sich der Kläger in den meisten Fällen die Kostenerstattungsansprüche von den Seminarteilnehmern abtreten. Er stellte die angefallenen Kosten den jeweiligen Arbeitgebern unmittelbar in Rechnung nach folgendem Muster:
Anschrift des Arbeitgebers
Rechnung Nr. …
Herr (Arbeitnehmer)
hat aufgrund eines Beschlusses des Betriebsrates an der nachfolgend bezeichneten Schulungs- und Bildungsveranstaltung des Vereins …, nach § 37, 6 BetrVG, teilgenommen und Anspruch auf Erstattung der entstandenen Kosten.
Es handelt sich um die Schulung Nr. …
vom … bis …
(Thema)
Die durch die Schulungs- und Bildungsveranstaltung entstandenen Kosten wurden an den Verein … abgetreten und werden hiermit in Rechnung gestellt.
Fahrtkosten für die An- und Abreise zum Lehrgang |
0,00 DM |
Seminargebühr incl. Unterkunft und Verpflegung |
600,00 DM |
Büchergeld |
0,00 DM |
Auslagen für die An- und Abreise zum Lehrgang (Spesen) |
0,00 DM |
Insgesamt |
600,00 DM |
in den Kosten für Unterkunft und Verpflegung sind 7 % MWST. enthalten = 39,25 DM
Wir bitten um Überweisung des Rechnungsbetrages auf unser Konto …
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung beurteilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die Kostenberechnung als unberechtigten Steuerausweis i.S. des § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980/1991) und setzte für die Streitjahre 1988 bis 1992 entsprechende Steuerbeträge fest.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1069 veröffentlicht ist, sah die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative UStG 1980/ 1991 als erfüllt an. Es stützte seine Auffassung darauf, dass der Kläger konkrete "Abrechnungen", wie sie im Geschäftsverkehr üblich seien, über nicht an die Arbeitgeber ausgeführte Leistungen ausgegeben habe; denn nach den zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen seien nicht die Arbeitgeber, sondern die Arbeitnehmer Leistungsempfänger des Klägers gewesen. Letztere hätten weder als unmittelbare noch als mittelbare Stellvertreter des Klägers gehandelt. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 40 BetrVerfG setze eine vorrangige Kostentragungspflicht des Betriebsratsmitglieds voraus.
Die Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen seien den Arbeitgebern auch nicht als Kosten für Dienstreisen für einen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 5 Nr. 4 UStG i.V.m. §§ 36 bis 38 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) 1980/1991 berechtigt in Rechnung gestellt worden. Bei der Teilnahme der Betriebsratsmitglieder an den Schulungen des Klägers handle es sich nicht um Dienstreisen i.S. von § 38 UStDV.
Die Arbeitgeber seien auch nicht "wirtschaftliche Leistungsempfänger". Es liege kein Fall des Vertrags zugunsten Dritter gemäß § 328 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vor. Im Übrigen würde die Zulassung eines "wirtschaftlichen Leistungsempfängers" in der Praxis zu unüberwindbaren Abgrenzungsschwierigkeiten führen.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 14 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz UStG mit der Begründung, die Auffassung des FG, Rechnungsadressat und Leistungsempfänger fielen auseinander, beruhe ersichtlich auf einer unrichtigen Einordnung der Stellung des Betriebsrats im Unternehmen; gerade die besondere Stellung und Einbindung des Betriebsrats in den betrieblichen Organismus sei aber Dreh- und Angelpunkt des vorliegenden Streitfalles. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 40 Abs. 2 BetrVerfG setzte gerade nicht eine vorrangige Kostentragungspflicht des Betriebsratsmitglieds voraus, sondern gehe davon aus, dass das Betriebsratsmitglied für den Arbeitgeber in Vorlage trete; habe dieser die Kosten zu tragen, sei er auch Leistungsempfänger. Aber selbst wenn man mit dem FG davon ausgehe, dass er, der Kläger, die Leistung nicht an den Betrieb, sondern an die Betriebsratsmitglieder ausgeführt habe und damit diesen gegenüber die Rechnung habe erteilen müssen, so dürfe das Papier, mit dem die Zahlungsaufforderung an den Arbeitgeber ergehe, nicht als Rechnung i.S. von § 14 UStG eingeordnet werden; es enthalte vielmehr die vom Betriebsverfassungsgesetz geforderte Aufschlüsselung der Erstattungsbeträge. Die Umsatzsteuer sei darin als separater Bestandteil auszuweisen.
Der Kläger beantragt, die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1988 bis 1992 aufzuheben und die Umsatzsteuer
für 1988 von 70 554 DM um 59 562,79 DM auf 10 991,21 DM,
für 1989 von 8 292 DM um 42 651,84 DM auf ./. 34 359,84 DM,
für 1990 von 46 620 DM um 46 903,79 DM auf ./. 283,79 DM,
für 1991 von 34 652 DM um 54 863,62 DM auf ./. 20 211,62 DM und
für 1992 von ./. 261 243 DM um 61 049,72 DM auf ./. 322 292,72 DM herabzusetzen.
Das FA tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur antragsgemäßen Änderung der angefochtenen Steuerfestsetzungen. Bei den "Abrechnungspapieren" des Klägers handelt es sich um keine Rechnungen bzw. andere Urkunden i.S. von § 14 Abs. 3 UStG.
1. § 14 Abs. 3 UStG lautet: Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das gleiche gilt, wenn jemand in einer anderen Urkunde, mit der er wie ein leistender Unternehmer abrechnet, einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (zur Abgrenzung von "Rechnung" und "andere Urkunde" im Sinne der Vorschrift vgl. Bundesfinanzhof ―BFH―, Urteil vom 28. Januar 1993 V R 75/88, BFHE 171, 94, BStBl II 1993, 357).
Das FG konnte aufgrund der äußeren Gestaltung der jeweiligen "Rechnung" zwar davon ausgehen, dass der Kläger den jeweiligen Arbeitgebern die ihm abgetretenen Kostenerstattungsansprüche ausdrücklich "in Rechnung gestellt" und Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen hatte.
Der Senat braucht aber nicht im Einzelnen auf die für und wider die Annahme von Rechnungen i.S. des § 14 Abs. 3 UStG sprechenden Umstände einzugehen, insbesondere auf die gegen die Annahme einer Rechnung i.S. des § 14 Abs. 3 UStG sprechenden Gesichtspunkte, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) die tatsächlich entstandenen Schulungskosten im Einzelnen nachzuweisen und abzurechnen sind (vgl. z.B. BAG, Beschluss vom 30. März 1994 7 ABR 45/93, Der Betrieb ―DB― 1994, 2295, m.N.) und dass in der Abrechnung ausdrücklich abgetretene Erstattungsbeträge geltend gemacht wurden.
Die Inanspruchnahme des Klägers aus § 14 Abs. 3 UStG kommt nämlich schon deshalb nicht in Betracht, weil die Kostenberechnungen nicht die Rechnungsvoraussetzungen erfüllen, die gemeinschaftsrechtlich nach Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) zwingend als Mindestvoraussetzungen vorhanden sein müssen.
a) Der BFH ging in seiner bisherigen Rechtsprechung sowohl für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG als auch für die Inanspruchnahme nach § 14 Abs. 3 UStG wegen unberechtigten Steuerausweises in einer Rechnung davon aus, dass der Ausweis eines Steuerbetrags in einer Rechnung i.S. des § 14 Abs. 4 UStG erforderlich sei, aber auch ausreiche. Nach dieser allgemeinen Rechnungs-Definition ist "Rechnung … jede Urkunde, mit der ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter über eine Lieferung oder sonstige Leistung gegenüber dem Leistungsempfänger abrechnet, gleichgültig, wie diese Urkunde im Geschäftsverkehr bezeichnet wird". Eine Anknüpfung der Vorschriften an den Katalog der Rechnungsmerkmale gemäß § 14 Abs. 1 UStG wurde verneint. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass anderenfalls dem Leistungsempfänger die Ausübung des Abzugsrechts aufgrund z.T. kaum erfüllbarer Nachprüfungspflichten unangemessen erschwert würde (vgl. BFH-Urteile vom 24. September 1987 V R 50/85, BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688, und V R 125/86, BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694, hier unter II. 4.). Dementsprechend ließ die Finanzverwaltung bisher den Abzug der gesondert ausgewiesenen Steuer als Vorsteuer auch dann zu, wenn in der Rechnung nicht das (Netto-)Entgelt, sondern lediglich der Preis einschließlich Umsatzsteuer (Bruttobetrag) aber zusätzlich der Steuerbetrag angegeben sind (vgl. Abschn. 202 Abs. 4 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien ―UStR― 1988/2000).
b) Die Voraussetzungen des allgemeinen Rechnungsbegriffs nach § 14 Abs. 4 UStG entsprechen zwar im Wesentlichen den Voraussetzungen für die Abrechnungspflicht nach Art. 22 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG: "Jeder Steuerpflichtige hat für die Lieferung von Gegenständen und die Dienstleistungen, die er an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt, eine Rechnung oder ein an deren Stelle tretendes Dokument auszustellen."
Zusätzlich enthält aber Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG eine allgemeine Regelung über die Rechnungsangaben. Diese lautet: Die Rechnung muss getrennt den Preis ohne Steuer und den auf die einzelnen Steuersätze entfallenden Steuerbetrag sowie ggf. die Steuerbefreiung ausweisen. Dazu hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) mehrfach entschieden, dass damit die Mindestanforderungen an die Angaben festgelegt worden sind, die zwingend in der Rechnung oder dem an ihre Stelle tretenden Dokument enthalten sein müssen (vgl. Urteil vom 17. September 1997 Rs. C-141/96, Langhorst, Slg. 1997, I-5073, Randnr. 17, m.N. ―zur Gutschrift―).
Der BFH hat inzwischen im Urteil vom 27. Juli 2000 V R 55/99 (Deutsches Steuerrecht 2000, 2083) die verbindlichen Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung für den Vorsteuerabzug für die Anwendung des § 15 Abs. 1 UStG übernommen und entschieden, dass eine Rechnung, in der zwar der Bruttopreis, der Steuersatz und der Umsatzsteuerbetrag, nicht aber das Entgelt (Nettopreis) ausgewiesen ist, grundsätzlich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
c) Da für die dem Vorsteuerabzug korrespondierende Präventivvorschrift des § 14 Abs. 3 UStG nichts anderes gelten darf (vgl. BFH, Urteil vom 1. August 1996 V R 9/96, BFH/NV 1997, 381, m.w.N.), handelt es sich bei den hier zu beurteilenden Abrechnungspapieren des Klägers über die Erstattungsbeträge nicht um "Rechnungen" oder "andere Urkunden" i.S. von § 14 Abs. 3 UStG.
Fundstellen
Haufe-Index 565451 |
BFH/NV 2001, 874 |
BFHE 194, 483 |
BFHE 2002, 483 |
BB 2001, 926 |
BB 2002, 134 |
DB 2001, 1074 |
DStRE 2001, 667 |
HFR 2001, 699 |
StE 2001, 246 |
UR 2001, 257 |