Leitsatz (amtlich)
1. Eine indirekte Rentenzusage, bei der sich die Höhe der zukünftig zu zahlenden Rente nach einem in der Zusage genannten Kapitalbetrag bemißt, ist für den Schuldabzug nach § 104 BewG 1965 als Rentenzusage zu behandeln, wenn der Zusageempfänger bei Eintritt des Versorgungsfalles keinen Anspruch auf Auszahlung des Kapitalwerts hat.
2. Der Senat schließt sich der Rechtsauffassung des IV. Senats (Urteil vom 4. Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672) an, daß bei Klageerhebung nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO durch einen geschäftsführungsbefugten und vertretungsberechtigten Gesellschafter einer Personengesellschaft nicht dieser Gesellschafter, sondern die Gesellschaft Kläger ist. Sind vom FG die übrigen geschäftsführungsbefugten und vertretungsberechtigten Gesellschafter, die nicht Klage erhoben haben, zum Verfahren rechtsirrtümlich beigeladen worden, so bleiben sie auch Beteiligte des Revisionsverfahrens.
Normenkette
BewG 1965 § 104; FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3, § 122
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG. Die Klage hat der persönlich haftende Gesellschafter und Geschäftsführer H erhoben. Das FG hat die an den jeweiligen Feststellungszeitpunkten vorhandenen weiteren persönlich haftenden Gesellschafter und Geschäftsführer zu den Verfahren beigeladen.
Streitgegenstand ist die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin auf den Beginn der Kalenderjahre 1962, 1963, 1964, 1965, 1966 und 1967.
Die Klägerin hat sich gegenüber ihren Arbeitnehmern durch Einzelzusagen verpflichtet, eine Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Diese Zusagen hatten in dem für diesen Rechtsstreit erheblichen Teil folgenden Wortlaut:
"1. Sollten Sie vorzeitig arbeitsunfähig werden oder nach Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand treten, so erhalten Sie eine lebenslängliche Rente, deren Kapitalwert mit dem Wert der Wirtwenversorgung im Zeitpunkt der Fälligkeit der ersten Mannesrente DM … beträgt.
2. Im Falle Ihres Ablebens erhält Ihre Ehefrau eine Rente, deren Kapitalwert nach der restlichen Lebenserwartung der Ehefrau aus dem Kapitalwert zu 1. errechnet ist. Dieser Anspruch erlischt bei Wiederverheiratung."
Die Klägerin hat den Schuldabzug für die Verpflichtungen aus diesen Pensionszusagen in der Weise berechnet, daß sie als Jahreswert der Rentenverpflichtung 10 v. H. des Kapitalbetrags ansetzte, aus dessen Verrentung sich bei Eintritt in den Ruhestand die zu zahlende Rente errechnet. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat dagegen für die Berechnung des Schuldabzugs den Jahreswert der zugesagten Rente entsprechend dem Tabellenwerk von Heubeck-Fischer unter Berücksichtigung eines Zinsfußes von 5,5 v. H. nur mit 9,1853 v. H. des in der Zusage genannten Kapitalbetrags angesetzt und dementsprechend den Schuldabzug der Klägerin pauschal um 8,147 v. H. gekürzt.
Die Sprungklage hat das FG abgewiesen.
Die Revision der Klägerin rügt, die Anwendung des § 104 BewG 1965 - für Feststellungszeitpunkte vor dem 1. Januar 1966 des § 62a BewG - durch das FG verstoße gegen den Sinn und Zweck des Gesetzes sowie gegen dessen Entstehungsgeschichte. Neben den reinen Rentenzusagen und den reinen Kapitalzusagen gebe es eine dritte Art, die eine Mischform der vorgenannten beiden Zusagen darstelle, nämlich eine indirekte Rentenzusage, auch unechte Kapitalzusage genannt. Sie bestehe darin, daß eine Rente zugesagt werde, deren Höhe nicht fest bestimmt sei, sondern sich durch Verrentung eines Kapitalbetrags ergebe. Für eine Verpflichtung dieser Art enthalte § 104 BewG 1965 keine Regelung; es bestehe eine Gesetzeslücke. Die Zusage einer Rente in Höhe eines bestimmten Kapitalwerts sei aber völlig gleichwertig mit der Zusage eines Kapitalbetrags. Daraus folge, daß die Belastung eines Steuerpflichtigen bei Zusage eines Kapitalbetrags und bei Zusage einer Rente in Höhe eines bestimmten Kapitalwerts dieselbe sein müsse. Dies decke sich mit der Vorstellung des Gesetzgebers, durch § 104 BewG 1965 eine Regelung getroffen zu haben, die es dem Nichtmathematiker ermögliche, den Schuldabzug selbst zu berechnen. Im übrigen beruhe die Kürzung des FA in erster Linie darauf, daß bei Berechnung der Jahresrente aus dem Kapitalbetrag ein Rentenanspruch der Witwe ohne Rücksicht auf die Verhältnisse des einzelnen Zusageempfängers mitberücksichtigt worden sei. Dies führe zu einer Kürzung der auf alleinstehende Männer entfallenden Jahresrente und damit zu einer Verminderung des Schuldabzugs.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einheitswerte um den Abschlag zu ermäßigen, den das FA von dem geltend gemachten Schuldabzug für Ruhegeldzusagen vorgenommen hat.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Erhebt ein geschäftsführungsbefugter und vertretungsberechtiger Gesellschafter einer Personengesellschaft des Handelsrechts gegen die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Gesellschaft Klage im Sinn des § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO, so ist nicht dieser Gesellschafter Kläger, sondern die Gesellschaft selbst. Die Entscheidung, die in diesem Verfahren ergeht, wirkt folglich gegen die Gesellschaft, d. h. gegen alle an der Gesellschaft beteiligten Gesellschafter. Für eine Beiladung der übrigen geschäftsführungsbefugten und vertretungsberechtigten Gesellschafter, die nicht selbst Klage erhoben haben, ist deshalb kein Raum (Entscheidung des BFH vom 4. Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672).
Die Klagen des geschäftsführungsbefugten und vertretungsberechtigten Gesellschafters H sind deshalb als Klagen der Gesellschaft, vertreten durch ihren geschäftsführungsbefugten und vertretungsberechtigten Gesellschafter zu behandeln. Die Beiladung der an den jeweiligen Feststellungszeitpunkten vorhandenen weiteren geschäftsführungsbefugten und vertretungsberechtigten Gesellschafter ist zwar zu Unrecht angeordnet worden; diese Gesellschafter bleiben trotzdem am Revisionsverfahren beteiligt (§ 122 Abs. 1 FGO). Denn würde man sie wegen der fehlenden Rechtsgrundlage der Beiladung im Revisionsverfahren nicht mehr als Beteiligte behandeln, so könnten sie, falls das FA erst in der Revisionsinstanz unterliegt, keine Kostenerstattung verlangen, was sachlich nicht gerechtfertigt wäre.
II.
1. Der Schuldabzug auf Grund der Pensionsverpflichtung gegenüber einer Person, bei der der Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, wird für Feststellungszeitpunkte ab 1. Januar 1966 in § 104 BewG 1965 und für Feststellungszeitpunkte vor dem 1. Januar 1966 in dem gleichlautenden § 62a BewG (im folgenden wird nur § 104 BewG 1965 zitiert) geregelt. Diese Vorschrift unterscheidet für die Ermittlung der Höhe des Abzugsbetrags entsprechend den beiden möglichen Versorgungsleistungen zwischen der Zusage einer Rente, d. h. wiederkehrender Leistungen (Abs. 2), und der Zusage einer einmaligen Kapitalleistung (Abs. 5). Die Höhe des Schuldabzugs wird für beide Arten der Versorgungszusage in der Weise ermittelt, daß auf einen Jahreswert ein Vervielfacher angewendet wird, der sich nach dem Lebensalter des Zusageempfängers im Feststellungszeitpunkt bestimmt. Bei Kapitalzusagen ist ein Jahreswert der Leistung auf Grund der Zusage nicht gegeben, weil die zugesagte Leistung in einer einmalig zu zahlenden Geldsumme besteht. Um auch für diesen Fall die Berechnung entsprechend der vereinfachten Berechnungsweise bei Rentenzusagen durchführen zu können, fingiert § 104 Abs. 5 BewG 1965 für die Zusage einer einmaligen Kapitalleistung, daß der für die Berechnung des Schuldabzugs erforderliche Jahreswert mit 10 v. H. der zugesagten Kapitalleistung anzunehmen sei.
2. Die Klägerin hat ihren Arbeitnehmern eindeutig Rentenleistungen zugesagt; denn die Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf Auszahlung des Kapitalwerts der Rente bei Eintritt des Versorgungsfalles. Die Höhe der Rentenleistungen wird allerdings nach einem Kapitalbetrag bemessen, der im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles verrentet wird. Der Senat vermag nicht zu erkennen, weshalb § 104 BewG 1965 auf diese indirekte Rentenzusage nicht anwendbar sein und deshalb eine Gesetzeslücke bestehen soll. Denn auch die indirekte Rentenzusage oder unechte Kapitalzusage ist ihrem Wesen nach, wie das FG zutreffend entschieden hat, die Zusage auf Leistung einer Rente bei Eintritt des Versorgungsfalles. Sie ist nicht eine besondere Art einer Versorgungszusage, die zwischen der Rentenzusage und der Kapitalzusage stände und auf die deshalb § 104 BewG 1965 unmittelbar nicht anwendbar wäre. Auch aus der von der Klägerin angezogenen Literatur ergibt sich nichts Gegenteiliges. Heißmann (die betrieblichen Ruhegeldverpflichtungen, 6. Aufl., S. 351/352) vertritt vielmehr die Auffassung, daß in einem Fall, in dem lediglich eine Rente geschuldet wird, deren Höhe sich aber nach einem bestimmten Kapitalbetrag richtet, in der Steuerbilanz eine Rückstellung für Rentenleistungen zu bilden ist. Laux (DB 1961, 1108) weist darauf hin, bei unechten Kapitalzusagen habe der in der Zusage genannte Kapitalbetrag nur die Bedeutung einer Bemessungsgrundlage für die Höhe der zu zahlenden Rente. Es ist kein Grund ersichtlich, der im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 104 BewG 1965 eine andere Auffassung gebieten könnte.
3. Der Senat stimmt mit der Klägerin darin überein, daß die Regelung des § 104 BewG 1965 von dem Gedanken einer möglichst einfachen Berechnung des Schuldabzugs infolge von Verpflichtungen aus Pensionsanwartschaften getragen ist. Dies hat der Senat auch in seiner bisherigen Rechtsprechung schon anerkannt. Er hat deshalb für die Bestimmung der Höhe des auf die Jahresrente anzuwendenden Vervielfachers entsprechend dem Wortsinn des § 104 BewG 1965 ausschließlich auf die Versorgungszusage abgestellt und eine Prüfung abgelehnt, ob und inwieweit auf Grund dieser Zusage unter Berücksichtigung versicherungsmathematischer Erwägungen eine Belastung in Höhe des sich so ergebenden Schuldbetrags besteht (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juli 1972 III R 147/71, BFHE 106, 551, BStBl II 1972, 872, für die Anwartschaften auf Waisenrenten). Die Vereinfachung des § 104 BewG 1965 beschränkt sich jedoch darauf, daß anstelle der Berechnung des Barwertes der am Bewertungsstichtag erdienten Rente (quotierter Barwert) nach versicherungsmathematischen Grundsätzen der Schuldabzug durch Anwendung der Vervielfacher des § 104 Abs. 2 und 3 BewG 1965 auf die Jahresrente ermittelt wird, die nach der Versorgungszusage erworben werden kann (vgl. Heubeck, BB 1961, 709 [710]). Dagegen war es ausgeschlossen, auch eine Vereinfachung insoweit zu erreichen, daß von bestimmten typisierten Jahreswerten der Rentenzusage ausgegangen wird. Denn damit hätte der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise in die Gestaltungsfreiheit des Unternehmers in bezug auf seinen Verpflichtungswillen eingegriffen. Das FG hat deshalb zu Recht darauf hingewiesen, daß der Fall der indirekten Rentenzusage nicht der einzige Fall ist, in dem der Schuldabzug nach § 104 BewG 1965 nicht durch die einfache Multiplikation eines sich aus der Zusage ergebenden fest bestimmten Rentenbetrags mit dem in § 104 BewG 1965 vorgeschriebenen Vervielfacher ermittelt wird. Die für die Vervielfachung maßgebende Jahresrente steht vielmehr sehr häufig nicht betragsmäßig fest. Denn die auf Grund der Zusage zu leistende Rente kann, wie schon das FG ausführte, z. B. von der Höhe einer anzurechnenden Sozialrente abhängig sein; sie kann sich auch dadurch laufend verändern, daß die Zusage auf eine mit zunehmendem Dienstalter steigende Rente gerichtet ist. In diesen Fällen sind, ähnlich wie bei der indirekten Rentenzusage, zuerst Berechnungen anzustellen, um den Jahreswert der Rente bestimmen zu können, dessen Vielfaches nach § 104 BewG 1965 als Schuld abgezogen werden kann. Die Rechtsanwendung durch das FG verstößt damit weder gegen den Sinn und Zweck des § 104 BewG 1965 noch gegen dessen Entstehungsgeschichte, soweit sie bei der Gesetzesauslegung überhaupt berücksichtigungsfähig ist.
Der Senat verkennt nicht, daß die Klägerin mit Rücksicht auf eine für ihre Pensionszusagen abgeschlossene Rückdeckungsversicherung beachtliche wirtschaftliche Gründe hatte, nicht eine feste Jahresrente zuzusagen, sondern nur den Barwert der zugesagten Rente anzugeben. Dies vermag jedoch nichts daran zu ändern, daß die Zusage dem Grunde nach nicht auf eine einmalige Kapitalzahlung, sondern auf eine Rentenleistung gerichtet ist, auch wenn die Höhe der zu leistenden Rente aus der Zusage nicht ohne weiteres zu entnehmen, sondern nur unter Heranziehung von Richttafeln für Pensionsversicherungen zu bestimmen ist.
4. Der Senat vermag schließlich nicht anzuerkennen, daß aus § 104 BewG 1965 der Rechtsgrundsatz abgeleitet werden könne, bei gleicher wirtschaftlicher Belastung müsse auch eine gleiche Berechnung des Schuldabzugs erfolgen. Dies würde den Grundgedanken des § 104 BewG 1965 gerade in sein Gegenteil verkehren. Wie oben unter 3. schon ausgeführt, stellt diese Vorschrift aus Vereinfachungsgründen auf die Ruhegehaltszusage ab und läßt grundsätzlich eine Korrektur des sich auf Grund der Zusage ermittelten Schuldbetrags unter dem Gesichtspunkt der sich versicherungsmathematisch ergebenden Belastung nicht zu. Deshalb ist es auch nicht zulässig, aus der Kenntnis des versicherungsmathematischen Barwerts der später zu leistenden Rente, die bei der von der Klägerin gegebenen indirekten Rentenzusage ohne weiteres vorhanden ist, Folgerungen für die Berechnung des Schuldabzugs zu ziehen, wenn nicht das dem Barwert entsprechende Kapital, sondern eine Rente geschuldet wird. Würde man dies im Fall der Klägerin zulassen, so müßte man in allen Fällen eine Pensionszusage, in denen der quotierte Barwert der Rentenverpflichtung nachgewiesen wird, hieraus für den Schuldabzug Folgerungen ziehen. Damit würde aber gerade das erreicht, was die Klägerin selbst nicht will, daß nämlich die vereinfachte Berechnung des Schuldabzugs durch § 104 BewG 1965 unterlaufen würde.
Hinzu kommt, daß auch wirtschaftlich ein Unterschied besteht, ob bei Eintritt des Versorgungsfalls die Verpflichtung zu einer Kapitalzahlung oder zu Rentenleistungen nach Maßgabe eines bestimmten Kapitals zu erfolgen hat. Bei einer Kapitalzusage entsteht nämlich mit dem Eintritt des Versorgungsfalles ein einmaliger, u. U. sehr hoher Liquiditätsbedarf; bei Rentenleistungen nach Maßgabe eines bestimmten Kapitals wird eine Liquiditätsanspannung infolge der Verteilung der Leistungen auf die Rentenlaufzeit vermieden (vgl. auch Laux, a. a. O.).
Die pauschale Kürzung der von der Klägerin geltend gemachten Schuldverpflichtung durch das FA hat das FG zu Recht als zutreffend anerkannt. Die Klägerin hat auch nicht eingewendet, daß der Kürzungssatz aus dem Tabellenwerk von Heubeck-Fischer unrichtig abgeleitet worden sei. Es ist ferner nicht zu beanstanden, daß das FG für die Ermittlung des Jahreswerts der zugesagten Rente bei unverheirateten Zusageempfängern nicht nur von der Mannesrente ausgegangen ist, sondern entsprechend der Zusage der Klägerin auch die Hinterbliebenenversorgung mitberücksichtigt hat. Denn nach § 104 BewG 1965 ist, wie oben schon dargelegt, auf die Zusage abzustellen und nicht auf die Verhältnisse, die sich im Einzelfall auf Grund dieser Zusage bei Eintritt des Versorgungsfalles ergeben oder ergeben können.
Fundstellen
Haufe-Index 70514 |
BStBl II 1973, 676 |
BFHE 1973, 373 |