Leitsatz (amtlich)
Die Mitteilung einer OFD an den Steuerpflichtigen, sie habe einem nachgeordneten FA eine Weisung bestimmten Inhalts erteilt, ist kein Verwaltungsakt.
Normenkette
FGO §§ 40, 41 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH i. L., die zur Firmengruppe Y gehört, hat ihren Sitz in der Schweiz. Der Wohnsitz der Gesellschafter liegt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Das FA St ist davon ausgegangen, daß sich die Geschäftsleitung der Klägerin am Wohnsitz des Hauptgesellschafters befinde, der innerhalb des Bezirks (§ 17 Abs. 1 des Gesetzes über die Finanzverwaltung) des FA lag. Das FA hat sich zur Besteuerung der GmbH für zuständig gehalten. Nach einem Schriftwechsel zwischen dem FA S, das für die Besteuerung einer Reihe weiterer Unternehmen der Firmengruppe Y zuständig ist, und dem FA St haben die beiden FÄ vereinbart, daß das FA S für Besteuerungsmaßnahmen gegen die Klägerin zuständig sein solle (§ 78 AO). Das FA St hat dem Hauptgesellschafter durch Schreiben vom 19. November 1971 mitgeteilt, daß das FA S die Veranlagung der Klägerin aufgrund einer Vereinbarung übernehmen werde.
Gegen diese Mitteilung legte die Klägerin am 25. November 1971 Beschwerde ein; durch Schriftsatz vom 25. Januar 1972 stellte sie gegenüber der OFD klar, daß ihr Schreiben als förmliche Beschwerde zu verstehen sei. Die Beklagte und Revisionsklägerin (OFD) teilte der Klägerin durch Schreiben vom 24. Februar 1972 mit, sie habe das FA St angewiesen, die Zuständigkeitsvereinbarung zurückzunehmen. Mit Schreiben vom 4. April 1972 unterrichtete sie die Klägerin davon, daß das FA St die Zuständigkeitsvereinbarung gegenüber dem FA S noch nicht widerrufen habe; sie habe das FA St inzwischen angewiesen, den Widerruf nicht zu vollziehen.
Mit der Klage hat die Klägerin beantragt,
den Bescheid der OFD vom 4. April 1972, wonach der Bescheid vom 24. Februar 1972 rückgängig gemacht werden soll, aufzuheben,
hilfsweise,
festzustellen, daß der erneute Bescheid der OFD zur Zuständigkeitsfrage vom 4. April 1972 wirkungslos sei, nachdem die Beschwerdeentscheidung der OFD vom 24. Februar 1972 ergangen sei.
Das FG hat die Verfügung der OFD vom 4. April 1972 aufgehoben und in der Entscheidungsformel ausgesprochen, damit werde die Verfügung der OFD vom 24. Februar 1972 wieder wirksam, mit der sie der Beschwerde der Klägerin abgeholfen habe.
Hiergegen richtet sich die Revision der OFD mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision wird das Urteil des FG aufgehoben; die Klage wird abgewiesen.
I. Die Klage war entgegen der Ansicht des FG sowohl im Hinblick auf den Hauptantrag als auch auf den Hilfsantrag unzulässig.
Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes verlangt werden (§ 40 Abs. 1 FGO). Das Schreiben der OFD vom 4. April 1972 war kein Verwaltungsakt. Die mit dem Hilfsantrag auf Feststellung der Nichtigkeit des "Bescheids vom 4. April 1972" erhobene Klage ist unzulässig, weil es an einem Verwaltungsakt fehlt, der für nichtig erklärt werden könnte (§ 41 Abs. 1 FGO). Verwaltungsakt ist jede hoheitliche Maßnahme einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (vgl. § 25 der Verordnung der Militärregierung Nr. 165, § 23 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung des § 173 VwGO und schließlich § 31 Satz 1 des Entwurfs eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Bundestagsdrucksache 7/910, S. 15).
1. Eine solche Maßnahme stellt das umstrittene Schreiben der OFD vom 4. April 1972 nicht dar. Mit dem Satz
"Dieser Widerruf der Zuständigkeitsvereinbarung ist nicht wirksam geworden, denn das Finanzamt St hat dem FA S gegenüber die Rücknahme der Zuständigkeitsvereinbarung nicht erklärt."
wird nur die rechtliche Würdigung eines der Klägerin gleichzeitig mitgeteilten Sachverhalts durch die OFD vermittelt. Eine Regelung enthält er nicht.
Der weitere Satz
"Ich habe das Finanzamt ... inzwischen auch angewiesen, den Widerruf nicht zu vollziehen."
ist nur eine Mitteilung darüber, daß die Aufsichtsbehörde einer nachgeordneten Behörde eine Weisung bestimmten Inhalts erteilt habe. Ein Verwaltungsakt wäre die Mitteilung dieser Weisung selbst dann nicht, wenn der nachgeordneten Behörde durch die Weisung aufgegeben worden wäre, einen an die Klägerin zu richtenden Verwaltungsakt bestimmten Inhalts zu erlassen (vgl. Urteil des BFH vom 26. März 1969 VII R 16/67, BFHE 95, 426 [427 f.] BStBl II 1969, 470).
2. Als Verwaltungsakt kann das Schreiben vom 4. April 1972 auch dann nicht gewertet werden, wenn man seine Bedeutung mit der Klägerin darin sieht, daß "der Bescheid vom 24. Februar 1972 rückgängig gemacht werden solle." Versteht man mit der Klägerin das Schreiben vom 24. Februar 1972 als eine durch die OFD nicht mehr abänderbare Beschwerdeentscheidung und das Schreiben vom 4. April 1972 im Sinne einer (unzulässigen) Aufhebung dieser Beschwerdeentscheidung, so wäre dieses Schreiben allerdings als Verwaltungsakt zu verstehen. Dies ist jedoch deshalb nicht der Fall, weil das an die Klägerin gerichtete Schreiben der OFD vom 24. Februar 1972 keine Beschwerdeentscheidung ist, und zwar weder der äußeren Form noch dem Inhalt nach. Dieses Schreiben besteht nur aus dem Satz: "Ich habe das Finanzamt ... angewiesen, die hinsichtlich der Besteuerung ... mit dem Finanzamt ... getroffene Zuständigkeitsvereinbarung zurückzunehmen." Darin liegt nur die Mitteilung darüber, daß die Aufsichtsbehörde das ihr unterstellte FA angewiesen habe, tätig zu werden, um die Zuständigkeitsvereinbarung zu beseitigen. Unbeschadet der Frage, ob gegen die Weisung der OFD an das FA (§ 46 Abs. 2 AO) Bedenken bestehen könnten, so war doch die Unterrichtung der Klägerin über die dem FA erteilte Weisung kein Verwaltungsakt (vgl. Urteil des BFH VII R 16/67). Die OFD hat weder ein die Klägerin betreffendes Rechtsverhältnis geregelt noch über eine Beschwerde der Klägerin dieser gegenüber entschieden. Für die Mitteilung vom 4. April 1972, die Weisung an das FA vom 24. Februar 1972 sei zurückgenommen worden, kann nichts anderes gelten. Diese Mitteilung greift nicht in eine Beschwerdeentscheidung ein und ist auch sonst nicht auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet. Die Weisung, eine mit einem anderen - einer anderen Oberfinanzdirektion unterstellten - FA getroffene Zuständigkeitsvereinbarung zurückzunehmen oder den Widerruf nicht zu vollziehen, wirkt als solche nur behördenintern. Über die Frage, ob und wie die Klägerin eine förmliche Entscheidung über ihre ausdrücklich als Beschwerde bezeichnete Eingabe noch erreichen kann, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.
3. Da das von der Klägerin beanstandete Schreiben vom 4. April 1972 unter keinem Gesichtspunkt als Verwaltungsakt gewertet werden kann, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die vom FG - im Gegensatz zur herrschenden Meinung - für den Fall bejahte Frage, ob eine dem Steuerpflichtigen mitgeteilte Zuständigkeitsvereinbarung als solche anfechtbar und damit gerichtlich überprüfbar ist, ebensowenig an wie auf die weitere Frage, ob § 15 Abs. 2 Nr. 1 des Steueranpassungsgesetzes i. d. F. vor der Änderung durch Art. 6 des Außensteuergesetzes für den Streitfall eine ausschließliche und unabdingbare Zuständigkeit begründen konnte.
Fundstellen
Haufe-Index 71516 |
BStBl II 1975, 779 |
BFHE 1976, 261 |