Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatz durch verdeckte Gewinnausschüttung?
Leitsatz (NV)
1. Erbringt der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH unter Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot an einen Dritten eine Leistung, die bei der GmbH möglicherweise eine verdeckte Gewinnausschüttung zur Folge hat, so ist damit nicht notwendig ein Umsatz der GmbH verbunden.
2. Ein Umsatz der GmbH liegt insoweit nur vor, als diese durch die Lieferung oder Entnahme von Gegenständen oder durch die Ausführung von sonstigen Leistungen einen der Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. a und b oder Nr. 3 UStG 1980 erfüllt.
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1, 9
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die im Streitjahr 1981 ein Baugeschäft mit Hoch- und Tiefbau betrieb. Sämtliche Geschäftsanteile wurden von G gehalten, der auch alleiniger Geschäftsführer, aber nicht vom Wettbewerbsverbot befreit war.
Aufgrund einer Außenprüfung stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) fest, daß G und seine Ehefrau durch Vertrag vom 15. Januar 1981 von den Eheleuten V ein unbebautes Grundstück in E erworben hatten. Als Gegenleistung hatten sie sich verpflichtet, den Eheleuten V auf deren Grundstück in X den Rohbau für ein Zweifamilienhaus unentgeltlich zu errichten. Die Vertragschließenden hatten den Wert des Rohbaus im Kaufvertrag auf 20000 DM geschätzt.
Das FA nahm an, daß die Klägerin die Verpflichtung der Eheleute G zur Rohbauerstellung erfüllt habe. Es ging von einem Rohbauwert von 108120 DM aus, zog hiervon u.a. Eigenleistungen der Bauherrn und mit den Eheleuten G gesondert abgerechnete Leistungen der Klägerin in Höhe von ... DM ab und sah in dem Restwert von ... DM brutto bzw. ... DM netto weitere Leistungen der Klägerin. Es erhöhte entsprechend deren Gewinn für 1981 um ... DM und unter Berufung auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) die steuerpflichtigen Umsätze des gleichen Jahres um ... DM (Umsatzsteuerbescheid vom 14. Dezember 1984).
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage ganz überwiegend statt. Es ging davon aus, daß G berechtigt war, die Rohbaumaßnahme im privaten Bereich durchzuführen, und daß die Klägerin ihm hierfür - über die von ihr bereits versteuerten Leistungen hinaus - Maschinen und Material unentgeltlich überlassen habe. Es bezifferte den zusätzlichen Umsatz im Wege der Schätzung mit ... DM. Zur Begründung führte es aus, lediglich insoweit, als der Gesellschafter G zum Bau des Hauses Maschinen und (Klein-)Material der Klägerin in Anspruch genommen habe, ohne hierfür ein Entgelt zu entrichten, liege ein Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1980 vor.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1980. Es meint, die Erstellung des gesamten Rohbaues und nicht nur die Gestellung von Baumaschinen sowie die Überlassung von Baumaterialien sei umsatzsteuerpflichtig, da in diesem Umfang auch eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliege.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Der Umsatzsteuer unterliegen u.a. unter den im Gesetz näher bezeichneten Voraussetzungen Lieferungen und sonstige Leistungen gegen Entgelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980), die Entnahmen von Gegenständen und Ausführung sonstiger Leistungen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b UStG 1980), und die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die Körperschaften an ihre Anteilseigner, Gesellschafter oder diesen nahestehenden Personen ausführen, für die die Leistungsempfänger kein Entgelt aufwenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1980). Eine Besteuerung nach diesen Vorschriften setzt also voraus, daß der Unternehmer einen Gegenstand gemäß § 3 Abs. 1 UStG 1980 geliefert oder seinem Unternehmen entnommen oder eine sonstige Leistung i.S. des § 3 Abs. 9 UStG 1980 ausgeführt hat.
Die Klägerin hat nach den Feststellungen des FG neben den von ihr selbst und darüber hinaus vom FG besteuerten Leistungen keine weiteren Lieferungen, Entnahmen oder sonstigen Leistungen im Sinne der vorgenannten Vorschriften im Zusammenhang mit der Errichtung des Rohbaus getätigt. Der Senat braucht deshalb auch keine Stellung dazu zu nehmen, ob für die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1980 neben den Eigenverbrauchstatbeständen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b UStG 1980 noch ein eigener Anwendungsbereich verbleibt.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG haben die Eheleute G und nicht die Klägerin den Rohbau für die Eheleute V errichtet. Nur die Eheleute G hatten sich zur Errichtung des Rohbaus verpflichtet. Die Klägerin hatte weder den Eheleuten G noch den Eheleuten V die Errichtung des Rohbaus versprochen; sie hat ihn auch nicht errichtet; vielmehr war sie nur den Eheleuten G bei der Erstellung des Rohbaus durch die vertraglich vereinbarten und zusätzlich vom FG erfaßten Leistungen behilflich. Darüber hinaus hat die Klägerin weder Gegenstände für den Rohbau ihrem Unternehmen entnommen noch geliefert noch sonstige Leistungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, Nr. 3, § 3 Abs. 9 UStG 1980 ausgeführt. Das FA hat gegen die diesbezüglichen Sachverhaltsfeststellungen des FG keine Verfahrensrügen erhoben; vielmehr will es aus Rechtsgründen die Klägerin so behandeln, als ob diese sich zur Errichtung des Rohbaus verpflichtet hätte. Dies ist nach keiner der genannten Vorschriften möglich; für die Besteuerung des Eigenverbrauchs hat der Senat bereits entschieden, daß maßgebend ist, was im konkreten Fall Gegenstand der Wertabgabe des Unternehmens ist und nicht was der Unternehmer in der Regel im Rahmen seines Unternehmens herstellt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. April 1988 V R 135/83, BFHE 135, 175, BStBl II 1988, 746).
Nach dem Urteil des BFH vom 26. April 1989 I R 172/87 (BFHE 157, 138, BStBl II 1989, 673) hat G als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin durch die Errichtung des Rohbaus gegen ein Wettbewerbsverbot verstoßen, so daß der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) i.V.m. § 266 des Strafgesetzbuches oder wahlweise ein Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks in E gemäß § 43 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, § 667 BGB bzw. gemäß §§ 681, 667 BGB zustehe. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob auch er ein Wettbewerbsverbot mit daraus folgender Schadensersatzverpflichtung bejahen würde. In einem bloßen Wettbewerbsverbot des G kann jedenfalls keine umsatzsteuerpflichtige Leistung der Klägerin gesehen werden. Die Hinnahme eines Schadens ist keine Leistung i.S. des § 3 Abs. 9 UStG 1980. Demzufolge liegt auch insoweit keine umsatzsteuerbare Leistung vor, als die Klägerin die ihr nach dem bezeichneten Urteil zustehenden Ansprüche gegen G nicht geltend gemacht hat. Weder die Geltendmachung noch die Nichtgeltendmachung eines Schadensersatzanspruchs (oder konkurrierenden Herausgabeanspruchs) ist eine der Umsatzsteuer unterliegende Leistung (vgl. BFH-Urteil vom 12. November 1970 V R 52/67, BFHE 100, 340, BStBl II 1971, 38). Nicht alles, was Gegenstand einer verdeckten Gewinnausschüttung sein kann, ist auch Gegenstand einer umsatzsteuerbaren Leistung.
Fundstellen
Haufe-Index 64547 |
BFH/NV 1994, 202 |