Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für ein sog. Erststudium nach abgeschlossener Berufsausbildung als Werbungskosten
Leitsatz (NV)
1. § 12 Nr. 5 EStG steht der Abziehbarkeit von beruflich veranlassten Kosten für ein Erststudium als Werbungskosten zumindest dann nicht entgegen, wenn diesem eine abgeschlossene Berufsausbildung vorausgegangen ist.
2. § 12 Nr. 5 EStG enthält kein Abzugsverbot für Werbungskosten. Die Vorschrift bestimmt lediglich in typisierender Weise, dass bei einer erstmaligen Berufsausbildung ein hinreichend veranlasster Zusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart fehlt.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nrn. 1, 5
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die … geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) begann nach erfolgreichem Abschluss einer Ausbildung zur Hotelfachfrau im September 2003 ein dreijähriges Studium an der Fachhochschule X im Studiengang Tourismusmanagement.
Für das Streitjahr (2004) machte die Klägerin den Abzug der Aufwendungen für das Studium in Höhe von 7 697 € als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah diese Ausgaben als Berufsausbildungskosten i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an und ließ diese nur in Höhe von 4 000 € zum Abzug zu. Durch Bescheid vom 4. August 2005 stellte das FA den verbleibenden Verlustvortrag zum 31. Dezember 2004 nach § 10d Abs. 4 EStG unter Berücksichtigung des Verlustvortrags des Vorjahres fest.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage unter Hinweis auf § 12 Nr. 5 EStG ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 838 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie macht u.a. die Verfassungswidrigkeit des § 12 Nr. 5 EStG geltend.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Feststellungsbescheid zum 31. Dezember 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 7 697 € berücksichtigt werden.
Das FA tritt der Revision entgegen und beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Die Aufwendungen der Klägerin für das Studium sind Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Die Aufwendungen sind keine Kosten der Berufsausbildung i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
1. Nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) können auch Aufwendungen für ein erstmaliges Hochschulstudium Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sein. Ob das Studium eine Basis für andere Berufsfelder schafft oder einen Berufswechsel vorbereitet, ist unerheblich (vgl. etwa BFH-Urteile vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01, BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407; vom 22. Juli 2003 VI R 50/02, BFHE 202, 563, BStBl II 2004, 889; vom 4. November 2003 VI R 96/01, BFHE 203, 500, BStBl II 2004, 891; vom 20. Juli 2006 VI R 26/05, BFHE 214, 370, BStBl II 2006, 764). Maßgeblich ist das Veranlassungsprinzip, das auch im Streitfall anzuwenden ist.
Die durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1753, BStBl I 2005, 343) rückwirkend in Kraft getretene (s. Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes) Bestimmung des § 12 Nr. 5 EStG hindert die Abziehbarkeit von beruflich veranlassten Kosten für ein sog. Erststudium zumindest dann nicht, wenn diesem --wie im Streitfall-- eine abgeschlossene Berufsausbildung vorausgegangen ist.
Nach § 12 Nr. 5 EStG dürfen Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Die Vorschrift bestimmt in typisierender Weise, dass Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung (und ein Erststudium) --von dem in Halbsatz 2 der Vorschrift genannten Fall abgesehen-- noch nicht mit einer konkreten beruflichen Tätigkeit und hieraus fließenden Einnahmen im Zusammenhang stehen.
Wegen der weiteren Begründung verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf das zur amtlichen Veröffentlichung bestimmte Urteil vom heutigen Tage, (Senatsurteil vom 18. Juni 2009 VI R 14/07; s. auch Senatsentscheidung vom 18. Juni 2009 VI R 31/07).
2. Danach ergibt sich hier aus den tatsächlichen Feststellungen des FG, dass die Aufwendungen der Klägerin für das Fachhochschulstudium dem Grunde nach beruflich veranlasst sind. Es besteht ein hinreichend konkreter Zusammenhang dieser Ausgaben mit späteren Einnahmen aus der angestrebten Tätigkeit als Hotelmanagerin. Die Klägerin war bereits vor Beginn des Studiums in der Hotelbranche tätig. Mit dem der Fortbildung dienenden Studium wollte sie die erforderlichen Fachkenntnisse und Fähigkeiten für den angestrebten Beruf erwerben. Da das Studium nicht "ins Blaue hinein" betrieben oder aus anderen privaten Gründen aufgenommen worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 1. Februar 2007 VI R 62/03, BFH/NV 2007, 1291, m.w.N.), sondern auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet war, sind hiermit im Zusammenhang stehende Aufwendungen dem Grunde nach als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar.
§ 12 Nr. 5 EStG kommt nicht zur Anwendung, weil die Klägerin vor Aufnahme ihres Studiums bereits eine abgeschlossene Ausbildung als Hotelfachfrau absolviert hatte. Die von der Klägerin geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Wirksamkeit des § 12 Nr. 5 EStG sind nicht entscheidungserheblich.
3. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Da das FG --aus seiner Sicht zu Recht-- zu den einzelnen von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen keine Feststellungen getroffen hat, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen