Leitsatz (amtlich)
1. Die Gebühr einer nach § 22 des Straßenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1952 (BGBl I, 837) i. d. F. d. Gesetzes vom 16. Juli 1957 (BGBl I, 710) ausgesprochenen gebührenpflichtigen Verwarnung kann nicht als Betriebsausgabe abgesetzt werden.
2. Hat ein Rechtsanwalt, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG 1965 durch Überschußrechnung ermittelt, die für seine Mandanten vor dem 1. Januar 1965 verauslagten Gerichtsgebühren als Betriebsausgaben berücksichtigt, so hat er die ihm nach dem 31. Dezember 1964 von den Mandanten erstatteten Auslagen als Betriebseinnahmen anzusetzen.
Normenkette
EStG 1965 § 4 Abs. 3 S. 2, § 52 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob die Gebühren für gebührenpflichtige Verwarnungen nach § 22 des Straßenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1952 (BGBl I, 837) i. d. F. d. Gesetzes vom 16. Juli 1957 (BGBl I, 710 - StVG - Betriebsausgaben sind und ob die vom Kläger verauslagten Gerichtskostenvorschüsse, die bis zum 31. Dezember 1964 als Betriebsausgaben behandelt worden waren, bei ihrer Erstattung nach diesem Zeitpunkt als Betriebseinnahmen oder nach § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG als durchlaufende Posten zu behandeln sind.
Der Kläger ist Rechtsanwalt und ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Überschußrechnung. Für die Veranlagungszeiträume 1964, 1965 und 1966 wurde er nach § 100 Abs. 2 AO vorläufig zur Einkommensteuer veranlagt. Bei einer Betriebsprüfung stellte der Prüfer u. a. folgendes fest:
1. In den Veranlagungszeiträumen 1964 bis 1966 hat der Kläger Gebühren für gebührenpflichtige Verwarnungen nach § 22 StVG als Betriebsausgaben gebucht. Der Prüfer vertrat die Auffassung, daß es sich bei diesen Aufwendungen nicht um Betriebsausgaben handele.
2. Der Kläger hat in zahlreichen Fällen für seine Mandanten Gerichts- und Gerichtsvollziehervorschüsse sowie Schreibgebühren verauslagt, die ihm später von den Mandanten erstattet wurden. Die Vorschüsse hat er als Betriebsausgaben und die Erstattungen als Betriebseinnahmen gebucht. Der Betriebsprüfer behandelte diese Vorfälle vom 1. Januar 1965 an nach § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG 1965 als durchlaufende Posten. Bei den Vorschüssen jedoch, die der Kläger vor dem 1. Januar 1965 als Betriebsausgaben gebucht und erst nach dem 31. Dezember 1964 vereinnahmt hat, vertrat der Prüfer unter Berufung auf die Übergangsvorschrift des § 52 Abs. 2 EStG 1965 die Auffassung, daß sie als Betriebseinnahmen erfaßt werden müßten. Die Höhe dieser erst nach dem 31. Dezember 1964 erstatteten Auslagen schätzte er auf insgesamt 4 500 DM. Das FA schloß sich der Auffassung des Prüfers an und berichtigte dementsprechend die Einkommensteuerbescheide 1964 bis 1966. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Im Klageverfahren trug der Kläger u. a. vor:
Die begührenpflichtigen Verwarnungen seien Betriebsausgaben, weil sie bei betrieblichen Fahrten mit dem Kraftfahrzeug ausgesprochen worden seien. Die nach dem 31. Dezember 1964 erstatteten Kostenvorschüsse dürften nach der Übergangsregelung in § 52 Abs. 2 EStG 1965 einkommensteuerrechtlich nicht mehr als Betriebseinnahmen erfaßt werden, auch wenn die Auslagen zuvor als Betriebsausgaben behandelt worden seien.
Das FG sah die gebührenpflichtigen Verwarnungen nicht als Betriebsausgaben an. Es führte aus, die gebührenpflichtigen Verwarnungen mögen zwar betrieblich veranlaßt sein, die höchstpersönliche und öffentlichrechtliche Natur dieser gegen ihn verhängten Verwarnungen verbiete es jedoch, sie durch ihre steuerrechtliche Behandlung als Betriebsausgaben zu einem Teil auf die Allgemeinheit zu verlagern. Dies habe der BFH für Kriminalstrafen zuletzt durch Urteil vom 6. November 1968 I R 12/66 (BFHE 94, 56, BStBl II 1969, 74) entschieden. Für gebührenpflichtige Verwarnungen könne nichts anderes gelten. Zwar habe die gebührenpflichtige Verwarnung keinen Strafcharakter, sie habe vielmehr eher den Charakter von Verfahrenskosten im Strafprozeß, da ihr eine Leistung der Verwaltung u. a. in Gestalt der Vorhaltung durch den verwarnenden Polizisten gegenüberstehe, jedoch könnten auch Kosten des Straiverfahrens keine Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG sein.
Zur Frage der Besteuerung der Kostenvorschüsse führte das FG aus, das FA habe dem Grunde nach zu Recht die nach dem 31. Dezember 1964 eingegangenen Erstattungen als Betriebseinnahmen erfaßt. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG in der ab 1. Januar 1965 geltenden Fassung würden bei der Gewinnermittlung Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ausscheiden, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden würden (durchlaufende Posten). Demgegenüber seien bis zum 31. Dezember 1964 Gerichtskostenvorschüsse bei ihrer Verauslagung durch einen Rechtsanwalt durchweg als Betriebsausgaben und bei ihrer Erstattung durch den Mandanten als Betriebseinnahmen angesehen worden. Das Gesetz sage jedoch nichts darüber, wie mit Auslagen zu verfahren sei, die keine durchlaufenden Posten, sondern echte Betriebsausgaben gewesen seien, weil ein Rechtsanwalt sie vor dem Stichtag verauslagt habe. Insoweit sei das Gesetz lückenhaft. Diese Lücke sei dahin zu schließen, daß Gerichtskostenvorschüsse, die sich vor dem 1. Januar 1965 als Betriebsausgaben ausgewirkt hätten, im Zeitpunkt ihres Rückflusses als Betriebseinnahmen zu behandeln seien.
Der Kläger beantragt mit der Revision, das Urteil des FG aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Das FG habe zu Unrecht die Gebühren für die Verwarnungen nach § 22 StVG nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Es habe sich ausnahmslos um Verwarnungen wegen Parkens im Parkverbot oder wegen Überschreitung der zulässigen Parkzeit an Parkuhren auf betrieblichen Fahrten gehandelt. Ein Suchen nach erlaubten Parkplätzen oder eine Unterbrechung längerer Besprechungen, um den Parkplatz zu wechseln, sei aus beruflichen Gründen unzumutbar und unzweckmäßig gewesen. Im übrigen wären ihm durch das Parken in Parkhäusern oder auf anderen reservierten Parkplätzen nicht wesentlich geringere Aufwendungen entstanden. Die gebührenpflichtigen Verwarnungen seien mit Geldstrafen und strafverfahrensrechtlichen Kosten nicht vergleichbar. Es sei schon zweifelhaft, ob nicht auch Geldstrafen und die Strafverfahrenskosten entgegen der Ansicht des BFH als Betriebsausgaben abzugsfähig seien. Jedenfalls würden aber die Erwägungen, die nach der Rechtsprechung zur Nichtabzugsfähigkeit der Geldstrafen und Strafverfahrenskosten geführt hätten, bei den gebührenpflichtigen Verwarnungen nicht zutreffen. Der BFH habe die Nichtabzugsfähigkeit von Geldstrafen u. a. damit begründet, daß der Strafzweck vereitelt werde, wenn der Verurteilte die Geldstrafe einkommensteuerrechtlich berücksichtigen könne. Die gebührenpflichtige Verwarnung verfolge dagegen keinen Strafzweck. Sie habe weder einen Strafcharakter noch enthalte sie einen ethischen Schuldvorwurf. Das Argument des BFH, eine kriminelle Geldstrafe dürfe nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden, sei nicht überzeugend. Jedenfalls könne es bei der Frage der Berücksichtigung von Verwarnungsgebühren nicht herangezogen werden. Dies gelte auch für den Gedanken der Einheit der Rechtsordnung. Selbst wenn man dem BFH folgen wolle, daß die Einheit der Rechtsordnung die Minderung der Strafe und Strafprozeßkosten über die Einkommensteuer verbiete, so gelte dies nicht für die Verwarnungsgebühren im Sinne des § 22 StVG. Diese seien schließlich auch nicht höchstpersönlicher Natur, wie dies vom BFH für die Kriminalstrafen angenommen werde. Die höchstpersönliche Natur der Kriminalstrafe lasse sich nur aus dem Wesen des Schuldstrafrechts und seines Schuldbegriffs rechtfertigen. Die gebührenpflichtigen Verwarnungen enthielten jedoch weder einen Schuldvorwurf noch ein ethisches Unwerturteil.
Zur Besteuerung der erstatteten Kostenvorschüsse führte der Kläger aus, § 52 Abs. 2 EStG 1965 schreibe ausdrücklich vor, daß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG erstmals auf durchlaufende Posten anzuwenden sei, die der Steuerpflichtige in Wirtschaftsjahren vereinnahme, die im Veranlagungszeitraum 1965 beginnen würden. Daraus folge eindeutig, daß solche Einnahmen unabhängig davon steuerfrei zu bleiben hätten, ob sie mit Ausgaben in früheren Veranlagungszeiträumen zusammenhingen oder nicht.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
1. Die Gebühren für die Verwarnungen nach § 22 StVG können, wie das FG zutreffend entschieden hat, nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.
Der BFH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß Geldstrafen und Geldbußen sowie die damit verbundenen Kosten des Verfahrens nicht als Betriebsausgaben abgesetzt werden können, und zwar auch dann nicht, wenn der Steuerpflichtige die zugrunde liegende Tat in oder bei Ausübung seiner betrieblichen (beruflichen) Tätigkeit begangen hat (vgl. Urteile vom 21. Juli 1955 IV 373/54 U, BFHE 61, 361, BStBl III 1955, 338; vom 10. September 1957 I 322/56 S, BFHE 65, 471, BStBl III 1957, 415; I R12/66; vom 18. Mai 1972 IV R 122/68, BFHE 105, 486, BStBl II 1972, 623). Wie der erkennende Senat im Urteil IV R 122/68 ausgeführt hat, beruht diese Rechtsprechung - abweichend von früheren Entscheidungen - vorwiegend auf der Erwägung, daß die Rechtsordnung eine Einheit bilde und es nicht angehe, Geldstrafen und Geldbußen mittelbar dadurch zu mildern oder aufzuheben, daß ihre Entrichtung zu einer Steuersenkung führe; auch könne es nicht Rechtens sein, Geldstrafen über das Steuerrecht zum Teil auf die Allgemeinheit abzuwälzen.
Diese Grundsätze, an denen der Senat festhält, führen auch im Falle der gebührenpflichtigen Verwarnungen im Sinne des § 22 StVG zur Versagung des Abzugs der entrichteten Gebühren. Zwar handelte es sich bei diesen Gebühren nicht um Geldstrafen oder Geldbußen; auch kann ihnen ein strafähnlicher Charakter nicht beigemessen werden. Jedoch war die gebührenpflichtige Verwarnung ebenso wie eine Geldstrafe oder Geldbuße die Folge eines - wenn auch leichteren - Verstoßes gegen die Rechtsordnung, nämlich gegen die gesetzlichen Verkehrsregeln. Der Vorschrift des § 22 StVG lag der Gedanke zugrunde, daß es in Fällen leichterer Verkehrszuwiderhandlungen ausreichte, wenn anstatt der Einleitung eines Strafverfahrens bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ein Polizeibeamter eine Verwarnung aussprach und hierfür eine Gebühr erhob; die gebührenpflichtige Verwarnung trat also - wenn auch strafrechtlich in anderer Qualifikation - an die Stelle der sonst verwirkten Strafsanktion (vgl. Flögel-Hartung, Straßenverkehrsrecht, 17. Aufl., § 22 StVG Anm. 2). Folglich kann es unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung für die steuerrechtliche Beurteilung keinen Unterschied machen, ob ein Verkehrsverstoß zu einer Geldstrafe oder an deren Stelle nur zu einer gebührenpflichtigen Verwarnung geführt hat.
Daß die Verkehrsverstöße - wie der Kläger einwendet - im Falle der gebührenpflichtigen Verwarnung nicht von einem Gericht, sondern von einem Polizeibeamten festgestellt wurden, ist dabei unerheblich. Der Kläger kann sich jedenfalls nicht darauf berufen, keinen Verstoß gegen die Verkehrsregeln begangen zu haben, so daß die Verwarnungen und Zahlungen der Gebühren zu Unrecht erfolgt seien; denn die gebührenpflichtige Verwarnung war nur zulässig, wenn der Betroffene nach Belehrung über sein Weigerungsrecht mit ihr einverstanden und zur sofortigen Zahlung der Gebühr bereit war (§ 22 Abs. 1 Satz 2 StVG). Der Betroffene hatte also die Möglichkeit, durch Ausübung seines Weigerungsrechts eine gerichtliche Entscheidung über den Verkehrsvorfall herbeizuführen. Machte er hiervon keinen Gebrauch, indem, er die gebührenpflichtige Verwarnung entgegennahm und die Gebühr hierfür bezahlte, so ist auch steuerrechtlich davon auszugehen, daß die gebührenpflichtige Verwarnung tatsächlich auf einem Verstoß gegen die Verkehrsregeln beruhte.
Ob - wie das FG meint - die mit der Verwarnung verbundene Gebühr, die als Gegenleistung für das Verwaltungshandeln des Polizeibeamten anzusehen ist (vgl. Beschluß des BVerfG vom 4. Juli 1967 2 BvL 10/62, BVerf-GE 22, 125 [131]), mit den steuerrechtlich nicht als Betriebsausgaben abzugsfähigen Verfahrenskosten eines Strafprozesses vergleichbar ist, kann offen bleiben. Denn jedenfalls sind die Verwarnung und die Zahlung der Gebühr als einheitlicher Vorgang anzusehen, d. h. die Zahlung der Gebühr kann nicht getrennt von der erteilten Verwarnung so betrachtet werden, als ob die Zahlung der Gebühr nicht mehr unmittelbare Folge des festgestellten Verkehrsverstoßes gewesen sei. Dies ergibt sich schon daraus, daß - wie bereits ausgeführt - die Verwarnung nach § 22 Abs. 2 StVG nur zulässig war, wenn sich der Betroffene auch zur sofortigen Zahlung der Gebühr bereit erklärte.
2. Dem FG ist im Ergebnis auch darin beizupflichten, daß die von den Mandanten in den Jahren 1965 und 1966 ersetzten Auslagen des Klägers als Einnahmen den Gewinn dieser Jahre entsprechend erhöht haben. Allerdings ergibt sich dies entgegen der Auffassung des FG nicht im Wege der Ausfüllung einer Gesetzeslücke, sondern aus der Auslegung des Begriffs des durchlaufenden Postens im Sinne der §§ 4 Abs. 3 Satz 2 und 52 Abs. 2 EStG 1965. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG 1965 sind bei der Überschußrechnung durchlaufende Posten nicht zu berücksichtigen. Der Sinn dieser Vorschrift liegt darin, daß Einnahmen, die der Steuerpflichtige von einem Dritten erhält, um sie in dessen Namen und für dessen Rechnung für einen bestimmten Zweck zu verwenden, das Betriebsergebnis nicht beeinflussen sollen. Der Begriff des durchlaufenden Postens im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG umfaßt daher sinngemäß die Einnahme und die entsprechende Ausgabe, d. h. der Vorgang der Einnahme stellt für sich allein begrifflich noch keinen durchlaufenden Posten dar. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Einnahme vor der Ausgabe erfolgt ist - dies ist der eigentliche Tatbestand des durchlaufenden Postens -, oder ob die Einnahme nachträglich eine zuvor im Namen und für Rechnung eines anderen vorgenommene Auslage ersetzen soll (sog. Auslagenersatz). In beiden Fällen erfüllt erst der einheitliche Vorgang der Einnahme und Ausgabe den Begriff des durchlaufenden Postens im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG.
Nicht anders ist auch der Begriff des durchlaufenden Postens in der Übergangsvorschrift des § 52 Abs. 2 EStG 1965 zu verstehen. Wenn es dort heißt, daß die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG erstmals auf durchlaufende Posten anzuwenden ist, die in Wirtschaftsjahren vereinnahmt und verausgabt werden, die im Veranlagungszeitraum 1965 beginnen, so kann dies sinngemäß nur bedeuten, daß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG 1965 erstmals für solche durchlaufende Posten zur Anwendung kommen soll, bei denen die Einnahmen und die Ausgaben nach dem in § 52 Abs. 2 EStG 1965 genannten Stichtag erfolgt sind.
Fundstellen
Haufe-Index 71815 |
BStBl II 1976, 370 |
BFHE 1976, 307 |
NJW 1976, 1232 |