Entscheidungsstichwort (Thema)
Lange Dauer der Betriebsverpachtung führt nicht zwangsweise zu Betriebsaufgabe
Leitsatz (amtlich)
1. Im Falle der Betriebsverpachtung ist grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung so lange von einer Fortführung des Betriebs auszugehen, wie eine Betriebsaufgabe nicht erklärt worden ist und die Möglichkeit besteht, den Betrieb fortzuführen.
2. Hat der Steuerpflichtige bei Einstellung der werbenden Tätigkeit von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Aufdeckung der stillen Reserven zu vermeiden und den Betrieb fortzuführen, kann eine spätere Betriebsaufgabe nur dann angenommen werden, wenn sie den äußeren Umständen nach klar zu erkennen und der Zeitpunkt eindeutig zu bestimmen ist.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 3; AO § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; FGO § 118 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1. (M) war im Streitjahr (1998) mit 97 % an einer GbR beteiligt. Weitere Gesellschafterin war ihre Tochter (T), die Klägerin und Revisionsklägerin zu 2., mit einem Anteil von 3 %. Die Geschäftstätigkeit der GbR bestand in der Vermietung eines vierstöckigen Geschäftshauses, das im Alleineigentum der M steht. Im Jahr 2000 gründeten M und T eine GmbH & Co. KG, die seither das Geschäftshaus vermietet.
Bis Ende 1969 hatten M und ihre Mutter in dem Geschäftshaus ein Einzelhandelsgeschäft (Schuhgeschäft) betrieben. Ab 1970 wurde das gesamte Gebäude an ein anderes Unternehmen vermietet, das dort ebenfalls ein Schuhgeschäft betrieb. Die Mieterin nutzte das Erdgeschoss und das I. Obergeschoss als Ladenräume sowie das II. Obergeschoss und das Dachgeschoss als Lager- und Personalräume.
1979 trat M einen Kapitalanteil von 3 % an der vermietenden GbR an T ab, die seitdem Gesellschafterin ist. 1991 starb die Mutter der M und wurde von ihr allein beerbt. Seitdem steht das Grundstück im Alleineigentum von M.
Das seit 1970 bestehende Mietverhältnis endete im Januar des Streitjahres. Ab Februar wurden das Erd- und das I. Obergeschoss für die Dauer von 10 Jahren an eine Handelskette vermietet, die dort ein Bekleidungsgeschäft betreibt. Die weiteren Geschosse standen zunächst leer. Im November des Streitjahres stellte M einen Bauantrag, um das II. Obergeschoss in ein Büro und das Dachgeschoss in eine Wohnung umzubauen. Nach Abschluss der Bauarbeiten wurden beide Etagen ab dem Jahr 2000 für 10 Jahre an einen Arzt zum Betrieb einer Praxis vermietet.
Die GbR ging von einer Fortführung des "ruhenden" Betriebs aus und erklärte für das Streitjahr weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, die GbR habe durch die Neuverpachtung und den Bauantrag ihren Betrieb aufgegeben, weil der ursprünglich betriebene Schuheinzelhandel nicht mehr identitätswahrend fortgeführt werden könne. Das FA erließ einen entsprechend geänderten Feststellungsbescheid für das Streitjahr. Die darin enthaltene Aufteilung der Besteuerungsgrundlagen auf M und T endete jeweils mit dem Satz: "Der Beteiligte ist am 31.12.1998 ausgeschieden." Der nachfolgende Einspruch blieb erfolglos.
Dagegen erhoben die Klägerinnen, handelnd als Gesellschafterinnen der GbR, Klage, mit der sie zugleich beantragten festzustellen, dass die Gesellschaft zum 31. Dezember 1998 nicht aufgelöst worden sei.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass die GbR ihren Gewerbebetrieb im Streitjahr aufgegeben habe. Zwar habe sie keine entsprechende Betriebsaufgabeerklärung abgegeben. Die Fortführung des Unternehmens erscheine aber nach einem so langen Zeitraum als ausgeschlossen, nachdem der Gewerbebetrieb ab dem Streitjahr nicht im Ganzen, sondern mit nur zwei Geschossen an ein branchenfremdes Unternehmen vermietet worden sei, während zwei weitere Geschosse nach einem Umbau an einen Arzt langfristig vermietet worden seien. Das FG habe auch nicht den Eindruck gewonnen, dass die Fortführung des bis Ende 1969 in eigener Regie betriebenen Schuhhandelsgeschäftes ernsthaft in Erwägung gezogen werde. Die Feststellung, dass die GbR auch nach dem 31. Dezember 1998 noch bestanden habe, sei im vorliegenden Verfahren nicht zu treffen, weil sie keine Auswirkung auf die Gewinnfeststellung für das Streitjahr habe. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 122 veröffentlicht.
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerinnen. Sie rügen eine Verletzung des § 16 Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wegen fehlerhafter Annahme einer Zwangsbetriebsaufgabe, des § 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen fehlerhafter Feststellung einer fehlenden Fortführungsabsicht und des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) i.V.m. §§ 705 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wegen fehlerhafter Abweisung ihres Antrags, die Feststellung des Ausscheidens der Klägerinnen aus der GbR zum 31. Dezember 1998 aufzuheben.
Die Klägerinnen beantragen,
"unter Kassierung des angefochtenen Urteils" den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für das Jahr 1998 vom 19. März 2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2003 insoweit aufzuheben,
a) als in dem Bescheid ein Aufgabegewinn in Höhe von 1 095 799 DM festgesetzt worden ist,
und
b) als das Ausscheiden der Klägerinnen aus der GbR zum 31. Dezember 1998 festgestellt worden ist.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet, soweit sich die Klägerinnen gegen die Annahme einer Zwangsbetriebsaufgabe und die Feststellung eines Betriebsaufgabegewinns wenden. Insoweit war das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Revision ist hingegen nicht begründet, soweit die Klägerinnen die Aufhebung der "Feststellung", sie seien zum 31. Dezember 1998 aus der GbR ausgeschieden, beantragt haben.
1. Die Dauer der Betriebsverpachtung rechtfertigt --entgegen der Auffassung des FG-- die Annahme einer zwangsweisen Betriebsaufgabe nicht. Daran ändern auch der Branchenwechsel auf der Pächterseite und die Verkleinerung der an den Einzelhändler verpachteten Betriebsräume sowie die Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Absicht, die Eigenbewirtschaftung des verpachteten Betriebs wieder aufzunehmen, nichts.
a) Wird ein Gewerbebetrieb verpachtet, so kann der Verpächter erklären, ob er den Vorgang als Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 EStG behandeln und damit die Gegenstände seines Betriebs in sein Privatvermögen überführen oder ob und wie lange er das Betriebsvermögen während der Verpachtung fortführen will (ständige Rechtsprechung seit dem Urteil des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. November 1963 GrS 1/63, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124). Die im verpachteten Betrieb vorhandenen stillen Reserven sind --wie der Große Senat des BFH im Urteil in BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124 weiter entschieden hat-- erst aufgedeckt und damit zu versteuern, wenn der Verpächter die Betriebsgegenstände in sein Privatvermögen überführt (§ 16 Abs. 3 EStG) oder wenn er vorher den verpachteten Betrieb veräußert (§ 16 Abs. 1 EStG).
b) Die Betriebsverpachtungsgrundsätze sind nicht nur dann anzuwenden, wenn der Betrieb im Ganzen als geschlossener Organismus verpachtet wird; sie gelten auch dann, wenn zumindest alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs verpachtet werden (BFH-Urteile vom 11. Oktober 2007 X R 39/04, BFHE 219, 144, BStBl II 2008, 220, unter II.3.a der Gründe; vom 28. August 2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10, unter II.1.b der Gründe). Werden die wesentlichen Betriebsgrundlagen so umgestaltet, dass sie nicht mehr in der bisherigen Form genutzt werden können, entfällt die Möglichkeit der Betriebsfortführung; der Verpächter stellt die unternehmerische Tätigkeit endgültig ein (BFH-Urteile vom 26. Februar 1997 X R 31/95, BFHE 183, 65, BStBl II 1997, 561, unter 3.b der Gründe; vom 15. Oktober 1987 IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260, unter 1. der Gründe). Ebenso führt die Veräußerung wesentlicher Teile des Betriebsvermögens auch ohne ausdrückliche Erklärung zur Betriebsaufgabe mit der Folge, dass dann nur noch die einzelnen, dem Privatvermögen zuzurechnenden Gegenstände verpachtet sind (BFH-Urteile in BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10, unter II.1.e der Gründe; vom 19. Januar 1983 I R 84/79, BFHE 138, 50, BStBl II 1983, 412, 413; vom 21. Mai 1992 X R 77-78/90, BFH/NV 1992, 659; vom 22. Oktober 1992 III R 7/91, BFH/NV 1993, 358, 359; vom 17. April 1997, VIII R 2/95, BFHE 183, 385, BStBl II 1998, 388, m.w.N.).
c) Welche Gegenstände in diesem Sinne als wesentliche, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgrundlagen in Betracht kommen, bestimmt sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der spezifischen Verhältnisse des betreffenden Betriebs (BFH-Urteile vom 6. November 2008 IV R 51/07, BStBl II 2009, 303, unter II.1.c aa der Gründe; in BFHE 219, 144, BStBl II 2008, 220, unter II.3.b der Gründe, m.w.N.). Maßgebend ist dabei auf die sachlichen Erfordernisse des verpachtenden Unternehmens abzustellen (sog. funktionale Betrachtungsweise; BFH-Urteile in BFHE 183, 385, BStBl II 1998, 388, unter II.2.b der Gründe; in BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10, unter II.1.c der Gründe, m.w.N.; vom 11. Februar 1999 III R 112/96, BFH/NV 1999, 1198; vom 19. Februar 2004 III R 1/03, BFH/NV 2004, 1231, unter II.1. der Gründe, zur Umstellung eines Hotelbetriebs mit gleichzeitiger Verkleinerung).
Bei einem Einzelhandelsbetrieb bildet regelmäßig das Betriebsgrundstück die alleinige wesentliche Betriebsgrundlage, wenn ihm durch seine Lage, den hierdurch bedingten örtlichen Wirkungskreis und den dadurch wiederum bestimmten Kundenkreis im Verhältnis zu den übrigen Wirtschaftsgütern besondere Bedeutung zukommt (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1992 III R 5/92, BFH/NV 1993, 233; Schmidt/Wacker, EStG, 28. Aufl., § 16 Rz 697, jeweils m.w.N.). Demgegenüber gehören Inventar und Warenbestand bei einem Einzelhandelsbetrieb grundsätzlich nicht zu den für die Möglichkeit der Betriebsfortführung wesentlichen Betriebsgrundlagen (BFH-Urteil in BStBl II 2009, 303, unter II.1.c aa der Gründe, m.w.N.; anders zur Abgrenzung des Aufgabegewinns i.S. des § 16 EStG vom laufenden Gewinn BFH-Urteil vom 29. November 1988 VIII R 316/82, BFHE 156, 408, BStBl II 1989, 602, unter 6. der Gründe).
d) Eine Betriebsverpachtung wird nicht von vornherein dadurch ausgeschlossen, dass das mietende/pachtende Unternehmen einer anderen Branche angehört als der Vermieter/Verpächter. Denn entscheidend ist nicht, ob der Mieter bzw. Pächter den bisherigen Betrieb fortführt, sondern ob der Vermieter bzw. Verpächter oder sein Rechtsnachfolger die Eigenbewirtschaftung nach Ablauf des Nutzungsverhältnisses ohne wesentliche Änderung wieder aufnehmen kann (BFH-Urteil in BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10, unter II.2.c der Gründe). Aus dem Vergleich mit der --nicht zur Aufdeckung der stillen Reserven zwingenden-- Betriebsunterbrechung ohne Verpachtung der wesentlichen Betriebsgrundlagen folgt zugleich, dass auch der mit einer branchenfremden Verpachtung verbundene Verlust an Goodwill des bisherigen Unternehmens keine entscheidende Rolle spielen kann (BFH-Urteile in BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10, unter II.2.c der Gründe; vom 20. Dezember 2000 XI R 26/00, BFH/NV 2001, 1106).
e) Im Falle der Betriebsverpachtung kann der Steuerpflichtige (auch) wählen, wie lange er das Betriebsvermögen fortführt; die Verpachtung stellt eine Nutzung des Betriebs in anderer Form dar, bis dessen Aufgabe erklärt wird (Urteil des Großen Senats des BFH in BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124). Handelt es sich jedoch um eine Fortführung des Betriebs in anderer Form (s. zuletzt BFH-Urteil in BStBl II 2009, 303, unter II.1.c bb der Gründe), besteht ebenso wenig wie bei einem werbenden oder --worauf die Klägerinnen zu Recht hingewiesen haben-- bei einem gewerblich geprägten Betrieb die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung, um "ewiges" Betriebsvermögen zu vermeiden (vgl. Wendt, Finanz-Rundschau --FR-- 1998, 264, unter 2. und 4.b). Es ist daher ohne zeitliche Begrenzung so lange von einer Fortführung des Betriebs auszugehen, wie eine Betriebsaufgabe nicht erklärt worden ist und die Möglichkeit der Wiederaufnahme oder Fortführung des Betriebs besteht (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 8. Februar 2007 IV R 65/01, BFHE 216, 412, unter II.2.d dd der Gründe; BFH-Beschluss vom 12. Januar 2007 XI B 39/06, BFH/NV 2007, 710).
aa) Dem entsprechend hat der BFH eine Verpachtungsdauer von 22 Jahren (BFH-Beschluss vom 20. Juli 2007 X B 131/06, BFH/NV 2007, 2100), von 25 Jahren (BFH-Beschluss vom 7. Oktober 1998 VIII B 43/97, BFH/NV 1999, 350) und von 30 bis 40 Jahren (BFH-Beschluss vom 24. März 2006 VIII B 98/01, BFH/NV 2006, 1287) als unschädlich angesehen. Dabei hat er es abgelehnt, eine für alle Fälle gültige Höchstdauer der Verpachtung festzulegen (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 2006 VIII R 80/03, BFHE 212, 541, BStBl II 2006, 591, unter II.2.c bb der Gründe; BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1287).
bb) Zwar hat der III. Senat des BFH zu noch 80 Jahre laufenden Erbbaurechten im Urteil in BFH/NV 2004, 1231, unter 3. der Gründe a.E. die Auffassung vertreten, dass nicht mehr von einem ruhenden Gewerbebetrieb ausgegangen werden könne, wenn der zeitliche Rahmen, innerhalb dessen der Betrieb an den Steuerpflichtigen zurückfalle, so weit in die Zukunft verlagert sei, dass er mehrere Generationen umspanne. Soweit daraus eine absolute zeitliche Höchstgrenze abzuleiten ist, hat der Senat Bedenken, dem für Betriebsverpachtungen zu folgen, zumal der Große Senat des BFH im Verpachtungsfall --anders als die frühere, aufgegebene Rechtsprechung-- nicht vom Ruhen des Gewerbebetriebs, sondern von dessen Fortführung in anderer Form ausgegangen ist (Urteil in BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124). Da der Streitfall mit dem vom III. Senat entschiedenen Fall (Urteil in BFH/NV 2004, 1231) nicht vergleichbar ist, bedarf es insoweit jedoch keiner abschließenden Entscheidung.
cc) Auch der Gesichtspunkt der Betriebsunterbrechung rechtfertigt in Verpachtungsfällen die Festlegung einer zeitlichen Höchstgrenze nicht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 212, 541, BStBl II 2006, 591, unter II.2.b bb (2) der Gründe).
f) Wie der Große Senat des BFH im Urteil in BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124 entschieden hat, muss der Steuerpflichtige den Finanzbehörden gegenüber klar zum Ausdruck bringen, wie er sich nach der Verpachtung des Betriebs den weiteren Fortgang denkt, weil die Situation in tatsächlicher Hinsicht gewöhnlich nicht eindeutig ist. Erklärt er, dass er den Betrieb verpachtet habe, weil er ihn aufgeben wolle, so ist der Vorgang als Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 EStG zu behandeln. Andernfalls gilt der Betrieb als fortbestehend; er wird dann in anderer Form als bisher genutzt (Urteil des Großen Senats des BFH in BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124).
aa) Aus Beweisgründen ist dem entsprechend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige bei Einstellung der werbenden Tätigkeit und Verpachtung des Betriebs die Fortführung des Betriebs in anderer Form wählt, um eine Aufdeckung der stillen Reserven zu vermeiden, sofern er nicht unmissverständlich und eindeutig die Aufgabe des Betriebs erklärt (ständige Rechtsprechung; vgl. u.a. BFH-Urteile vom 8. März 2007 IV R 57/04, BFH/NV 2007, 1640, unter II.1.a der Gründe; vom 26. August 2004 IV R 52/02, BFH/NV 2005, 674, unter I.3.a der Gründe). Die Aufgabeerklärung ist allerdings nicht an eine bestimmte Form gebunden; sie kann sich auch aus konkludenten Handlungen ergeben (BFH-Urteile in BFH/NV 2007, 1640, unter II.1.a der Gründe; vom 15. Oktober 1987 IV R 91/85, BFHE 151, 392, BStBl II 1988, 257, unter 4. der Gründe). Maßgeblich sind die nach außen erkennbaren Umstände bei Einstellung des werbenden Betriebs (BFH-Urteil in BFHE 216, 412, unter II.2.d bb und cc der Gründe).
bb) Hat der Steuerpflichtige bei Einstellung der werbenden Tätigkeit von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Aufdeckung der stillen Reserven zu vermeiden und den Betrieb fortzuführen, muss er sich grundsätzlich daran festhalten lassen. Eine spätere Betriebsaufgabe kann nur dann angenommen werden, wenn sie den äußeren Umständen nach klar zu erkennen und der Zeitpunkt eindeutig bestimmbar ist; dazu bedarf es in der Regel einer ausdrücklichen Aufgabeerklärung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 412, unter II.2.d dd der Gründe zur "schleichenden" Betriebseinstellung; vgl. auch Kanzler, FR 2007, 800; Schmidt/ Wacker, a.a.O., § 16 Rz 706). Auf innere Vorbehalte, Motive oder Absichten kommt es nicht an (vgl. Dötsch, FR 2007, 589, 594; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 16 EStG Rz 418, 495; Wendt, FR 2006, 828).
cc) Soweit bisher auch in Fällen der Betriebsverpachtung eine darüber hinaus gehende Absicht, die unterbrochene Tätigkeit nach Pachtende wiederaufzunehmen und deren objektiv wahrscheinliche Verwirklichung für erforderlich gehalten wurde (vgl. Senatsurteile vom 16. Dezember 1999 IV R 53/99, BFH/NV 2000, 1078, unter 1.e der Gründe; vom 18. März 1999 IV R 65/98, BFHE 188, 310, BStBl II 1999, 398, unter 3.b der Gründe; BFH-Urteil vom 27. Februar 1985 I R 235/80, BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456, unter II.2. der Gründe; Senatsbeschluss vom 20. Januar 1999 IV B 99/98, BFH/NV 1999, 1073), beabsichtigt der Senat, daran in Zukunft nicht mehr festzuhalten. Es handelt sich um ein letzlich nur "pro forma" aufgestelltes subjektives Merkmal (Dötsch, FR 2007, 589, 595), das in der bisherigen Rechtsprechung nicht entscheidungserheblich war. (vgl. HHR/Kulosa, § 16 EStG Rz 418; Schuster, FR 2007, 584; Wendt, FR 2006, 828). Im Hinblick auf die ausdrückliche Fortführungserklärung der Klägerinnen bedarf es insoweit im Streitfall jedoch keiner abschließenden Entscheidung (s. vorstehend unter II.1.e und II.1.f bb).
2. Nach ständiger Rechtsprechung bindet die Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG nach § 118 Abs. 2 FGO den BFH, auch wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist. Das gilt nur dann nicht, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder gesichertes Erfahrungswissen verstößt oder ihr zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung zu Grunde liegen (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 2005 IX R 76/03, BFHE 212, 360, BStBl II 2006, 359; BFH-Beschluss vom 5. Juli 2006 IV B 91/05, BFH/NV 2006, 2245).
3. Das angefochtene Urteil entspricht diesen Grundsätzen darin, dass die wirtschaftliche Identität des Gewerbebetriebs nach der Verpachtung/Vermietung bestehen geblieben ist, nicht jedoch hinsichtlich der Höchstdauer der Vermietung/Verpachtung und der Wiederaufnahmeabsicht.
a) Die Vorentscheidung ist nicht zu beanstanden, soweit das FG entschieden hat, dass der Umbau des II. und III. Obergeschosses des Geschäftshauses sowie der Branchenwechsel des Mieters des Einzelhandelsgeschäfts nicht zu einer zwangsweisen Betriebsaufgabe geführt haben. Das FG konnte zu der Auffassung gelangen, dass die Lager- und Personalräume nicht zu den funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen des Einzelhandelsgeschäfts gehörten, so dass ihre Umgestaltung und anderweitige Vermietung unschädlich war. Ebenso wenig führte der Umstand zum Wegfall der wirtschaftlichen Identität des vermieteten Gewerbebetriebs, dass der neue Mieter ein Bekleidungsgeschäft und nicht mehr ein Schuhgeschäft betrieb.
b) Entgegen der Auffassung des FG ergibt sich eine Betriebsaufgabe aber nicht aus der Dauer der Neuverpachtung. Nach den Feststellungen des FG verlängerte sich durch die erneute Vermietung der Räume im Erdgeschoss und im I. Obergeschoss deren Mietdauer auf insgesamt 38 Jahre mit der Option einer Verlängerung um weitere fünf Jahre auf dann insgesamt 43 Jahre. Dieser Zeitablauf ist nicht geeignet, eine zwangsweise Betriebsaufgabe zu begründen. Hinzu kommt, dass sich nur so Unsicherheiten über den Zeitpunkt einer solchen Zwangsaufgabe vermeiden lassen.
c) Auch die vom FG vermuteten inneren Vorbehalte der Klägerinnen, in dem Geschäftsgrundstück tatsächlich wieder selbst ein Schuhgeschäft zu betreiben, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Unstreitig haben sie erklärt, den Gewerbebetrieb auch nach der erneuten Vermietung fortführen zu wollen. Die Fortführung war nach den Feststellungen des FG objektiv möglich. Bei dieser Sachlage kommt es auf Annahmen über die wirklichen Absichten der Klägerinnen nicht an (gl. A. HHR/Kulosa, § 16 EStG Rz 418), zumal es sich dabei letztlich nur um Spekulationen handeln kann.
4. Soweit sich die Klägerinnen gegen die jeweiligen Angaben im angefochtenen Bescheid wenden, sie seien zum 31. Dezember 1998 aus der GbR ausgeschieden, ist die Revision unbegründet. Die Klage war insoweit unzulässig, weil die Klägerinnen nicht beschwert sind. Das FG hat die Klage in diesem Punkt im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
a) Wird in einem Steuer- oder Feststellungsbescheid eine Rechtsauffassung geäußert, die sich nicht auf die Veranlagung des laufenden Jahres auswirkt und auch nicht in sonstiger Weise bindend ist, wird der Steuerpflichtige dadurch nicht beschwert. Eine solche Äußerung kann daher weder durch Anfechtungs- noch durch Feststellungsklage angegriffen werden (BFH-Urteil vom 27. Januar 1972 IV R 157/71, BFHE 105, 1, BStBl II 1972, 465). Ob eine bindende Regelung getroffen wurde, richtet sich nach dem Regelungsinhalt eines Bescheides. Dieser ergibt sich für die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO. Das Feststellungsfinanzamt hat danach Feststellungen über alle Umstände zu treffen, die die Besteuerung der gemeinschaftlichen Einkünfte beeinflussen und die nach Sinn und Zweck des Gewinnfeststellungsverfahrens vorab mit Bindungswirkung für die Veranlagung der Beteiligten festgestellt werden sollen (BFH-Urteil in BFHE 216, 412, unter II.1.a der Gründe; Söhn in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 180 AO Rz 227).
b) Die im angefochtenen Feststellungsbescheid enthaltene Äußerung, die Klägerinnen seien zum 31. Dezember des Streitjahres aus der GbR ausgeschieden, gehört danach nicht zu dessen Regelungsinhalt, wie das FG im Ergebnis zutreffend entschieden hat. Denn diese Äußerung betrifft eine zivilrechtliche (Vor-) Frage; sie ist nicht Gegenstand einer bindenden Feststellung für die Veranlagung, sondern Begründung für den festgestellten Aufgabegewinn. Auswirkungen auf die Besteuerung der Klägerinnen im Streitjahr hat sie nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 2196511 |
BFH/NV 2009, 1493 |
BFH/PR 2009, 368 |
BStBl II 2009, 902 |
BFHE 2010, 334 |
BB 2009, 1779 |
DStRE 2009, 1054 |
HFR 2009, 1085 |