Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Verfahrensrecht, Abgabenordnung, Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Das Interesse des Steuerpflichtigen an der Minderung seiner Hypothekengewinnabgabe rechtfertigt die Fortschreibung des Einheitswerts seines kriegsbeschädigten Grundstücks von Amts wegen auf einen vor Eintritt des Schadensfalls liegenden Feststellungszeitpunkt jedenfalls dann nicht, wenn sämtliche von dem fortzuschreibenden Einheitswert abhängigen Steuern verjährt sind.
Normenkette
BewG § 22; AO § 225a; LAG § 100
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) wünscht Fortschreibung des Einheitswertes ihres Grundstücks von Amts wegen auf den 1. Januar 1943 oder 1. Januar 1945 oder 1. Januar 1948. Sie ist der Ansicht, daß der Einheitswert auf den 1. Januar 1935 mit 401.000 RM zu niedrig festgestellt worden sei, und beantragt Erhöhung des Einheitswerts auf 741.000 RM. Das Finanzamt hat die Wertfortschreibung abgelehnt. Der Einspruch hiergegen wurde zurückgewiesen, da die Bfin. grundlos lange Zeit mit ihrer Antragstellung (Datum des Antrags 2. Oktober 1951) gewartet habe. Dies wurde von der Bfin. in der Berufung bestritten. Sie habe die Fehlerhaftigkeit des Einheitswertbescheids 1935 erst bei Prüfung des Wertfortschreibungsbescheids auf den 21. Juni 1948 und beim Vergleich der beiden Bescheide zu erkennen vermocht. Daraufhin habe sie alsbald die erforderlichen Schritte beim Finanzamt unternommen. Die Frage der Fehlerhaftigkeit des Einheitswertbescheids 1935 und die Verzögerung der Antragstellung sind in der Berufung von den Beteiligten eingehend erörtert worden. Die Berufung wurde vom Finanzgericht als unbegründet zurückgewiesen. Das Urteil ist im wesentlichen, wie folgt, begründet worden: Die Bfin. habe wegen Auswirkung der Wertfortschreibung auf die Höhe der Umstellungsgrundschulden und die Minderung der Hypothekengewinnabgabe an sich ein rechtliches Interesse an der begehrten Wertfortschreibung. Nach § 3a des Gesetzes zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich vom 2. September 1948 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl - S. 87) sei, wenn Grundstücke von Kriegsschäden betroffen worden seien, auf die nach § 1 des Gesetzes entstandenen Grundschulden ganz oder teilweise zu verzichten. Nach § 3a Abs. 3 a. a. O. sei ein Verzicht auf die Grundschulden in Höhe des Betrages auszusprechen, der sich aus dem Verhältnis des Sachschadens zu dem Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts vor dem Schadensfall errechne. Als Sachschaden gelte hierbei der Unterschied zwischen dem letzten Einheitswert vor dem Schadensfall und dem auf den 21. Juni 1948 fortgeschriebenen Einheitswert. Eine ähnliche Regelung sei im § 100 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) für die Hypothekengewinnabgabe getroffen worden. Trotz dieses für die Bfin. bestehenden Interesses an einer Fortschreibung könne im Streitfall jedoch keine Fortschreibung von amtswegen vorgenommen werden. Denn bei der Wertfortschreibung dürfe auf keinen so weit zurückliegenden Feststellungszeitpunkt zurückgegangen werden, daß sich die Wertfortschreibung auf die vom Einheitswert abhängigen Steuern wegen deren Verjährung nicht auswirken könne. Dieser Fall sei bei Vornahme der Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1943 und 1. Januar 1945 gegeben, da die Grundsteuern für 1943 und 1945 und die Vermögensteuern für diese Jahre bereits verjährt seien. Die Grundsteuer für 1948 sei allerdings erst am 31. Dezember 1951 und die Vermögensteuer 1948 erst am 31. Dezember 1953 verjährt gewesen. Damit wäre an sich am 2. Oktober 1951 (Datum der Antragstellung) eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1948 noch möglich gewesen. Indessen hätte die gewünschte Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1948 mit dem Ziel der Erhöhung des Einheitswerts nicht vorgenommen werden können, weil hierbei der tatsächliche Zustand des Grundstücks am 1. Januar 1948 zu berücksichtigen gewesen wäre. Dieser sei aber, da der Kriegsschaden bereits im Jahre 1943 eingetreten sei, der gleiche gewesen, wie bei der Wertfortschreibung wegen Kriegsschadens auf den 21. Juni 1948. Es wäre somit im Ergebnis auf den 1. Januar 1948 keine Erhöhung, sondern im Gegenteil eine Herabsetzung des Einheitswerts vorzunehmen gewesen, womit der Bfin. nicht gedient gewesen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Bfin.
Es wird geltend gemacht, daß die Wertfortschreibung immer vorzunehmen sei, wenn sie sich auf den Lastenausgleich auswirke. Selbst die Verjährung der vom Einheitswert abhängigen Steuern berechtige in diesem Falle nicht zu einer Ablehnung der Wertfortschreibung. Diese müsse nur dann unterbleiben, wenn sie keinerlei steuerliche Bedeutung habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hat keinen Erfolg.
Nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs III A 230/35 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1936 S. 115) ist Feststellung eines Einheitswerts unzulässig, wenn sämtliche auf ihm beruhenden Steuern verjährt sind und deshalb der Einheitswert keine steuerliche Bedeutung hat. Der Bundesfinanzhof hat den gleichen Gedanken im Urteil III 68/52 U vom 16. Mai 1952 (Slg. Bd. 56 S. 490, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 Teil III S. 190) ausgesprochen. Im Streitfall waren nach Feststellung des Finanzgerichts Vermögensteuern und Grundsteuern der Bfin. für 1943 und 1945 bereits verjährt. Die Wertfortschreibung auf die Stichtage vom 1. Januar 1943 und 1. Januar 1945 konnte sich danach auf diese Steuern nicht mehr auswirken. Der Streitfall weist allerdings die Besonderheit auf, daß sich die fortgeschriebenen Einheitswerte auf die Minderung der Hypothekengewinnabgabe auswirken würden. Nach § 100 Abs. 1 LAG mindert sich die Hypothekengewinnabgabe wenn das Grundstück, an dem die umgestellte Verbindlichkeit dinglich gesichert war, vor dem 21. Juni 1948 von einem Kriegsschaden betroffen worden ist. Der Betrag der Minderung ergibt sich grundsätzlich aus der Anwendung der Schadensquote auf die RM-Verbindlichkeit, aus deren Umstellung die Abgabeschuld entstanden ist. Als Schaden gilt für die Berechnung der Schadensquote der Betrag, um den der Einheitswert, der für das Grundstück auf den letzten Feststellungszeitpunkt vor dem Schadensfall festgestellt worden ist, denn für den 21. Juni 1948 geltenden Einheitswert übersteigt. Schadensquote ist der Hundertsatz, der sich aus dem Verhältnis des Schadens zu dem Einheitswert ergibt, der auf den letzten Feststellungszeitpunkt vor dem Schadensfall festgestellt worden ist (ß 100 Abs. 2 LAG). Hiernach ist nicht zu bestreiten, daß die Bfin. ein Interesse an der von ihr betriebenen Erhöhung des Einheitswerts auf den Feststellungszeitpunkt vor dem Schadensfall hat. Es fragt sich nur, ob dieses Interesse die Vornahme der Wertfortschreibung von Amts wegen selbst dann erfordert, wenn die vom Einheitswert abhängigen Steuern bereits verjährt sind. Der Senat verneint diese Frage. Die Vornahme der Wertfortschreibung von Amts wegen hat nach § 225a der Reichsabgabenordnung (AO) "erforderlichenfalls" zu erfolgen, das heißt wenn die steuerliche Gerechtigkeit die Fortschreibung verlangt. Es kann nicht anerkannt werden, daß die anderweite Errechnung des Kriegssachschadens und somit die nur mittelbare Auswirkung der erstrebten Wertfortschreibung auf die Hypothekengewinnabgabe trotz Verjährung der vom Einheitswert abhängigen Steuern das Finanzamt zur Vornahme einer Wertfortschreibung von Amts wegen nötigt. Mit dem Gesichtspunkt der steuerlichen Gerechtigkeit kann der erstrebte Vorteil bei der Hypothekengewinnabgabe ohne Inkaufnahme der Erhöhung von Vermögensteuer und Grundsteuer nicht gerechtfertigt werden. Wollte man der Auffassung der Bfin. folgen, würde sie anderen Steuerpflichtigen gegenüber bevorzugt werden, die die vom Einheitswert abhängigen Steuern nach Maßgabe dieses Einheitswerts tatsächlich entrichtet haben. Es ließe sich höchstens die Frage aufwerfen, ob die Fortschreibung von Amts wegen bei Verzicht des Steuerpflichtigen auf Geltendmachung der Verjährung der abhängigen Steuern vorgenommen werden könnte. Die Frage ist indessen zu verneinen. Das Finanzgericht hat bereits zutreffend ausgeführt, daß die Verjährung eines Steueranspruchs im Gegensatz zur Behandlung der Verjährung durch das BGB, das dem Schuldner lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht zubilligt (ß 222 BGB), nicht erst auf Verlangen des Steuerpflichtigen, sondern in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist (ß 148 AO). Die Verjährung der Steueransprüche unterliegt somit nicht der Verfügung der Steuerpflichtigen. Hiernach ist die Wertfortschreibung von Amts wegen zum 1. Januar 1943 und 1. Januar 1945 im Streitfall nicht zulässig. Auf den 1. Januar 1948 könnte, wie das Finanzgericht ausgeführt hat, Erhöhung des Einheitswerts selbst dann nicht eintreten, wenn der Wertfortschreibung von Amts wegen der Tatbestand der Verjährung der Vermögensteuer und Grundsteuer nicht entgegenstünde. Auf die Fragen der Fehlerhaftigkeit des Einheitswerts 1935 und auf die weitere Frage, ob die Bfin. mit ihrer Antragstellung ohne ausreichenden Grund lange Zeit gewartet habe, braucht hiernach nicht eingegangen zu werden.
Fundstellen
Haufe-Index 408822 |
BStBl III 1957, 299 |
BFHE 1958, 169 |
BFHE 65, 169 |