Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
§ 69 a Ziff. 2 EStDV 1963 enthält eine zutreffende Auslegung des § 46 Abs. 2 Ziff. 2 EStG 1963.
Ein verwitweter Stpfl., der vor dem 1. September wieder heiratet, ist für dieses Jahr nicht "verwitwet" im Sinne von § 32 a Abs. 3 EStG 1963.
Ein Stpfl., dessen Ehefrau vor dem 1. Mai eines Jahres stirbt, kann wegen des ihr gewährten gesetzlichen Unterhalts für die Zeit bis zu ihrem Tod keinen Freibetrag nach § 33 a Abs. 1 EStG 1963 beanspruchen.
Normenkette
EStG §§ 26, 46/2/2/a, § 32a/3, § 33a/1; EStDV § 69a/2
Tatbestand
Die erste Ehefrau des Steuerpflichtigen (Stpfl.) ist am 31. März 1963 gestorben. Die Ehe mit seiner jetzigen Ehefrau schloß der Stpfl. am 16. Juli 1963. Der Stpfl. und seine zweite Ehefrau waren im Jahre 1963 beide Arbeitnehmer. Der Bruttoarbeitslohn des Stpfl. betrug in diesem Jahr 17.483 DM, der Bruttoarbeitslohn der Ehefrau 6.391 DM. Die steuerpflichtigen Eheleute beantragten einen gemeinsamen Lohnsteuerjahresausgleich für 1963. Das Finanzamt (FA) war jedoch der Auffassung, daß die Stpfl. gemäß § 46 Abs. 2 Ziff. 2 Buchst. a EStG 1963 zu veranlagen seien und riet ihnen, einen Antrag auf Zusammenveranlagung zu stellen. Bei der Einkommensteuerveranlagung ergab sich für die Stpfl. eine Nachsteuer von insgesamt 237 DM. Der Einspruch hiergegen hatte keinen Erfolg.
Auch die Berufung des Stpfl. wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht (FG) sah die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Ziff. 2 Buchst. a EStG 1963 für eine Veranlagung von Amts wegen als gegeben an. Die Steuer sei nach § 32 a Abs. 2 EStG 1963 zu berechnen, da die Anwendung des Splitting-Verfahrens dem Wunsch der Stpfl. nach der für sie günstigsten Besteuerung entspreche. Ihre Annahme, eine getrennte Besteuerung sei für sie günstiger, weil der Ehemann bereits nach § 32 a Abs. 3 EStG 1963 nach dem Splitting-Tarif zu besteuern sei, treffe nicht zu; denn nach seiner Wiederverheiratung sei er nicht mehr "verwitwet" im Sinne dieser Vorschrift gewesen. Da die Stpfl. im Streitjahr länger als vier Monate verheiratet gewesen seien und sie infolgedessen bei der Zusammenveranlagung die Vorteile des Splittings genössen, könne nicht einer von ihnen zusätzlich diese günstige Besteuerung nochmals für sich allein beanspruchen. Da die Stpfl. für das ganze Jahr 1963 nach dem günstigen Splitting- Tarif besteuert würden, könnten die Unterhaltsleistungen des Ehemanns an seine Ende März 1963 verstorbene erste Ehefrau auch nicht nach § 33 a Abs. 1 EStG berücksichtigt werden. Der Ehemann gelte steuerlich als während des ganzen Jahres 1963 verheiratet. Eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung setze jedoch eine gleichzeitige Doppelbelastung voraus, etwa durch Unterhaltsleistung an die geschiedene frühere Ehefrau und die jetzige Ehefrau. Die vom FA durchgeführte Besteuerung benachteilige nicht grundgesetzwidrig die Stpfl., obwohl sich gegenüber ihrer Lohnsteuer eine Erhöhung ergebe; denn das sei regelmäßig bei einer Veranlagung nach § 46 Abs. 2 EStG 1963 der Fall und entspreche dem Sinn dieser Vorschrift.
Die Stpfl. tragen zur Begründung ihrer nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnden Rb. vor, daß die vom FG bestätigte Besteuerung unbillig und nicht verfassungskonform sei. Sie ständen danach wesentlich schlechter als ohne Eheschließung. Die Unbilligkeit werde vor allem dadurch deutlich, daß die steuerliche Verschlechterung schon dann nicht eingetreten wäre, wenn die Stpfl. erst nach dem 31. August 1963 geheiratet hätten. Die Benachteiligung der Ehefrau werde durch die sonst bei ihr nicht mögliche Anwendung des Splitting-Tarifs nicht beseitigt. Der Ehemann habe dagegen wegen der aus seiner ersten Ehe hervorgegangenen Kinder ohnehin die Splitting-Besteuerung beanspruchen können. Außerdem wäre er ohne die Wiederverheiratung nicht zu veranlagen gewesen. Es gehe nicht an, dem Ehemann die Vorteile der Splitting-Besteuerung, die ihm schon wegen seiner durch den Tod gelösten ersten Ehe zuständen, deshalb zu nehmen, weil er eine neue Ehe eingegangen sei. Nach dem Grundgesetz (GG) habe er deshalb sogar einen Anspruch auf eine besondere steuerliche Begünstigung. Auf jeden Fall seien aber seine Unterhaltszuwendungen an seine frühere Ehefrau nicht durch die Splitting-Besteuerung abgegolten. Falls schließlich die angefochtene Besteuerung wirklich dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen entspreche, bestehe Anlaß, die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften zu prüfen und die Sache deshalb dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen. Die Stpfl. beantragen,
das Urteil des FG und die diesem zugrunde liegende Einspruchsentscheidung sowie die dieser Entscheidung zugrunde liegende gemeinsame Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1963 aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das FA zurückzuverweisen und ihnen die Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Eheleute sind nach § 46 Abs. 2 Ziff. 2 Buchst. a EStG 1963 zu veranlagen, wenn in ihrem Einkommen Einkünfte aus mehr als einem Dienstverhältnis enthalten sind. § 69 a EStDV 1963 stellt klar, daß mehrere Arbeitsverhältnisse in diesem Sinn nicht nur vorhanden sind, wenn ein Steuerpflichtiger in mehreren Dienstverhältnissen steht, sondern auch, wenn beide Ehegatten Arbeitnehmer sind und sie nach § 26, § 26 b EStG zusammenveranlagt werden. Die Einkünfte von Eheleuten sind in diesen Fällen für die Besteuerung zusammenzufassen. § 69 a EStDV 1963 ist daher eine zutreffende Auslegung des Gesetzes. Von dieser Auffassung ist der Senat bereits im Urteil VI 193/62 U vom 21. Februar 1964 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 79 S. 31 - BFH 79, 31 -, BStBl III 1964, 244) bei der Auslegung des § 46 Abs. 2 Ziff. 1 EStG 1958 hinsichtlich der nicht der Lohnsteuer unterliegenden Einkünfte von Arbeitnehmer-Ehegatten ausgegangen. Da der Begriff der Einkünfte von Eheleuten in Ziff. 1 und in Ziff. 2 des § 46 Abs. 2 EStG 1963 nicht verschieden ausgelegt werden kann, stehen Eheleute, die beide Arbeitnehmer sind, in mehreren Arbeitsverhältnissen, wenn sie nicht eine getrennte Besteuerung (§ 46 Abs. 2 Ziff. 4 EStG 1963) beantragen (siehe Urteile des BFH VI 193/62 U, a. a. O.; VI 120, 121/64 U vom 19. November 1965, BFH 84, 297, BStBl III 1966, 108).
Im Streitfall haben die Stpfl. sich nicht eindeutig für eine der beiden Besteuerungsmöglichkeiten entschieden, sondern verlangt, daß die für sie günstigste Form gewählt werde. Ihre Annahme, dies sei die getrennte Besteuerung trifft jedoch nicht zu. Die Stpfl. sind der Auffassung, der Ehemann hätte nach § 32 a Abs. 3 EStG 1963 auch bei einer getrennten Besteuerung die Vorteile des Splitting-Tarifs. Das ist aber nicht der Fall. Diese Vorschrift findet nur auf "Verwitwete" Anwendung. Die erste Ehe des Ehemanns ist zwar im März des Streitjahres durch den Tod seiner ersten Ehefrau gelöst worden; der Ehemann war anschließend "verwitwet". Gleichwohl kann er für das Streitjahr 1963 steuerlich nicht als verwitwet im Sinne von § 32 a Abs. 3 EStG behandelt werden; denn er hat seinen Stand als "Witwer" durch seine neue Eheschließung im Juli 1963 verloren. Da seine zweite Ehe im Streitjahr länger als vier Monate bestanden hat und hinsichtlich seiner zweiten Ehefrau die Voraussetzungen des § 26 EStG erfüllt sind, muß er für die Einkommensbesteuerung des Jahres 1963 als verheiratet gelten. Der Senat hat im Urteil VI 78/62 U vom 9. Juni 1965 (BFH 83, 248, BStBl III 1965, 590) zwar entschieden, daß eine Witwe mit Kindern, die sich wieder verheiratet und deren neue Ehe durch Scheidung gelöst wird, nach der Auflösung ihrer zweiten Ehe wieder die Vorteile der Besteuerung nach § 32 a Abs. 3 EStG als "Verwitwete" beanspruchen kann. Solange aber die zweite Ehe besteht, sind beide Ehegatten dieser Ehe steuerlich "verheiratet". Wenn die Stpfl. eindeutig eine getrennte Besteuerung verlangt hätten, wäre für den Ehemann also eine Splitting-Besteuerung nach § 32 a Abs. 3 EStG 1963 nicht möglich gewesen. Er hätte vielmehr nach § 32 a Abs. 1 EStG 1963 besteuert werden müssen. Das wäre im Ergebnis aber ungünstiger gewesen als die vom FA vor- genommene und vom FG bestätigte Zusammenveranlagung.
Die Einwendung der Stpfl., die vorgenommene Besteuerung verstoße gegen das GG, ist nicht begründet. Der Senat hat wiederholt entschieden, daß die seit dem Jahre 1958 geltende Besteuerung von Eheleuten nach dem Splitting-Verfahren mit dem GG zu vereinbaren ist, insbesondere, weil die Eheleute jetzt die Möglichkeit haben, eine getrennte Besteuerung zu verlangen (z. B. Urteil des Senats VI 165/64 U vom 24. November 1965, BFH 84, 58, BStBl III 1966, 20). Wählen Eheleute die Zusammenveranlagung, so kann diese nur in der Weise vorgenommen werden, wie der Gesetzgeber sie geregelt hat. Wenn sie sich gelegentlich nicht so günstig auswirkt, wie es die Steuerpflichtigen hoffen, muß das in Kauf genommen werden, da dies nicht auf Willkür des Gesetzgebers zurückzuführen ist, zumal regelmäßig die finanziellen Auswirkungen nicht erheblich sind. Der Senat hat keine Veranlassung, die Sache dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen.
Die Stpfl. können schließlich auch keinen Erfolg haben mit dem Einwand, es müsse ihnen eine Steuerermäßigung nach § 33 a Abs. 1 EStG 1963 gewährt werden, weil der Ehemann seiner am 31. März 1963 verstorbenen ersten Ehefrau Unterhalt gewährt hat. Der Senat hat im Urteil VI 245/60 U vom 13. Dezember 1961 (BFH 74, 273, BStBl III 1962, 104) entschieden, daß ein Ehemann, der in einem Kalenderjahr nicht vier Monate lang mit seiner Ehefrau verheiratet war, keinen Freibetrag nach § 33 a Abs. 1 EStG 1963 mit der Begründung beanspruchen kann, er habe seiner Ehefrau während des Zusammenlebens Unterhalt geleistet. Wie dort ausgeführt wurde, ist die Erfüllung der allgemeinen gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber einem Ehegatten keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 a Abs. 1 EStG. Im übrigen weist das FG zutreffend darauf hin, daß der Ehemann für das Streitjahr nach § 32 a Abs. 2 EStG 1963 besteuert wird, er also behandelt wird, als sei er das ganze Jahr 1963 verheiratet gewesen. Das ist zwar eine Folge seiner am 16. Juli 1963 geschlossenen zweiten Ehe. Er kommt dadurch aber für volle 12 Monate in den Genuß des Splitting- Tarifs, obwohl er im Streitjahr nur 8 1/2 Monate verheiratet war.
Fundstellen
Haufe-Index 412249 |
BStBl III 1967, 21 |
BFHE 1967, 70 |
BFHE 87, 70 |