Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsaustausch bei Betriebskostenzuschuss für den Betrieb von Schwimmbädern
Leitsatz (NV)
1. Überträgt die öffentliche Hand Schwimmbäder an einen Privaten und zahlt diesem auf Grund eines gegenseitigen Vertrages Betriebskostenzuschüsse für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Badebetriebes, liegt darin ein steuerbarer Leistungsaustausch.
2. Unerheblich ist, ob die für die Gemeinde übernommene Aufgabe bei dieser eine Pflichtaufgabe oder freiwillige Aufgabe darstellt und ob der Zuschussgeber bewirkt, dass der Empfänger hiermit seinen Gesellschaftszweck verwirklicht.
3. Ein Betriebskostenzuschuss für den Betrieb von Schwimmbädern ist nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 9
Verfahrensgang
Tatbestand
Rz. 1
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine KG, deren Gegenstand die Übernahme und der Betrieb von modernisierungsbedürftigen Hallen- und Freibädern von Städten und mehreren Gemeinden ist. Die Klägerin verpflichtete sich gegenüber der Stadt P, der Gemeinde S und dem Schwimmbadverband O, die betreffenden Hallen- und Freibäder zu modernisieren und zu betreiben. Für "die Aufrechterhaltung des öffentlichen Badebetriebes" erhielt die Klägerin von der Stadt und den Gemeinden Zuschüsse in Höhe von insgesamt 220.000 € (im Folgenden Betriebsführungszuschüsse). Neben den genannten Zuschüssen erhielt die Klägerin für die Bereitstellung der Bäder für Schulen und Vereine "konkret benannte" weitere Zuschüsse (im Folgenden Schulzuschüsse).
Rz. 2
In der Jahressteuererklärung für das Streitjahr 2005 erklärte die Klägerin lediglich die Betriebsführungszuschüsse in Höhe von insgesamt 220.000 € zum Nettobetrag (205.607 €) mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % als steuerbar (Umsatzsteuer 14.392 €).
Rz. 3
Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, nicht nur die Betriebsführungszuschüsse, sondern auch die Schulzuschüsse seien ein steuerbares Entgelt für eine Leistung der Klägerin an die Stadt, die Gemeinde und den Schwimmbadverband und besteuerte diese ebenfalls mit dem ermäßigten Steuersatz, so dass sich die festgesetzte Umsatzsteuer von -90.417 € um 22.242,99 € auf -68.174 € erhöhte. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Rz. 4
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der die Klägerin die Festsetzung der Umsatzsteuer entsprechend ihrer Steuererklärung beantragt hatte (Steuerbarkeit des Betriebskostenzuschusses, keine Steuerbarkeit der Schulzuschüsse), statt. Zur Begründung führte es --im Widerspruch zum Akteninhalt-- aus, die Klägerin habe die Schulzuschüsse als steuerpflichtig und die Betriebskostenzuschüsse als nicht steuerpflichtig erklärt. Die Besteuerung der Betriebskostenzuschüsse sei jedoch rechtswidrig, weil das Betreiben der Schwimmbäder den Gesellschaftszweck der Klägerin verwirkliche. Die Klägerin betreibe das Schwimmbad zur Erzielung der Eintrittsgelder und nicht wegen des Erhaltes der Zuschüsse. Die Klägerin habe die Gemeinden auch nicht von einer kommunalen Pflichtaufgabe befreit, weil die Vorhaltung von Bädern eine freiwillige Aufgabe der Gemeinden sei. Auch soweit sich die Klägerin zur sozialen Gestaltung der Eintrittspreise verpflichtet habe, sei dies keine Leistung, die sie gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner erbringe. Die in Rede stehenden Zuschüsse seien kein Entgelt von Dritter Seite i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG), weil die Klägerin sie nicht in Bezug auf konkrete Leistungen, die sie einzelnen Schwimmbadbenutzern erbringe, geleistet habe. Eine Subventionierung der dem einzelnen Badegast erbrachten Leistung sei nicht erkennbar. Das FG setzte die Umsatzsteuer 2005 um 22.242,99 € auf ‐90.417 € herab.
Rz. 5
Hiergegen wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Revision und führt aus: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liege ein Leistungsaustausch vor, wenn ein Privater die Aufgaben einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erfülle und sich die Leistung auf den Erhalt der Zahlung richte. Bei Leistungen, zu deren Ausführung sich die Vertragsparteien in einem gegenseitigen Vertrag verpflichteten, läge ein Leistungsaustausch regelmäßig vor. Die Klägerin habe sich in einem gegenseitigen Vertrag zur Übernahme der Betriebsführung verpflichtet. Der Beurteilung als Leistungsaustausch stehe nicht entgegen, dass die Klägerin dadurch auch ihren Gesellschaftszweck verwirkliche. Auch Leistungen, die dem Gesellschaftszweck einer Gesellschaft entsprechen, könnten Gegenstand eines vertraglichen Leistungsaustausches sein. Für den Leistungsaustausch sei es auch unerheblich, ob die übertragene Aufgabe der Gemeinde eine Pflichtaufgabe oder freiwillige Aufgabe sei. Die konkrete Leistung für den Erhalt der Zahlungen liege in der Öffnung der Bäder für den Publikumsverkehr und in der sozialen Staffelung der Eintrittspreise. Im Übrigen sei dem FG bei der Festsetzung der Höhe der Umsatzsteuer ein Fehler unterlaufen. Gehe man davon aus, dass die Zuschüsse für die Betriebsführung nicht steuerbar seien, hätte das FG die Umsatzsteuer nicht um 22.243,06 €, sondern lediglich um 14.393 € herabsetzen dürfen.
Rz. 6
Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Rz. 7
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen. Sie verweist auf den bisherigen Schriftverkehr.
Entscheidungsgründe
Rz. 8
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Rz. 9
Das FG hat zu Unrecht die Zuschüsse für die Betriebsführung der Hallen- und Freibäder nicht als Entgelte im Zusammenhang mit einem Leistungsaustausch zwischen der öffentlichen Hand (Stadt und Gemeinden) und der Klägerin beurteilt. Über die --zwischen den Beteiligten streitigen-- Schulzuschüsse kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen des FG nicht entscheiden.
Rz. 10
Entgeltliche Leistungen sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und unterliegen gemäß Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) dem Anwendungsbereich der Steuer, wenn zwischen der Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. Juni 2009 V R 4/08, BFH/NV 2009, 2067; vom 27. November 2008 V R 8/07, BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397, unter II.1., m.w.N. zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- und des BFH).
Rz. 11
a) Der für die Steuerbarkeit erforderliche Leistungsaustausch ist bei Zahlungen aus öffentlichen Kassen zu verneinen, wenn Zahlungen, die z.B. aus struktur- oder allgemeinpolitischen oder volkswirtschaftlichen Gründen erfolgen, lediglich dazu dienen, die Tätigkeit des Zahlungsempfängers allgemein zu fördern, nicht aber als Gegenwert für eine Leistung des Zahlungsempfängers an den Träger der öffentlichen Kasse anzusehen sind. Anders ist es, wenn Zahlungen zur Ausführung bestimmter Leistungen im Interesse des Zuwendenden geleistet werden (BFH-Urteil in BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397, unter II.1.c). Erbringt ein Unternehmer aufgrund eines gegenseitigen Vertrages Leistungen zur Erfüllung der von ihm übernommenen Aufgaben einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gegen Entgelt, ist grundsätzlich von einem Leistungsaustausch auszugehen (vgl. BFH-Urteile vom 8. November 2007 V R 20/05, BFHE 219, 403, BStBl II 2009, 483, Leitsatz 1, und vom 5. Dezember 2007 V R 63/05, BFH/NV 2008, 996, Leitsatz 2).
Rz. 12
b) Entgegen der Auffassung des FG ist es für die Beurteilung nicht entscheidend, ob es sich bei der übernommenen Aufgabe um eine Pflichtaufgabe der betreffenden Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 2067, unter II.2.a). Ohne Bedeutung ist auch, ob die Klägerin die Einrichtungen zum Nutzen der Allgemeinheit betrieben hat, da es sich hierbei nur um Motive für die Begründung des Leistungsaustausches handelt, die allein aber nicht den für den Leistungsaustausch erforderlichen Zusammenhang in Frage stellen (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 2067, und EuGH-Urteil vom 29. Oktober 2009 C-246/08, Kommission-Republik Finnland, Randnr. 40, BFH/NV 2009, 2115; vgl. auch zur Zahlung von Fördermitteln an einen Verkehrs- oder Touristikverein: BFH-Urteile vom 26. Oktober 2000 V R 12/00, BFH/NV 2001, 494, und vom 22. Juli 1999 V R 74/98, BFH/NV 2000, 240, und zu Schwimmbadzuschüssen BFH-Beschluss vom 22. Juli 2008 V B 34/07, BFH/NV 2008, 1895).
Rz. 13
c) Im Streitfall hat das FG zu Unrecht die Betriebsführungszuschüsse als nichtsteuerbare "echte" Zuschüsse beurteilt. Nach den Feststellungen des FG hat sich die Klägerin vertraglich gegenüber ihren Vertragspartnern, der Stadt P, der Gemeinde S und dem Schwimmbadverband O, verpflichtet, die Betriebsführung der Hallenbäder zu übernehmen und hierfür die vereinbarten Zahlungen geleistet. Danach besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der konkreten Leistung der Klägerin und der vereinbarten Zahlung des betreffenden Vertragspartners (zu Schwimmbadzuschüssen vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1895). Dass an der Aufrechterhaltung des Badebetriebes ein öffentliches Interesse besteht und die Auftraggeber die Leistungen im Gemeinwohlinteresse bezogen haben, ist --wie ausgeführt-- insoweit ohne Bedeutung. Ein Interesse der Allgemeinheit, das dem Handeln jeder Körperschaft des öffentlichen Rechts innewohnt, schließt deren Identifizierbarkeit als Leistungsempfänger nicht aus (z.B. BFH-Urteil in BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397, unter II.2. b). Unerheblich ist auch, ob die Zuschussgeber durch ihre Zahlungen bewirkten, dass die Klägerin ihren Gesellschaftszweck verwirklichen kann (vgl. BFH-Urteil in BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397, unter II.2.e). In Übereinstimmung hiermit sind auch die Klägerin selbst und das FA davon ausgegangen, dass die Betriebsführungszuschüsse der Umsatzsteuer unterliegen.
Rz. 14
d) Die Beteiligten sind zu Recht auch davon ausgegangen, dass insoweit der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG in Betracht kommt (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 2067). Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich die Umsatzsteuer für die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze auf 7 %. Erforderlich ist ein unmittelbarer Zusammenhang des Umsatzes mit dem laufenden Betrieb eines Schwimmbades. Hierzu gehört zwar insbesondere die entgeltliche Verschaffung einer Schwimmgelegenheit an Dritte. Unmittelbar mit dem laufenden Betrieb des Schwimmbades zusammen hängen aber auch die im Streitfall gegenüber den Auftraggebern erbrachten und der Aufrechterhaltung des Betriebes des Freibades für die Öffentlichkeit und der Durchführung des laufenden Betriebes des Freibades selbst dienenden Betriebsführungsleistungen der Klägerin (Urteile des FG Düsseldorf vom 26. Mai 1993 5 K 372/90 U, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1994, 61, und des Hessischen FG vom 5. Februar 1997 6 K 200/94, EFG 1997, 641, beide zu § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG; vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 2067).
Rz. 15
e) Die Feststellungen des FG erlauben keine abschließende Entscheidung in Bezug auf die Schulzuschüsse.
Rz. 16
Insoweit geht das FG davon aus, die Klägerin habe, soweit sie sich zur sozialen Gestaltung der Eintrittspreise verpflichtet habe, weder eine Leistung gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner erbracht, noch handele es sich insoweit um Entgelt von Dritter Seite i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG; eine Subventionierung der dem einzelnen Badegast erbrachten Leistung sei nicht erkennbar. Auf welche tatsächlichen Feststellungen sich diese Beurteilung stützt, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Das FG stellt im Tatbestand fest, die Klägerin habe die Zuschüsse für die "Bereitstellung der Bäder für Schulen und Vereine" erhalten. In seiner Begründung führt das FG aus, die Klägerin habe sich "zur sozialen Gestaltung der Eintrittspreise" verpflichtet. Wofür genau die streitigen Zuschüsse gezahlt worden sind, lässt sich den Feststellungen des FG nicht entnehmen. Die Sache geht deshalb zur Nachholung entsprechender Feststellungen an das FG zurück.
Rz. 17
f) Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG zur Frage der Abgrenzung von "echten" Zuschüssen die vorstehenden Grundsätze zu berücksichtigen haben. Hinsichtlich der Frage, ob es sich bei den Schulzuschüssen um Entgelt eines Dritten nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG für Leistungen handelt, die die Klägerin gegenüber den Benutzern der Einrichtungen erbrachte, verweist der Senat auf die BFH-Urteile vom 25. November 1986 V R 109/78 (BFHE 148, 351, BStBl II 1987, 228, unter II.2.c zu Landesbeihilfen für die verbilligte Personenbeförderung von Schülern im öffentlichen Nahverkehr), vom 9. Oktober 2003 V R 51/02 (BFHE 203, 515, BStBl II 2004, 322 zu Zuschüssen für Milchleistungsprüfungen) und in BFH/NV 2009, 2067.
Fundstellen
Haufe-Index 2298565 |
BFH/NV 2010, 701 |
HFR 2010, 504 |
UR 2010, 336 |