Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbrauchsteuern
Leitsatz (amtlich)
Die zum KRG Nr. 27 ergangenen Verwaltungsanweisungen, nach denen unvergällter Branntwein auch an Heilmittelfabriken abgegeben werden kann, können von den Steuergerichten nicht berücksichtigt werden.
Normenkette
BrMonG § 1
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) beantragte am 2. Juli 1956 beim Hauptzollamt, ihr den Bezug von unvergälltem Branntwein zum sogenannten medizinisch-pharmazeutischen Sonderpreis zur Herstellung pharmazeutischer Präparate in ihrem Herstellungsbetrieb zu genehmigen. Mit Bescheid vom 3. Oktober 1956 lehnte das Hauptzollamt den Antrag ab. Dagegen wandte sich die Bfin. mit Schreiben vom 15. Oktober 1956.
Die Vorinstanz sah den ablehnenden Bescheid des Hauptzollamts im Hinblick darauf, daß es sich bei der der Bfin. versagten Genehmigung um die Versagung einer Steuervergünstigung gehandelt habe, auf die bei Erfüllung gewisser Voraussetzungen ein Rechtsanspruch bestehe, als Bescheid im Sinne des § 235 Ziff. 5 der Reichsabgabenordnung (AO) an, gegen den als Rechtsmittel die Anfechtung gegeben sei. Die Vorinstanz erachtete daher die von der Bfin. eingelegte Beschwerde als Anfechtung, wies sie aber als unbegründet zurück. Die Entscheidung ist im wesentlichen damit begründet, daß die Bfin. nach den ergangenen Verwaltungsanweisungen nur dann einen Anspruch auf Bezug von Heilmittelbranntwein habe, wenn sie eine pharmazeutische Fabrik betreibe. Diese treffe aber nach den in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dafür aufgestellten Voraussetzungen, nämlich erhebliche Arbeiterzahl, große Ausdehnung der Betriebsräume, Kraft- und Arbeitsmaschinen in umfangreichem Maße, nicht zu.
In der Rechtsbeschwerde (Rb.) trägt die Bfin. vor, die von der Vorinstanz angeführten Voraussetzungen verletzten den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG). Die kleineren und neu gegründeten Betriebe würden dadurch gegenüber anderen Betrieben in erheblichem Maße benachteiligt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hat keinen Erfolg.
Die Vorinstanz ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht davon ausgegangen, daß die Bfin. einen Rechtsanspruch auf Erteilung eines Ankaufserlaubnisscheines habe und es sich bei dem ablehnenden Bescheid des Hauptzollamts daher um einen Bescheid im Sinne des § 235 Ziff. 5 AO handle. Die Vorinstanz hat jedoch insoweit verkannt, daß die Zuteilung von Branntwein für pharmazeutische Zwecke und dementsprechend auch die Erteilung eines Ankaufserlaubnisscheines für solchen Branntwein eine Ermessensentscheidung darstellt. Dagegen ist jedoch nicht das Anfechtungsverfahren gegeben. Gegen solche Entscheidungen führt der Rechtsweg im erweiterten Rechtsmittelverfahren nach Art. 19 Abs. 4 GG nach Ausschöpfung des Verwaltungsweges zu den Steuergerichten. Die Vorinstanz durfte daher nicht eine Anfechtungsentscheidung erlassen. Die Anfechtungsentscheidung ist insoweit als Beschwerdeentscheidung anzusehen, gegen die der Bfin. im erweiterten Rechtsmittelverfahren nach Art. 19 Abs. 4 GG die Rb. an den Bundesfinanzhof als einziger Tatsachen- und Rechtsinstanz zusteht (Urteil des Bundesfinanzhofs V z 134/55 S vom 15. März 1956, Slg. Bd. 62 S. 432, Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 157, Bundeszollblatt - BZBl - 1956 S. 414).
Wie der Senat in dem Gutachten V z D 1/53 S vom 14. Januar 1954 (Slg. Bd. 58 S. 486, BStBl 1954 III S. 97) ausgeführt hat, kann die Steuervergünstigung nach § 1 Abschn. I Ziff. 2 des Gesetzes zur änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 21. Oktober 1948 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl - 1948 S. 103) außer ärzten und Krankenhäusern nur Apotheken, und zwar nur für den Apothekenbetrieb gewährt werden. Weder Heilmittelfabriken noch Drogerien kommen für diese Steuervergünstigung in Betracht. Auf Grund des Gesetzes kann demnach die Bfin. die Steuervergünstigung nicht beanspruchen.
Sachlich hat die Vorinstanz angenommen, daß die Bfin. bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen einen Anspruch auf Zuteilung von steuerbegünstigtem Branntwein auf Grund der noch nicht aufgehobenen Verfügung des Landesfinanzamts Karlsruhe vom 5. März 1947 habe. Nach dieser Verfügung haben die Dienststellen den Verordnungsentwurf über den Bezug und die Verwendung unvergällten Branntweins zum besonderen ermäßigten Verkaufspreis des Landesbezirksdirektors der Finanzen in Baden anzuwenden. In § 1 dieses Verordnungsentwurfs ist bestimmt, daß die Abgabe unvergällten Branntweins zum besonderen ermäßigten Verkaufspreis an pharmazeutische Fabriken zur Herstellung von Heilmitteln zugelassen ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung können die Steuergerichte Verwaltungsanweisungen nur anwenden und auslegen, wenn es sich um sogenannte Milderungserlasse aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des GG handelt (vgl. das zuletzt in dieser Frage ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs IV 556/55 U vom 15. November 1956, Slg. Bd. 64 S. 396, BStBl 1957 III S. 148).
Selbst wenn man die hier in Frage stehende Verwaltungsanweisung als Milderungserlaß im Sinne der Rechtsprechung ansehen wollte, so könnte sie gleichwohl nicht durch den Senat berücksichtigt werden. Die von der Vorinstanz angeführte Regelung bezieht sich auf das Kontrollratsgesetz Nr. 27. Wie in dem Gutachten des Bundesfinanzhofs V z D 1/53 S vom 14. Januar 1954 (a. a. O.) ausgeführt ist, haben die Verordnungen und Bekanntmachungen, die sich auf das Kontrollratsgesetz Nr. 27 beziehen, mit dem Außerkrafttreten dieses Gesetzes und mit dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 21. Oktober 1948 (am 23. Oktober 1948) ihre Bedeutung verloren. Das muß in gleicher Weise auch für sonstige Verwaltungsanweisungen gelten. Gegen die Zulässigkeit ihrer Anwendung als Milderungserlaß bestehen auch aus sachlichen Gründen Bedenken. Der Steuertarif des Kontrollratgesetzes Nr. 27 enthielt nämlich für die Verwendung von Branntwein in Heilmittelfabriken überhaupt keine Position. Wollte man den Heilmittelbranntwein nicht dem Trinkbranntwein gleichstellen, was angesichts der außergewöhnlichen Höhe des Steuersatzes (11.470 DM für 1 hl W) untragbar erschien, blieb nur übrig, ihn in die Ziffer 4 einzureihen. Dies ist auch durch die Verfügung des Landesfinanzamts Karlsruhe vom 5. März 1947 im Ergebnis geschehen. Dieser Gesichtspunkt konnte aber für das Gesetz vom 21. Oktober 1948 nicht mehr in Betracht kommen; denn einmal enthielt der Tarif dieses Gesetzes keine Lücke, weil er den Regelsteuersatz von Ziffer 1 auch auf alle sonstigen nicht besonders genannten Zwecke erstrecke, dann stehen aber auch der Regelsteuersatz von 1.000 DM für 1 hl W und der ermäßigte Steuersatz von 850 DM nicht mehr in einem solch außergewöhnlichen Mißverhältnis wie die entsprechenden Sätze nach dem Kontrollratgesetz Nr. 27.
Die hier in Frage stehende Verwaltungsanweisung ist somit keine von den Gerichten zu beachtende rechtliche Regelung. Es erübrigt sich daher, darauf einzugehen, ob der Betrieb der Bfin. eine Fabrik im Sinne dieser Anweisung darstellt.
Die Nichtanwendung der Verfügung des Landesfinanzamts im vorliegenden Falle bedeutet auch keine Verletzung des Art. 3 GG. Denn der Gleichheitsgrundsatz gilt nicht gegenüber Bestimmungen, die kein Recht setzen. Wäre es anders, so würde, wie der Streitfall deutlich zeigt, die mit dem Gesetz nicht übereinstimmende Handhabung der Verwaltung einer gesetzlichen Vorschrift gleichkommen. Dies würde auch dem verfassungsmäßigen Grundsatz der Gewaltenteilung widersprechen. Denn Rechtssätze können nur von dem verfassungsmäßig dazu berufenen Organ erlassen werden, von der Verwaltung nur, soweit sie dazu ausdrücklich gesetzlich von dem Gesetzgebungsorgan ermächtigt ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 556/55 U vom 15. November 1956 a. a. O.). Die Bfin. kann sich daher im gerichtlichen Verfahren nicht darauf berufen, daß anderen Betrieben die Vergünstigung, mit steuerbegünstigtem Branntwein Heilmittel herzustellen, durch die Verwaltung gewährt wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 408963 |
BStBl III 1958, 59 |
BFHE 1958, 145 |
BFHE 66, 145 |