Leitsatz (amtlich)
Eine Segeljacht kann auch dann ein Luxusgegenstand sein, wenn sie nur Sportzwecken dient.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 67 Abs. 1 Nr. 10; StAnpG § 1 Abs. 2
Tatbestand
Der Revisionskläger war bis 1961 Eigentümer einer 80-qm-Segeljacht von 15,67m Länge, 3,15m Breite und einem Tiefgang von 1,9 m. Diese Jacht wurde 1936 für ihn als Sportboot zu einem Preis von 32 500 RM gebaut. Er hat bei Segelregatten mit dieser Jacht mehrere Preise und Auszeichnungen errungen; später gab er das Sportsegeln auf. Er verkaufte die Jacht 1961 für rd. 75 000 DM.
Das FA (Revisionsbeklagter) veranlagte den Revisionskläger zum 1. Januar 1957, 1. Januar 1959 und 1. Januar 1960 zur Vermögensteuer und erfaßte dabei die Jacht als Luxusgegenstand beim sonstigen Vermögen mit 35 000 DM, 55 000 DM und 60 000 DM.
Der Einspruch gegen diese Veranlagungen wurde zurückgewiesen.
Auch die Berufung war erfolglos. Das FG unterstellte bei seiner Entscheidung, der Revisionskläger habe die Jacht aus Segelleidenschaft angeschafft. Es schloß sich jedoch der in Abschn. 67 VStR bis einschließlich 1960 vertretenen Auffassung nicht an, daß Sportgeräte regelmäßig keine Luxusgegenstände sein könnten. Der Begriff Luxus sei durch das Verhältnis des Preises zum Nutzen bestimmt. Wer den Segelsport mit einer so kostspieligen eigenen Jacht betreibe wie der Revisionskläger, tue dies, um zu zeigen, was er sich leisten könne, ohne daß es darauf ankomme, ob es den wirtschaftlichen Verhältnissen des einzelnen entspreche. Zur Höhe des Werts der Jacht hat das FG ein Gutachten eingeholt. Der Gutachter kam zu Werten, die sich mit den vom FA angesetzten deckten und sie an einzelnen Veranlagungszeitpunkten sogar geringfügig überschritten. Die Neubaukosten für ein gleichartiges Schiff hat der Gutachter nach Rückfrage bei der Werft mit mehr als 150 000 DM angegeben. Der Gutachter bestätigte weiter, daß die Jacht des Revisionsklägers als reines Sportboot konstruiert sei.
Mit der vom FG zugelassenen Revision wird vorgetragen, die VStR hätten von 1949 bis einschließlich 1960 Segeljachten, die reinen Sportzwecken dienen, nicht als Luxusgegenstände behandelt. Erst in den VStR 1963 sei eine Änderung dahin vorgenommen worden, daß Segeljachten in der Regel als Luxusgegenstand angesehen werden sollten. Der Revisionskläger habe seine Jacht aber schon 1961 verkauft. Wenn die Jacht des Revisionsklägers schon an Veranlagungszeitpunkten vor dem 1. Januar 1963 versteuert werden müßte, so wäre die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht mehr gewahrt. Ein Vergleich mit einem Renn- oder Zuchtstall, über dessen vermögensteuerliche Behandlung der BFH mit Urteil III 165/61 U vom 29. November 1963 (BFH 78, 144, BStBl III 1964, 58) entschieden habe, sei deshalb nicht möglich, weil zwischen dem Halten eines solchen Stalles und der Verwendung einer Segeljacht für eigene sportliche Zwecke ein entscheidender Unterschied bestehe. Die betont einfache Ausführung des Bootes des Revisionsklägers lasse den reinen Sportcharakter klar erkennen. Es komme auf den Zweck eines Gegenstandes an; der Wert allein mache eine Sache nicht zum Luxusgegenstand. Der Revisionskläger beantragte, bei der Veranlagung der Vermögensteuer für 1957, 1959 und 1960 den Wert der Segeljacht außer Betracht zu lassen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 67 Abs. 1 Nr. 10 BewG i. d. F. vor BewG 1965 - im folgenden: BewG - sind Luxusgegenstände als sonstiges Vermögen zu behandeln, wenn ihr gemeiner Wert insgesamt 10 000 DM übersteigt. Das BewG gibt keine Definition des Luxusgegenstandes. Der Senat stimmt der in der Literatur vertretenen Auffassung zu, daß in einer Zeit rascher technischer und soziologischer Entwicklung auch die Auffassung darüber, was als Luxusgegenstand zu betrachten ist, einem ständigen und raschen Wandel unterliegen kann (vgl. Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, § 67 BewG Anm. 108). Deshalb mußte der Gesetzgeber im Interesse einer sachgerechten und anpassungsfähigen Vermögensbesteuerung davon absehen, eine verbindliche Begriffsbestimmung des Luxusgegenstandes zu geben; denn die Luxusgegenstände von heute können durchaus Gebrauchsgegenstände von morgen sein (vgl. Urteil des BFH III 165/61 U vom 29. November 1963, a. a. O.).
Die bisherige Rechtsprechung hat als Luxusgegenstand solche Wirtschaftsgüter angesehen, die der Befriedigung von über ein normales Maß hinausgehenden Bedürfnissen dienen. Der Senat faßt als Luxusgegenstände alle Wirtschaftsgüter auf, deren Anschaffung und Haltung einen Aufwand darstellt, der die als normal empfundene Lebenshaltung auffallend oder unangemessen übersteigt. Für die Beantwortung der Frage, ob ein auffallender oder unangemessener Aufwand vorliegt, kann nicht auf die Beurteilung der Gesellschaftskreise abgestellt werden, denen der jeweilige Eigentümer des Wirtschaftsguts angehört; denn nach § 1 Abs. 2 StAnpG ist bei der Auslegung von Steuergesetzen die Volksanschauung zu berücksichtigen. Das bedeutet, daß auf die Anschauung abzustellen ist, die urteilsfähige und unvoreingenommene Bürger von einer Sache haben oder gewinnen, wenn sie mit ihr befaßt werden (Kühn, Abgabenordnung, 9. Aufl., § 1 StAnpG Anm. 5 a, aa). Der Senat ist aufgrund der Feststellungen des FG, an die er mangels zulässiger und begründeter Revisionsgründe gebunden ist, der Meinung, daß eine Segeljacht mit einem Zeitwert von 35 000 bis 60 000 DM und Neubaukosten von mehr als 150 000 DM nach den Verhältnissen der Veranlagungszeitpunkte 1957, 1959 und 1960 jedenfalls ein Luxusgegenstand im Sinne des § 67 Abs. 1 Nr. 10 BewG ist. Dem Revisionskläger ist zwar darin zuzustimmen, daß der Begriff des Luxusgegenstandes nicht allein vom Wert einer Sache geprägt wird. Hinzu kommen muß vielmehr, daß der Wert des konkreten Gegenstandes im Verhältnis zu seinem Nutzen und zu seiner Verwendungsmöglichkeit nach der Volksanschauung die als normal empfundenen Aufwendungen für die Lebenshaltung auffällig oder unangemessen übersteigt. Das ist bei dem Segelboot des Revisionsklägers selbst dann der Fall, wenn man davon ausgeht, daß es sich um ein reines Sportboot handelt. Der Senat stimmt dem FG darin zu, daß Sport und Luxus keine sich ausschließenden Begriffe sind, wenngleich es so sein wird, daß die ganz überwiegende Mehrzahl der Gegenstände, die der Ausübung des Sports dient, den Begriff des Luxusgenstandes nicht erfüllen wird. An eine in den VStR bis einschließlich Hauptveranlagungszeitraum 1960 vertretene anderweitige Auffassung wäre der Senat nicht gebunden, da diese Richtlinien Verwaltungsanweisungen und nicht objektives Recht sind. Der Senat ist aber der Meinung, daß Abschn. 78 VStR 1953/1957 und Abschn. 67 VStR 1960 keineswegs in dem Sinn verstanden werden können, daß Segeljachten, die reinen Sportzwecken dienen, schlechthin nicht als Luxusgegenstände behandelt werden sollten. Die Richtlinien enthalten vielmehr eine dahin gehende Einschränkung, dies sei nur der Fall, wenn es sich nicht um besonders kostspielig ausgestattete Boote handle. Ob eine Ausstattung besonders kostspielig ist, kann aber nicht nur von der Art der Ausstattung, sondern auch von der Größe des Bootes und der dadurch bedingten Ausrüstung abhängen. Es verstößt deshalb nicht gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, wenn der Senat die Segeljacht des Revisionsklägers schon für Veranlagungszeitpunkte vor dem 1. Januar 1963 als Luxusgegenstand betrachtet; denn eine einheitliche Behandlung von Segelbooten nach Art der Jacht des Revisionsklägers als nicht zum sonstigen Vermögen gehörende Vermögensgegenstände ist nach der Fassung der Richtlinien unwahrscheinlich. Damit kann die Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht außer Kraft gesetzt werden. Der Prozeßstoff gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß durch diese Bindung der Gleichheitssatz des Art. 3 GG verletzt würde. Die Möglichkeit, daß gleichartige Jachten nicht zur Besteuerung herangezogen wurden, weil ihre Existenz den FÄ nicht bekannt war, führt aber nicht zu einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.
Fundstellen
Haufe-Index 68915 |
BStBl II 1970, 293 |
BFHE 1970, 195 |