Leitsatz (amtlich)
1. Ausgaben eines Bilanzbuchhalters im Büro eines Steuerberaters für die Teilnahme an einem Steuerrechtslehrgang sind als Werbungskosten abziehbare Fortbildungskosten auch, wenn dadurch zugleich die Niederlassung als Steuerbevollmächtigter vorbereitet wird.
2. Aufwendungen für den Erwerb des Führerscheins gehören in aller Regel auch dann zu den Kosten der Lebensführung, wenn der Beruf oder der Betrieb die Benutzung eines PKW erforderlich macht.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 9 S. 1, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) war Mitarbeiterin in dem Büro eines Steuerbevollmächtigten und bezog Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, bis sie am 1. Juli 1963 ihre selbständige Tätigkeit als Steuerbevollmächtigte aufnahm. In ihrer Einkommensteuererklärung 1963 machte die Steuerpflichtige Aufwendungen für den Besuch einer Steuerfachschule, für Fachliteratur, für die Steuerbevollmächtigtenprüfung und für den Erwerb des Führerscheins, insgesamt 1 508 DM als Werbungskosten geltend, die der Revisionskläger (FA) nicht zum Abzug zuließ.
Die Sprungklage (damals Sprungberufung) hatte im wesentlichen Erfolg. Das FG sah in den Aufwendungen im Gegensatz zum FA nicht Ausbildungskosten im Zusammenhang mit einem Berufswechsel, sondern Fortbildungskosten; die Kosten für den Erwerb des Führerscheins behandelte es in Höhe des der betrieblichen Nutzung des PKW entsprechenden Anteils von 80 v. H. als vorweggenommene Betriebsausgaben, wobei es dahingestellt sein ließ, ob sie auch als Werbungskosten abziehbar seien.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene, jetzt als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde des FA ist zum Teil begründet.
Zutreffend ging die Vorinstanz davon aus, daß Fortbildungskosten, nicht aber Aufwendungen zur Erlangung der für die Berufsausübung erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten (Berufsausbildungskosten) als Werbungskosten abziehbar sind (§ 9 Satz 1 EStG). Dienen die Aufwendungen dazu, die Kenntnisse und Fertigkeiten für einen anderen Beruf zu erwerben, um diesen neuen Beruf ergreifen zu können, sind sie weder Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) noch Werbungskosten (§ 9 Satz 1 EStG); wird mit den Ausgaben erstrebt, die beruflichen Leistungen im ausgeübten Beruf zu verbessern, beruhen sie also auf beruflicher Veranlassung, sind sie als Fortbildungskosten abziehbar (vgl. Urteile des BFH IV 45/63 U vom 28. Juni 1963, BFH 77, 313, BStBl III 1963, 435; IV 339/64 U vom 25. März 1965, BFH 82, 305, BStBl III 1965, 357). Das gilt für die im bereits ausgeübten Beruf anfallenden Fortbildungskosten auch dann, wenn dadurch zugleich das Ziel eines Berufswechsels ermöglicht wird (BFH-Urteile VI 45/63 U; VI R 75/66 vom 5. Oktober 1966, BFH 87, 521, BStBl III 1967, 230). Dabei ist allerdings zu beachten, daß Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Besuch allgemein bildender Schulen (z. B. höhere Schulen oder Berufsschulen) in der Regel unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG fallen (vgl. BFH-Urteile VI R 262/66 vom 4. August 1967, BFH 90, 21, BStBl III 1967, 774; IV 339/64 U).
Als geprüfte Bilanzbuchhalterin hatte die Steuerpflichtige ihre Berufsausbildung abgeschlossen. Die Aufwendungen für den Besuch einer Steuerfachschule und die Anschaffung von Fachliteratur waren geeignet, ihre Kenntnisse zu erweitern und ihr Fortkommen in dem von ihr ausgeübten Beruf zu verbessern, und zwar unabhängig davon, ob sie beabsichtigte, die Prüfung als Steuerbevollmächtigte abzulegen (vgl. BFH-Urteile VI 152/65 vom 10. September 1965, HFR 1966, 74; VI R 75/66). Die Vorinstanz ließ den Abzug dieser Kosten daher zu Recht zu.
Auch der Abzug der Prüfungskosten braucht nicht beanstandet zu werden, denn der Übergang von der Tätigkeit einer Bilanzbuchhalterin im Büro eines Steuerberaters zu einer Steuerbevollmächtigten stellt zwar eine berufliche Fortentwicklung, aber keinen grundsätzlichen Wechsel in der Berufs- oder Erwerbsart dar; die Steuerpflichtige bleibt in einem verwandten Beruf tätig, für den ihre Ausbildung als Bilanzbuchhalterin den Weg bereits eröffnet hatte (vgl. BFH-Urteile VI 152/65; IV 339/64 U). Dabei ist zu berücksichtigen, daß die bestandene Prüfung als Steuerbevollmächtigte geeignet war, das Fortkommen der Steuerpflichtigen im bereits ausgeübten Beruf wesentlich zu fördern.
Die Revision des FA ist begründet, soweit die Vorinstanz den Abzug der Aufwendungen zur Erlangung des Führerscheins zuließ. Die Aufwendungen für den Erwerb des Führerscheins sind schon deshalb keine Werbungskosten (§ 9 Satz 1 EStG), weil die Steuerpflichtige sie nicht zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung ihrer Einnahmen aus dem Dienstverhältnis machte. Sie sind auch keine vorweggenommenen Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG). Die Aufwendungen für den Erwerb des Führerscheins gehören bei dem heutigen Stand der Motorisierung regelmäßig zu den Kosten der Lebensführung (vgl. BFH-Urteile IV 621/55 U vom 6. September 1956, BFH 63, 283, BStBl III 1956, 306; VI 251/63 U vom 8. April 1964, BFH 79, 534, BStBl III 1964, 431). Darauf, ob die Steuerpflichtige beabsichtigte, den von ihr geführten PKW betrieblich oder beruflich zu benutzen und inwieweit dieser Gesichtspunkt für die Aufwendungen entscheidend war, kommt es nicht an. Denn in aller Regel wird der einmal erworbene Führerschein in nicht unbedeutendem Umfang auch für Privatfahrten benutzt. Es liegen somit die Voraussetzungen des § 12 Nr. 1 EStG vor, wonach Aufwendungen für die Lebensführung auch dann nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn sie der Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen dienen.
Der Senat erkannte zwar im Urteil IV 54/60 U vom 13. April 1961 (BFH 73, 106, BStBl III 1961, 308) bei betrieblicher Nutzung eines nicht zum Betriebsvermögen gehörenden Gegenstandes die Berücksichtigung der anteiligen Absetzung für Abnutzung an, wenn die Trennung der betrieblichen von der privaten Nutzung nach objektiven Abgrenzungsmerkmalen leicht und einwandfrei möglich ist. Für die Ermittlung eines betrieblich bedingten Anteils der Aufwendungen für den Erwerb des Führerscheins gibt es aber keine objektiven Merkmale, nach denen die spätere private von der betrieblichen Benutzung abgegrenzt werden könnte. Es läßt sich nicht voraussagen, in welchem Verhältnis insgesamt gesehen die zukünftige betriebliche oder berufliche Nutzung des Führerscheins zur privaten Nutzung stehen wird. Der mehr oder weniger zufällige Umfang der betrieblichen und privaten Benutzung eines PKW im Jahr der Aufwendungen für den Erwerb des Führerscheins ist ebenfalls kein geeigneter Maßstab. Eine andere Beurteilung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Erwerb des Führerscheins unmittelbare Voraussetzung zur Berufsausübung ist, wie z. B. für einen LKW- oder einen Taxifahrer (vgl. BFH-Urteil VI 251/63 U), weil in diesem Fall nach der Lebenserfahrung angenommen werden kann, daß die private Benutzung der Führerscheine von untergeordneter Bedeutung und ihr Erwerb Voraussetzung für die Ausübung gerade dieser im wesentlichen in der Führung von Kraftfahrzeugen bestehenden Berufstätigkeit ist.
Fundstellen
Haufe-Index 68536 |
BStBl II 1969, 433 |
BFHE 1969, 433 |