Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
1. Darlehen, die Gesellschafter ihrer Kapitalgesellschaft geben, sind nicht schon deshalb verdecktes Stammkapital, weil Darlehen zu gleich günstigen Bedingungen nicht am Kapitalmarkt zu beschaffen gewesen wären.
2. Lassen die Gesellschafter wegen ihrer widerstreitenden Interessen eine Buchprüfung bei ihrer Kapitalgesellschaft durchführen, so kann eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen, wenn die Kapitalgesellschaft die den Gesellschaftern dadurch entstandenen Kosten übernimmt.
Normenkette
KStG § 6/1/2; EStG § 4 Abs. 4
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin (Bgin.), eine GmbH, wurde im Jahre 1946 mit einem Stammkapital von 150.000 RM von den Kaufleuten A und B gegründet. Die Gesellschafter übernahmen je 50 v. H. der Geschäftsanteile. Sie brachten in Anrechnung darauf die bisher von ihnen betriebene OHG in die GmbH ein.
Streitig ist in der Rechtsbeschwerde (Rb.) noch die Behandlung von Zinsen auf Gesellschafterdarlehen und von Kosten einer Sonderprüfung und Steuerberatung.
Zinsen auf Gesellschafterdarlehen Das Schlußvermögen der OHG von 409.070 RM wurde, soweit es das Stammkapital der Bgin. überstieg, also in Höhe von (409.070 - 100.000 =) 309.070 RM als Darlehen der Gesellschafter passiviert. Die Darlehen sollten vertragsgemäß mit 5 v. H. jährlich verzinst werden und mit einer Frist von sechs Monaten kündbar sein; zur Kündigung von mehr als 20.000 RM jährlich bedurfte es der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Das Finanzamt betrachtete die Darlehen als verdecktes Stammkapital und erkannte die von der Bgin. gezahlten Zinsen nicht als Betriebsausgaben an.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Es führte aus, die Liquidität der Bgin. nach der Währungsumstellung habe nicht zwingend eine Erhöhung des Stammkapitals erfordert. Die Kapitaldecke (Eigenkapital und fremde Gelder) sei bei der Höhe der Umsätze zwar zu klein gewesen, so daß die Darlehen einen echten Kapitalbedarf der Bgin. befriedigt hätten. Die Bgin. hätte aber zur Deckung ihres Kapitalbedarfs nicht den Weg der Erhöhung des Stammkapitals zu beschreiten brauchen. Sie hätte z. B. auch Bankkredite aufnehmen können. Wenn sie an Stelle teurerer Bankkredite, die überdies hätten gesichert werden müssen, Darlehen von ihren Gesellschaftern aufgenommen hätte, so sei das nicht zu beanstanden.
In der Rb. vertritt der Vorsteher des Finanzamts weiterhin die Auffassung, daß die Darlehen verdecktes Stammkapital seien. Er rügt unrichtige Anwendung der §§ 5, 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) und beruft sich für seine Auffassung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs III 103/52 S vom 15. Mai 1953. (Slg. Bd. 57 S. 541, Bundessteuerblatt - BStBl - 1953 III S. 208).
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist in diesem Punkt nicht begründet.
Grundsätzlich muß es der Entscheidung der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft überlassen bleiben, in welcher Form sie ihre Kapitalgesellschaft mit den erforderlichen Mitteln ausstatten. Der Senat hat bereits im Urteil I 20/50 U vom 7. November 1950 (Slg. Bd. 55 S. 27, BStBl 1951 III S. 12) in Fortführung der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs entschieden, daß es den Steuerpflichtigen freisteht, welche Rechtsform sie gerade auch im Hinblick auf die Besteuerung wählen wollen. Er hat diesen Rechtsgrundsatz in den Urteilen I 130/53 U vom 20. August 1954 (Slg. Bd. 59 S. 329, BStBl 1954 III S. 336) und I 117/54 U vom 11. Oktober 1955 (BStBl 1956 III S. 11) bestätigt und ausgebaut. Demnach können also Gesellschafter ihrer Gesellschaft statt in Form von Gesellschaftskapital auch in Form von Darlehen die erforderlichen Mittel zuführen. Ein andere Beurteilung ist nur geboten, wenn rechtlich und wirtschaftlich die Form der Zuführung von Gesellschaftskapital allein möglich, also zwingend war. Ob eine Ausstattung der Gesellschaft in Form von Gesellschaftskapital zwingend war, muß im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände geprüft werden. Dabei trifft nicht etwa die Steuerpflichtigen die Beweislast, daß die von ihnen gewählte Form möglich war, sondern es ist, weil die Steuerpflichtigen grundsätzlich das Recht zur freien Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse haben, Aufgabe der Finanzbehörden darzutun, daß nach den Umständen des Falles eine andere als die von den Gesellschaftern gewählte Form zwingend war.
Die Vorentscheidung entspricht diesen Grundsätzen. Sie weist zutreffend darauf hin, daß es in Fällen der Umwandlung von Personengesellschaften in Kapitalgesellschaften üblich sei, einen Teil des bisherigen Betriebsvermögens nicht als Gesellschaftskapital zu binden, sondern der Gesellschaft in Form von Darlehen zur Verfügung zu stellen. Bei dieser Gestaltung sind oft für die Gesellschafter nicht nur steuerliche Gesichtspunkte maßgebend, sondern auch bürgerlich-rechtliche Erwägungen, wie z. B. die Frage der Haftungsbeschränkung, die Frage der zweckmäßigen Gestaltung des Verhältnisses zwischen den Gesellschaftern usw. Das behaupten die Beteiligten auch im vorliegenden Falle. Weil sich offenbar der Gesellschafter X aus der Gesellschaft zurückziehen wollte, war es wirtschaftlich vernünftig, wenn die Beteiligten sein Ausscheiden nicht dadurch erschwerten, daß sie sein bisherigen Betriebsvermögen in vollem Umfange als Gesellschaftskapital banden. Die gegen die Würdigung des Finanzgerichts erhobenen Einwendungen des Vorstehers des Finanzamts liegen im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und können deshalb im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beachtet werden.
Weil sich der Vorsteher des Finanzamts für seine Auffassung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs III 103/52 S. beruft, sei zur Klarstellung bemerkt: Das Urteil ist zur Einheitsbewertung des Betriebsvermögens einer Kapitalgesellschaft ergangen und ist deshalb für die Körperschaftsteuer nicht bindend. Im übrigen stimmt es in der Frage, unter welchen Voraussetzungen Darlehen der Gesellschafter als verdecktes Stammkapital angesehen werden können, grundsätzlich mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats überein. Während früher der Bewertungssenat des Reichsfinanzhofs in weiterem Umfang als der Körperschaftsteuersenat Gesellschafterdarlehen als verdecktes Stammkapital betrachtet hatte, wollte der III. Senat des Bundesfinanzhofs mit dem Urteil III 103/52 S die bisherige Rechtsprechung einschränken und auch für die Einheitsbewertung Darlehen der Gesellschafter grundsätzlich nur noch unter den Voraussetzungen, die der I. Senat des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs für die Körperschaftsteuer entwickelt hatten, als verdecktes Stammkapital ansehen. Nach dem ganzen Zusammenhang kann das Urteil III 103/52 S nicht etwa dahin ausgelegt werden, daß Darlehen der Gesellschafter schon dann als verdecktes Stammkapital anzusehen seien, wenn die Gesellschafter sie zu günstigeren Bedingungen geben als ein Fremder sie gegeben hätte. Im vorliegenden Fall ist ohne weiteres davon auszugehen, daß die Bgin. in den Streitjahren 1947 bis 1951 von gesellschaftsfremden Personen keinesfalls einen ungesicherten Kredit zu 5 v. H. Zinsen jährlich erhalten hätte. Ungewöhnliche Bedingungen für ein Darlehen können im Einzelfall mit zur Beurteilung herangezogen werden, ob das Darlehen wirtschaftlich verdecktes Stammkapital ist. Ein besonders niedriger Zinsfuß allein rechtfertigt aber noch nicht, Darlehen als verdecktes Stammkapital zu behandeln. Das wollte auch das Urteil III 103/52 S offenbar nicht annehmen.
Kosten der Steuerberatung. Beide Gesellschafter haben anläßlich der Aufstellung der DM-Eröffnungsbilanz der Bgin. aus persönlichen Gründen wegen ihrer widerstreitenden Interessen je einen Buchsachverständigen zugezogen und ihn mit der Prüfung der DM-Eröffnungsbilanz und der steuerlichen Beratung beauftragt. Die Bgin. verbuchte die dadurch entstandenen Kosten als Betriebsausgaben, und zwar zum 31. Dezember 1949 mit 4.200 DM und zum 31. Dezember 1950 mit 1.550 DM. Das Finanzamt erkannte diese Kosten zunächst überhaupt nicht, im Einspruchsverfahren nur zur Hälfte als Betriebsausgaben an. Die andere Hälfte behandelte es als verdeckte Gewinnausschüttung. Das Finanzgericht hat die Abzugsfähigkeit bei der Gesellschaft im vollen Umfang bejaht.
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet. Lassen die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft aus persönlichen Gründen und wegen ihrer einander widerstreitenden Interessen eine Prüfung bei der Kapitalgesellschaft durchführen und sich steuerlich beraten, so sind die dadurch entstehenden Kosten in der Regel Aufwendungen, die die Gesellschafter im eigenen Interesse und zur Förderung ihrer Beteiligung machen. übernimmt die Gesellschaft diese Kosten, so trägt sie damit persönliche Ausgaben ihrer Gesellschafter ohne Gegenleistung, so daß eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt. Es spielt dabei keine Rolle, ob nur ein oder mehrere oder alle Gesellschafter die Prüfung veranlaßt haben und ob die Gesellschafter unter sich einig gewesen sind, die Gesellschaft mit den Kosten zu belasten. Die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft können nicht mit steuerlicher Wirkung Unkosten, die mit ihrer Gesellschaftereigenschaft zusammenhängen, ohne weiteres auf die Gesellschaft verlagern (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 12/55 U vom 16. Dezember 1955, BStBl 1956 III S. 43).
Zu Unrecht beruft sich das Finanzgericht darauf, daß für den Gesellschafter einer Personengesellschaft unter Umständen Prozeßkosten als Abwehrkosten Betriebsausgaben sein könnten (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 422/37 vom 14. Juli 1937, Reichssteuerblatt - RStBl - 1937 S. 937). Gesellschafter einer Personengesellschaft sind Mitunternehmer (ß 15 Ziff. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) und können im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung Betriebsausgaben haben. Ein Gesellschafter einer Personengesellschaft kann deshalb Prozeßkosten, die mit seiner Mitunternehmerschaft zusammenhängen, im Rahmen seines Betriebs als gewinnmindernde Aufwendungen verbuchen. Eine Kapitalgesellschaft ist dagegen als juristische Person losgelöst von ihren Gesellschaftern. Die Anteile an einer Kapitalgesellschaft gehören im allgemeinen zum Privatvermögen der Gesellschafter. Die Gesellschafter sind nicht Mitunternehmer der Kapitalgesellschaft. Das Urteil des Reichsfinanzhofs I A 26/34 vom 11. September 1934 (RStBl 1934 S. 1443), auf das sich das Finanzgericht noch beruft, betrifft einen anderen Tatbestand.
Die Vorentscheidung ist wegen unrichtiger Anwendung des § 6 des Körperschaftsteuergesetzes, § 4 Abs. 4 EStG aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das Finanzgericht muß bei der erneuten Entscheidung prüfen, ob, wie das Finanzamt im Einspruchsverfahren zugunsten der Bgin. angenommen hat, die zugezogenen Sachverständigen teilweise auch im eigenen Interesse der Bgin. tätig geworden sind. In diesem Falle bestehen gegen eine schätzungsweise Zerlegung der entstandenen Kosten keine Bedenken.
Fundstellen
Haufe-Index 408452 |
BStBl III 1956, 179 |
BFHE 1956, 482 |
BFHE 62, 482 |
BB 1956, 491 |
DB 1956, 515 |