Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Langfristigkeit einer gesicherten Forderung ist für sich allein grundsätzlich nicht als besonderer Umstand im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG anzusehen, der eine Bewertung der Forderung unter ihrem Nennwert rechtfertigt.
Normenkette
BewG § 14 Abs. 1, § 12/1
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist verheiratet und mit seiner Ehefrau sowie mit seiner minderjährigen Tochter zusammen veranlagt.
Anläßlich der Vermögensteuerveranlagung zum 1. Januar 1949, der der Wert des auf den 21. Juni 1948 ermittelten steuerpflichtigen Vermögens zugrunde zu legen ist, hat das Finanzamt bei dem Ansatz des sonstigen Vermögens auch eine der Ehefrau zustehende Kapitalforderung, die aus einer Erbschaft der Ehefrau herrührt, und die im Verhältnis 1 : 1 auf 60.000 DM umgestellt worden ist, herangezogen. Der Ursprung dieser Forderung geht auf den Erbauseinandersetzungsvertrag vom 15. August 1939 zwischen der Ehefrau des Bf., ihrer Mutter und ihrem Bruder zurück. Nach diesem Vertrag war der Ehefrau von ihrem Bruder als dem Erben des väterlichen Besitzes eine Abfindung von 60.000 RM zu zahlen, die aber erst nach dem Tode der Mutter, der im Jahre 1955 eingetreten ist, in jährlichen jeweils zum Jahresende fälligen Tilgungsraten von 6.000 RM/DM entrichtet werden sollte. Die Forderung ist hypothekarisch gesichert und vertragsgemäß bis zu ihrer Auszahlung nach Reichsbankdiskont, mindestens aber mit 4 v. H. jährlich zu verzinsen. Der Beginn der Verzinsung war von den Beteiligten auf den 1. Juli 1939 festgelegt worden. Das Finanzamt hat die Forderung in Kenntnis ihrer Zins- und Zahlungsbedingungen mit dem Nennwert von 60.000 DM in Ansatz gebracht. Dementsprechend hat es die Vermögensteuerveranlagung auf 1. Januar 1949, die Neuveranlagung zum 1. Januar 1950 und auch die spätere Hauptveranlagung zum 1. Januar 1953 durchgeführt.
Gegen sämtliche Veranlagungen hat sich der Bf. mit dem Antrage gewendet, die Forderung mit einem unter dem Nennwert liegenden Betrage in Ansatz zu bringen. Er hat ausgeführt, bei dem Erbanspruch seiner Ehefrau handele es sich nicht um eine "langfristige Vermögensanlage" im Sinne des § 14 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG); denn nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs sei davon auszugehen, daß eine später fällig werdende, sichere und verzinsliche Forderung in der Regel nur dann mit dem Nennwert anzusetzen sei, wenn es sich um eine "langfristige Vermögensanlage" durch den Gläubiger handele. Das sei bei der Erbschaftsforderung nicht der Fall. Sie müsse daher seiner Ansicht nach ganz außer Ansatz bleiben. Soweit man dieser Auffassung aber nicht folge, müsse die Forderung auf jeden Fall mit einem niedrigeren Wert als dem Nennwert angesetzt werden. Denn bei der Bewertung der Forderung sei weiterhin zu berücksichtigen, daß seine Ehefrau infolge der Unkündbarkeit der Forderung und ihrer späten, über den Tod seiner Schwiegermutter hinaus aufgeschobenen Fälligkeit erst nach langer Zeit in den Genuß des Geldes gelange, wobei als besonderer Umstand noch die außergewöhnlich niedrigere Verzinsung beachtet werden müsse. Tatsächlich sei die Forderung bei der Veranlagung auf 1. Januar 1940 bzw. 1. Januar 1946 nur mit 50.000 bzw. 48.000 RM bewertet worden. Nach Treu und Glauben könne auch auf den 21. Juni 1948 kein höherer Wert angesetzt werden. Der gemeine Wert (Verkaufswert) der Forderung liege noch niedriger. Er könne am Stichtag höchstens mit 30.000 DM beziffert werden.
Einspruch und Berufung sind erfolglos geblieben. Die Vorinstanzen haben übereinstimmend die Ansicht vertreten, daß die Erbschaftsforderung der Ehefrau sonstiges Vermögen im Sinne des § 67 Ziff. 1 BewG darstelle und als langfristige Vermögensanlage nach § 14 Abs. 1 BewG zu bewerten sei. Im übrigen rechtfertige weder die späte Fälligkeit der Forderung noch ihr Zinssatz, der mit 4 v. H. nicht außergewöhnlich niedrig sei, eine Bewertung unter dem Nennwert.
In der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt der Bf. unter Wiederholung seines Vorbringens in der Einspruchs- und Berufungsinstanz neben fehlerhafter Rechtsanwendung auch Mängel in der Feststellung und Würdigung des Sachverhaltes. Diese Mängel seien darin zu erblicken, daß die Vorinstanzen einer Klausel des Erbauseinandersetzungsvertrages keine Beachtung geschenkt haben, in der unter Bezugnahme auf das gemeinschaftliche Testament des Erblassers und seiner Ehefrau bestimmt wird, daß die Ehefrau des Bf. ihrem Bruder bei schwieriger Geschäftslage, als welche auch eine Einnahmeverminderung durch gesetzliche Eingriffe, Krieg, Feuer oder andere von letzterem nicht zu vertretende Umstände gelte, die Abzahlung der Abfindungsraten in angemessener Weise weiter zu stunden habe.
Entscheidungsgründe
Auch der Rb. muß jedoch der Erfolg versagt bleiben.
Zunächst ist den Vorinstanzen darin beizupflichten, daß eine Erbschaftsforderung ebenso wie jede andere Kapitalforderung ein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut darstellt und bei der Vermögensteuerveranlagung als sonstiges Vermögen im Sinne des § 67 Ziff. 1 BewG in Ansatz zu bringen ist. Das gilt auch für solche Erbschaftsforderungen, die aus einer Erbauseinandersetzung entstanden sind. Der Reichsfinanzhof hat deshalb in der Entscheidung III A 120/31 vom 14. Dezember 1932 (RStBl 1933 S. 841) mit Recht zum Ausdruck gebracht, daß ein solcher Auseinandersetzungsanspruch sogar dann in Ansatz zu bringen ist, wenn vertraglich die Möglichkeit vorbehalten wurde, bei Eintritt gewisser Bedingungen den Forderungsbetrag künftig herabzusetzen.
Grundsätzlich sind Kapitalforderungen, soweit sie nicht unter § 13 BewG fallen, gemäß § 14 Abs. 1 BewG mit dem Nennwert zu bewerten. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um kurzfristige oder langfristige Forderungen handelt. Im Streitfalle handelt es sich um eine langfristige Forderung, selbst wenn die langfristige Bindung der Kapitalsanlage nicht auf dem Willen der Ehefrau als der Anspruchsberechtigten, sondern auf dem Willen des Erblassers beruhen sollte. Auf den Ursprung der Forderung und auf die Art und Weise ihrer Begründung kommt es insoweit nicht an, sondern allein darauf, wie lange das Kapital objektiv gebunden ist. Etwas anderes ist auch der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und Bundesfinanzhofs nicht zu entnehmen, auf die der Bf. ausdrücklich Bezug genommen hat.
Dies haben bereits die Vorinstanzen, insbesondere das Finanzgericht, zutreffend erkannt. Diesem ist auch darin beizupflichten, daß keine besonderen Umstände erkennbar sind, die einen unter dem Nennwert liegenden niedrigeren Wertansatz der streitigen Forderung rechtfertigen könnten. An der Sicherheit der Forderung ist im Hinblick auf die Eintragung einer Sicherungshypothek, die sogar an mehreren Grundstücken bestellt worden ist, nicht zu zweifeln. Wegen der Langfristigkeit der Forderung allein ist aber ein Abgehen vom Nennwert grundsätzlich nicht gerechtfertigt. Dies gilt insbesondere auch bei Erbauseinandersetzungsforderungen, selbst wenn diese, wie im vorliegenden Falle, erst beim Tode der Ehefrau des Erblassers, das heißt praktisch vielleicht viele Jahre nach dem Tode des Erblassers fällig werden, wobei auch der Umstand nicht ins Gewicht fällt, daß diese Fälligkeit auf Grund besonderer Verhältnisse sogar noch weiter hinausgeschoben werden kann. Dazu ist noch zu bemerken, daß gerade bei Erbschaftsforderungen der nicht seltene Nachteil einer späten Fälligkeit in der Regel durch die größere Sicherheit der Forderung und durch die Vorzugsstellung, die den Erbschaftsansprüchen fast in allen Fällen vom Gesetzgeber eingeräumt zu werden pflegt, weitgehend ausgeglichen wird. Anders verhält es sich allerdings, wenn bei einer langfristigen oder unkündbaren Forderung der Zinsfuß ungewöhnlich niedrig ist (vgl. Entscheidung des Reichsfinanzhofs III 11/42 vom 31. März 1942 - RStBl 1943 S. 435 -). Dies hat auch der erkennende Senat in der Entscheidung III 109/54 U vom 2. Dezember 1955 (BStBl 1956 III S. 49, Slg. Bd. 62 S. 130) zum Ausdruck gebracht, in der die Bewertung einer unkündbaren, nur mit 3 v. H. verzinslichen Forderung streitig war. Hier hat der Senat besonders im Hinblick auf die außergewöhnlich niedrige Verzinsung der Forderung den Ansatz eines geringeren Wertes als des Nennwertes für angezeigt erachtet. Im Streitfall kann aber bei einem Mindestzinssatz von 4 v. H. nicht von einer außergewöhnlich niedrigen Verzinsung gesprochen werden, selbst wenn man von dem Normalzinssatz des BewG von 5,5 v. H. ausgeht. Die Vorinstanzen haben daher das Vorliegen besonderer Umstände, die eine Bewertung der streitigen Forderung unter dem Nennwert rechtfertigen könnten, mit Recht verneint.
Daß das Finanzamt bei früheren Veranlagungen den Abfindungsanspruch der Ehefrau mit niedrigeren Beträgen angesetzt hat, bindet das Finanzamt bei seiner jetzigen Veranlagung nicht. Es verstößt daher auch nicht gegen Treu und Glauben, wenn das Finanzamt bei der Veranlagung auf den 1. Januar 1949 und den späteren Veranlagungen nunmehr den vollen Nennwert in Ansatz gebracht hat. Eine niedrigere Bewertung würde im übrigen selbst dann nicht gerechtfertigt sein, wenn tatsächlich, wie der Bf. meint, bei einer Abtretung der Forderung im gegenwärtigen Augenblick nicht der volle Nennwert erzielt werden könnte (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III e A 77/34 vom 10. Januar 1935 - RStBl 1935 S. 323 -).
Bei dieser Beurteilung kann unerörtert bleiben, ob das Finanzgericht im übrigen alle Tatbestandsmomente erschöpfend gewürdigt hat oder, wie der Bf. geltend macht, dabei auf einige Besonderheiten der Vertragsgestaltung nicht näher eingegangen ist.
Die Rb. ist daher in der Sache selbst unbegründet. Nur die Streitwertfeststellung bedarf einer änderung der Vorentscheidungen. Ausgangspunkt der Streitwertberechnung ist auch bei solchen Steuern, die für mehrere Jahre veranlagt werden, zunächst der für ein Jahr streitige Steuerbetrag. Dieser ist aber bei der Vermögensteuer nicht mit der Gesamtzahl der von dem einzelnen Veranlagungszeitraum umfaßten Jahre, sondern nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteil III A 15/33 vom 23. Februar 1933 - RStBl 1933 I S. 202 -, Urteil III A 195/36 vom 11. Februar 1937 - RStBl 1937 I S. 364-) und des Bundesfinanzhofs nur mit 2 zu vervielfachen. Im Streitfalle haben die Vorinstanzen diese Grundsätze nicht beachtet, sondern haben den streitigen Steuerbetrag für jedes einzelne Jahr des Zeitraumes von 1949 bis 1955 errechnet und diese Summe verdoppelt. Diese Streitwertberechnung ist schon deshalb fehlerhaft, weil bei der Ermittlung des Streitwertes nach dem für jedes einzelne Jahr streitigen Steuerbetrag die sich ergebende Summe aller überhaupt in Betracht kommenden jährlichen Streitbeträge nicht verdoppelt werden darf. Im übrigen ist von den Vorinstanzen übersehen worden, daß für die Veranlagungszeiträume von 1950 bis 1952 und von 1953 bis 1955 jeweils nur der zweifache Betrag der streitigen Jahressteuer und nicht, wie hier geschehen, der dreifache Jahresbetrag in Ansatz zu bringen ist. Bei richtiger Berechnung ergibt sich folgender Streitwert:
Jahressteuer 1949 ---------- 120 DM ------ 120 DM Jahressteuer 1950 - 1952 je - 90 DM x 2 -- 180 DM Jahressteuer 1953 - 1955 je - 30 DM x 2 --- 60 DM -------------------------------------------360 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 409340 |
BStBl III 1959, 262 |
BFHE 1960, 1 |
BFHE 69, 1 |