Leitsatz (amtlich)
Beteiligungen an Abschreibungsgesellschaften können bei einer Getränkegroßhandels-OHG nicht als gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter behandelt werden.
Orientierungssatz
1. Auch wenn die Beteiligung der Gesellschafter einer OHG an einer anderen Personengesellschaft zum Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter gehört (unter welchen Umständen die Beteiligung an einer Personengesellschaft überhaupt Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei einer anderen Personengesellschaft bilden kann, konnte im Streitfall offenbleiben), kann eine Teilwertabschreibung der Beteiligung an der anderen Personengesellschaft nicht in Betracht kommen, weil die Gewinne und Verluste der OHG den Gesellschaftern unmittelbar zugerechnet werden, so daß der Gesellschaftsbeteiligung keine eigenständige Bedeutung als besonderes Wirtschaftsgut zukommt (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. NV: Konnten Gewinnfeststellungsbescheide wegen ihres uneingeschränkten Vorläufigkeitsvermerks (§ 100 Abs. 2 AO) in jeder Hinsicht geändert werden, so kann das FA bei den endgültigen Gewinnfeststellungen ohne Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben seine jahrelang (hier sieben Jahre) zu einem Sachverhalt vertretene Rechtsauffassung ändern (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 28.2.1961 I 25/61 U, in dem das FA über einen Zeitraum von 16 Jahren einen Sachverhalt in einer möglichen Weise gewürdigt hatte).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1; AO § 100 Abs. 2, § 225; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) haben in den Streitjahren in der Rechtsform einer nicht mehr bestehenden OHG einen Getränkegroßhandel betrieben. In den Jahren 1967 bis 1972 erwarben sie persönlich Beteiligungen an Berliner Gesellschaften (sog. Abschreibungsgesellschaften).
Diese Beteiligungen behandelten die Kläger als Betriebsvermögen der OHG und berücksichtigten die den Gesellschaftern aus den Beteiligungen zugewiesenen Verlustanteile gewinnmindernd. Außerdem nahmen sie 1973 zu Lasten des Gewinns der Gesellschaft eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung vor. ++/ Eine im Jahre 1974 durchgeführte Betriebsprüfung (Prüfungszeitraum 1967 bis 1969) und die vorläufigen Feststellungsbescheide für die Streitjahre 1970 bis 1973 folgten dem. /++
Bei einer Betriebsprüfung im Jahr 1975 für die Streitjahre vertrat der Prüfer dagegen die Auffassung, mangels objektiv nachprüfbarer Bindung zum Betrieb könnten die Beteiligungen nicht als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden. Sie müßten deshalb mit dem Buchwert entnommen und die erfolgswirksam gebuchten Verlustzuweisungen dem Privatkonto der Gesellschafter belastet werden.
Auf dieser Grundlage erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) geänderte Gewinnfeststellungsbescheide für 1970 bis 1973. Der Einspruch hiergegen hatte insoweit keinen Erfolg.
Mit ihrer Klage begehrten die Kläger u.a., die Berlin-Beteiligungen als Betriebsvermögen der OHG zu behandeln, die Verluste aus den Beteiligungen gewinnmindernd zu berücksichtigen und für 1973 eine Teilwertabschreibung zuzulassen.
Das Finanzgericht (FG) sah die Klage hinsichtlich dieser Streitpunkte als unbegründet an. Weder die Verlustzuweisungen noch die Teilwertabschreibungen könnten berücksichtigt werden. Die Beteiligungen gehörten nicht zum Betriebsvermögen. Eine Teilwertabschreibung auf Anteile an einer Personengesellschaft käme nicht in Betracht, weil dem Beteiligungsansatz für die ertragsteuerliche Gewinnermittlung keine selbständige Bedeutung zukäme.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Dem FG ist darin beizupflichten, daß die Verluste aus den Berlin-Beteiligungen der Kläger den gewerblichen Gewinn nicht mindern dürfen. ++/ Die Änderungsbescheide des FA sind auch aus verfahrensrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. /++
1. Die Kläger ermitteln den Gewinn der OHG zur Besteuerung gemäß § 15 Abs.1 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4, 5 EStG). Zu diesen Einkünften gehört neben dem Anteil am Gewinn der Gesellschaft, der sich aus der Veränderung des Gesamthandsvermögens ergibt, auch ein Gewinn aus der Veränderung von Sonderbetriebsvermögen in der Hand des Gesellschafters. Die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen beim Gesellschafter verlangt, daß das fragliche Wirtschaftsgut entweder dem Betrieb der Personengesellschaft oder der Beteiligung des Gesellschafters dient. Diese Beziehung ist gegeben, wenn ein dem Mitunternehmer gehörendes Wirtschaftsgut unmittelbar dem Betrieb der Personengesellschaft zu dienen bestimmt ist, insbesondere weil es der Personengesellschaft zur Nutzung überlassen ist und von ihr auch tatsächlich für betriebliche Zwecke genutzt wird, oder wenn das Wirtschaftsgut unmittelbar zur Begründung und Verstärkung der Beteiligung des Mitunternehmers an der Personengesellschaft eingesetzt wird (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 4.Aufl., § 15 Anm.79 mit Rechtsprechungsnachweisen). In diesem Fall handelt es sich um notwendiges Sonderbetriebsvermögen, das diese Eigenschaft erst mit einer Änderung der Verhältnisse, nicht aber bereits durch eine Entnahmebuchung verliert.
Wie ein Einzelunternehmer gewillkürtes Betriebsvermögen haben kann, so kann allerdings auch ein Mitunternehmer gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen bilden, sofern die fraglichen Wirtschaftsgüter objektiv geeignet sind, den Betrieb der Gesellschaft oder die Beteiligung des Mitunternehmers zu fördern und subjektiv durch Widmung seitens des Gesellschafters und entsprechenden bilanzmäßigen Ausweis diesem Zweck zugeordnet werden (Schmidt, a.a.O., § 15 Anm.80 mit Rechtsprechungsnachweisen).
Im Streitfall können die Berlin-Beteiligungen der Gesellschafter, genauer, die durch diese Beteiligungen repräsentierten Anteile am Betriebsvermögen der Berliner Personengesellschaften, weder als notwendiges noch als gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen angesehen werden. Der Betrieb dieser Personengesellschaften war dem Betriebszweck der OHG, die einen Getränkegroßhandel unterhält, in keiner Beziehung dienlich. Irgendwelche geschäftlichen Beziehungen haben zwischen der OHG und den Berliner Gesellschaften nicht bestanden; es ist auch nicht festgestellt oder sonst ersichtlich, daß die Berlin-Beteiligungen der Stärkung der Mitgliedschaft der Kläger in der OHG gedient hätten.
Zu Recht hat das FG auch die Eigenschaft als gewillkürtes Betriebsvermögen verneint, weil auch sonst kein objektiver Zusammenhang zwischen den Berlin-Beteiligungen und dem Betrieb der OHG bestanden habe. Die unbestimmte Behauptung der Kläger, sie haben sich bei diesen Gesellschaften eine verbilligte Einkaufsquelle erschließen wollen, die Beteiligung habe also künftigen Geschäftsbeziehungen dienen sollen, konnte das FG mangels jeglicher Substantiierung unberücksichtigt lassen. Die Beteiligungen stellten auch keine Vermögenswerte dar, die wie Wertpapiere, Bankkonten oder Grundstücke bereits wegen der mit ihnen verbundenen finanziellen Absicherung zu gewillkürtem Betriebsvermögen und möglicherweise auch zu gewillkürtem Sonderbetriebsvermögen gemacht werden können. Die Beteiligung an einer Abschreibungsgesellschaft bildet keinen damit vergleichbaren Vermögenswert, der für künftige finanzielle Anforderungen aus dem Betrieb der Gesellschaft oder aus der Beteiligung des Gesellschafters eingesetzt werden könnte. Die mit diesen Beteiligungen von den Klägern nach ihrem Vortrag erstrebte Einkommensteuerersparnis begründet keinen Zusammenhang mit dem Betrieb der OHG und der Mitgliedschaft der Kläger in diesem Unternehmen.
Unter welchen Umständen die Beteiligung an einer Personengesellschaft überhaupt Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei einer anderen Personengesellschaft bilden kann und wie dem im Gewinnfeststellungsverfahren beider Mitunternehmerschaften Rechnung zu tragen ist, braucht danach im Streitfall nicht entschieden zu werden. Die von den Klägern erstrebte Teilwertabschreibung kommt ohnehin nicht in Betracht, weil die Gewinne und Verluste der OHG den Gesellschaftern unmittelbar zugerechnet werden, so daß der Gesellschaftsbeteiligung keine eigenständige Bedeutung als besonderes Wirtschaftsgut zukommt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.Juli 1975 I R 165/73, BFHE 117, 30, BStBl II 1976, 73; vom 29.September 1976 I R 171/75, BFHE 120, 222, BStBl II 1977, 259; vom 22.Januar 1981 IV R 160/76, BFHE 132, 538, BStBl II 1981, 427). Die Beteiligung kann entgegen der Meinung der Kläger insoweit auch nicht wie die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft behandelt werden, weil die Berliner Gesellschaften, auch wenn sie die Rechtsform der GmbH & Co. KG hatten und als Publikumsgesellschaften nach Art einer Kapitalgesellschaft organisiert waren, gleichwohl als Personengesellschaften i.S. des § 15 Abs.1 Nr.2 EStG anzusehen sind (BFH-Beschluß vom 25.Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751).
++/ 2. Zu Unrecht rügt die Revision Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften.
Die geänderten Feststellungsbescheide ergingen zutreffend aufgrund § 225 der Reichsabgabenordnung (AO). Die ursprünglichen Bescheide waren --wie in der Einspruchsentscheidung ausgeführt wurde-- vorläufig nach § 100 Abs.2 AO. Das FA mußte bei seiner im zeitlichen Geltungsbereich der Abgabenordnung (AO 1977) ergangenen Einspruchsentscheidung vom 11.April 1979 die Rechtsgrundlage der Änderungsbescheide nicht erneut erörtern. Denn das Inkrafttreten der AO 1977 ließ das Recht des FA zur Änderung der vorläufigen Bescheide nicht entfallen (vgl. Art.97 § 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14.Dezember 1976, BStBl I 1976, 3341, mit der Verweisung auf § 164 Abs.2 und 3 AO 1977).
Im Gegensatz zur Meinung der Kläger konnte das FA bei seiner Entscheidung über die endgültigen Gewinnfeststellungen ohne Verstoß gegen Vertrauensschutzgrundsätze die Gewinnminderungen aus den Berlin-Beteiligungen rückgängig machen. Die Erstbescheide konnten wegen ihres uneingeschränkten Vorläufigkeitsvermerks in jeder Hinsicht geändert werden (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 7.Aufl., Anm.9 zu § 100 AO; dieselben, a.a.O., 11.Aufl., Tz.8 zu § 164 AO 1977). Aus diesem Grund durften die Kläger auch nicht schutzwürdig darauf vertrauen, daß das FA seine Rechtsauffassung beibehalten würde. Zu Unrecht berufen sie sich für ihre gegenteilige Auffassung auf das BFH-Urteil vom 28.Februar 1961 I 25/61 U (BFHE 72, 689, BStBl III 1961, 252). In dieser Entscheidung ist zwar ausgesprochen, daß die Änderung vorläufiger Bescheide zur Richtigstellung einer jahrelang vom FA vertretenen Auffassung treuwidrig sein kann. Das Urteil betraf indessen einen Ausnahmefall. Wesentlich für jene Entscheidung war, daß das FA über einen Zeitraum von 16 Jahren einen Sachverhalt in einer möglichen Weise gewürdigt hatte. Im Streitfall geht es insgesamt nur um die Jahre 1967 bis 1973. /++
Fundstellen
Haufe-Index 61023 |
BStBl II 1985, 654 |
BFHE 144, 230 |
BFHE 1986, 230 |
BB 1985, 2024-2024 (ST) |
DB 1985, 2331-2331 (ST) |
DStR 1985, 705-706 (ST) |
HFR 1986, 9-10 (ST) |