Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine Unfallentschädigung, die ein Gewerbetreibender wegen Erwerbsminderung aus der Haftpflichtversicherung des Schädigers erhält, gehört nicht zum Gewerbeertrag im Sinne des § 7 GewStG.
Normenkette
EStG § 15; GewStG § 7; EStG § 24 Ziff. 1
Tatbestand
Die Bfin. ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Ihr Gesellschafter X. wurde im Jahre 1954 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt; seine Erwerbsminderung wurde auf 60 v. H. festgestellt. Die Haftpflichtversicherung der Schädiger zahlte auf Grund des am 20. Mai 1960 geschlossenen Vergleichs an ihn 125.000 DM zur Abgeltung aller aus dem Unfall erwachsenen Schäden, nämlich für Schmerzensgeld, Arztkosten, Anwaltskosten und laufende Rente für Verdienstausfall. Bei der einheitlichen Feststellung des Gewinns der Bfin. schätzte das Finanzamt mit deren Einverständnis den in der Abfindung enthaltenen Ersatz für Verdienstausfall auf 102.045 DM und rechnete diesen Betrag dem gewerblichen Gewinn der Bfin. zu. Der Gewinn für 1960 wurde auf 90.931 DM und die darin enthaltene Entschädigung im Sinn des § 24 Ziff. 1 EStG auf 89.184 DM festgestellt. Der Gewerbeertrag für 1960 betrug unter Berücksichtigung von Zurechnungen nach § 8 GewStG und Kürzungen gemäß § 9 GewStG 93.404 DM.
Die Bfin. bestritt, daß die Entschädigung der Gewerbesteuer unterliege. Der Einspruch und die Berufung blieben erfolglos.
Das Finanzgericht führte aus, Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einkünfte seien Einkünfte der Einkunftsart, für die sie den Ersatz bildeten. Weil hier der Gesellschafter die Entschädigung als Ausgleich für den gewerblichen Verdienstausfall erhalten habe, rechne die Entschädigung zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Solche Einkünfte unterlägen der Gewerbesteuer, wenn sie im Rahmen eines bestehenden Betriebes anfielen. Entschädigungen für die verringerten gewerblichen Einkünfte seien nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 630/55 U vom 21. Februar 1957 (BStBl 1957 III S. 164, Slg. Bd. 64 S. 437) als Einkünfte aus dem Betrieb zu behandeln. Die Entschädigung solle den Zustand wieder herstellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Welcher Gesellschafter die gewerblichen Einkünfte erzielt habe, sei unerheblich.
Entscheidungsgründe
Die Rb., mit der die Bfin. die Verletzung geltenden Rechts rügt, ist begründet.
Zum Gewerbeertrag i. S. des § 7 GewStG gehören die gewerblichen Einkünfte, die innerhalb des Gewerbebetriebs anfallen. Dazu können auch Entschädigungen gehören, die eine Versicherungsgesellschaft an den Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebes zur Abgeltung eines Unfallschadens zahlt. Das ist z. B. der Fall, wenn der Unternehmer selbst sich im Rahmen des Betriebs gegen eine erhöhte betriebliche Unfallgefahr versichert und die Versicherungsprämien als Betriebsausgaben behandelt hat (Urteile des Bundesfinanzhofs VI 343/62 S vom 8. April 1964, BStBl 1964 III S. 271, Slg. Bd. 79 S. 107; IV 42/65 S vom 5. August 1965, BStBl 1965 III S. 650). Im Streitfall ist die Entschädigung nicht auf Grund einer Eigenversicherung des Gesellschafters, sondern auf Grund der Haftpflichtversicherung des Schädigers gezahlt worden. Das Finanzgericht beruft sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 630/55 U (a. a. O.). Damals wurde die Entschädigung, die ein Metzgermeister zum Ausgleich seiner gewerblichen Mindereinnahmen erhalten hatte, dem Gewerbeertrag zugerechnet. Der Senat hat Bedenken, den Grundsätzen dieser Entscheidung zu folgen, sofern damit etwa gesagt sein soll, daß Unfallentschädigungen wegen verminderter Leistungsfähigkeit im Betrieb allgemein zum Gewerbeertrag aus dem Betrieb gehören.
Wenn auch nach § 24 Ziff. 1 EStG solche Entschädigungen einkommensteuerrechtlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind, so sind sie deswegen doch nicht ohne weiteres auch Gewerbeertrag im Sinne des § 7 GewStG. Die Begriffe "gewerblicher Gewinn" und "Gewerbeertrag" sind zwar, wie § 7 GewStG anordnet, grundsätzlich gleich zu bestimmen. Aber sie decken sich doch nicht voll. In Grenzfällen können sich Abweichungen daraus ergeben, daß die Gewerbesteuer eine Objektsteuer und auf den Gewerbebetrieb als Objekt bezogen ist (Blümich-Boyens-Steinbring-Klein, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, Anm. 2 zu § 7 GewStG). Die Gewerbesteuer will nur den Ertrag eines werbenden (lebenden) Betriebs erfassen, wie der Große Senat des Bundesfinanzhofs in der Entscheidung Gr. S. 1/63 S vom 13. November 1963 (BStBl 1964 III S. 124, Slg. Bd. 78 S. 315) ausgesprochen hat, als er für ruhende Gewerbebetriebe die Gewerbesteuerpflicht verneinte. Gewerbliche Einnahmen im Sinne des § 15 EStG gehören deshalb nur zum Gewerbeertrag, wenn sie unmittelbar im gewerblichen Betrieb erwirtschaftet werden. Die Vorgänge der Gründung und der Auflösung des Gewerbebetriebs werden aus diesem Grund nicht mit der Gewerbesteuer erfaßt, vor allem nicht die Gewinne, die bei der Veräußerung eines Gewerbebetriebes entstehen (Urteile des Bundesfinanzhofs VI 336/62 U vom 20. Dezember 1963, BStBl 1964 III S. 248, Slg. Bd. 79 S. 42; I 78/61 S vom 25. Mai 1962, BStBl 1962 III S. 438, Slg. Bd. 75 S. 467). Für Unfallentschädigungen der vorliegenden Art müssen die gleichen Grundsätze gelten. Sie stehen zwar auch in einer Beziehung zum gewerblichen Betrieb insofern, als sie zum Ausgleich für die Minderung künftiger Gewinnaussichten aus dem Betrieb gezahlt werden. Sie sind aber nicht unmittelbar ein Ertrag aus dem werbenden Betrieb, sondern die Folgen eines Körperschadens, den der Betriebsinhaber erlitten hat.
Die Vorentscheidung, die diesen Rechtsgrundsätzen nicht entspricht, und die Einspruchsentscheidung waren aufzuheben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, das bei der Feststellung des Gewerbesteuermeßbetrages die Entschädigung außer Ansatz zu lassen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 411764 |
BStBl III 1966, 94 |
BFHE 1966, 258 |
BFHE 84, 258 |