Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abgrenzung zwischen gewerblichem Grundstückshandel und privater Vermögensverwaltung
Leitsatz (NV)
1. Bei einem Verkauf von Eigentumswohnungen liegt auch dann eine Mehrzahl selbständiger Tätigkeiten vor, wenn es sich um ein einzelnes Bauvorhaben handelt und die Verkaufsabsicht auf einem einmaligen Entschluß beruht.
2. Die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert das für Dritte äußerlich erkennbare Anbieten von entgeltlichen Tätigkeiten am Markt. Hierbei ist es jedoch nicht notwendig, daß der Steuerpflichtige persönlich werbend am Markt auftritt.
3. Die Motive für die Wohnungsverkäufe sind für die steuerliche Beurteilung der Veräußerungsgeschäfte grundsätzlich ohne Bedeutung.
Normenkette
EStG §§ 15, 21; GewStDV § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 28. Juli 1968 ein Grundstück. Bereits am 5. Oktober 1967 hatte der Kläger mit den Grundstücksveräußerern eine notariell beurkundete Vereinbarung getroffen, die u. a. folgenden Wortlaut hatte:
§ 2 Der Käufer verpflichtet sich, das genannte Grundstück zum Preis von 100 DM / qm zu kaufen. An diese Verpflichtung ist er ein Jahr gebunden.§ 3 Die Verkäufer erklären, daß sie sich innerhalb eines Jahres zu der Kaufverpflichtung verbindlich äußern werden. Sollte innerhalb dieser Frist ein Kaufvertrag nicht zustande gekommen sein, so ist der Käufer von seiner Kaufverpflichtung wieder entbunden.
Im Jahre 1969 begann der Kläger mit dem Bau eines 15 Wohnungen umfassenden Mehrfamilienhauses, das im Jahre 1971 fertiggestellt wurde. Die Baukosten beliefen sich auf insgesammt 1 408 350 DM.
Der Kläger verkaufte sämtliche Wohnungen als Eigentumswohnungen an 15 verschiedene Erwerber. Die Kaufverträge über 13 Wohnungen wurden im Zeitraum von Oktober bis Dezember 1970 abgeschlossen. Die vorletzte Wohnung wurde im Februar 1971 sowie die letzte, 92 qm große Souterrain-Wohnung im März 1972 verkauft. Der Erlös aus der Veräußerung aller Wohnungen betrug 1 657 500 DM.
Für die Vertragsabschlüsse bediente sich der Kläger eines Maklers, der ihm sämtliche Erwerber zuführte. Der Kläger selbst führte keine verkaufsfördernden Maßnahmen durch.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in dem Verkauf der 15 Wohnungen eine gewerbliche Tätigkeit und erfaßte bei der Zusammenveranlagung der Kläger für die Streitjahre die bei der Veräußerung der Wohnungen erzielten Gewinne, die mangels vollständiger Steuererklärungen im Schätzungswege ermittelt wurden, als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Aufgrund der vom Kläger im Einspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen berichtigte das FA in der Einspruchsentscheidung, in der es an dem gewerblichen Charakter der Verkäufe festhielt, die Höhe der Gewinne. Hierbei setzte es das Grundstück mit den im Jahre 1968 angefallenen Anschaffungskosten in Höhe von 145 000 DM an.
Im Klageverfahren machte der Kläger geltend, der Verkauf sei lediglich infolge einer auf der unvorhergesehenen Steigerung der Baukosten beruhenden wirtschaftlichen Notlage erforderlich geworden, wodurch die ursprüngliche Vermietungsabsicht hinfällig geworden sei.
Im übrigen fehle es an wesentlichen Merkmalen für eine gewerbliche Tätigkeit. So habe der Kläger nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen, weil er selbst in keiner Weise für den Verkauf der Wohnungen geworben habe. Vielmehr sei an ihn unaufgefordert ein Makler mit dem Hinweis herangetreten, er habe bereits genügend Interessenten für die Wohnungen des Klägers in seiner Kartei. Die Tätigkeit sei auch nicht nachhaltig gewesen, da 13 Wohnungen praktisch ,,uno actu" verkauft worden seien.
Selbst wenn man eine gewerbliche Tätigkeit unterstelle, seien die angefochtenen Bescheide rechtswidrig. So habe das FA bei der Berechnung der Veräußerungsgewinne das Grundstück mit den Anschaffungskosten angesetzt, obwohl es gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von dem im Jahre 1971 geltenden - höheren - Teilwert hätte ausgehen müssen, da er bereits im Jahre 1967 wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks geworden sei. Ferner habe die letzte, im Jahre 1972 verkaufte Wohnung zum notwendigen Privatvermögen gerechnet, da diese Wohnung nach den ursprünglichen Plänen selbst genutzt werden sollte. Schließlich dürften die angesetzten Veräußerungsgewinne lediglich dem halben Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG unterworfen werden, da es sich bei der Veräußerung um eine Betriebsaufgabe gehandelt habe.
Die Klage blieb im entscheidenden Streitpunkt ohne Erfolg.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
1. . . .
2. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Errichtung eines Wohngebäudes, die Aufteilung in 15 Eigentumswohnungen und deren Veräußerung noch vor Bezugsfertigkeit oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Fertigstellung des Gebäudes als gewerbliche Betätigung zu beurteilen ist.
Ein Gewerbebetrieb ist anzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung - GewStDV - (vgl. nunmehr auch § 15 Abs. 2 EStG) erfüllt sind und sich die Tätigkeit nach den Umständen des Einzelfalles nicht als private Vermögensverwaltung darstellt. Es muß sich hiernach um eine selbständige und nachhaltige Betätigung handeln, die mit Gewinnabsicht unternommen wird , sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes oder einer anderen selbständigen Arbeit im Sinne des EStG anzusehen ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wird bei der Errichtung und dem Verkauf von Eigentumswohnungen der Bereich der privaten Vermögensverwaltung überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 17. Januar 1973 I R 191/72, BFHE 108, 190, BStBl II 1973, 260). Das FG hat auf der Grundlage des von ihm festgestellten Sachverhalts diese Voraussetzungen für das Vorliegen eines Gewerbebetriebs zutreffend bejaht. Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, daß der Kläger selbständig und mit Gewinnerzielungsabsicht tätig war. Auch die übrigen Merkmale sind gegeben.
a) Die Tätigkeit des Klägers war nachhaltig.
Nachhaltigkeit ist gegeben, wenn eine Tätigkeit auf Wiederholung oder auf einen Dauerzustand angelegt ist (vgl. BFH-Urteil vom 3. November 1982 I R 39/80, BFHE 137, 183, BStBl II 1983, 182, mit weiteren Nachweisen). Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger im Streitfall Kaufverträge mit 15 verschiedenen Erwerbern abgeschlossen. Er hat hierdurch eine Mehrzahl von Handlungen mit nach außen erkennbarer Wiederholungsabsicht vorgenommen. Bereits beim Verkauf von Eigentumswohnungen an vier verschiedene Erwerber hat der erkennende Senat die Nachhaltigkeit der Tätigkeit bejaht ( Urteil vom 8. August 1979 I R 186/78, BFHE 129, 177, BStBl II 1980, 106).
Entgegen der Ansicht des Klägers können die innerhalb von sechs Wochen getätigten 13 Kaufabschlüsse nicht als ein Verkaufsvorgang und damit als einmalige ohne Wiederholungsabsicht vorgenommene Handlung gewertet werden. Denn selbst wenn es sich um ein einzelnes Bauprojekt handelt und die Verkaufsabsicht auf einem einmaligen Entschluß beruht, liegt in dem Verkauf einer größeren Zahl selbständiger Veräußerungsobjekte kein wirtschaftlich einheitlicher Vorgang, sondern eine Mehrzahl selbständiger Tätigkeiten, denen rechtlich und wirtschaftlich eine eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. BFH-Urteil vom 2. November 1971 VIII R 1/71, BFHE 104, 321, BStBl II 1972, 360).
b) Die Tätigkeit des Klägers stellte sich auch als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr dar.
Diese Beteiligung erfordert das für Dritte äußerlich erkennbare Anbieten von entgeltlichen Tätigkeiten am Markt (vgl. BFH-Urteil vom 10. August 1983 I R 120/80, BFHE 139, 386, BStBl II 1984, 137). Hierbei ist es nicht notwendig, daß der Steuerpflichtige persöhnlich werbend am Markt auftritt. Es genügt, wenn er sich, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, der Instrumente des Marktes bedient und damit einem interessierten Personenkreis zu erkennen gibt, bestimmte Tätigkeiten gegen Entgelt erbringen zu können und zu wollen.
Im Streitfall hat sich der Kläger über einen Makler mit seinen Verkaufsabsichten an den Grundstücksmarkt gewandt und durch dessen Vermittlung den Kontakt zu einer Vielzahl von Interessenten hergestellt, der zum Verkauf sämtlicher Wohnungen führte. Unerheblich ist, ob der Makler die Kaufinterressenten mit Wissen und Billigung des Klägers geworben hat. Denn der Kläger mußte sich dessen werbende Tätigkeit zurechnen lassen. Dies gilt auch für den Fall, daß der Makler im Interesse der Käufer tätig geworden ist ( vgl. hierzu BFH-Urteil vom 13. März 1969 IV R 132/68, BFHE 95, 488, BStBl II 1969, 483).
c) Die Tätigkeit des Klägers überschritt den Bereich der privaten Vermögensverwaltung.
Die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung tritt entscheidend in den Vordergrund, wenn ein Steuerpflichtiger innerhalb eines kurzen Zeitraums eine größere Zahl von Eigentumswohnungen in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung an verschiedene Erwerber veräußert ( ständige Rechtsprechung; vgl. Urteile in BFHE 104, 321, BStBl II 1972, 360; BFHE 108, 190, BStBl II 1973, 260, und BFHE 129, 177, BStBl II 1980, 106).
Nach den Feststellungen des FG veräußerte der Kläger bereits vor Fertigstellung des Bauvorhabens 13 Eigentumswohnungen. Bei einer derartigen zeitlichen Verflechtung zwischen Errichtung und Veräußerung, bei der eine Nutzung von Grundbesitz aus zu erhaltenden Substanzwerten von vornherein ausgeschlossen ist, kommt es für die Begründung der gewerblichen Tätigkeit nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige im Hauptberuf mit der Vermarktung von Grundstücken, der Errichtung von Gebäuden oder artverwandten Tätigkeiten befaßt ist.
Unerheblich ist auch, ob die Verkaufsabsichten des Klägers bereits von vornherein bestanden hatten. Denn für die Beurteilung einer Tätigkeit kommt es nicht auf die Motivation, sondern auf die Art und Weise ihrer Ausführung an ( vgl. BFH-Urteil vom 23. Juni 1977 IV R 81/73, BFHE 122, 505, BStBl II 1977, 721). Daher spielen auch die Motive, die zum Verkauf der Wohnungen geführt haben, grundsätzlich keine Rolle ( vgl. auch Urteil in BFHE 129, 177, BStBl II 1980, 106). Auch in den vom Kläger angeführten Urteilen des BFH vom 29. März 1973 I R 90-91/71 ( BFHE 109, 427, BStBl II 1973, 682) und vom 8. Juli 1982 IV R 20/78 (BFHE 136, 252, BStBl II 1982, 700) ist ausdrücklich offengelassen, ob bei einem durch eine wirtschaftliche Zwangslage veranlaßten Verkauf eine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen wäre. Das FG hat auch keine Umstände festgestellt, aus denen auf eine derartige Zwangslage geschlossen werde könnte. Im übrigen hätte die behauptete Zwangslage allenfalls dazu führen können, daß der Kläger das Bauvorhaben selbst nicht hätte fertigstellen können. Der Kläger war jedoch nicht ,,gezwungen", Wohnungseigentum zu bilden und die Fertigstellung der zum Verkauf bestimmten Wohnungen auf eigenes Risiko zu übernehmen. Gerade durch diese Tätigkeiten hat er aber den Bereich der privaten Vermögensverwaltung überschritten.
3. Die Ermittlung der Höhe der von dem Kläger in den Streitjahren durch die Grundstücksgeschäfte erzielten Gewinne ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Das FA hat zu Recht das Baugrundstück mit den Anschaffungskosten angesetzt. Eine Berücksichtigung des Teilwertes gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG kommt nicht in Betracht, da das Grundstück innerhalb der letzten drei Jahre seit Beginn der gewerblichen Tätigkeit angeschafft worden ist.
Allerdings hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, wann der Kläger den Gewerbebetrieb begonnen hat. Die gewerbliche Tätigkeit beginnt grundsätzlich mit dem Zeitpunkt, in dem der Steuerpflichtige Handlungen vornimmt, die erkennbar auf die Vorbereitung der Grundstücksgeschäfte gerichtet sind (vgl. BFH-Urteil vom 17. März 1981 VIII R 149/78, BFHE 133, 44, BStBl II 1981, 522). Ist hiernach davon auszugehen, daß die gewerbliche Tätigkeit nicht erst drei Jahre nach der Vereinbarung vom 5. Oktober 1967 mit Abschluß der Kaufverträge im Oktober 1970 begonnen hat, so bedurfte es insoweit gleichwohl keiner näheren Feststellungen, weil das FG als Anschaffungszeitpunkt des Grundstücks zutreffend den Abschluß des notariellen Kaufvertrages angesehen hat. Denn die Vereinbarung vom 5. Oktober 1967 beinhaltete lediglich eine rechtliche Bindung des Klägers ohne Verpflichtung des Veräußeres. Derartige Vereinbarungen, durch die nur ein Vertragspartner rechtlich gebunden wird, sind dem Zivilrecht nicht fremd (vgl. hierzu Urteil des Bundesgerichtshofes - BGH - vom 28. September 1962 V ZR 8/61, Lindenmaier/ Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 433 BGB Nr. 16). Sonstige Umstände, die für ein wirtschaftliches Eigentum des Klägers i. S. des § 39 der Abgabenordnung (AO 1977) vor Abschluß des Kaufvertrages sprechen könnten, hat das FG nicht festgestellt.
4. Schließlich hat das FG auch zutreffend entschieden, daß der Gewinn aus den Wohnungsveräußerungen nicht gemäß §§ 16, 34, EStG tarifbegünstigt ist.
Der Annahme einer Betriebsaufgabe steht entgegen, daß die Veräußerung der Eigentumswohnungen Hauptzweck und Ziel der unternehmerischen Tätigkeit des Klägers war. Die Geschäftsvorfälle im Zusammenhang mit dem Verkauf der zum Umlaufvermögen rechnenden Wohnungen betrafen folglich den laufenden Gewinn des klägerischen Gewerbebetriebs (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 15. Dezember 1971 I R 49/70, BFHE 104, 178, BStBl II 1972, 291, und in BFHE 122, 505, BStBl II 1977, 721).
Fundstellen
Haufe-Index 414715 |
BFH/NV 1987, 646 |