Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an dem Grundsatz fest, daß die Vergünstigung des § 24 Ziff. 5 LAG in den Fällen nicht anzuwenden ist, in denen der Kapitalwert eines Nießbrauchs mit dem Einheitswert des genutzten Wirtschaftsguts als Höchstwert anzusetzen ist.
überschreitet der nach § 16 Abs. 2 BewG ermittelte ungekürzte Wert eines Nießbrauchsrechts den Einheitswert des dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstandes, während er bei einer Kürzung gemäß § 24 Ziff. 5 LAG hinter dem Einheitswert des genutzten Gegenstandes zurückbleibt, so ist für die Berechnung der Vermögensabgabe nicht vom Einheitswert, sondern vom Kapitalwert des Nießbrauchsrechts auszugehen, wie er sich nach der Kürzung des § 24 Ziff. 5 LAG ergibt.
Normenkette
BewG § 16 Abs. 2, § 14/2; LAG § 24 Ziff. 5
Tatbestand
Streitig ist, ob und in welchem Umfang ein Nießbrauchsrecht der Beschwerdegegnerin (Bgin.) zur Vermögensabgabe heranzuziehen ist.
Die Bgin. hat dieses Nießbrauchsrecht auf Grund eines notariellen Vertrags vom 31. Mai 1946 erworben, den sie als gesetzliche Vertreterin ihres minderjährigen Sohnes mit ihrer inzwischen verstorbenen Schwiegermutter geschlossen hat. In diesem Vertrage überließ die Schwiegermutter der Bgin. käuflich ihrem Enkel den im Grundbuch von X verzeichneten Grundbesitz nebst Inventar, Einrichtung, Kinoanlage und Konzession. Als Gegenleistung wurde der Schwiegermutter der Bgin. ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht in dem veräußerten Grundstück eingeräumt und außerdem von ihrem Enkel als dem Erwerber des Grundstücks die Verpflichtung zur Leistung des lebenslänglichen Unterhalts seiner Großmutter einschließlich eines monatlichen Taschengeldes von 50 DM übernommen. Für die Bgin. selbst ist in dem Vertrag vom 31. Mai 1946 ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht an dem gesamten übertragenen Grundbesitz nebst Einrichtung, Kinoanlage usw. ausbedungen worden. Die Umschreibung des Eigentums am Grundstück ist ebenso wie der Grundbucheintrag der vom Erwerber übernommenen Lasten, des zugunsten seiner Großmutter vereinbarten Wohnrechts und des für seine Mutter ausbedungenen Nießbrauchs, noch vor der Währungsumstellung erfolgt. Der Erwerber des Grundstücks war wegen des seiner Mutter zustehenden Nießbrauchs allerdings nicht in der Lage, selbst die im Vertrag vom 31. Mai 1946 übernommenen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner Großmutter zu erfüllen. Diese Verpflichtungen hat aber nach ihrer Angabe im Schreiben vom 18. August 1953 die Bgin. übernommen, die auch tatsächlich ihrer Schwiegermutter bis zu deren Tode Unterhalt geleistet und die Krankheitskosten getragen hat.
Das Finanzamt hat nun wegen des am Währungsstichtag bereits bestehenden Nießbrauchsrechts an dem fraglichen Grundbesitz nebst Einrichtung und Kinoanlage die Bgin. zur Vermögensabgabe herangezogen. Es ging bei der Ermittlung des Nießbrauchswertes zunächst von dem mit 15.000 DM veranschlagten Jahreswert der Nutzung aus, den es gemäß § 16 Abs. 2 Ziff. 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) unter Anwendung des Multiplikators 15 kapitalisiert hat. Von dem dergestalt auf 225.000 DM errechneten Kapitalwert des Nießbrauchs brachte das Finanzamt den in gleicher Weise kapitalisierten Teilbetrag von jährlich 2.400 DM gemäß § 24 Ziff. 5 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) mit insgesamt 36.000 DM und die Unterhaltslast gegenüber der Schwiegermutter mit 7.840 DM in Abzug. Da aber der verbleibende Restbetrag in Höhe von 181.160 DM den Einheitswert - 28.100 DM - des belasteten Betriebs, der das gleichfalls dem Nießbrauch unterliegende, als Betriebsgrundstück bewertete Grundstück mitumfaßt, immer noch bei weitem überstieg, hat das Finanzamt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. Urteil III 43/42 vom 19. März 1942 - Slg. Bd. 51 S. 295, Reichssteuerblatt (RStBl) 1942 S. 542 -) und des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteil III 181/53 U vom 28. August 1954 - Slg. Bd. 59 S. 309, Bundessteuerblatt (BStBl) 1954 III S. 330 -) den Nießbrauchswert nur in Höhe dieses Einheitswerts in Ansatz gebracht. Unter Anwendung des Freibetrags für natürliche Personen ergab sich danach ein abgabepflichtiges Vermögen in Höhe von 24.600 DM und eine Vermögensabgabe von 12.300 DM, so daß nach Abzug der anrechnungsfähigen Soforthilfeabgabe im Betrage von 2.808 DM eine Abgabeschuld von 9.490 DM verblieb. Das Finanzamt hat demgemäß den Vierteljahresbetrag der Abgabe auf 161,30 DM festgesetzt.
Der Einspruch, mit dem die Abgabepflichtige den Abzug der Unterhaltslast gegenüber ihrer Schwiegermutter sowie des kapitalisierten Teilbetrags nach § 24 Ziff. 5 LAG von dem mit 28.100 DM angesetzten Nießbrauchswert beantragte und außerdem um Gewährung der Familienermäßigung für Mann und Sohn bat, hatte nur in dem letztgenannten Punkte Erfolg. Die Vierteljahreszahlungen wurden demzufolge - wegen verspäteter Antragstellung allerdings erst mit Wirkung vom 1. Januar 1955 - auf 151,30 DM herabgesetzt.
Dagegen erreichte die Abgabepflichtige in der Berufungsinstanz ihre völlige Freistellung von der Vermögensabgabe. Das Finanzgericht hat in seiner Entscheidung auch Zweifel an der Höhe des vom Finanzamt in Ansatz gebrachten Jahreswerts der Nutzung geäußert, weil in diesem auch die Arbeitsleistung der Abgabepflichtigen und ihres Ehemannes enthalten sei. Indessen hat es sich ohne weiteres zur Freistellung der Bgin. von der Vermögensabgabe schon deshalb veranlaßt gesehen, weil die Vorschrift des § 24 Ziff. 5 LAG auch dann anzuwenden sei, wenn bei der Veranlagung zur Vermögensabgabe als Nießbrauchswert nur der Einheitswert des mit dem Nießbrauch belasteten Vermögensgegenstandes zugrunde gelegt sei.
Der Vorsteher des Finanzamts wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Anwendung des § 24 Ziff. 5 LAG, räumt aber im übrigen die Abzugsfähigkeit der seit dem Erwerb des Grundstücks zugunsten der Schwiegermutter bestehenden Unterhaltslast vom Vermögen der Abgabepflichtigen ein, weil insoweit - allerdings abweichend von der rechtlichen Verpflichtung - wenigstens eine wirtschaftliche Last bestehe.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Gegenstand des Streites in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist zunächst die Frage, ob die Vorschrift des § 24 Ziff. 5 LAG auch dann anzuwenden ist, wenn bei der Veranlagung zur Vermögensabgabe als Nießbrauchswert nicht der nach § 16 Abs. 2 BewG errechnete Kapitalwert des Nießbrauchs, sondern nur der Einheitswert des mit dem Nießbrauch belasteten Vermögensgegenstandes zugrunde zu legen ist. Das Finanzgericht bejaht diese Frage, weil man sonst in Fällen, in denen der Einheitswert des gewerblichen Betriebes, an dem die Nutzung besteht, nur geringfügig unter dem nach § 16 Abs. 2 BewG errechneten vollen Kapitalwert liegt, zu Ergebnissen gelangen würde, die vom Gesetzgeber nicht gewollt sein könnten. Auch der Wortlaut der fraglichen Gesetzesbestimmung spricht nach Ansicht des Finanzgerichts für die Anwendbarkeit des § 24 Ziff. 5 LAG auf Fälle der genannten Art; denn auch der als Höchstwert angesetzte Einheitswert des gewerblichen Betriebes sei Kapitalwert im Sinne des § 24 Ziff. 5 LAG. Im übrigen entspreche diese Auslegung auch dem Sinne des Gesetzes, die gehäufte Belastung der kapitalisierten Nutzungsrechte durch Einkommensteuer, Vermögensabgabe und allgemeine Vermögensteuer zu mildern.
Die so begründete Ansicht des Finanzgerichts steht indessen in Widerspruch zu der Entscheidung III 270/56 S des Bundesfinanzhofs (veröffentlicht BStBl 1957 III S. 63), wonach die Vorschrift des § 24 Ziff. 5 LAG in Fällen der vorbezeichneten Art nicht angewendet werden kann, weil es der im Gesetz vorgesehenen Milderung der steuerlichen Doppelbelastung insoweit nicht mehr bedarf. Die gehäufte Steuerbelastung tritt mindestens nicht in der vollen Schärfe ein, wenn der Kapitalwert des Nießbrauchs nicht nach § 16 BewG berechnet, sondern nur als Höchstwert mit dem Einheitswert in Ansatz gebracht wird. An dieser überlegung hält der Senat insbesondere auch deshalb fest, weil § 24 Ziff. 5 a. a. O. seinem Wortlaut nach von einer Ermittlung des Nießbrauchswerts nach dem kapitalisierten Jahresbetrag der Nutzung ausgeht. Die Vorschrift paßt daher, wie übrigens die einleitenden Darlegungen des Finanzgerichts selbst bestätigen, in der Methodik ihrer Anwendung nicht auf Fälle, in denen als Nießbrauchswert ein anderer als der kapitalisierte Jahreswert der Nutzung zum Ansatz gelangt. Da die angefochtene Entscheidung § 24 Ziff. 5 LAG zur Anwendung gebracht hat, obwohl sie für die Festsetzung der Vermögensabgabe vom Einheitswert des gewerblichen Betriebes als Höchstwert des der Abgabe unterliegenden Nießbrauchsrechts ausgegangen ist, war sie wegen Rechtsirrtums aufzuheben.
Wegen des Abzugs der gegenüber der Schwiegermutter der Abgabepflichtigen bestehenden und vom Finanzamt mit 7.800 DM angesetzten Unterhaltslast besteht zwar kein Streit mehr. Aber eine abschließende Entscheidung kann in der Sache noch nicht ergehen; denn es hängt vom Ergebnis der Klärung der tatsächlichen Verhältnisse ab, ob die Nießbrauchslast mit dem Einheitswert des Betriebsvermögens zu bewerten ist.
Es erscheint zweifelhaft, ob der Ansatz des Einheitswerts auch dann in Betracht kommt, wenn der kapitalisierte Nutzungswert ohne Abzug des nach § 24 Ziff. 5 LAG abzusetzenden Teilbetrages den Einheitswert des belasteten Gegenstandes nur geringfügig überschreitet, bei Abzug dieses Teilbetrages aber sogar hinter ihm zurückbleibt. Die angefochtene Entscheidung hat zwar erkannt, daß in Fällen solcher Art der ungekürzte Ansatz des Einheitswertes zu Ergebnissen führt, die vom Gesetzgeber nicht gewollt sein können. Das Finanzgericht hat diese Schwierigkeit aber damit zu lösen versucht, daß es auch bei Ansatz des Einheitswertes einen "Freibetrag" nach § 24 Ziff. 5 LAG gewährt hat. Es hat nicht geprüft, ob nicht in Fällen, in denen der Kapitalwert des Nießbrauchs nach Abzug des kapitalisierten Teilbetrages, der einem Jahreswert der Nutzung oder Leistung von 2.400 DM entspricht, hinter dem Einheitswert zurückbleibt, dieser gekürzte Kapitalwert an Stelle des Einheitswerts anzusetzen ist. Ein solcher Wertansatz dürfte jedenfalls in Fällen dieser Art dem Willen des Gesetzgebers, zu einer immerhin weitgehenden Milderung der steuerlichen Doppelbelastung von Renten und Nutzungsrechten zu gelangen, mehr entsprechen als der Ansatz des höheren Einheitswerts; denn der Zweck des Ansatzes des Einheitswerts, eine steuerliche überlastung des Abgabepflichtigen zu verhüten, würde in diesen besonderen Fällen durch Ansatz des höheren Einheitswerts in sein Gegenteil verkehrt werden. Da im übrigen der Gesetzgeber selbst im § 24 Ziff. 5 LAG bestimmt hat, daß derjenige Teilbetrag des Kapitalwerts außer Ansatz zu lassen ist, der einem Jahreswert der Nutzung oder Leistung von 2.400 DM entspricht, so verstößt es nach Ansicht des Senats auch nicht gegen den Wortlaut des Gesetzes, wenn bei der Berechnung des Kapitalwerts eines Nießbrauchsrechts für die Zwecke des Lastenausgleichs der sich nach § 16 Abs. 2 BewG ergebende Wert des Nießbrauchs zunächst um denjenigen Teilbetrag, der einem Jahreswert der Nutzung von 2.400 DM entspricht, vermindert und dann erst mit dem Einheitswert des Nießbrauchsgegenstandes verglichen wird. Verfährt man in dieser Weise, so ist die Gewähr dafür geboten, daß der Wertansatz unter allen Umständen die vom Gesetzgeber gewollte Minderung der gehäuften Belastung von Renten usw. in angemessener Weise zum Ausdruck bringt.
Im Streitfalle würde allerdings auch ein solches Verfahren zu keinem für die Abgabepflichtige günstigen Ergebnis führen können, wenn der vom Finanzamt seinen Berechnungen zugrunde gelegte Jahreswert der Nutzung in Höhe von 15.000 DM zuträfe. Da indessen das Finanzgericht an der Richtigkeit dieses Wertansatzes berechtigte Zweifel geäußert hat, weil in diesem Jahreswert auch die Arbeitsleistung der Abgabepflichtigen und ihres Ehemannes enthalten sei, so bedarf es noch einer genauen Feststellung der wirklichen Höhe des Jahreswerts der Nutzung. Sollte sich dieser entsprechend den Angaben der Abgabepflichtigen auf nur 2.400 DM belaufen bzw. den Betrag von 2.400 DM nur in einem gewissen Umfang (etwa bis zur Höhe einer Gesamtnutzung im Werte von jährlich 4.000 DM) überschreiten, so würde der unter Berücksichtigung der in § 24 Ziff. 5 LAG vorgeschriebenen Kürzung kapitalisierte Wert des Nießbrauchsrechts hinter dem Einheitswert des belasteten Betriebes zurückbleiben und wäre gegebenenfalls der Berechnung der Vermögensabgabe zugrunde zu legen.
Die Sache geht deshalb zur genauen Feststellung des Jahreswerts der Nutzung an die Vorinstanz zurück, die unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsausführungen die Höhe des Nießbrauchswertes zu klären und demgemäß die Vermögensabgabe erneut festzusetzen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 408877 |
BStBl III 1957, 411 |
BFHE 1958, 464 |
BFHE 65, 464 |