Leitsatz (amtlich)
Hat sich der Käufer eines Einfamilienhauses in Anrechnung auf den Kaufpreis verpflichtet, ein dem Verkäufer zur Finanzierung eines Damnums gewährtes Zusatzdarlehen zu tilgen und leistet er die Tilgungsbeträge n a c h dem für die Anwendbarkeit der Einfamilienhaus-Verordnung maßgeblichen Zeitpunkt, so sind diese insoweit in vollem Umfang als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar, als sie auf den Zeitraum v o r Anwendbarkeit der Einfamilienhaus-Verordnung entfallen.
Normenkette
EStG § 11 Abs. 2; EinfHaus-VO § 2 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Einkommensteuerveranlagung 1966 des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) Zahlungen in vollem Umfang als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzugsfähig sind, die der Kläger nach Bezugsfertigkeit eines eigengenutzten Einfamilienhauses zum Zweck der vorzeitigen Tilgung eines - zur Finanzierung eines einbehaltenen Damnums aufgenommenen - Zusatzdarlehens an den Darlehnsgeber entrichtet hat.
Der Kläger und seine Ehefrau erwarben im September 1965 von der Firma B ein Einfamilienhaus. Es wurde im Oktober 1965 bezugsfertig.
Nach dem Kaufvertrag waren die Erwerber verpflichtet, zur Ablösung der bisherigen (Gesamt-)Grundstücksbelastungen auf ihrem Teilgrundstück Hypotheken in Höhe von 88 000 DM zu bestellen. Dieser Verpflichtung kamen sie am 27. September 1965 in einer notariellen Urkunde nach. In derselben Urkunde bekannten sie, der Bank B zwei Darlehen von insgesamt 88 000 DM zu schulden, die nicht sie, sondern die Firma B erhalten und zur Bebauung des Grundstücks verwendet hat. Bei der Auszahlung der Darlehen an die Firma B hatte die Bank B jeweils ein Damnum von 5 % des Nennbetrages einbehalten und die dadurch entstandene Finanzierungslücke durch Gewährung eines Zusatzdarlehens gedeckt. Dementsprechend verpflichtete sich auch der Kläger am 27. September 1965 der Bank B gegenüber, ein Damnum bzw. Zusatzdarlehen in Höhe von 5 % des Nennbetrages der Darlehen vom 1. Januar 1966 an mit jährlich 1 % zu tilgen und zu verzinsen. Im Dezember 1966 zahlte der Kläger im Einverständnis mit der Bank B das restliche Damnum in einer Summe zurück.
In seiner Einkommensteuererklärung 1966 beantragte er, diese Zahlungen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu behandeln. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte dies mit dem Hinweis ab, daß das Damnum nach der Bezugsfertigkeit des Einfamilienhauses gezahlt worden sei und deshalb nach § 2 Abs. 2 der Einfamilienhaus-Verordnung (EinfHaus-VO) nur bis zur Höhe des Grundbetrages abgezogen werden dürfe. Dieser Grundbetrag sei aber bereits durch andere Zinszahlungen ausgeschöpft.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG ging davon aus, daß das Damnum nur dann in voller Höhe abzugsfähig sei, wenn es wirtschaftlich auf einen Zeitraum vor der Bezugsfertigkeit des Einfamilienhauses fällt. Dies sei im Streitfall deshalb abzulehnen, weil das Damnum erst vom 1. Januar 1966 an geschuldet und die erste Rate erst ab diesem Zeitpunkt fällig sei.
Mit der - vom FG zugelassenen - Revision beantragt der Kläger, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben. Er rügt Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Abs. 2 EinfHaus-VO, §§ 9, 11 Abs. 2 EStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet, sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. a) Wird ein Darlehen zum Bau eines Hauses aufgenommen und steht es in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, so ist ein aus Anlaß dieser Darlehnsaufnahme an den Darlehnsgeber zu entrichtendes Damnum im Jahr der Zahlung bei der Ermittlung dieser Einkünfte als Werbungskosten zu berücksichtigen (vgl. Beschluß des BFH vom 6. Dezember 1965 GrS 2/64 S. BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144; Urteil vom 4. März 1966 VI 127/64, BFHE 86, 19, BStBl III 1966, 349). Hat der Darlehnsnehmer - um eine volle Auszahlung zu erreichen - für das vereinbarte Damnum ein Zusatzdarlehen in Höhe des Damnums aufgenommen, so sind die Tilgungsleistungen für dieses Darlehen ebenfalls in vollem Umfang als Werbungskosten absetzbar, wenn, was in der Regel zutrifft, Haupt- und Zusatzdarlehen wirtschaftlich als eine Einheit anzusehen sind (BFH-Urteil vom 10. Januar 1964 VI 1/61 U, BFHE 78, 405, BStBl III 1964, 157).
Ist das zu errichtende Gebäude ein Einfamilienhaus und sind die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach der EinfHaus-VO zu ermitteln, sind diese Grundsätze nur eingeschränkt anwendbar. Denn Schuldzinsen - und ein diesen gleichzustellendes Damnum - sind für die Zeit n a c h Anwendbarkeit der EinfHaus-VO nur insoweit abziehbar, als sie den aus § 2 Abs. 1 EinfHaus-VO zu ermittelnden Grundbetrag nicht übersteigen (§ 2 Abs. 2 EinfHaus-VO). Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 6. November 1973 VIII R 116/69 (BFHE 111, 80, BStBl II 1974, 106) im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des BFH ausgeführt hat, gelten jedoch bis zum Zeitpunkt der Anwendbarkeit der EinfHaus-VO die allgemeinen Grundsätze über die Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, insbesondere auch diejenigen zur Abzugsfähigkeit sog. vorweggenommener Werbungskosten. Ein Damnum, das vor diesem Zeitpunkt an den Darlehnsgeber bezahlt oder von diesem bei Auszahlung des Darlehens einbehalten wird, ist deshalb - gem. den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats des BFH GrS 2/64 S - in vollem Umfang abzugsfähig. Dasselbe gilt, wenn ein Darlehnsnehmer ein Baudarlehen und für das vereinbarte Damnum ein Zusatzdarlehen erhalten hat und dieses Zusatzdarlehen bis zur Bezugsfertigkeit getilgt wird (BFH-Urteil vom 28. Juni 1968 VI R 211/66, BFHE 93, 276, BStBl II 1968, 816). Dagegen kann - und über diesen Sachverhalt hatte das BFH-Urteil vom 10. März 1970 VI R 165/67, BFHE 98, 490, BStBl II 1970, 453, zu entscheiden - ein Damnum, das für ein n a c h diesem Zeitpunkt ausbezahltes Darlehen vereinbart ist, stets nur bis zur Höhe des Grundbetrags abgezogen werden. Denn hier entfällt das Damnum nicht (auch) auf einen Zeitraum, für den der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus nicht nach der EinfHaus-VO zu ermitteln ist.
Wird das Darlehen v o r Eingreifen der EinfHaus-VO an den Darlehnsnehmer ausbezahlt, das Damnum aber erst nach diesem Zeitpunkt geleistet, so sind zwar auch hier stets nur diejenigen Zahlungen als Werbungskosten abzugsfähig die, im jeweiligen Veranlagungszeitraum abgeflossen sind (§ 11 Abs. 2 EStG). Diese Zahlungen sind jedoch aufzuteilen. Soweit sie auf die Zeit v o r Anwendbarkeit der EinfHaus-VO entfallen, sind sie voll, im übrigen nur bis zur Höhe des Grundbetrages abzugsfähig. Davon geht zutreffend auch Abschn. 162 Abs. 1 der EStR 1969 aus (ebenso u. a. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 16. Aufl., § 21 EStG Anm. 23 e [3], Stichwort Geldbeschaffungskosten [Damnum]).
Welcher Teil des Damnums auf den Zeitraum vor Anwendbarkeit der EinfHaus-VO e n t f ä l l t, läßt sich - soweit sich aus den Vereinbarungen der Parteien nichts anderes ergibt - nach Auffassung des Senats nur nach dem dieser Zeitspanne zuzurechnenden Bruchteil der voraussichtlichen Gesamtlaufzeit des Darlehens beurteilen. Auch das Damnum ist Entgelt für die Kapitalnutzungen (vgl. BFH-Beschluß GrS 2/64 S mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; BFH-Urteile VI 1/61 U; vom 24. November 1971 I R 109/71, BFHE 104, 152, BStBl II 1972, 179 mit weiteren Nachweisen, und vom 13. März 1974 I R 165/72, BFHE 111, 527, BStBl II 1974, 359; offengelassen von BFH-Urteil VI R 211/66). Ein nachträglich bezahltes Damnum kann deshalb nicht anders behandelt werden als nachträglich bezahlte Zinsen (vgl. zu diesem BFH-Urteile vom 25. November 1954 IV 622/53 U, BFHE 60, 67, BStBl III 1955, 26, und vom 4. März 1966 VI 251/65, BFHE 86, 78, BStBl III 1966, 350). Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem Beschluß des Großen Senats des BFH GrS 2/64 S. Wenn dort darauf hingewiesen wird, daß für die steuerrechtliche Beurteilung des Damnums auf die tatsächlich durchgeführten Vereinbarungen abzustellen sei, so bezieht sich das nur auf die vertragliche Regelung der Art und Weise der Tilgung und damit des jeweiligen Zeitpunktes des Abflusses des Damnums. Von dieser Vereinbarung über die Erfüllung der Damnumsschuld ist die wirtschaftliche Zugehörigkeit des Damnums - als (Teil-) Entgelt für die Nutzung des gesamten Kapitals - zu unterscheiden. Für die durch die EinfHaus-VO veranlaßte Aufteilung der auf das Damnum geleisteten Tilgungsbeträge kommt es allein auf letztere an. Insoweit ist die bisherige Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. Urteil vom 8. November 1963 VI 62/63 S, BFHE 78, 82, BStBl III 1964, 31) weiterhin anwendbar.
b) Diese Grundsätze gelten auch im Streitfall. Durch die Übernahme der Verpflichtung zur Tilgung des Zusatzdarlehens im Kaufvertrag hat sich die Rechtsnatur dieses Zusatzdarlehens nicht verändert. Nach § 439 Abs. 2 BGB ist der Verkäufer eines Grundstücks dem Käufer gegenüber an sich verpflichtet, eine auf dem verkauften Grundstück lastende Hypothek zu beseitigen. Wird eine solche Hypothek "in Anrechnung auf den Kaufpreis" übernommen - wovon im Streitfall auszugehen ist -, dann schließt eine solche Übernahme nach der Verkehrsauffassung regelmäßig die Vereinbarung einer befreienden Schuldübernahme auch der zu der Hypothek gehörigen persönlichen Schuld in sich und ist daher im Zweifel so auszulegen (herrschende Meinung, vgl. z. B. Löscher in Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB, § 416 Anm. 1 mit weiteren Nachweisen; Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 34. Aufl., 1974, § 416 Anm. 1). Eine solche befreiende Schuldübernahme läßt keine neue Forderung entstehen, sondern wahrt die Identität von Altschuld und übernommener Schuld (vgl. Urteil des RG vom 18. März 1909 VI 435/08, RGZ 70, 411 [415]; R. Schmidt in Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Aufl., 1967, vor § 414 Bemerkung 2 mit weiteren Nachweisen). Die Darlehnsforderung wird deshalb so übernommen, wie sie im Zeitpunkt der Übernahme geschuldet ist, also insbesondere auch mit den zur Zeit der Übernahme begründeten Nebenverpflichtungen (vgl. Urteil des RG vom 12. Januar 1934 II 231/33, RGZ 143, 154 [156 ff.]), soweit sie bei wirtschaftlicher Betrachtung mit der Hauptverpflichtung ein Ganzes bilden (Löscher, a. a. O., vor § 414 Anm. 9 mit weiteren Nachweisen). Daß dies bei einem Damnum und Zusatzdarlehen und bei dem gleichen Kreditgeber in der Regel der Fall ist, hat der BFH mehrfach angenommen (vgl. z. B. die Urteile VI 1/61 U und VI R 211/66).
c) Der Zeitpunkt, in dem in einem solchen Fall dem Käufer, der eine Darlehnsschuld übernimmt, das Darlehen zugeflossen und die Verpflichtung zur Zahlung eines Damnums entstanden ist, bestimmt sich allein nach dem Inhalt des Kaufvertrags als dem der Schuldübernahme zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Das ist im Regelfall der Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages. Das Damnum setzt wie die Schuldzinsen (vgl. zu diesen zuletzt BFH-Urteil vom 6. Juli 1973 VI R 379/70, BFHE 110, 336, BStBl II 1973, 868, mit weiteren Nachweisen) begriftlich die Überlassung von Kapital voraus. Ist die Kaufpreisforderung entstanden, dann ist damit auch die Voraussetzung einer Kapitalnutzung durch den Käufer geschaffen. Es kommt bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht darauf an, ob der Verkäufer dem Käufer die Zahlung des Kaufpreises durch eigene Darlehnsgewährung ermöglicht oder die Kaufpreisforderung durch Übernahme einer Darlehnsschuld des Verkäufers getilgt wird. In beiden Fällen ist dem Käufer die Zahlung des Kaufpreises nur im Wege des Kredites möglich. Für die steuerrechtliche Beurteilung ist es dabei unerheblich, ob die Übernahme dahin zu deuten ist, daß mit ihr ein entsprechender Teil der Leistung des Käufers unmittelbar bewirkt wird und deshalb eine Geldforderung des Verkäufers gar nicht zur Entstehung gelangt oder ob in der Schuldübernahme eine Leistung an Erfüllungs Statt zu sehen ist (vgl. dazu Urteil des RG vom 13. Februar 1928 VI 333/27, RGZ 120, 166 [169], und vom 26. März 1928 VI 356/27, RGZ 121, 38 [41]).
Die Beurteilung des Damnums als Vergütung für den Gebrauch eines Kapitals schließt die Möglichkeit aus, daß ein Teil des Damnums auf die Zeit vor Entstehung der Kaufpreisschuld entfällt. Insoweit handelt es sich um Erstattung von Fremdkapitalkosten, die dem Veräußerer entstanden sind. Diese Erstattungsbeträge sind Teil des Kaufpreises; eine rückwirkende Aufteilung dieses Kaufpreises in einem Kapitalanteil und einen Kapitalkostenanteil ist im Steuerrecht nicht zulässig (vgl. zuletzt BFH-Beschluß vom 24. August 1973 VI B 38/73, BFHE 110, 275; anders im Zivilrecht, vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. November 1970 V ZR 71/68, Der Betrieb 1971 S. 92, Der Betriebs-Berater 1971 S. 107).
2. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt folgendes:
Das Darlehen ist dem Kläger bereits vor Anwendbarkeit der EinfHaus-VO zugeflossen. Der Kaufvertrag wurde im September 1965 mit der Verpflichtung zur Übernahme auch des Zusatzdarlehens geschlossen. Wann diese Verpflichtung erfüllt wurde, ist zwar für den Zeitpunkt des Abfließens der auf das Zusatzdarlehen geleisteten Zins- und Tilgungsbeträge von Bedeutung, hat jedoch keinen Einfluß auf die Aufteilung der geleisteten Beträge nach dem Kapitalnutzungszeitraum, dem sie wirtschaftlich zugehören. Entgegen der Ansicht des FG kann deshalb aus der Tatsache, daß die ersten Raten des Zusatzdarlehens erst nach Anwendbarkeit der EinfHaus-VO fällig wurden, nicht geschlossen werden, daß das Damnum nicht (auch) auf einen früheren Zeitraum entfällt. Weder dieser Zeitraum noch die Laufzeit des Darlehens läßt sich aus dem vom FG mitgeteilten Sachverhalt entnehmen. Der Senat kann deshalb in der Sache selbst nicht entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 71384 |
BStBl II 1975, 503 |
BFHE 1975, 209 |