Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Beitragsrückerstattungen, die den Versicherungsnehmern nach den Versicherungsbestimmungen unabhängig von dem Geschäftsergebnis zustehen, fallen nicht unter § 53 Abs. 4 BewDV.
Ist die Beitragsrückerstattung noch an gewisse Voraussetzungen geknüpft, so können diese auflösende Bedingungen sein.
Normenkette
BewG § 62 Abs. 2, § 103/2; BewDV § 53
Tatbestand
Es ist mündliche Verhandlung beantragt. Dem Senat erschien es zweckmäßig, zunächst ohne mündliche Verhandlung durch Vorbescheid zu erkennen (ß 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung - AO -).
Es handelt sich um die Feststellung des Einheitswerts für das Betriebsvermögen des Beschwerdeführers (Bf.), eines Versicherungsvereins a. G., zum 1. Januar 1954. Der Bf. weist in seiner Vermögensaufstellung zum 31. Dezember 1953 einen Passivposten "Rückstellung für Beitragsrückgewähr laut Tarif" in Höhe von 198.068,50 DM aus. Gemäß den Tarifbedingungen H 1-6 Abschnitt M haben Versicherungsnehmer für sich und jede mitversicherte Person Anspruch auf Beitragsrückgewähr in Höhe von drei Monatsbeiträgen für die Versicherungen, die im vorangegangenen Jahr leistungsfrei blieben. Dazu müssen die nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sein:
Die Versicherung muß während des ganzen Jahres bestanden haben, ohne daß Leistungsansprüche geltend gemacht wurden,
alle 12 Monatsbeiträge und etwaige Nebenkosten müssen entrichtet sein, die Versicherung muß noch am 1. Juli des folgenden Jahres ungekündigt bestehen und darf zwischenzeitlich nicht geruht haben.
Das Finanzamt hat die Rückstellung für die Beitragsrückgewähr bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens des Bf. gemäß § 53 Abs. 4 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) mit 90 v. H. (178.262 DM) zum Abzug zugelassen. Der Bf. wendet sich gegen diese Kürzung. Unter § 53 Abs. 4 a. a. O. fielen nur Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen, die vom Gewinn des Unternehmens abhängig seien (erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen), nicht dagegen solche, auf die diejenigen Versicherten einen Rechtsanspruch hätten, deren Versicherung im vorangegangenen Kalenderjahr schadensfrei geblieben sei (erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen). Die Sprungberufung des Bf. ist ohne Erfolg geblieben. Das Finanzgericht hat das angefochtene Urteil im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Beschränkung des § 53 Abs. 4 a. a. O. auf erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen sei nach Wortlaut und Sinn der Bestimmung nicht gerechtfertigt. Sowohl die erfolgsabhängige als auch die erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung beruhe letzten Endes auf dem Versicherungsvertrag. Zwischen beiden Arten bestehe daher kein wesentlicher Unterschied. Somit habe kein Grund für eine unterschiedliche steuerliche Behandlung bestanden. Zu beachten sei auch, daß in beiden Fällen der Beitragsrückerstattung die Höhe der zu erstattenden Beträge am maßgebenden Stichtag noch nicht genau feststellbar gewesen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Bf.
Sie rügt Rechtsirrtümer des Finanzgerichts. Die angefochtene Entscheidung verstoße gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß am Stichtag bereits bestehende Verbindlichkeiten in voller Höhe abzugsfähig seien. Wenn § 53 Abs. 4 a. a. O. auf echte Schulden des Versicherungsunternehmens gegen die einzelnen Mitglieder anwendbar sei, verstoße er gegen § 62 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) und sei rechtsungültig. Tatsächlich betreffe § 53 Abs. 4 a. a. O. aber nur den Fall der allen Mitgliedern gegenüber bestehenden Verpflichtung eines Versicherungsunternehmens zur Herausgabe des Reingewinns.
Der Senat hat den Bundesminister der Finanzen gemäß § 287 Ziff. 2 AO um Beteiligung am Verfahren ersucht. Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren nicht beigetreten. Er hat jedoch zur Auslegung des § 53 BewDV eingehend Stellung genommen. Aus seiner Stellungnahme sind folgende Punkte hervorzuheben: Die Rücklagen für Beitragsrückerstattungen fielen nicht unter die versicherungstechnischen Rücklagen im eigentlichen Sinne. Die gemeinsame überschrift "Versicherungstechnische Rücklagen" zu § 53 a. a. O. beruhe auf dem Wunsch nach einer kurzen überschrift. Der Hinweis auf echte Schuldposten im § 53 Abs. 1 a. a. O. diene lediglich der Klarstellung. Ein entsprechender Hinweis im § 53 Abs. 4 a. a. O. fehle. Da echte Schulden stets in voller Höhe abzuziehen seien, § 53 Abs. 4 a. a. O. indessen den Abzug der Rücklagen für Beitragsrückgewähr nur mit 90 v. H. ihres Werts vorsehe, müßten diese Rücklagen als unechte Schuldposten angesehen worden sein. § 53 Abs. 4 a. a. O. enthalte eine Sonderregelung für die Abzugsfähigkeit von Beträgen, die ohne diese Bestimmung als unechte Schulden nicht abzugsfähig wären. Im Streitfall sei daher lediglich zu prüfen, ob der vom Bf. gewünschte unverkürzte Abzug der Rückstellung für die Beitragsrückgewähr abzulehnen sei, weil die Rückstellung als unechte Schuld im Sinne des Bewertungsrechts anzusehen sei. Soweit es sich dagegen um eine echte Schuld handle, müsse der uneingeschränkte Schuldabzug zugebilligt werden.
Der Bf. hat noch beanstandet, daß das Finanzgericht seinen in der Berufungsinstanz gestellten Antrag auf Anberaumung der mündlichen Verhandlung stillschweigend übergangen habe und ihm überdies die Stellungnahme des Finanzamts zu seiner Sprungberufung nicht zugegangen sei. Im übrigen hat der Bf. zu der Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen im wesentlichen folgendes ausgeführt: Bis 1935/36 habe es in der Krankenversicherung nur die erfolgsabhängige Beitragsrückgewähr gegeben. Erst etwa ab 1947 seien die Krankenversicherungsunternehmen dazu übergegangen, beim schadensfreien Verlauf einer Versicherung einen Teil der im Laufe des Jahres geleisteten Prämien zurückzugewähren und einen entsprechenden Anspruch der Versicherten im Versicherungsvertrag festzulegen (erfolgsunabhängige Beitragsrückgewähr). Diese erfolgsunabhängige Beitragsrückgewähr gewähre dem Versicherten einen auch in Verlustjahren unabdingbaren Rechtsanspruch gegen das Versicherungsunternehmen, die erfolgsabhängige Beitragsrückgewähr dagegen sei keine Leistung auf Grund des Versicherungsvertrags, sondern überschußverteilung (auch Versichertendividende genannt). Wenn der Bundesminister der Finanzen ausgeführt habe, daß die Rücklagen für Beitragsrückgewähr keine versicherungstechnischen Rücklagen seien, könne er damit nur die überschußrücklagen gemeint haben, zumal er erklärt habe, daß ohne die Vorschrift des § 53 Abs. 4 BewDV diese Rücklagen als unechte Schulden nicht abzugsfähig sein würden. Hierfür sprächen auch der Zusammenhang des § 53 Abs. 4 BewDV mit § 25 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes (KStDV) 1935, das Urteil des Reichsfinanzhofs I 112/39 vom 21. Mai 1940 (Slg. Bd. 48 S. 322, Reichssteuerblatt - RStBl - 1940 S. 747), sowie die Ausführungen von Prölss und v. d. Thüsen (Die versicherungstechnischen Rückstellungen im Steuerrecht, 2. Aufl., Verlag "Versicherungswirtschaft", Karlsruhe, S. 119, 123). Nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen des Bf. handle es sich im Streitfall um eine Leistung, die das Unternehmen in Höhe von drei Monatsbeiträgen demjenigen Versicherten schulde, der im abgelaufenen Jahr keine Leistungen wegen Krankheit in Anspruch genommen habe. Eine solche Verbindlichkeit des Bf. sei im Sinne der äußerung des Bundesministers der Finanzen eine echte Schuld, die in voller Höhe abzugsfähig sei. Dies sei auch die einhellige Auffassung der gesamten Versicherungswirtschaft.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Der Bf. hat in der Berufungsinstanz in dem Schriftsatz vom 14. Oktober 1955 S. 6 am Ende Antrag auf Anberaumung der mündlichen Verhandlung gestellt. Das Finanzgericht hat ohne mündliche Verhandlung entschieden, ohne daß der Antrag auf Anberaumung der mündlichen Verhandlung durch einstimmigen Gerichtsbeschluß zurückgewiesen wurde (ß 272 Satz 2 AO). Hierin liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel, der in der Rb. gerügt ist. Hiernach war das Urteil des Finanzgerichts aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Dem Bundesminister der Finanzen ist darin beizustimmen, daß Rücklagen für Beitragsrückerstattungen nicht unter die versicherungstechnischen Rücklagen im eigentlichen Sinne fallen. Der Senat stimmt mit dem Bundesminister der Finanzen auch darin überein, daß die Beschränkung des Abzugs der versicherungstechnischen Rücklagen auf echte Schuldposten (ß 53 Abs. 1 BewDV) lediglich der Klarstellung dient, und daß § 53 Abs. 4 a. a. O. nur auf unechte Schulden bezogen werden kann, da anderenfalls die generelle Kürzung des Abzugs um 10 v. H. nicht gerechtfertigt wäre. Beitragsrückerstattungen, die den Versicherungsnehmern unabhängig von dem Geschäftsergebnis zustehen, fallen hiernach nicht unter § 53 Abs. 4 a. a. O. Nach den im Streitfall maßgebenden Bestimmungen über die Beitragsrückgewähr hing diese am Stichtag von den obenangegebenen Voraussetzungen ab. Diese Voraussetzungen stellen auflösende Bedingungen dar. Auflösend bedingte Lasten werden nach § 7 Abs. 1 BewG wie unbedingte behandelt. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Kürzung der Rückstellung für Beitragsrückerstattung war daher nicht gerechtfertigt. Der Einheitswert des Betriebsvermögens des Bf. errechnet sich hiernach für den 1. Januar 1954 auf 473.000 DM. Die Wertgrenze für die Wertfortschreibung wird nicht erreicht. Das angefochtene Urteil und der Wertfortschreibungsbescheid des Finanzamts vom 15. September 1955 waren daher aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 409055 |
BStBl III 1958, 234 |
BFHE 1958, 605 |
BFHE 66, 605 |