Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltssozietät - Verpflichtung zur Abgabe der Gewinnfeststellungserklärung
Leitsatz (NV)
1. Die Gewinnfeststellungserklärungen einer Rechtsanwaltssozietät sind von den Mitgliedern der Sozietät abzugeben.
2. Wird eine Gewinnfeststellungserklärung ohne ausreichende Entschuldigung nicht fristgemäß abgegeben, so kann das Finanzamt gegen ein Mitglied der Sozietät einen Verspätungszuschlag festsetzen. Das Finanzamt kann insbesondere dasjenige Mitglied der Sozietät mit einem Verspätungszuschlag belegen, das in Erledigung der Steuerangelegenheiten oder als Empfangsbevollmächtigter im Sinne des § 183 AO hervorgetreten ist.
Normenkette
AO 1977 § 152 Abs. 1, § 34; EStDV § 58
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Rechtsanwalt. Er hat sich mit den Rechtsanwälten A und B zu einer Sozietät (Gesellschaft bürgerlichen Rechts - GbR -) zusammengeschlossen. Die GbR und ihre Gesellschafter wurden von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe betreut. Für das Jahr 1979 erfolgte zwecks einheitlicher und gesonderter Feststellung des Gewinns nur die Abgabe der Anlage GSE zur Gewinnfeststellungserklärung 1979 (mit einer Aufteilung der Einkünfte), und zwar erst nach Ablauf der bis zum 28. Februar 1981 gewährten Fristverlängerung, nämlich am 1. März 1982. Für das Jahr 1980 waren die Gesellschafter der Sozietät durch Verfügung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) vom 12. Oktober 1981 aufgefordert worden, die Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns bis zum 20. Januar 1982 abzugeben. Die Erklärung ging nicht innerhalb dieser Frist, sondern erst am 1. März 1982 ein. Das FA setzte gegen den Kläger, der als Empfangsbevollmächtigter der Sozietät aufgetreten ist, durch Bescheide vom 7. Mai 1982 wegen verspäteter Abgabe der Erklärungen Verspätungszuschläge fest, und zwar in Höhe von 1 000 DM für das Jahr 1979 und von 590 DM für das Jahr 1980. Die vom Kläger erhobenen Beschwerden hat die Oberfinanzdirektion mit Beschwerdeentscheidungen vom 12. November 1982 zurückgewiesen.
Die OFD führt aus, aufgrund der gewährten Fristverlängerung bis zum 28. Februar 1981 habe für die Anfertigung der Gewinnfeststellungserklärung 1979 ein Bearbeitungszeitraum von 14 Monaten zur Verfügung gestanden. Gleichwohl sei die Erklärung erst nach weiteren 13 Monaten, nämlich am 1. März 1982, abgegeben worden. Der Umstand, daß bei der Sozietät für die Jahre 1976 bis 1978 eine Außenprüfung stattgefunden habe, stelle keinen ausreichenden Entschuldigungsgrund dar. Die Prüfung sei am 22. November 1979 abgeschlossen worden und der Betriebsprüfungsbericht am 16. April 1980 ergangen, so daß bis zum 28. Februar 1981 noch 10 1/2 Monate zur Verfügung gestanden hätten, um bei der Erstellung der Gewinnfeststellungserklärung 1979 etwaige Angleichungen an das Prüfungsergebnis vornehmen zu können. Im übrigen handele es sich nicht um ein erstmaliges Fristversäumnis. Bereits die Erklärungen der Jahre 1971 bis 1975 seien verspätet abgegeben worden. Ausgehend von der Fristverlängerung jeweils bis zum 28. Februar des übernächsten Jahres sei diese Frist mit einer Zeitspanne zwischen 3 bis 16 Monaten überschritten worden. Damit sei hinreichend Anlaß gegeben, auf die zukünftige rechtzeitige Einreichung der Erklärung durch einen Verspätungszuschlag hinzuwirken. Dieser sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Er bewege sich mit 1 v. H. der auf 25 v. H. des festgestellten Gewinns (von 390 635 DM) geschätzten steuerlichen Auswirkung (= 1 v. H. von 99 658 DM) an der untersten Grenze des gesetzlichen Ermessensrahmens. Zur Gewinnfeststellungserklärung 1980 führt die OFD aus, daß die gewährte Fristverlängerung bis 28. Februar 1982 ebenfalls, und zwar um ein Monat, überschritten worden sei. Auch bewege sich der Verspätungszuschlag an der untersten Grenze des Ermessensrahmens, denn er sei mit 0,5 v. H. der auf 25 v. H. des festgestellten Gewinns (von 472 559 DM) geschätzten steuerlichen Auswirkung (= 0,5 v. H. von 118 139 DM) angesetzt worden.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Finanzgericht (FG) erhoben mit dem Antrag, die Festsetzung von Verspätungszuschlag aufzuheben. Das FG hat der Klage stattgegeben.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA mit dem Antrag, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger hat keine Erklärungen abgegeben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die vorinstanzliche Entscheidung wird von der Erwägung getragen, das Verfahren nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a der Abgabenordnung (AO 1977) habe die Ermittlung des Gewinns der nichtrechtsfähigen Personenvereinigung zum Gegenstand; dieser Personenzusammenschluß sei deshalb der Erklärungspflichtige und habe sich aufgrund seiner Handlungsunfähigkeit seiner gesetzlichen Vertreter zu bedienen. Bei verschuldeter Säumnis sei demgemäß ein Verspätungszuschlag gegen den säumigen Erklärungspflichtigen, d. h. gegen den Personenzusammenschluß selbst festzusetzen. Danach sei im Streitfall die GbR selbst und nicht einer ihrer Gesellschafter als erklärungspflichtig anzusehen.
Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 werden die einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte gesondert festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen zuzurechnen sind. Der Grund für das bereits im Jahre 1930 in die Reichsabgabenordnung - AO - (vgl. § 215 AO) aufgenommene besondere Feststellungsverfahren liegt in der Notwendigkeit, die die Gesellschafter gemeinsam betreffenden Fragen auch gemeinsam, d. h. mit Wirkung für und gegen alle zu lösen. Der Zweck des besonderen, vom Veranlagungsverfahren des einzelnen Steuerpflichtigen abgetrennten Verfahrens wird mithin darin gesehen, in Fällen der Beteiligung mehrerer eine einheitliche Sachbehandlung durch die Finanzbehörden sicherzustellen, also die Besteuerung der Gesellschafter bezüglich der Einkünfte, an denen sie beteiligt sind, zu vereinheitlichen (h. M. und ständige Rechtsprechung; vgl. zuletzt Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. September 1978 IV R 49/74, BFHE 126, 262, BStBl II 1979, 159, und vom 12. November 1985 IX R 85/82, BFHE 145, 308, BStBl II 1986, 239; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 180 AO 1977 Rdnr. 7, m. w. N.). Der Gewinnfeststellungsbescheid setzt sich aus einer Reihe von Einzelfeststellungen zusammen, denen er den von den Feststellungsbeteiligten gemeinsam erwirtschafteten Gewinn voranstellt. Diese Einzelfeststellung richtet sich aber nicht gegen die Personenvereinigung als Steuersubjekt, sondern an die an ihr Beteiligten (§ 179 Abs. 2 AO 1977). Diese verfahrensrechtliche Beurteilung wird nicht dadurch berührt, daß die neuere Rechtsprechung in Auslegung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Mitunternehmerschaften als Subjekt der Gewinnerzielung anerkennt (vgl. BFH-Urteil vom 20. März 1984 IX R 10/83, BFHE 140, 568, BStBl II 1984, 487).
Erklärungspflichtig wäre damit grundsätzlich jeder Beteiligte, dem das Ergebnis der gesonderten Feststellung zuzurechnen ist (so die ab 1. Januar 1987 geltende Neufassung des § 181 Abs. 2 AO 1977). Nach der im Streitfall anzuwendenden Rechtslage war die Erklärungspflicht durch § 58 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in der Weise geregelt, daß die in § 34 AO 1977 bezeichneten Personen die Gewinnfeststellungserklärung abzugeben hatten. Die nicht konkretisierten Bedenken des FG gegen die Rechtsgültigkeit dieser Vorschrift teilt der erkennende Senat nicht (ebenso Tipke/Kruse, a. a. O., § 181 AO 1977 Rdnr. 1 a; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 180 AO 1977 Rdnr. 211; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 149 AO 1977 Anm. 2; Koch, Abgabenordnung - AO 1977, 2. Aufl., § 149 Rdnr. 3).
Da die Vorentscheidung von einer anderen Auffassung getragen ist, war sie aufzuheben.
2. Die Sache ist spruchreif. Die Gewinnfeststellungserklärungen 1979 und 1980 waren gemäß § 58 EStDV von einem gesetzlichen Vertreter i. S. des § 34 AO 1977 abzugeben. Der Kläger gehörte als Gesellschafter einer GbR zu diesem Personenkreis, gegen den der Verspätungszuschlag festgesetzt werden kann (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 149 AO 1977 Rdnr. 1; § 152 AO 1977 Rdnr. 10; Kühn/Kutter/Hofmann, a. a. O., § 152 AO 1977 Rdnr. 7; Koch, a. a. O., 3. Aufl., § 152 Rdnr. 7). Mit der verspäteten Abgabe der Gewinnfeststellungserklärungen 1979 und 1980 ist eine Säumnis eingetreten, für die der Kläger als Erklärungspflichtiger einzustehen hat.
Die Festsetzung des Verspätungszuschlages gegen den Kläger statt gegen die übrigen Mitglieder der Sozietät hatte das FA im Rahmen seines Entschließungsermessens zu treffen. Es ist kein Ermessensfehlgebrauch des FA darin zu sehen, daß es denjenigen Vertreter i. S. des § 34 AO 1977 mit einem Verspätungszuschlag belegt hat, der in Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten bzw. als Empfangsbevollmächtigter i. S. des § 183 AO 1977 gegenüber dem FA hervorgetreten ist. Das FA konnte grundsätzlich davon ausgehen, daß dieser gesetzliche Vertreter die geeignete Person ist, auf die mit dem Ziele einer künftigen rechtzeitigen Abgabe der Erklärungen eingewirkt werden sollte. Dieses gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall - für die nicht rechtzeitige Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten durch einen Berater eingetreten werden muß. Hier wird der gesetzliche Vertreter angehalten, in geeigneter Weise auf den steuerlichen Berater einzuwirken.
Die Beschwerdeentscheidung der OFD bejaht zutreffend ein Verschulden an der Säumnis, da bezüglich des Jahres 1979 keine Hinderungsgründe ersichtlich und bezüglich des Jahres 1980 solche nicht vorgetragen sind. Hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Verspätungszuschläge folgen die Ermessenserwägungen der OFD den gesetzlichen Kriterien des § 152 Abs. 2 AO 1977 und lassen in ihrer Abstufung einen Ermessensfehlgebrauch nicht erkennen.
Fundstellen
Haufe-Index 415150 |
BFH/NV 1988, 760 |