Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweistufige Prüfung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4a EStG ab dem Wirtschaftsjahr 1999 bzw. 1998/1999
Leitsatz (amtlich)
1. Nach Einführung des § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601) ist der Schuldzinsenabzug zweistufig zu prüfen.
Es ist zunächst zu klären, ob der betreffende Kredit nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen (vgl. insbesondere Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193) eine betriebliche oder private Schuld ist.
Sodann ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang die betrieblich veranlassten Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 abziehbar sind.
2. Private Verbindlichkeiten, deren Zinsen nach § 4 Abs. 4 EStG nicht betrieblich veranlasst sind, sind bei der Ermittlung der Entnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG nicht zu berücksichtigen (vgl. BMF-Schreiben vom 22. Mai 2000 IV C 2 -S 2144- 60/00, BStBl I 2000, 588 Tz. 6 und 7).
3. Werden eingehende Betriebseinnahmen zur Tilgung eines Sollsaldos verwendet, der aufgrund privater Zahlungsvorgänge entstanden ist oder sich dadurch erhöht hat, liegt hierin im Zeitpunkt der Gutschrift eine Entnahme, die bei der Ermittlung der Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 zu berücksichtigen ist.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, 4a
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger betreibt eine Bauschlosserei. Seinen Gewinn ermittelt er nach § 4 Abs. 1, § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Wirtschaftsjahr ist das Kalenderjahr. Das Kapitalkonto des Klägers war zum 31. Dezember 1998 negativ.
Im Bescheid über Einkommensteuer für 2001 vom 26. Juni 2002 erhöhte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den erklärten Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß § 4 Abs. 4a EStG um nichtabziehbare Schuldzinsen in Höhe von 14 551 DM (6 v.H. aus 242 524 DM; Überentnahme 1999: 136 506 DM; Überentnahme 2000: 65 996 DM; Überentnahme 2001: 40 022 DM). Im Einspruchsverfahren korrigierte das FA die Überentnahmen des Jahres 1999 auf 108 035 DM und berücksichtigte im Änderungsbescheid nichtabziehbare Schuldzinsen in Höhe von 12 659,40 DM (6 v.H. von 214 053 DM abzüglich bisher vom FA als nichtabziehbare Schuldzinsen behandelte 183,60 DM). Im Übrigen wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit welcher die Kläger geltend machten, dass keine nach § 4 Abs. 4a EStG nichtabziehbaren Schuldzinsen anzusetzen seien, mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 179 veröffentlichtem Urteil ab.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen seien im Streitjahr 2001 in einem zweistufigen Verfahren zu ermitteln. Auf der ersten Stufe sei zu prüfen, inwieweit die Schuldzinsen überhaupt betrieblich veranlasst seien. Der nicht betrieblich veranlasste Teil der Schuldzinsen werde nach der sog. Zinszahlenstaffelmethode, die vom Bundesfinanzhof (BFH) für das Steuerrecht weiter entwickelt worden sei, berechnet und sei gemäß § 12 EStG nicht abziehbar. Der verbleibende Teil der Schuldzinsen sei betrieblich veranlasst und damit grundsätzlich Betriebsausgabe, deren Abziehbarkeit § 4 Abs. 4a EStG jedoch einschränke.
Im Streitfall seien keine nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen anzusetzen. Die Kontokorrentkonten des Klägers hätten in den Jahren 1999 bis 2001 durchgängig einen Sollsaldo ausgewiesen. Deshalb seien die Entnahmen nicht bei der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen. Die entsprechenden Schuldzinsen seien vielmehr nach § 12 EStG nicht abzugsfähig und nach der Zinsstaffelmethode zu berechnen. Bei einem regelmäßigen Eingang von Betriebseinnahmen auf den Kontokorrentkonten des Klägers seien die nicht abziehbaren Schuldzinsen wie folgt zu berechnen: 5 000 DM Privatentnahme monatlich würden das Kontokorrentkonto durchschnittlich bis zum Eingang der nächsten Betriebseinnahme 10 Tage belasten und seien mit 11 % zu verzinsen. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen beliefen sich im Streitjahr 2001 somit auf 183,60 DM (5 000 DM x 11 % x 120 Tage/Jahr : 360 Tage/ Jahr).
Die Kläger beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. September 2002 zu ändern sowie die Einkommensteuer auf 8 052 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Zu Unrecht hat das FG nicht in einem ersten Schritt geprüft, ob der die Schuldzinsen verursachende Kredit nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen (vgl. insbesondere Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193) eine entnahmebedingte Privatschuld ist und schon deswegen der Abzug der Schuldzinsen als Betriebsausgaben nicht in Betracht kommt (vgl. § 4 Abs. 4 EStG). Erst in einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang die betrieblich veranlassten Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 (StBereinG 1999) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) abziehbar sind.
2. Ungeachtet der Einführung des § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 bestimmt sich die betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4 EStG. Nach den vom BFH entwickelten Grundsätzen (vgl. insbesondere Beschluss des Großen Senats vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817) sind Schuldzinsen anhand des tatsächlichen Verwendungszwecks der Erwerbs- oder der Privatsphäre zuzuordnen. Nur Zinsen, die für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört, sind ihrerseits ebenfalls betrieblich veranlasst. Darlehen zur Finanzierung außerbetrieblicher Zwecke sind hingegen nicht betrieblich veranlasst und damit keine Betriebsausgaben i.S. von § 4 Abs. 4 EStG. Bestreitet der Steuerpflichtige seinen betrieblich und privat veranlassten Zahlungsverkehr über ein einheitliches --gemischtes-- Kontokorrentkonto, ist für die Ermittlung der als Betriebsausgaben abziehbaren Schuldzinsen der Sollsaldo nach der sog. Zinsstaffelmethode bzw. im Wege der Schätzung aufzuteilen.
3. Da der Neuregelung des § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 nur betrieblich veranlasste Schuldzinsen unterliegen, ist die steuerliche Abziehbarkeit der Schuldzinsen zweistufig zu prüfen. In einem ersten Schritt ist zu klären, ob und inwieweit Schuldzinsen überhaupt zu den betrieblich veranlassten Aufwendungen gehören. Erst in einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der Betriebsausgabenabzug im Hinblick auf Überentnahmen durch § 4 Abs. 4a EStG eingeschränkt ist (so auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 22. Mai 2000 IV C 2 -S 2144- 60/00, BStBl I 2000, 588 Tz. 1 und 2,; Blümich/ Wacker, Einkommensteuergesetz/Körperschaftsteuergesetz/Gewerbesteuergesetz, § 4 EStG Rz. 168c; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 4 Rz. 522; Crezelius in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, KompaktKommentar, 5. Aufl., § 4 Rz. 161; Schallmoser in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 4 EStG Rz. 1036; Korn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rz. 833; Meurer in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 4 Rz. 656c; Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 4 Rz. 300d; Hegemann/Querbach, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2000, 408; Meyer/Ball, Die Information über Steuer und Wirtschaft --Inf-- 2000, 459; Horlemann, Finanz-Rundschau --FR-- 2001, 336; Paus, FR 2000, 957; Graf, DStR 2000, 1465).
Der Gegenmeinung, wonach § 4 Abs. 4a EStG lex specialis gegenüber der Generalregelung des § 4 Abs. 4 EStG sein soll (vgl. von Reden in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 4, § 5 EStG Rz. 1656a; Wendt, FR 2000, 417, 428; Groh, DStR 2001, 105; Jakob, DStR 2000, 101, 102; Duske, DStR 2000, 906; Eggesiecker/Ellerbeck, FR 2000, 689; Eggesiecker, Steuerberater-Jahrbuch --StbJb-- 2000/2001, 83, 93 ff.), ist nicht zu folgen. Über den Charakter von Verbindlichkeiten entscheidet die Verwendung der Darlehensmittel. Nur wenn diese für betriebliche Zwecke genutzt werden, entsteht eine Betriebsschuld und nur aus einer solchen können betriebliche Schuldzinsen anfallen. Daran hat sich durch die Einfügung von § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 in das EStG nichts geändert.
4. Mit § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 hat der Gesetzgeber in Gestalt des sog. Eigenkapitalmodells (Blümich/ Wacker, a.a.O., § 4 EStG Rz. 168a) eine Regelung geschaffen, die im Grundsatz auf der Maßgeblichkeit der tatsächlichen Mittelverwendung aufbaut, andererseits den Betriebsausgabenabzug im Falle sog. Überentnahmen, also bei einem Überhang der Entnahmen über die Summe aus Gewinn und Einlagen, typisierend ausschließt.
Für diese Auslegung der Vorschrift sprechen die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und der Sinn und Zweck des Gesetzes.
a) § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 geht auf eine Eingabe des Deutschen Steuerberaterverbandes (DStV) an den Präsidenten des Deutschen Bundesrats zurück. Nach Auffassung des DStV sollte dem Unternehmer die Möglichkeit verbleiben, zumindest den im Wirtschaftsjahr erzielten steuerlichen Gewinn sowie seine Einlagen zu entnehmen. Ausdrücklich heißt es in der Anlage zum Schreiben des DStV vom 22. Oktober 1999: "Der Steuerpflichtige kann Gewinn und Privateinlagen … entnehmen, ohne seinen Schuldzinsenabzug zu gefährden. Das bedeutet, dass solange keine Überentnahmen vorliegen, alleSchuldzinsen abzugsfähig sind. Erst bei Entnahmen über den summierten Betrag aus Gewinn oder Einlagen hinaus wird eine Kürzung der Schuldzinsen vorgenommen." Dementsprechend sieht der Formulierungsvorschlag des DStV vor, dass die auf ein gemischtes Kontokorrentkonto entfallenden Schuldzinsen "… nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind, soweit die Summe der Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Gewinnermittlungszeitraums übersteigt (Überentnahme). Die nach Satz 1 entnahmefähigen Beträge, die im Gewinnermittlungszeitraum nicht entnommen werden, können mit Überentnahmen der folgenden Gewinnermittlungszeiträume verrechnet werden" (vgl. § 4 Abs. 4a Sätze 1 und 2 EStG i.d.F. des Entwurfs des DStV).
Der Formulierungsvorschlag des DStV hätte es dem Unternehmer ermöglicht, im Betrieb investiertes Eigenkapital in späteren Veranlagungszeiträumen zu entnehmen und für private Zwecke zu verwenden, ohne negative Konsequenzen beim Schuldzinsenabzug hinnehmen zu müssen. Der Gesetzgeber des § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 hat diesen Formulierungsvorschlag des DStV jedoch nicht übernommen, sondern sich für eine Fassung entschieden, der --anders als beim Vorschlag des DStV-- nicht zwingend ein Eingriff in den Betriebsvermögensbegriff und das Veranlassungsprinzip zu entnehmen ist (vgl. Korn, a.a.O., § 4 Rz. 833).
b) Nicht unberücksichtigt bleiben kann zudem, dass § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 den § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/ 2002) vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) ersetzt hat. Mit letzterer Vorschrift hatte der Gesetzgeber der BFH-Rechtsprechung zum Mehrkontenmodell entgegentreten wollen, die aus seiner Sicht vor allem wegen der beträchtlichen Haushaltsbelastungen nicht akzeptabel war (BTDrucks 14/265, S. 170). Vor dem Hintergrund einer angespannten Haushaltslage sollten steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten beim Schuldzinsenabzug eingeschränkt und Belastungen der öffentlichen Haushalte, die der Gesetzgeber mit Blick auf die Anerkennung der Zwei- und Mehrkontenmodelle in der Rechtsprechung des BFH befürchtete, ausgeschlossen werden. Bei § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 war aber weitestgehend unstreitig, dass damit eine weitere Gruppe der nicht abziehbaren Betriebsausgaben geschaffen werden sollte.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber des § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 die Überlegungen, die ihn bei der Einführung des § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 leiteten, verwerfen und einen für den Steuerpflichtigen günstigen Schuldzinsenabzug einführen wollte. Angesichts der harschen Kritik an § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 in Fachkreisen (so beispielsweise Meyer/ Ball, DStR 1999, 781; Hergarten, DStR 1999, 54; Meilicke, Der Betrieb --DB-- 1999, 1285) wollte er vielmehr mit § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 lediglich eine praktikable Regelung des Schuldzinsenabzugs schaffen, gleichzeitig aber den von ihm bei der Einführung des § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 so bewerteten Auswüchsen begegnen, die die Kontentrennungsrechtsprechung des BFH ermöglichte, also deren Wirkungen einschränken (Korn, a.a.O., § 4 Rz. 833). Eine Auslegung, wonach § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 lex specialis zu der Generalnorm des § 4 Abs. 4 EStG ist, würde diesem Vorhaben nicht gerecht. Privat veranlasste Schuldzinsen würden nicht sinnvoll abgegrenzt, da die Regelung nur bei überschuldeten Betrieben greifen würde und selbst in diesen Fällen eindeutig privat veranlasste Zinsen, etwa für den Erwerb eines privaten Vermögensgegenstandes, noch bis zum Betrag von 2 050 € (im Streitjahr 4 000 DM - vgl. § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG i.d.F. des StBereinG 1999) abziehbar wären. Zudem schreibt das Gesetz selbst in § 4 Abs. 4a Satz 5 (früher Satz 6) EStG das Veranlassungsprinzip für Investitionskredite vor.
c) Der Stellung des § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 im unmittelbaren Anschluss an § 4 Abs. 4 EStG misst der Senat keine Bedeutung bei. Manche leiten aus der Stellung der Vorschrift zwischen § 4 Abs. 4 EStG und § 4 Abs. 5 EStG ab, § 4 Abs. 4a EStG sei lex specialis zu § 4 Abs. 4 EStG (vgl. Groh, DStR 2001, 105, 107; Ley, Neue Wirtschaftsbriefe, Fach 3, S. 11167, 11168; Wieczorek, Die Steuerberatung 2000, 301, 302) und bezwecke eine Modifizierung des Betriebsausgabenbegriffs (Duske, DStR 2000, 906). Andere hingegen schließen aus der Stellung im Gesetz zwischen § 4 Abs. 4 EStG und § 4 Abs. 5 EStG, dass § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 nur die betrieblich veranlassten, aber nicht die privaten Schuldzinsen erfasst (Meurer in Lademann, a.a.O., § 4 Rz. 656c (1)). Die Unterschiedlichkeit dieser Wertung zeigt, dass das Gesetz insoweit keinen eindeutigen Aufschluss gibt.
d) Auch wenn § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 nur von Schuldzinsen, nicht von betrieblichen Schuldzinsen spricht und ein Verweis auf den Betriebsausgabenbegriff wie in § 4 Abs. 5 EStG fehlt, ist dem Wortlaut der Vorschrift kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass sie von dem Veranlassungsprinzip nach § 4 Abs. 4 EStG hätte abweichen wollen (Frotscher, a.a.O., § 4 Rz. 300d). Wäre § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 lex specialis zu § 4 Abs. 4 EStG, wäre ein solcher Hinweis --beispielsweise durch den Einleitungssatz in § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 "Abweichend von § 4 Abs. 4 …"-- jedoch angesichts des damit verbundenen Systemwechsels erforderlich gewesen. Zudem hätte der Gesetzgeber in der Bestimmung eine Regelung treffen müssen, welche Auswirkungen dies auf die Betriebsvermögenseigenschaft der Verbindlichkeiten hat.
e) Die Auslegung, § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 sei lex specialis zu § 4 Abs. 4 EStG, würde zudem verfassungsrechtlichen Zweifeln begegnen. Sie würde zu einer steuerlichen Privilegierung der Bezieher von Gewinneinkünften führen, denn nur bei ihnen würden private Schuldzinsen in Höhe von 2 050 € (im Streitjahr 4 000 DM) berücksichtigt werden (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 4. März 2005 VII 205/03, EFG 2005, 1175). Dies wäre anderen Steuerpflichtigen versagt, ohne dass hierfür ein sachlicher, dem Gleichheitsgebot des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) genügender Grund erkennbar wäre. Zudem könnte ein Unternehmer --wäre § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 lex specialis zu § 4 Abs. 4 EStG-- Eigenkapital durch Fremdkapital substituieren und die darauf zu entrichtenden Schuldzinsen als Betriebsausgaben abziehen. Im Bereich der Überschusseinkünfte, auf die § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 mangels eines Verweises in § 9 EStG nicht anwendbar ist, wäre dies hingegen nicht möglich. Es käme weiterhin die ständige Rechtsprechung des BFH zur Anwendung, wonach ein Steuerpflichtiger zwar frei wählen kann, ob er eine Vermögensanlage mit Eigen- oder Fremdmitteln finanziert, an die einmal getroffene Entscheidung jedoch gebunden ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27. Oktober 1998 IX R 44/95, BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676). Auch dieser Wertungswiderspruch wäre im Hinblick auf Art. 3 GG kaum hinnehmbar.
5. Die Änderung des § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StEntlG 1999/ 2000/2002 durch das StBereinG 1999 verstößt nicht gegen formelles Verfassungsrecht (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag X R 47/03).
6. Das angefochtene Urteil entspricht diesen Grundsätzen nicht. Da es sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend erweist, ist es aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache geht an das FG zurück.
Das FG wird im zweiten Rechtsgang die betriebliche Veranlassung des Zinsanfalls als primäre Voraussetzung des Betriebsausgabenabzugs zu klären haben. In einem zweiten Schritt wird zu prüfen sein, ob der Schuldzinsenabzug durch § 4 Abs. 4a EStG begrenzt ist. Hier wird das FG folgende Grundsätze zu beachten haben:
a) Zutreffend weisen die Kläger darauf hin, dass die privaten Verbindlichkeiten, deren Zinsen nach § 4 Abs. 4 EStG nicht betrieblich veranlasst sind, nicht bei der Ermittlung der Entnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen sind (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 588 Tz. 6 und 7).
b) Zudem kann der Steuerpflichtige auch nach Einführung des § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 bestimmen, dass für die Berechnung der Zinsen eines gemischten Kontokorrents mit Schuldsaldo jede Habenbuchung zunächst dem Unterkonto gutzuschreiben ist, auf dem die privat veranlassten Sollbuchungen erfasst werden (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, unter B.I.3.). Durch diese Tilgung eines Sollsaldos, der aufgrund privater Zahlungsvorgänge entstanden ist oder sich dadurch erhöht hat, mit eingehenden Betriebseinnahmen werden betriebliche Mittel zum Ausgleich einer privaten Schuld verwendet. Hierin liegt im Zeitpunkt der Gutschrift eine Entnahme, die bei der Ermittlung der Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 zu berücksichtigen ist (vgl. Verfügung der Oberfinanzdirektion Chemnitz vom 17. September 2001 S 2144-38/5 - St 21, DStR 2001, 1889; Blümich/Wacker, a.a.O., § 4 EStG Rz. 168c; a.A. Graf, DStR 2000, 1465).
Fundstellen
Haufe-Index 1455557 |
BFH/NV 2006, 184 |
BStBl II 2006, 125 |
BFHE 2006, 238 |
BFHE 211, 238 |
BB 2005, 2797 |
BB 2006, 251 |
DB 2005, 2782 |
DStR 2005, 2159 |
DStRE 2006, 62 |
DStZ 2006, 41 |
HFR 2006, 131 |