Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung des FA gegen abgetretenen Steuererstattungsanspruch gegenüber dem Zedenten
Leitsatz (NV)
1. Die Aufrechnung des FA gegen einen abgetretenen Steuererstattungsanspruch gegenüber dem Zedenten muß der Zessionar dann nicht gegen sich gelten lassen, wenn der zuständige Sachbearbeiter des FA die Abtretung bei der Aufrechnungserklärung kannte.
2. Zur Tatsachenwürdigung einer aus dem Zugang der Abtretungsanzeige beim FA hergeleiteten Kenntnis des Sachbearbeiters.
Normenkette
AO 1977 § 46 Abs. 1-3, § 226 Abs. 1; BGB §§ 388, 406, 407 Abs. 1; FGO § 118 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, ließ sich zur Begleichung von Honorarforderungen einen Teilbetrag in Höhe von 20 000 DM des Einkommensteuererstattungsanspruchs 1986 ihres Mandanten G abtreten. Die Abtretungsanzeige ging am 16. Februar 1989 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt -- FA --) ein. Am 15. Februar 1989 hatte das FA den Einkommensteuerbescheid 1986 gegen G erlassen und an diesen abgesandt. Der Bescheid wies einen Erstattungsanspruch in Höhe von rd. 25 000 DM aus und enthielt den Vermerk: "Über eine etwaige Verrechnung des Restguthabens mit Gegenansprüchen erhalten Sie eine besondere Mitteilung." Mit an den Mandanten G gerichteter "Umbuchungsmitteilung" vom 17. Februar 1989 erklärte das FA Umbuchungen des Einkommensteuerguthabens 1986 auf im einzelnen aufgeführte steuerliche Verbindlichkeiten des G. Die Klägerin erklärte (erstmals) mit Schreiben an das FA vom 24. Februar 1989 die Aufrechnung mit dem ihr abgetretenen Einkommensteuererstattungsanspruch des G gegenüber einem Umsatzsteuerrückzahlungsanspruch des FA. Das FA sah die Abtretung und die Aufrechnung seitens der Klägerin nicht als wirksam an. Es erteilte der Klägerin einen Abrechnungsbescheid, in dem ausgeführt wurde, der Abtretungsanzeige habe nicht gefolgt werden können, da gegen das Einkommensteuerguthaben des G mit bestehenden und fälligen Steueransprüchen gegen diesen habe aufgerechnet werden müssen.
Auf die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage der Klägerin wurde durch Urteil des Finanzgerichts (FG) der angefochtene Abrechnungsbescheid dahin abgeändert, daß festgestellt wurde, daß der in Höhe von 20 000 DM an die Klägerin abgetretene Einkommensteuererstattungsanspruch 1986 des G und in gleicher Höhe der gegen die Klägerin gerichtete Anspruch auf Rückerstattung von Umsatzsteuer 11/1988 durch die Aufrechnungserklärung der Klägerin vom 24. Februar 1989 erloschen sei. Das FG führte im wesentlichen aus:
Die Klägerin sei im Zeitpunkt ihrer Aufrechnungserklärung vom 24. Februar 1989 Inhaberin des ihr abgetretenen Einkommensteuererstattungsanspruchs des G gewesen, so daß sie mit diesem gegenüber dem FA wirksam habe aufrechnen können. Der abgetretene Einkommensteuererstattungsanspruch 1986 des G sei nicht durch eine vorausgegangene Aufrechnung seitens des FA erloschen.
Die Erklärung des FA gegenüber G im Steuerbescheid vom 15. Februar 1989 könne wegen ihrer inhaltlichen Unbestimmtheit nicht als Aufrechnungserklärung angesehen werden. Ob die Umbuchungsmitteilung vom 17. Februar 1989, allein oder in Verbindung mit der "Vorankündigung" im Steuerbescheid, eine Aufrechnungserklärung darstelle, könne dahingestellt bleiben. Denn als Aufrechnungserklärung gegenüber dem Zedenten müßte die Klägerin diese Erklärung nur dann gegen sich gelten lassen, wenn das FA (Schuldner) bei Vornahme seiner Aufrechnung die Abtretung nicht gekannt hätte (§ 226 Abs. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --, § 407 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --). Im Streitfall sei dem FA die Abtretung aber mit dem Zugang der Abtretungsanzeige am 16. Februar 1989 bekannt gewesen. Entgegen der Auffassung des FA komme es nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem der zuständige Behördenangehörige von der Abtretung Kenntnis erlangt habe. Abgesehen davon, daß dieser Zeitpunkt in der Regel nicht dokumentiert werde und deshalb nachträglich nur schwer festzustellen sei, rechtfertige es der Schutzzweck des § 407 Abs. 1 BGB nicht, die Folgen der Nichtvorlage bei einer Behörde eingehender Post noch am Eingangstag bei dem zuständigen Bearbeiter den neuen Gläubiger tragen zu lassen. Im übrigen sei im Streitfall mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, daß die am 16. Februar 1989 beim FA eingegangene Abtretungsanzeige wie allgemein vorgeschrieben noch am Eingangstage dem zuständigen Sachgebietsleiter (oder dessen Vertreter) vorgelegt und von diesem auch noch am selben Tage zur Kenntnis genommen worden sei. Aufrechnungserklärungen gegenüber der Klägerin selbst (§ 406 BGB) habe das FA bis zum 24. Februar 1989 nicht abgegeben.
Mit der Revision macht das FA geltend, das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Zeitpunkt des Zugangs der Abtretungsanzeige als Zeitpunkt der Kenntniserlangung "der Behörde" gelte. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne die Finanzbehörde als solche keine Kenntnis erlangen, entscheidend sei vielmehr die Kenntnis des zuständigen Sachbearbeiters. Daß der Zeitpunkt von dessen Kenntnisnahme in der Regel nicht gesondert dokumentiert werde, müsse für die Anwendung des § 407 BGB -- ebenso wie im privatrechtlichen Geschäftsverkehr -- hingenommen werden. Das FG lasse unberücksichtigt, daß der Wortlaut des Gesetzes in § 46 Abs. 2 AO 1977 und in § 226 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. §§ 406, 407 BGB ausdrücklich zwischen der Wirksamkeit der Abtretung (mit dem Zugang der Abtretungsanzeige) und der Kenntnis von der Abtretung unterscheide.
Die Annahme des FG, daß die mit dem Eingangsstempel vom 16. Februar 1989 versehene Abtretungsanzeige noch am selben Tage dem zuständigen Sachgebietsleiter vorgelegt und von diesem zur Kenntnis genommen worden sei, beruhe auf ungenügender Sachverhaltsaufklärung. Das FG verkenne, daß der Eingangsstempel nicht bestätige, daß ein Schriftstück bereits am Morgen des betreffenden Tages im Hausbriefkasten der Behörde vorgefunden worden sei. Es werde zugunsten des Steuerpflichtigen angenommen, daß jedes am Morgen im Hausbriefkasten befindliche Schriftstück bereits bis 24.00 Uhr des Vortages eingeworfen wurde. Auch ein am Morgen des 17. Febraur 1989, also am Tage der Absendung der Aufrechnungserklärung, eingegangenes Schreiben wäre somit mit dem Eingangsstempel "16. 2. 1989" versehen worden. Das FG hätte deshalb prüfen müssen, wann die Anzeige tatsächlich beim FA eingegangen sei und wann der zuständige Sachgebietsleiter von ihr Kenntnis genommen habe. Sollte die Abtretungsanzeige nämlich tatsächlich erst am Nachmittag oder Abend des 16. Februar 1989 oder gar erst am Morgen des 17. Februar 1989 beim FA eingegangen sein, könne auch bei der vom FG unterstellten Postlaufzeit vom Eingang bei der Poststelle am Morgen bis zur Vorlage beim zuständigen Sachgebietsleiter am Nachmittag nicht davon ausgegangen werden, daß bei der Abgabe der Aufrechnungserklärung die Abtretung schon bekannt war.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
Das FG hat zutreffend entschieden, daß der in Höhe von 20 000 DM an die Klägerin abgetretene Einkommensteuererstattungsanspruch 1986 des G und die Umsatzsteuerrückerstattungssschuld der Klägerin in gleicher Höhe durch die Aufrechnungserklärung der Klägerin mit Schreiben vom 24. Februar 1989 erloschen sind (§ 226 Ab. 1 AO 1977 i. V. m. §§ 387, 388, 389 BGB).
1. Die Klägerin konnte mit diesem Einkommensteuererstattungsanspruch gegenüber dem FA am 24. Februar 1989 noch wirksam aufrechnen, weil sie aufgrund der Abtretung des G und der dem FA zugegangenen Abtretungsanzeige Rechtsinhaberin des Anspruchs geworden war (§ 46 Abs. 1, 2 und 3 AO 1977, § 398 BGB) und dieser Anspruch bis zum Wirksamwerden ihrer Aufrechnungserklärung (§ 130 BGB) nicht durch eine vorausgegangene Aufrechnung seitens des FA erloschen war. Erklärt der Neugläubiger (Zessionar) -- wie die Klägerin im Streitfall -- seinerseits früher als das FA mit der ihm abgetretenen Forderung gegen eigene Steuerschulden die Aufrechnung, so geht -- wie der Senat mit Urteil vom 6. Februar 1990 VII R 86/88 (BFHE 160, 108, BStBl II 1990, 523) entschieden hat -- eine nachfolgende Aufrechnungserklärung des FA ins Leere. Die später im Klageverfahren (hilfsweise) erklärte Aufrechnung des FA gegen den an die Klägerin abgetretenen Einkommensteuererstattungsanspruch konnte somit mangels fortbestehender Aufrechnungslage nicht mehr wirksam werden.
2. Wie das FG im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, liegt eine wirksame Aufrechnung seitens des FA, die der Aufrechnung der Klägerin vom 24. Februar 1989 vorausgegangen ist und somit den abgetretenen Einkommensteuererstattungsanspruch hätte zum Erlöschen bringen können, nicht vor. Der Hinweis des FA in dem Einkommensteuerbescheid 1986 vom 15. Februar 1989 gegenüber dem Zedenten G, daß dieser über eine etwaige Verrechnung des Restguthabens mit Gegenansprüchen eine besondere Mitteilung erhalten werde, läßt nicht mit hinreichender Deutlichkeit eine bestimmte Aufrechnungserklärung erkennen, sondern er stellt lediglich die zukünftige Aufrechnung des FA gegenüber G in Aussicht (vgl. Senat in BFHE 160, 108, BStBl II 1990, 523, 525).
Nachdem mit dem Eingang der Abtretungsanzeige beim FA am 16. Februar 1989 die Abtretung des Steuererstattungsanspruchs des G an die Klägerin (in Höhe von 20 000 DM) wirksam geworden war (§ 46 Abs. 2 und 3 AO 1977), bestimmte sich die Wirksamkeit einer vom Schuldner (FA) gegenüber dem neuen oder gegenüber dem bisherigen Gläubiger erklärten Aufrechnung gemäß § 226 Abs. 1 AO 1977 nach den sinngemäß geltenden Vorschriften der §§ 406, 407 BGB. Eine Aufrechnung des FA gegenüber der Klägerin als neuer Gläubigerin des Einkommensteuererstattungsanspruchs mit Steuerforderungen gegenüber dem bisherigen Gläubiger G, wie sie nach § 406 BGB mit Einschränkungen zulässig ist, ist jedenfalls vor der Aufrechnungserklärung seitens der Klägerin vom 24. Februar 1989 nicht erfolgt.
Nach § 407 Abs. 1 BGB muß der neue Gläubiger eine Leistung, die der Schuldner nach der Abtretung an den bisherigen Gläubiger bewirkt, sowie jedes Rechtsgeschäft, das nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn, daß der Schuldner die Abtretung bei der Leistung oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt. Als ein in Ansehung der abgetretenen Forderung vorgenommenes Rechtsgeschäft, das der neue Gläubiger nach dieser Vorschrift gegen sich gelten lassen muß, kommt auch die Aufrechnung des Schuldners gegenüber dem bisherigen Gläubiger in Betracht (vgl. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 54. Aufl., § 407 Rdnr. 4). Das gilt auch für die Aufrechnung durch das FA mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, die -- wie der Senat im Urteil vom 2. April 1987 VII R 148/83 (BFHE 149, 482, BStBl II 1987, 536) entschieden hat -- die rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts und nicht einen Verwaltungsakt darstellt.
Im Streitfall hat das FA als Schuldner des abgetretenen Einkommensteuererstattungsanspruchs gegenüber dem bisherigen Gläubiger G am 17. Februar 1989 eine Umbuchungsmitteilung erlassen, nach der der Erstattungsanspruch auf Steuerschulden des G angerechnet worden ist. Die Klägerin meint, diese maschinell erstellte Umbuchungsmitteilung stelle keine Aufrechnungserklärung i. S. des § 388 BGB dar, weil sie keine Willenserklärung einer bestimmten zur Vertretung des FA berechtigten natürlichen Person und auch nicht eine eindeutige Erklärung der Aufrechnung bzw. Verrechnung erkennen lasse. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bisher an die Form der Aufrechnungserklärung keine strengen Anforderungen gestellt; sie hat sogar schlüssige Handlungen genügen lassen, wenn der Wille zur Tilgung und Verrechnung klar und unzweideutig erkennbar war (vgl. Senat in BFHE 160, 108, BStBl II 1990, 523, 525 m. w. N.). Es kann aber dahingestellt bleiben, ob diese Mindestanforderungen auch bei der maschinell erstellten Umbuchungsmitteilung des FA vom 17. Februar 1989 erfüllt waren und diese folglich als Erklärung der Aufrechnung durch das FA zu werten wäre. Die Klägerin (Neugläubiger) braucht jedenfalls eine etwaige Aufrechnung durch das FA (Schuldner) gegenüber dem bisherigen Gläubiger G nach § 407 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB nicht gegen sich gelten zu lassen, weil das FA die Abtretung des Einkommensteuererstattungsanspruchs im Zeitpunkt seiner Aufrechnung gekannt hat.
3. a) Der Senat vermag allerdings der Vorentscheidung nicht zu folgen, soweit diese die Kenntnis des FA von der Abtretung des Einkommensteuererstattungsanspruchs des G bereits aus dem Zugang der Abtretungsanzeige am 16. Februar 1989 herleitet und den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des zuständigen Behördenangehörigen von der Abtretung für unerheblich ansieht.
Nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, der der erkennende Senat folgt, reicht für die Kenntnis des Schuldners i. S. des § 407 BGB, der eine Schutzvorschrift zu dessen Gunsten beinhaltet, der bloße Zugang (§ 130 BGB, § 46 Abs. 2 AO 1977) einer Abtretungsanzeige nicht aus. Die Vorschrift verlangt vielmehr zum Ausschluß der befreienden Wirkung einer Leistung an den bisherigen Gläubiger die tatsächliche (positive) Kenntnis des Schuldners von der Abtretung, wobei es nicht unbedingt auf die Kenntnis des allgemeinen rechtsgeschäftlichen Vertreters ankommt, sondern die Kenntnis einer Hilfsperson genügt, sofern diese hinsichtlich der Erfüllung der Forderung Vertretungsmacht hat (vgl. Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 407 Rdnr. 6, 7; Roth in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., § 407 Rdnr. 12, 16; Urteil des Reichsgerichts -- RG -- vom 24. Februar 1932 V 342/31, RGZ 135, 247, 251; Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 4. Juli 1960 VII ZR 107/59, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1960, 1805). Die Berufung des Schuldners auf die fehlende positive Kenntnis von der Abtretung trotz Zugangs einer Abtretungsanzeige kann aber rechtsmißbräuchlich sein. Nimmt der Schuldner bzw. sein Vertreter eine ihm zugegangene Abtretungsanzeige nicht oder erst spät zur Kenntnis, so kann er sich dem Neugläubiger gegenüber nach Treu und Glauben darauf nicht berufen, wenn dies auf Organisationsmängeln beruht, so z. B. wenn die zuständigen Mitarbeiter die für die Kenntniserlangung wesentlichen Informationen nicht erhalten oder die eingehende Post nicht unverzüglich und zuverlässig dem zuständigen Sachbearbeiter vorgelegt wird (Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 407 Rdnr. 7; RGZ 135, 247, 251, 253; BGH- Urteil vom 8. Dezember 1976 VIII ZR 248/75, NJW 1977, 581; Landgericht Göttingen, Urteil vom 11. August 1981 3 O 59/81, Versicherungsrecht -- VersR -- 1982, 1186).
Der Eingang der Abtretungsanzeige beim FA am 16. Februar 1989 reicht demnach allein -- entgegen der Auffassung der Vorinstanz -- nicht aus, um eine Kenntnis des FA von der Abtretung i. S. des § 407 Abs. 1 BGB zu begründen und einer etwaigen Aufrechnung gegenüber dem Zedenten durch die Umbuchungsmitteilung vom 17. Februar 1989 der Klägerin gegenüber ihre Wirksamkeit zu nehmen.
b) Das FG hat aber in einer Hilfsbegründung (,im übrigen ... ") seine Entscheidung auch darauf gestützt, "im Streitfall sei mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, daß die am 16. Februar 1989 beim FA eingegangene Abtretungsanzeige wie allgemein vorgeschrieben noch am Eingangstage zumindest dem zuständigen Sachgebietsleiter (oder dessen Vertreter) vorgelegt und von diesem auch noch am selben Tage zur Kenntnis genommen worden sei". Das FG hat damit anhand bestimmter Tatsachen -- Eingang der Abtretungsanzeige am 16. Februar 1989, allgemeine Anweisung zur unverzüglichen Vorlage der Posteingänge beim Sachgebietsleiter -- gefolgert, daß der zuständige Vertreter des FA noch am Eingangstage der Anzeige, d. h. jedenfalls vor Erlaß der Umbuchungsmitteilung vom 17. Februar 1989, positive Kenntnis von der Abtretung des Steuererstattungsanspruchs des G an die Klägerin hatte. Diese Begründung trägt unabhängig von der vorstehend (3. a) dargestellten -- fehlerhaften -- Rechtsauffassung des FG die Entscheidung der Vorinstanz, daß eine etwaige Aufrechnungserklärung des FA vom 17. Februar 1989 (Umbuchungsmitteilung an den Zedenten G) der Klägerin gegenüber nach § 407 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB keine Wirkung entfaltet.
Bei der Annahme des FG, daß der zuständige Vertreter des FA die Abtretungsanzeige noch am Tage ihres Eingangs bei der Behörde (16. Februar 1989) zur Kenntnis genommen hat, handelt es sich um eine Schlußfolgerung tatsächlicher Art, an die der erkennende Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Rz. 29, 39), es sei denn, daß in bezug auf diese Tatsachenwürdigung zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht worden sind oder die Folgerung mit den Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen unvereinbar ist. Die Gesamtwürdigung durch das FG bindet das Revisionsgericht auch dann, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist (BFH- Urteil vom 27. August 1991 VIII R 84/89, BFHE 165, 330, 336, BStBl II 1992, 9; Gräber/Ruban, a. a. O., § 118 Rz. 40 m. w. N.).
Im Streitfall liegt ein Verstoß des FG gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze nicht vor. Die Annahme, daß ein Schriftstück noch am Tage seines Posteingangs beim FA dem zuständigen Bearbeiter zur Kenntnis gelangt, ist nicht denkgesetzlich unmöglich. Es gibt auch keinen entgegenstehenden Erfahrungssatz, nach dem diese Schlußfolgerung tatsächlicher Art nicht möglich sein könnte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man mit dem FG -- logisch zwingend -- von der Tatsachenwürdigung ausgeht, daß die am 16. Februar 1989 eingegangene Abtretungsanzeige, wenn auch nicht am selben, so doch jedenfalls am folgenden Tage -- und damit noch vor der Absendung der Umbuchungsmitteilung vom 17. Februar 1989 -- dem zuständigen Vertreter (Bearbeiter) des FA bekanntgeworden ist.
Die Revision hat zwar gegen die vorstehend dargelegte Tatsachenwürdigung des FG die Rüge der ungenügenden Sachverhaltsaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) erhoben. Diese Verfahrensrüge entspricht aber nicht den Zulässigkeitsanforderungen gemäß § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO. Hierzu hätte das FA zumindest vortragen müssen, welche Beweisanträge das FG übergangen hat, bzw. -- falls die Verletzung der Amtsermittlungspflicht gerügt werden sollte -- die Beweismittel angeben müssen, die das FG nicht erhoben hat, deren Erhebung sich ihm aber auch ohne besonderen Antrag als noch erforderlich hätte aufdrängen müssen (Gräber/Ruban, a. a. O., § 120 Rz. 40 m. w. N.). Derartige, die Verletzung der Sachaufklärungspflicht betreffende Revisionsgründe hat das FA nicht vorgebracht.
Es hat lediglich hypothetische Geschehensabläufe dargelegt, bei denen die tatsächliche Schlußfolgerung des FG, daß der zuständige Bedienstete des FA noch am Tage des Eingangsstempels auf der Abtretungsanzeige (16. Februar 1989) von der Abtretung Kenntnis genommen hat, nicht zutreffen solle: angebrachter Eingangsstempel "16. 2. 1989", obwohl das Schriftstück erst am Morgen des 17. Februar 1989 aus dem Hausbriefkasten entnommen wurde, weil es schon am Vortage dort eingeworfen worden sein kann; entsprechende Vergrößerung der Diskrepanz zwischen Eingangsstempel und tatsächlichem Eingang an den Wochenenden (bei allen am Montagmorgen im Briefkasten vorgefundenen Schriftstücken wird als Eingangsdatum der vorangegangene Freitag dokumentiert). Abgesehen davon, daß solche hypothetische Geschehensabläufe keine zur Begründung einer Verfahrensrüge geeigneten Tatsachen i. S. des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO enthalten, liegen sie im Streitfall auch nicht vor. Das Datum des Eingangsstempels auf der Abtretungsanzeige fällt auf einen Donnerstag, so daß mit ihm keine Rückdatierung von Eingängen erfolgt sein kann, die im Verlaufe eines Wochenendes in den Hausbriefkasten eingeworfen worden sind. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin ist ferner die Abtretungsanzeige dem FA mit der Post übersandt worden und nicht am Abend in den Hausbriefkasten des FA eingeworfen worden. Das FG konnte deshalb davon ausgehen, daß der Eingangsstempel (,16. 2. 1989") den Tag des tatsächlichen Zugangs des Schriftstücks dokumentiert und daraus die zwar nicht zwingende, aber mögliche Schlußfolgerung ziehen, daß der zuständige Vertreter des FA noch am selben Tage (oder jedenfalls bis zum Erlaß der Umbuchungsmitteilung vom 17. Februar 1989) von der Abtretung Kenntnis erlangt hat.
Es kann deshalb unentschieden bleiben, ob hier nicht als maßgeblicher Zeitpunkt für die Kenntnis des FA sogar erst auf den (späteren) Zugang der Umbuchungsmitteilung als Aufrechnungserklärung beim Altgläubiger abzustellen ist oder ob hierfür als Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, worauf die herrschende Meinung abstellt (vgl. Roth, a. a. O., § 407 Rdnr. 17) die Absendung der Umbuchungsmitteilung genügt. Da die Aufrechnung -- auch im öffentlichen Recht -- durch Abgabe einer Willenserklärung gegenüber dem anderen Teile erfolgt (§ 388 BGB), mußte die Kenntnis des FA von der Abtretung gemäß § 407 Abs. 1 BGB jedenfalls nicht bereits bei der kassenmäßigen Umbuchung als solcher oder im Zeitpunkt der für die Umbuchungsmitteilung maßgeblichen Verfügung als behördeninterne Vorgänge bestehen.
4. Für die Richtigkeit der auf eine tatsächliche Schlußfolgerung (Kenntnis des FA von der Abtretung) gestützten Entscheidung des FG, daß die Klägerin als Neugläubigerin des Erstattungsanspruchs eine Aufrechnung des FA gegenüber dem bisherigen Gläubiger nach § 407 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB nicht gegen sich gelten lassen muß, spricht auch die hinsichtlich dieser Vorschrift geltende Beweislastverteilung. Grundsätzlich obliegt die Beweislast für die Kenntnis des Schuldners von der Abtretung dem Zessionar; ist dem Schuldner aber -- wie im Streitfall -- eine Abtretungsanzeige zugegangen, so wird vermutet, daß er Kenntnis von der Abtretung hatte, d. h. der Schuldner muß seine Unkenntnis darlegen (vgl. Roth, a. a. O., § 407 Rdnr. 17 und 27; Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 407 Rdnr. 9 m. w. N.). Da das FA nach seinem Vorbringen die aufgrund des Zugangs der Abtretungsanzeige bestehende Vermutung seiner Kenntnis von der Abtretung nicht widerlegen kann, wäre auch nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast (Feststellungslast) entsprechend dem Urteil des FG zu entscheiden.
Das FG hat somit zu Recht dem Antrag der Klägerin auf Änderung des ihr erteilten Abrechnungsbescheids entsprochen. Die Revision des FA war deshalb als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Fundstellen