Leitsatz (amtlich)
Ebenso wie die vereinbarte Rückbeziehung des Eintritts oder Austritts des Gesellschafters einer Personengesellschaft in der Regel steuerlich nicht anerkannt wird, sind auch am Ende des Wirtschaftsjahres getroffene, von der bisherigen Regelung abweichende Vereinbarungen über die Verteilung des Gewinns des ablaufenden Jahres steuerlich ohne Wirkung. Das gilt auch, wenn im Rahmen eines Auseinandersetzungsvertrages mit einem ausscheidenden Gesellschafter vereinbart wird, daß er vom laufenden Gewinn des letzten Wirtschaftsjahres einen geringeren Anteil erhalten soll, als ihm nach dem Gesellschaftsvertrag an sich zusteht.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist für die Veranlagungszeiträume 1962 und 1963
1. ob die Kläger als Erben des am 24. Juni 1962 verstorbenen Gesellschafters der OHG bis zum Abschluß des Auseinandersetzungsvertrags mit dem überlebenden Gesellschafter am 28. Juni 1963 Mitunternehmer der Gesellschaft waren, und wenn ja
2. in welcher Höhe die ihnen vom überlebenden Gesellschafter bezahlte Abfindungssumme auf ihren Anteil am laufenden Gewinn für die Streitjahre entfällt.
An der OHG waren die Gesellschafter G. und F. bis zum Tode von F. mit je 50 % beteiligt. Ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag war nicht abgeschlossen worden. F. starb am 24. Juni 1962. Er wurde von den Klägern beerbt, und zwar von der Ehefrau zu 1/2 und seinen beiden Kindern zu je 1/4. Die Liquidation der OHG wurde am 18. April 1963 im Handelsregister eingetragen.
Nachdem man ein Jahr über die Auseinandersetzung verhandelt hatte, schlossen die Kläger mit dem überlebenden Gesellschafter G. am 28. Juni 1963 einen Auseinandersetzungsvertrag ab. Der hier wesentliche Inhalt dieses Vertrages lautet:
§ 1
Durch den am 24. Juni 1962 eingetretenen Tod des Mitgesellschafters F. ist die offene Handelsgesellschaft G. und F. mit dem Todestage des F. aufgelöst.
§ 2
Herr Fabrikant G. übernimmt mit Wirkung vom 1. Juli 1963 an das von der Gesellschaft betriebene Handelsgeschäft mit Aktiven und Passiven als Alleineigentümer unter der bisherigen Firma. Die Erschienenen zu 2) - die Kläger - willigen in die Fortführung des Unternehmens unter der bisherigen Firma ein....
§ 3
Herr Fabrikant G. zahlt an die Erschienenen zu 2) - die Kläger - als Abfindungssumme einen Betrag von 302 000 DM. Davon werden 200 000 DM sofort bezahlt, während die restlichen 102 000 DM nach endgültiger Abwicklung und Feststellung der Bilanzen für 1962 und per 30. Juni 1963, spätestens jedoch am 31. Dezember 1963 gezahlt werden.
Bei der einheitlichen Gewinnfeststellung der Streitjahre 1962 und 1963 rechnete das FA für die Zeit vom 1. Juli 1962 bis 30. Juni 1963 den Gewinn der OHG zur Hälfte den Klägern zu. Im einzelnen wurden den Klägern für das zweite Halbjahr 1962 neben Kapitalzinsen ein Gewinnanteil von 74 732,37 DM und für das erste Halbjahr 1963 neben Kapitalzinsen ein Gewinnanteil von 83 976,33 DM, insgesamt also ein Gewinnanteil von 158 708,70 DM zugerechnet. Nach Kürzung der Abfindungssumme um diesen Betrag ergab sich für die Kläger am 30. Juni 1963 noch ein Veräußerungsgewinn von 20 523 DM. Gegen die Gewinnfeststellungsbescheide legten die Kläger Einspruch ein, der durch Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 1965 (zugestellt am 9. Juli 1965) als unbegründet zurückgewiesen wurde. Mit der Berufung (ab. 1. Januar 1966 als Klage behandelt) machten die Kläger geltend, daß sie mit dem 30. Juni 1962 aus der OHG ausgeschieden seien und deshalb nicht bis 30. Juni 1963 als Mitunternehmer angesehen werden könnten.
Sachlich hatte die Klage teilweise Erfolg, da das FG den Anteil der Kläger am laufenden Gewinn zu Lasten ihres Veräußerungsgewinns herabsetzte.
Gegen die Vorentscheidung legten die Kläger und G. Revision ein.
G. stellte mit seiner fristgemäß begründeten Revision den Antrag, das FG-Urteil aufzuheben und die Gewinne entsprechend den Feststellungsbescheiden des FA festzusetzen.
Entscheidungsgründe
Ausden Gründen:
I.
Die Revision der Kläger ist wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist nicht zulässig:...
II.
Die Revision des beigeladenen G. hat jedoch Erfolg:
Die Entscheidung der Frage, ob die Kläger mit dem Tode des F. an dessen Stelle Mitunternehmer der OHG geworden sind, hängt von der bürgerlich- und handelsrechtlichen Rechtslage ab (vgl. Urteil des BFH vom 21. August 1962 I 82/60 U, BFHE 76, 482, BStBl III 1963, 178). Gemäß § 131 Nr. 4 HGB wurde mit dem Tode des Gesellschafters F. am 24. Juni 1962 die Zweimann-OHG aufgelöst, da für diesen Fall weder eine Fortsetzung der Gesellschaft mit einem oder sämtlichen Erben, noch eine Übernahme der Firma durch den überlebenden Gesellschafter G. vorgesehen war. Die Auflösung der OHG bedeutet aber nicht das Erlöschen des Gesellschaftsverhältnisses, sondern den Eintritt in das Stadium der Auseinandersetzung, während der die OHG ihre Rechtsnatur als Gesamthandsgemeinschaft und gewerbliches Unternehmen beibehielt. Da keine andere Art der Auseinandersetzung zwischen G. und den Klägern vereinbart wurde, ist damit die OHG gemäß §§ 145 ff. HGB zugleich in das Stadium der Liquidation eingetreten, d. h. sie wurde Liquidationsgesellschaft, die hier allerdings noch werbend tätig war (vgl. BGHZ 1, 324). Die Kläger wurden bis zum Abschluß der Auseinandersetzung durch den Auseinandersetzungsvertrag vom 28. Juni 1963 und der damit verbundenen vorzeitigen Beendigung der Liquidation Gesellschafter der Liquidationsgesellschaft. Von dieser Rechtslage ist die Vorentscheidung ausgegangen. Sie entsprach auch der Auffassung der Kläger und des beigeladenen G., wie die Anmeldung der Liquidation beim Handelsregister und der Auseinanderset zungsvertrag vom 28. Juni 1963, in dem die Übernahme des Unternehmens durch G. erst ab 1. Juli 1963 festgelegt ist, beweisen. Die OHG hätte nur dann nicht vom 24. Juni 1962 bis 1. Juli 1963 als Liquidationsgesellschaft bestanden, wenn G. und die Kläger schon im Zeitpunkt der Auflösung der OHG übereingekommen wären, daß G. gegen Abfindung der Kläger das Unternehmen der aufgelösten OHG mit Aktiven und Passiven übernehmen sollte. Das ist aber hier nicht geschehen. Es ist nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz ausgeschlossen, eine auf den Todestag des F. zurückbezogene Wirksamkeit des Auseinandersetzungsvertrages vom 28. Juni 1963 anzunehmen, mit der Folge, daß der OHG-Anteil des F. unmittelbar von F. auf G. übergegangen ist. Ein derartiges und über ein Jahr zurückwirkendes Ausscheiden aus einer Gesellschaft wird steuerlich nicht anerkannt. Es widerspräche auch dem Willen der Vertragsparteien, wie der Vortrag des G. und der Auseinandersetzungsvertrag selbst beweisen (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juni 1967 IV 190/63, BFHE 89, 334, BStBl III 1967, 630).
Wenn danach die Kläger bis zum 30. Juni 1963 als Erben des F. Gesellschafter der weiterhin werbend tätigen Liquidationsgesellschaft waren, waren sie auch als Mitunternehmer am Gewinn dieser Gesellschaft beteiligt. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß sie - wie der Erblasser F. - insgesamt zu 50 % am laufenden Gewinn beteiligt waren, danach betrug der Gewinnanteil der Kläger vom 1. Juli 1962 bis 30. Juni 1963 158 708,70 DM, wie das FA angenommen hat.
Das FG ist davon ausgegangen, daß den Klägern durch die Vereinbarung vom 28. Juni 1963 über die Auseinandersetzung insgesamt 101 000 DM von dem nach dem Tod des F. angefallenen laufenden Gewinns zugewiesen wurden, die in Höhe von 48 000 DM auf das Jahr 1962 und in Höhe von 53 000 DM auf das Rumpfwirtschaftsjahr I/1963 entfielen.
Selbst wenn diese Beweiswürdigung des FG eine mögliche Auslegung der Willenserklärungen der Vertragsparteien im Auseinandersetzungsvertrag vom 28. Juni 1963 darstellt, die weder gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln von Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB, § 346 HGB) noch gegen die Denkgesetze und allgemeinen Erfahrungsgrundsätze verstößt, hält der Senat die festgestellten Vereinbarungen über die Änderung der Verteilung der laufenden Gewinne für 1962 und für das Rumpfwirtschaftsjahr I/1963 - im Gegensatz zum FG - für steuerlich unbeachtlich, da sie gegen geltendes Recht verstoßen. Das FG durfte nicht anerkennen, daß die Vertragsparteien mit dem Auseinandersetzungsvertrag die zwischen den Gesellschaftern G. und F. festgelegte Gewinnverteilung für das Jahr 1962 für die Zeit nach dem Tode des F., und für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Januar 1963 bis 30. Juni 1963 auch mit steuerlicher Wirkung rückwirkend ändern konnten. Denn eine rückwirkende Änderung der bestehenden Gewinnverteilung kann steuerlich jedenfalls dann nicht anerkannt werden, wenn die Vereinbarung über die Änderung erst am Ende oder nach Ablauf des betreffenden Wirtschaftsjahres getroffen worden ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH können die rechtlichen Beziehungen zwischen den Gesellschaftern einer Personengesellschaft steuerlich grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft gestaltet bzw. geändert werden. Dieser Grundsatz muß nach Auffassung des Senats für alle derartigen bürgerlich-rechtlichen Verträge in gleicher Weise gelten, also nicht nur für den Eintritt und das Ausscheiden eines Gesellschafters einer Personengesellschaft, sondern auch für Vereinbarungen über die Gewinnverteilung, und zwar selbst dann, wenn die Zurückbeziehung keinen Umgehungstatbestand im Sinne des § 6 StAnpG erfüllt. Es sind keine durchschlagenden Gründe erkennbar, die Frage der Zulässigkeit rückwirkender Vereinbarungen beim Ein- und Austritt von Gesellschaftern einerseits und bei der Gewinnverteilung andererseits unterschiedlich zu behandeln. Die wirtschaftliche Bedeutung solcher Verträge kann sich in ihren Auswirkungen weitgehend entsprechen. Das gilt besonders in Fällen des Ausscheidens von Gesellschaftern aus einer Gesellschaft während des Jahres gegen eine Abfindung. Sowohl die Rückverlegung des Zeitpunktes des Ausscheidens auf das Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres als auch die Änderung der Gewinnverteilung für das laufende Wirtschaftsjahr führen dazu, daß Teile der Abfindungsbeträge vom Ausscheidenden als tarifbegünstigte Veräußerungsgewinne statt als laufender Gewinn versteuert werden (vgl. BFH-Urteile vom 25. Oktober 1960 I 116/60 U, BFHE 72, 249, BStBl III 1961, 94; vom 8. November 1960 I 131/59 S, BFHE 71, 706, BStBl III 1960, 513). Gerade im Urteil I 131/59 S ist ausgesprochen, daß das steuerliche Rückwirkungsverbot auch für Vereinbarungen über die Gewinnverteilung gilt. Das Urteil hebt insbesondere hervor, die Möglichkeit der Rückwirkung nur die Verteilung oder die Zurechnung des Gewinns berührender Verträge könne nicht damit begründet werden, daß sich der Gewinn erst am Ende des Wirtschaftsjahres aus der Aufstellung der Bilanz ergebe und der Einkommensteuer- oder Körperschaftsteueranspruch des Staates auch erst in diesem Zeitpunkt entstehe und deshalb vorher nicht beeinträchtigt werden könne.
Es ist zwar richtig, daß in der nicht zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidung vom 15. Mai 1961 I 273/60 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 15 Rechtsspruch 255) der I. Senat des BFH einerseits den vereinbarten Austritt aus einer Personengesellschaft mit rückwirkender Kraft in der Regel für steuerlich unbeachtlich erklärt hat aber andererseits - allerdings nur als obiter dicta - zum Schluß vermerkt hat, das schließe nicht aus, daß bei der Aufstellung einer Bilanz nach Ablauf des Wirtschaftsjahres wirtschaftlich einleuchtende Gründe die Gesellschafter zu einer von der bisherigen Verteilung abweichenden Verteilung des laufenden Gewinnes auch mit steuerlicher Wirkung veranlassen könnten. Diese letztere Auffassung teilt der erkennende Senat nicht. Denn sie würde als allgemeiner Grundsatz praktisch die Aufgabe der steuerlichen Nichtanerkennung rückwirkender Vereinbarungen zwischen Gesellschaftern für das Gebiet der Gewinnverteilung schlechthin bedeuten. Das FG hat das Urteil offenbar auch so verstanden. Abgesehen von der angeführten Bemerkung hat die Rechtsprechung gegen die Rückbeziehung von gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen nur dann keine Einwände erhoben, wenn es sich dabei nur um eine kurze Zeitspanne handelte, z. B. zwischen dem Tod eines Gesellschafters und der Auseinandersetzung seiner Erben mit dem verbleibenden Gesellschafter nur einige Wochen lagen (vgl. BFH-Entscheidungen vom 20. März 1962 I 63/61 U, BFHE 74, 626, BStBl III 1962, 233; vom 5. Dezember 1963 IV 432/62, StRK, Einkommensteuergesetz, § 5, Rechtsspruch 426). Die nach dem UmwStG mögliche Zeitspanne von sechs Monaten zwischen der Anmeldung des Umwandlungsbeschlusses und dem zurückliegenden Umwandlungsstichtag führt zwar auch zu einer Rückbeziehung eines Gesellschaftsvertrages mit steuerlicher Wirkung (vgl. §§ 2, 3 UmwStG 1969), sie stellt aber einen eigens gesetzlich fixierten Sondertatbestand dar, zu dem der Gesetzgeber aus Gründen der praktischen Durchführbarkeit von Umwandlungen genötigt war.
Im vorliegenden Fall würde sich, wenn man der Ansicht des FG folgen wollte, die Rückwirkung der Änderung der Gewinnverteilung hinsichtlich des Jahres 1962 auf ein volles Jahr und hinsichtlich des Rumpfwirtschaftsjahres I/1963 auf ein halbes Jahr erstrecken. Es handelt sich also für beide Zeiträume um keine kurzen Zeitspannen im Sinne der Rechtsprechung. Es muß deshalb bei der vom FA vorgenommenen Gewinnverteilung 50 : 50 verbleiben. Damit ist die Revision des Beigeladenen G. begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 70372 |
BStBl II 1973, 389 |
BFHE 1973, 495 |