Entscheidungsstichwort (Thema)
Drittvergleich bei Rechtsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen
Leitsatz (NV)
1. Der Drittvergleich dient der Abgrenzung zwischen einer betrieblichen und einer privaten Veranlassung. Er ist bei der Beurteilung von Rechtsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen notwendig, ohne daß darin ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG oder des Grundsatzes des besonderen Schutzes von Ehe und Familie des Art. 6 GG erblickt werden kann.
2. Darlehenszinsen sind nicht als Betriebsausgaben abziehbar, wenn die Vertragsparteien nicht das tatsächlich durchführen, was sie vereinbart haben.
3. Das FA ist an die Verfahrensweise für vergangene Veranlagungszeiträume grundsätzlich nicht gebunden.
Normenkette
GG Art. 3, 6; EStG § 4 Abs. 4, § 12
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt in der Rechtsform einer KG ein Einzelhandelsgeschäft, verbunden mit einer Reparaturwerkstatt. Persönlich haftender Gesellschafter sind die Brüder X und Y; Kommanditistin ist deren Mutter, die Beigeladene.
Die Gesellschafter haben feste Kapitaleinlagen erbracht. Über die Kapitaleinlagen hinausgehende Guthaben der Gesellschafter werden als Darlehen behandelt. Die Gesellschafter erhalten feste Vergütungen für die Geschäftsführertätigkeit und die Mitarbeit im Betrieb. Die Kapitalkonten und Darlehenskonten sind mit 2 v. H. über dem jeweiligen Landeszentralbank-Diskontsatz zu verzinsen. Der danach verbleibende Gewinn oder Verlust wird auf die Gesellschafter zu je 1/3 aufgeteilt (§ 3 Abs. 7, § 4 Abs. 4, § 7 des Gesellschaftsvertrags).
Jeder Gesellschafter kann über sein Guthaben auf seinem Darlehenskonto frei verfügen, soweit nicht dadurch die Zahlungsbereitschaft des Unternehmens gefährdet wird oder die Kapitaleinlagen bis zur Höhe der vereinbarten Beträge aufzufüllen sind. Bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet die Gesellschafterversammlung, bei der jeder Gesellschafter gleiches Stimmrecht hat (§§ 5, 8 des Gesellschaftsvertrags).
Die Beigeladene hat ihren Enkelkindern A, B, C, D von dem auf ihrem Darlehenskonto verbuchten Guthaben je 50 000 DM geschenkt. Hierzu wurde zwischen der Beigeladenen und den jeweils durch ihre Eltern vertretenen Enkelkindern notariell beurkundete Verträge geschlossen, und zwar am . . . Dezember 1972 und am . . . Dezember 1973 über je 20 000 DM. Am . . . Oktober 1977 wurden die zum Jahresende 1976 mündlich vereinbarten und bilanzmäßig ausgewiesenen Schenkungen von weiteren 30 000 DM in notariellen Protokollen bestätigt. § 1 der Schenkungsverträge vom . . . Dezember 1972 und vom . . . Dezember 1973 lautete wie folgt:
,,§ 1
. . .
Vom Darlehensguthaben übereignet die Erschienene zu 1) ,- die Beigeladene -` hiermit im Wege der Schenkung an ihre Enkel . . . einen Betrag von 20 000 DM. In dieser Höhe geht die Darlehensforderung der Erschienenen zu 1) gegenüber der Firma X in . . . auf . . . über.
Verzinsung und Fälligkeit des Darlehens entspricht den hierfür in dem Gesellschaftsvertrag vom . . . März 1971 niedergelegten Bedingungen. . . ."
Entsprechende Angaben über Verzinsung und Fälligkeit der Darlehen über die weiteren 30 000 DM sind auch in notariellen Protokollen vom . . . Oktober 1977 enthalten.
Über die geschenkten Beträge wurden bei der Klägerin Darlehenskonten zugunsten der Enkelkinder eingerichtet. Die Darlehen wurden in den Streitjahren gleichbleibend mit jährlich 8 v. H. verzinst. Dadurch ergab sich folgende Kontenentwicklung: . . .
Die Darlehensverpflichtung enthält neben den Schenkungen der Beigeladenen einen Betrag von 1600 DM, den der Gesellschafter Y seiner Tochter 1973 zur Angleichung an die Darlehenskonten der anderen Enkelkinder geschenkt hat.
Die Zinsen sind als Betriebsausgaben der Klägerin behandelt worden. Nach einer Betriebsprüfung im Mai 1978 vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß die Schenkungen steuerrechtlich nicht anzuerkennen und die Zinsen nicht als Betriebsausgaben abziehbar sind. Das FA änderte die Gewinnfeststellungen 1973 bis 1976 entsprechend.
Der Einspruch blieb erfolglos.
Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) die Gewinne auf . . . fest. Das FG führt aus, bei den Zinsen handele es sich um Betriebsausgaben der Klägerin. Die Darlehensforderungen sowie die hiermit verbundenen Zinsansprüche seien in zivilrechtlich und steuerrechtlich wirksamer Weise auf die Enkelkinder der Beigeladenen übergegangen. Es sei jeweils um ein einziges Rechtsgeschäft gegangen, nämlich um die Abtretung einer Darlehensforderung und nicht etwa - wie sonst in diesen Fällen üblich - um zwei verschiedene Rechtsgeschäfte, d. h. eine Schenkung mit anschließender Darlehensgewährung. Aus der Besprechungsnotiz vom 1. Dezember 1976 ergebe sich, daß auch hinsichtlich der erst 1977 beurkundeten Schenkungen schon 1976 konkrete Vereinbarungen getroffen wurden. Ohne entscheidende Bedeutung sei unter diesen Umständen, daß der schenkweisen Forderungsabtretung und der damit verbundenen Änderung steuerrechtlicher Zurechnung der Darlehens- wie auch der Zinsforderungen Verträge zwischen Verwandten zugrunde lägen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 1, § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 und § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Klägerin hält daran fest, daß die Zinsen als Betriebsausgaben abziehbar sind. Der zivilrechtliche Anspruch auf die Darlehenszinsen begründe steuerrechtliche Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt seien. Auf die Person des Gläubigers bzw. seine Beweggründe, aus denen er die Schuld entstehen lasse, komme es nicht an. Ob eine Schuld zum Betriebsvermögen gehöre, sei nach objektiven und nicht nach subjektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Das FA führe in seiner Revisionsbegründung Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) an, die auf den Sachverhalt nicht zutreffen. So sei es unrichtig, davon auszugehen, daß die Zinsen mit Unterhaltsverpflichtungen verrechnet worden seien. Eine Verrechnung der Zinsen mit Unterhaltsverpflichtungen sei weder seitens der Klägerin noch der Väter oder der Großmutter vorgenommen worden.
Die Darlehensansprüche seien in zivilrechtlich wirksamer Weise schenkweise auf die Enkelkinder mit der Konsequenz eines Wechsels in der Person des Gläubigers übertragen worden. Der Frage der Besicherung der Darlehen könne keine erhebliche Bedeutung zukommen. Auch für einen fremden Dritten als Darlehensgeber wäre die Vermögens- und Ertragslage von entscheidender Bedeutung. Die Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage des Darlehensschuldners sei nachweislich gut. Die Klägerin sei Eigentümerin erheblichen Grundvermögens in bester Lage. Ein fremder Dritter würde aufgrund der günstigen Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage die Rückzahlung seiner Darlehensforderung, die mit einer Verzinsung von 8 v. H. ausgestattet sei, nicht gefährdet sehen, zumal über das Darlehen nach dem Gesellschaftsvertrag jederzeit verfügt werden könne.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage. Zu Unrecht geht das FG davon aus, für die steuerrechtliche Beurteilung sei ohne entscheidende Bedeutung, daß die Vereinbarungen zwischen Verwandten getroffen wurden.
1. a) Nach § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Eine betriebliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein wirtschaftlicher oder tatsächlicher Zusammenhang mit dem Betrieb besteht. Davon kann bei einem Vertrag zwischen nahen Angehörigen nach ständiger Rechtsprechung nur ausgegangen werden, wenn die Vereinbarung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zustande gekommen ist und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten - abgesehen von ihrem möglicherweise zwischen Fremden nicht üblichen Entstehungsgrund (Schenkung) - dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (vgl. BFH-Urteile vom 14. April 1983 IV R 198/80, BFHE 138, 359, BStBl II 1983, 555 m. w. N.; vom 22. Mai 1984 VIII R 35/84, BFHE 142, 28, BStBl II 1985, 243 m. w. N.; vom 20. März 1987 III R 197/83, BFHE 149, 464, BStBl II 1988, 603; vom 7. Mai 1987 IV R 73/85, BFH/NV 1987, 765; vom 20. September 1990 IV R 17/89, BStBl II 1991, 18). Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, daß die Vertragsbeziehungen tatsächlich im betrieblichen und nicht im privaten Bereich (§ 12 EStG) wurzeln. Der Große Senat des BFH hat diesen Rechtsgrundsatz mit Beschluß vom 27. November 1989 GrS 1/88 (BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160) erneut bekräftigt.
b) Dieser Rechtsgrundsatz ist auch zu beachten, wenn Vereinbarungen nicht unmittelbar zwischen Angehörigen, sondern zwischen einer Personengesellschaft und Angehörigen der Gesellschafter geschlossen sind und die Gesellschafter, mit deren Angehörigen die Verträge bestehen, die Gesellschaft beherrschen (vgl. BFH-Urteile vom 15. Dezember 1988 IV R 29/86, BFHE 155, 543, BStBl II 1989, 500 m. w. N.; in BStBl II 1991, 18).
Der Drittvergleich dient der Abgrenzung zwischen einer betrieblichen und einer privaten Veranlassung. Er ist daher bei der Beurteilung von Rechtsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen notwendig, ohne daß darin ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) oder des Grundsatzes des besonderen Schutzes von Ehe und Familie des Art. 6 GG erblickt werden kann.
Bei Rechtsverhältnissen zwischen fremden Dritten führt der natürliche Interessengegensatz regelmäßig dazu, daß eine private Veranlassung bei der Gestaltung und Durchführung von Verträgen ausscheidet. Demgegenüber liegt es bei Angehörigen nahe, daß Vertragsbeziehungen im privaten Bereich wurzeln. Der Vergleich von Rechtsverhältnissen zwischen Angehörigen mit den üblichen Rechtsverhältnissen zwischen fremden Dritten ist somit unverzichtbar, um auf die wirkliche Veranlassung eines Rechtsgeschäfts schließen zu können.
Der Senat sieht im Fremdvergleich keine unzulässige Benachteiligung von Angehörigen und keine Beschränkung der Vertragsfreiheit. Auch Angehörigen steht es frei, ihre Rechtsverhältnsise untereinander so zu gestalten und durchzuführen, daß sie für sie steuerlich möglichst günstig sind. Das Vereinbarte muß nach Inhalt und Durchführung aber dem entsprechen, was fremde Dritte bei der Gestaltung eines entsprechenden Rechtsverhältnisses üblicherweise vereinbaren und durchführen würden.
2. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt, daß die Revision begründet ist. Die Darlehenszinsen sind nicht als Betriebsausgaben abziehbar.
Die Darlehensverträge sind zwischen der Klägerin und den Enkelkindern der Beigeladenen - also zwischen der Klägerin einerseits und nahen Angehörigen des Gesellschafters einer Familiengesellschaft andererseits - geschlossen worden. Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob der Betriebsausgabenabzug zu versagen ist, weil Kapital langfristig ohne Bestellung von Sicherheiten überlassen worden ist (vgl. BFH-Urteile vom 16. März 1977 I R 213/74, BFHE 121, 458, BStBl II 1977, 414; vom 25. Januar 1979 IV R 34/76, BFHE 127, 364, BStBl II 1979, 434; vom 19. Dezember 1979 I R 176/77, BFHE 129, 475, BStBl II 1980, 242; in BFHE 138, 359, BStBl II 1983, 555; in BFH/NV 1987, 765; in BFHE 149, 464, BStBl II 1988, 603; vom 12. Januar 1989 IV R 47/87, BFH/NV 1990, 163). Der Senat kann auch dahinstehen lassen, ob sich aus dem BFH-Urteil in BStBl II 1991, 18 für den Streitfall Folgerungen ergeben. Denn die Vertragsparteien haben nicht das tatsächlich durchgeführt, was sie vereinbart haben.
Die Darlehen sind nach den Feststellungen des FG in den Streitjahren gleichbleibend mit jährlich 8 v. H. verzinst worden. Dies entspricht nicht § 3 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages, dessen Regelungen nach § 1 Abs. 3 der Schenkungsverträge und nach den notariellen Bestätigungen der Schenkungen des Jahres 1976 für Verzinsung und Fälligkeit der Darlehen maßgebend waren. Nach der genannten Vorschrift des Gesellschaftsvertrages waren Darlehensguthaben mit 2 v. H. über dem jeweiligen Landeszentralbank-Diskontsatz zu verzinsen.
Das FA hat bereits in der Einspruchsentscheidung zu Recht darauf hingewiesen, daß die Abweichung von dem vertraglich Vereinbarten zur Versagung des Betriebsausgabenabzugs führt. Der Hinweis der Klägerin in der Klageschrift, es erscheine nicht fair, den Abzug der Zinsen mit dieser Begründung zu versagen, weil die Betriebsprüfung für die Jahre 1968 bis 1971 den Betriebsausgabenabzug nicht aus diesem Grund verwehrt hat, kann zu keiner anderen Beurteilung führen.
Die Gewinnfeststellung ist vom FA jeweils für einen Veranlagungszeitraum durchzuführen. Dabei ist das FA an die Verfahrensweise für vergangene Veranlagungszeiträume grundsätzlich nicht gebunden, es sei denn, das FA hat eine zulässige und wirksame Zusage gegeben, einen Sachverhalt auch künftig in bestimmter Weise steuerrechtlich zu behandeln (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Urteile vom 25. November 1975 VIII R 116/74, BFHE 117, 247, 252, BStBl II 1976, 155, 158 m. w. N.; vom 13. September 1988 V R 155/84, BFHE 1989, 430; vom 5. Dezember 1989 VIII R 322/84, BFH/NV 1990, 499; Koch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 4 Rz. 37; Kühn / Kutter / Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 4 Abgabenordnung Anhang, Bem. 5 b dd). Eine verbindliche Zusage der Finanzbehörden, den Sachverhalt im von der Klägerin begehrten Sinn zu behandeln, ist im Streitfall nicht erteilt worden.
Fundstellen
Haufe-Index 417560 |
BFH/NV 1991, 667 |