Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendiger Inhalt einer Verlustübernahmevereinbarung in Fällen des § 17 KStG
Normenkette
KStG 1999 § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 S. 1, § 17 Abs. 2 Nr. 2; AktG § 302
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, schloss am 2. Oktober 2001 mit ihrer alleinigen Gesellschafterin, der GmbH II, einen Gewinnabführungsvertrag. In dem Vertrag verpflichtete sich die GmbH II, "jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, daß … den freien Rücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind …". Dem Vertrag stimmte die Gesellschafterversammlung der Klägerin zu; er wurde in das Handelsregister eingetragen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, ein körperschaftsteuerrechtliches Organschaftsverhältnis mit einer GmbH als Organgesellschaft setze gemäß § 17 Satz 2 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1999) eine Vereinbarung entsprechend den Vorschriften des § 302 des Aktiengesetzes (AktG) und damit sowohl dessen Abs. 1 als auch Abs. 3 voraus. Der Gewinnabführungsvertrag zwischen der Klägerin und der GmbH II enthalte zwar eine dem § 302 Abs. 1 AktG a.F. vergleichbare Verpflichtung zum Ausgleich des sonst entstehenden Jahresfehlbetrags. Es fehle jedoch eine dem § 302 Abs. 3 AktG a.F. entsprechende Abrede, auf den Anspruch auf Ausgleich grundsätzlich nicht vor Ablauf von drei Jahren nach der Beendigung des Vertrages zu verzichten oder sich über ihn zu vergleichen. Das FA erkannte deshalb das Organschaftsverhältnis nicht an. Dementsprechend rechnete es das Einkommen der Klägerin dieser und nicht der GmbH II zu.
Die Klage gegen den hiernach geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2001 war erfolgreich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Köln vom 22. Juni 2005 13 K 5299/04 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1643 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 17 KStG 1999 und beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie ist der Ansicht, § 302 AktG a.F. sei nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) auch ohne ausdrückliche Vereinbarung im GmbH-Konzern entsprechend anzuwenden. Deshalb dürfe eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft nicht mehr allein mit der Begründung abgelehnt werden, dass im Ergebnisabführungsvertrag die Vereinbarung einer Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG a.F. fehle. Im Übrigen sei der Gewinnabführungsvertrag durch Vereinbarung vom 24. April 2002 um die Verlustübernahme nach Maßgabe von § 302 AktG a.F. ergänzt worden. Dieser Ergänzungsvereinbarung habe die Gesellschafterversammlung zugestimmt; sie sei auch in das Handelsregister eingetragen worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung. Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsverhältnisses zwischen der Klägerin und der GmbH II lagen im Streitjahr nicht vor, weil der Ergebnisabführungsvertrag vom 2. Oktober 2001 keine Vereinbarung enthielt, die dem § 302 Abs. 3 AktG a.F. entsprach.
Verpflichtet sich eine GmbH zur Gewinnabführung, so verlangt § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 1999 für die Anerkennung der Organschaft u.a., dass eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG a.F. vereinbart wird. Wie der erkennende Senat durch Urteil vom 29. März 2000 I R 43/99 (BFH/NV 2000, 1250; vgl. auch bereits Urteil vom 17. Dezember 1980 I R 220/78, BFHE 132, 285, BStBl II 1981, 383) entschieden hat, muss der Ergebnisabführungsvertrag eine dem § 302 Abs. 1 und Abs. 3 AktG a.F. entsprechende Vereinbarung enthalten. Die jüngere zivilrechtliche Rechtsprechung zum GmbH-Konzern, wonach § 302 AktG a.F. zivilrechtlich analog anzuwenden ist (vgl. BGH-Beschluss vom 24. Oktober 1988 II ZB 7/88, BGHZ 105, 324; BGH-Urteile vom 14. Dezember 1987 II ZR 170/87, BGHZ 103, 1; vom 11. November 1991 II ZR 287/90, BGHZ 116, 37; vom 11. Oktober 1999 II ZR 120/98, BGHZ 142, 382) ändert daran nichts.
An dem Senatsurteil in BFH/NV 2000, 1250, auf dessen Begründung und auch Rechtsprechungs- und Schrifttumsnachweise im Einzelnen, um Wiederholungen zu vermeiden, Bezug genommen wird, ist festzuhalten. Die von § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 1999 nach wie vor geforderte Vereinbarung einer entsprechenden Anwendung des § 302 AktG a.F. wird auch infolge der mittlerweile gefestigten Spruchpraxis der Zivilgerichte nicht entbehrlich oder --so die Vorinstanz (s. ebenso Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 17 KStG Rz. 9)-- "sinnlos". Der Senat hat in dem zitierten Urteil ausgeführt, dass Regelungswortlaut ebenso wie Regelungszweck das zusätzliche und spezifisch steuerliche Vereinbarungserfordernis rechtfertigen. Dem sind unbeschadet einer bisweilen geäußerten rechtspolitischen Missbilligung die jüngere Rechtsprechung (vgl. Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 23. September 2004 2 K 264/01, EFG 2005, 1892) sowie die jüngeren Schrifttumsbekundungen überwiegend gefolgt (vgl. z.B. Neumann in Gosch KStG, § 17 Rz. 11, m.w.N.; im Ergebnis wohl auch Walter in Ernst & Young, KStG, § 17 Rz. 12; Pache in Herrmann/Heuer/Raupach, § 17 KStG Anm. 33; Dötsch in Kessler/ Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, § 5 Rz. 74; Witt/Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, § 17 KStG n.F. Rz. 22 ff.; Fatouros, Finanz-Rundschau 2006, 163; anders Frotscher, ebenda). Auch die Vertragspraxis hat sich darauf überwiegend eingestellt.
Das Jahresergebnis der Klägerin ist deswegen nicht der GmbH II zuzurechnen. Die im Streitfall gegebene Besonderheit, dass die ausdrückliche vertragliche Einbeziehung von § 302 AktG a.F. in dem dem Streitjahr folgenden Wirtschaftsjahr in einer Ergänzungsvereinbarung nachgeholt worden ist, lässt dieses Ergebnis unberührt. Die in § 17 Satz 1 KStG 1999 für den GmbH-Konzern angeordnete entsprechende Anwendung von § 14 KStG 1999 betrifft auch die Voraussetzungen zu Beginn und Ende der Wirksamkeit des Ergebnisabführungsvertrages. Der Vertrag muss also gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 KStG 1999 auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden. Diese zeitlichen Erfordernisse erstrecken sich gleichermaßen auf die Einbeziehung der Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG a.F. gemäß § 17 Satz 2 KStG 1999. Das vom FG vertretene Regelungsverständnis (vgl. insoweit auch Walter in Ernst & Young, a.a.O., § 17 Rz. 12.1), wonach die letztere Vereinbarung nur irgendwann während der vertraglichen Laufzeit geschlossen werden müsste, widerspräche dem Sinnzusammenhang der Vorschrift; § 17 Satz 2 KStG 1999 ergänzt lediglich den steuerlich notwendigen Vertragsinhalt, nimmt diese Ergänzung indes nicht von den grundsätzlich zu beachtenden Zeitbedingungen gemäß § 14 KStG 1999 aus.
Da die Vorinstanz eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, war ihr Urteil aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1580784 |
HFR 2006, 1009 |